TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/13 W222 1424719-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.02.2019
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Entscheidungsdatum

13.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W222 1424719-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Obregon als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.02.2017, Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.11.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 10 Abs. 3, 55 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG iVm §§ 46, 52 Abs. 3 und Abs. 9, 55 Abs. 1 bis Abs. 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 29.11.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 01.02.2012 gemäß §§ 3 und 8 AsylG 2005 abgewiesen wurde. Unter einem wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen.

Die Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde mit in Rechtskraft erwachsenem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 17.01.2013, Zl. C12 424.719-1/2012/4E gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 sowie § 10 AsylG 2005, abgewiesen.

Am 12.12.2016 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005.

Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 23.02.2017 legte der Beschwerdeführer ein Konvolut an Unterlagen vor und gab im Wesentlichen an, dass in seiner Heimat seine Mutter und sein Bruder leben würden. Er sei am 29.11.2011 schlepperunterstützt und illegal nach Österreich gekommen. Er sei nicht verheiratet. Er lebe in einer Mietwohnung und der Mietzins betrage 420,- Euro. Er habe keine Verwandten hier in Österreich. Er spreche Punjabi und ein bisschen Deutsch. Er habe 2006 einen Deutschkurs besucht, aber die Prüfung leider nicht ablegen können. Ansonsten habe er keine Ausbildung genossen. Er arbeite hier in Österreich als Speisezusteller und verdiene 1.700,- Euro netto. In seiner Freizeit gehe er mit Freunden spazieren und sie kochen zusammen. In einem Verein ist er nicht aktiv und er betätige sich auch nicht sozial.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.02.2017 wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 16.02.2016 gemäß § 55 AsylG 2005 idgF abgewiesen. Unter einem wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG idgF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG idgF erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt II.) und ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde zu Spruchpunkt I. ausgeführt: "Wie aus der Aktenlage ersichtlich war, reisten Sie am 28.11.2011 illegal nach Österreich ein und stellten in weiterer Folge einen Antrag auf internationalen Schutz, der am 25.01.2013 zweitinstanzlich rechtskräftig negativ mit Ausweisung entschieden wurden.

Seit dem 25.01.2013 halten Sie sich insofern rechtswidrig im Bundesgebiet der Republik Österreich auf, als Ihnen seit diesem Zeitpunkt weder ein Einreisetitel nach dem FPG, noch ein Aufenthaltstitel nach dem AsylG oder NAG erteilt wurde. Auch kommt Ihnen nach der Aktenlage kein Aufenthaltsrecht auf Grund einer anderen gesetzlichen Bestimmung zu bzw. wurde von Ihnen kein Derartiges behauptet.

Der nunmehr gestellte Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des § 55 AsylG begründet zudem gem. § 58 Abs. 13 AsylG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht.

Gem. § 58 Abs. 10 AsylG sind Anträge gemäß § 55 als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht.

Wie aus der Aktenlage ersichtlich war, wurde gegen Sie eine Ausweisung erlassen, die am 25.01.2013 zweitinstanzlich in Rechtskraft erwuchs. Als maßgeblich geänderter Sachverhalt iSd § 58 Abs. 10 AsylG sind nur jene Vorbringen ausschlaggebend, die durch ein nova producta begründet sind. Tatsachen, die bereits im Asylverfahren vorgebracht wurden oder hätten von Ihnen vorgebracht werden können, sind unberücksichtigt zu bleiben.

In Ihrem Fall bedeutet dies, dass Sie seit rechtskräftiger Erlassung der Ausweisung (25.01.2013), mit Beschluss des Landesgerichtes XXXX zu Zahl: XXXX , XXXX , vom 27.10.2014 als unbeschränkt haftender Gesellschafter mit einer weiteren unbeschränkten Gesellschaft in das Firmenbuch eingetragen wurden. Des Weiteren legten Sie ein undatiertes Datenblatt, sowie eine undatierte Basisvereinbarung mit XXXX vor. Zudem sind auch aus der Aktenlage einige Honorarnoten ersichtlich, aus denen hervorgeht, dass Sie als Speisenzusteller ein monatliches Einkommen von ca. Euro 1.700,- erwirtschaftet haben.

Diesbezüglich ist ins Treffen zu führen, dass Sie diese selbständige Beschäftigung zu einem Zeitpunkt aufgenommen haben, indem Sie sich bereits illegal in Österreich aufhielten, weshalb diese Beschäftigung, wie auch die vorgelegte Versicherungsbestätigung von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft vom 28.11.2016, kein besonderes Integrationsmerkmal darstellt, da Sie jederzeit mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen rechnen mussten.

Diese Beschäftigung allein kann keine Rechtfertigung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels im Sinne des § 55 AsylG darstellen.

Es ist Ihnen zwar eine zu relativierende berufliche Integration zuzugestehen, die jedoch nicht den entsprechenden Erfordernissen nachkommt.

Dieser Integration sind jedoch folgende Überlegungen gegenüber zu stellen:

Das Gewicht der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration wird jedoch angesichts der ständigen Judikatur des VwGH maßgebend dadurch gemindert, als ihr Aufenthalt während des Asylverfahrens (internationaler Schutz) nur auf Grund Ihres Antrages, welcher sich letztendlich als unberechtigt erwiesen hat, temporär berechtigt war. Ihnen war bewusst, dass Sie ein Privatleben während dieses Zeitraumes geschaffen haben, indem Sie einen "unsicheren"

Aufenthaltsstatus hatten (vgl. etwa Erkenntnis vom 08.11.2006, Zahl: 2006/18/0344, sowie Zahl: 2006/18/0226 u.a.). So durften Sie nicht von vornherein damit rechnen, nach einem allfälligen negativen Ausgang des Asylverfahrens weiterhin in Österreich bleiben zu dürfen.

Zu berücksichtigen war zudem, dass Ihr Asylbegehren bereits am 01.02.2012 erstinstanzlich negativ entschieden wurde, dies folglich ein eindeutiges "Indiz" darstellt (auch unter Inanspruchnahme der Ihnen zustehenden Rechtsmittelinstanzen), dass Ihr weiterer Aufenthalt in Österreich temporär begrenzt sein kann.

Familiäre Anknüpfungspunkte liegen in Österreich nicht vor.

Außer Ihrer, nach rechtskräftigem Abschluss des internationalen Schutzverfahrens mit Ausweisung, Tätigkeit als Speisenzusteller haben Sie keine Integrationsschritte vorzuweisen.

Auch gingen aus Ihren niederschriftlichen Angaben keine besonderen sozialen Kontakte hervor.

Integrationsmindernd ist auch die Tatsache anzusehen, dass Sie während Ihres doch längeren Aufenthaltes in Österreich, sich keine entsprechenden Deutschkenntnisse angeeignet haben, um vor der Behörde selbständig zu sprechen, zumal Sie bei der niederschriftlichen Einvernahme einen Freund mitbrachten, der Ihnen die meisten Fragen übersetzte, und Sie nur sehr schwerfällig, oft nicht einmal die einfachsten Fragen zu beantworten vermochten.

Von der Polizeiinspektion XXXX wurden Sie wegen Gebrauches fremder Ausweise am 21.04.2016 zur Anzeige gebracht. Diesbezüglich unterbleibt vorläufig die Durchführung des Strafverfahrens für die Probezeit von einem Jahr (StA XXXX vom 24.05.2016, Verständigung vom Rücktritt von der Verfolgung unter Bestimmung einer Probezeit).

In der Niederschrift vom 23.02.2017 gaben Sie an, mehrere Bekannte in Österreich zu haben, die allerdings nur Ihre Sprache sprechen.

In diesem Zusammenhang ist ins Treffen zu führen, dass das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich in seinem Gewicht gemindert ist, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen.

Zudem bleibt es Ihnen unbenommen, im Falle von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen, den Kontakt mittels Telefon oder E-Mail aufrecht zu erhalten bzw. unter Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen einen aufenthaltsrechtlichen Titel für Österreich zu erwirken.

Im Hinblick zu Ihren Bindungen zum Heimatland, wurden diese als maßgeblich erkannt, da sich Ihre Mutter, ein Bruder und sonstige Verwandte und Bekannte in Indien aufhalten, weshalb von einer familiären und sozialen Vernetzung auszugehen ist, zumal Sie in Indien auch eine gute Schulausbildung genossen haben.

Die ho. Behörde geht mit Ihnen konform, dass schon vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung auch der erlangten Integration während des unsicheren Aufenthaltes Gewicht beizumessen ist (vgl. VwGH vom 22.11.2007, Zlen: 2007/21/0317, 0318), weshalb auch aus diesem Grunde von ho. die für Sie sprechenden Umstände berücksichtigt wurden. Dennoch mussten diese in ihrem Gewicht - im Einklang mit der oben dargestellten Rechtslage - wegen des Erwerbs der integrationsbegründenden Umstände in Status eines unsicheren Aufenthaltes als gemindert angesehen werden.

Ein Organisationsverschulden des Staates ist bei vorliegender Sachlage zudem nicht erkennbar.

Sie halten sich mindestens seit dem 25.01.2013, also seit mehr als 4 Jahren, illegal in Österreich auf. Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährdet die öffentliche Ordnung in hohem Maße (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 30.09.1993, Zl. 93/18/0419).

Laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Übertretung fremdenpolizeilicher Vorschriften einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar. Diesbezüglich hat der Verwaltungsgerichtshof auch in seinem Erkenntnis vom 13.01.1994, Zl. 93/18/0584, ausgeführt, dass ein geordnetes Fremdenwesen für den österreichischen Staat von eminentem Interesse ist. Dies umso mehr in einer Zeit in der, wie in jüngster Vergangenheit unübersehbar geworden, der Zuwanderungsdruck kontinuierlich zunimmt. Um den mit diesen Phänomenen verbundenen, zum Teil gänzlich neuen Problemstellungen in ausgewogener Weise Rechnung tragen zu können, gewinnen die für Fremde vorgesehenen Rechtsvorschriften zunehmend an Bedeutung. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch die Normadressaten kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu.

Die öffentliche Ordnung wird schwerwiegend beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, sich unerlaubt nach Österreich zu begeben, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Ebenso, wenn Fremde nach Auslaufen einer Aufenthaltsberechtigung (Einreise- und/oder Aufenthaltstitel) bzw. nach Abschluss eines Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verlassen. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme ist in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 30.09.1993, Zl. 93/18/0310). Dies vor allem daher, da das Ihnen vorwerfbare (Fehl-)Verhalten im Verhältnis zu der von Ihnen geltend gemachten Integration (wie bereits oben im erheblichen Ausmaß zu relativieren war), überwiegt und darüber hinaus und weder aus der Akte, noch aus Ihrem Parteiengehör besondere Umstände ersehen werden können, die eine Verfahrensbeendigung zu Ihren Gunsten begründen würde.

Von der Aufnahme weiterer Beweise wurde insofern Abstand genommen, als der entscheidungsrelevante Sachverhalt ausreichend ermittelt schien.

Nunmehr war eine individuelle Abwägung der betroffenen Interessen vorzunehmen, um festzustellen, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels iSd Art. 8 EMRK geboten ist oder ob der Eingriff durch eine Rückkehrentscheidung als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden kann.

Diese - o.a. angeführte Abwägung ergab, dass das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen Ihre privaten Interessen an einem Verbleib in Österreich überwiegen."

Gegen diesen Bescheid richtete sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde.

Am 19.11.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche Verhandlung statt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien, gehört der Religionsgemeinschaft der Sikhs und der Volksgruppe der Punjabi an. In Indien besuchte er die Grundschule für zwölf Jahre und danach verdiente er seinen Lebensunterhalt als Landwirt in der familieneigenen Landwirtschaft. Seine Mutter, sein Bruder sowie seine Ehefrau und seine Tochter sowie weitere Verwandte leben in Indien.

Nachdem er am 29.11.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 01.02.2012 gemäß. §§ 3 und 8 AsylG 2005 abgewiesen wurde, wurde die dagegen erhobene Beschwerde mit in Rechtskraft erwachsenem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 17.01.2013 gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 sowie 10 AsylG 2005, abgewiesen. Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung seit der rechtskräftig negativen Entscheidung des Asylgerichtshofes nicht freiwillig nach und beantragte am 12.12.2016 die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005.

In Österreich verfügte er weder über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte, noch lebte er in einer Lebensgemeinschaft. Er eignete sich während seines Aufenthalts Grundkenntnisse der deutschen Sprache an, absolvierte eine Deutschprüfung für das Niveau A1 am 01.04.2017, die dieser jedoch nicht bestand. Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer selbsterhaltungsfähig ist. Er geht keiner Arbeit nach und ist nicht krankenversichert. Er wohnt mit zwei anderen in einer Wohngemeinschaft und da er für diese kocht und putzt braucht er keine Miete zu bezahlen. Er hat keine österreichischen Freunde und ist auch nicht Mitglied in einem Verein bzw. betätigt sich auch nicht sozial.

Zur Lage im Herkunftsstaat:

Politische Lage

Indien ist mit über 1,2 Milliarden Menschen der bevölkerungsreichste demokratische Staat der Welt (CIA Factbook 28.10.2015; vgl. AA 24.4.2015). Mit seinen vielen Sprachen ist Indien besonders vielfältig, was sich auch in seinem föderalen politischen System reflektiert, in welchem die Macht von der Zentralregierung und den Bundesstaaten geteilt wird (BBC 28.10.2015). Indien hat seit dem 2.6.2014 29 Bundesstaaten und sieben Unionsstaaten (CIA Factbook 28.10.2015; vgl. AA 10.2015a). Es ist laut Verfassung eine säkulare, demokratische und föderale Republik. Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus. Die Zentralregierung hat deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten und kann im Fall interner Probleme einen Bundesstaat für einen begrenzten Zeitraum unter direkte zentralstaatliche Verwaltung stellen (AA 10.2015a).

Indien hat nach der Unabhängigkeit von Großbritannien (1947) den Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative durchgesetzt. Die Entscheidungen der staatlichen Verwaltung (Bürokratie, Militär, Polizei) unterliegen überdies der Kontrolle durch die freie Presse des Landes, die nicht nur in den landesweiten Amtssprachen Hindi und Englisch, sondern auch in vielen der Regionalsprachen publiziert wird. Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft, die mit vielfältigen Initiativen an der Gestaltung der Politik mitwirkt (AA 10.2015a). Seit Juli 2012 ist Präsident Pranab Kumar Mukherjee indisches Staatsoberhaupt (AA 10.2015a). Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 25.6.2015). Das Amt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse (AA 10.2015a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister, der seit 26.5.2014 Narendra Modi heißt (GIZ 11.2015).

Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 25.6.2015). Die Legislative besteht aus einer Volkskammer (Lok Sabha) und einer Staatenkammer (Rajya Sabha). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene. Das oberste Gericht in New Delhi steht an der Spitze der Judikative (GIZ 11.2015; vgl. AA 24.4.2015).

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster. In Indien gibt es eine verfassungsmäßig garantierte, unabhängige Gerichtsbarkeit mit dreistufigem Instanzenzug (AA 24.4.2015).

In den letzten Jahrzehnten erlebte Indien einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung, der zur Bildung einer neuen Mittelschicht führte. Doch das uralte Kastensystem Indiens, eine marode Infrastruktur auf dem Land, die starke Umweltverschmutzung und religiöse Konflikte zwischen Hindus und Muslimen stellen das Land weiterhin vor große Probleme (FAZ 16.5.2014). Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 8.2015).

Wahlen 2014:

Die letzten landesweiten Wahlen fanden im April/Mai 2014 statt (AA 24.4.2015). Am 7.4.2014 begann die Wahl zur 16. Lok Sabha, dem indischen Unterhaus (GIZ 11.2015). 814 Millionen Wählerinnen und Wähler waren aufgerufen, an mehr als 930.000 Wahlurnen und 1,5 Millionen elektronischen Wahlmaschinen ihre Stimmen abzugeben (Eurasisches Magazin 24.5.2014), darunter etwa 120 Millionen Erstwähler (GIZ 11.2015).

Bei der Wahl standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber:

Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der BJP und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht. Mit besonderem Interesse wurde das Abschneiden der aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangenen Aam Aadmi Party (AAP) begleitet. Der AAP gelang es 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen zu erringen. Das Ergebnis 2014: Landesweit errang die AAP nur vier Sitze (GIZ 11.2015; vgl. FAZ 16.5.2014).

Seit dem 16.5.2014 steht der Wahlsieger offiziell fest: Narendra Modi von der Oppositionspartei Bharatiya Janata Party (BJP), die sich mit 282 von 543 Mandaten eine absolute Mehrheit sichern konnte. Hohe Verluste hingegen für die seit 2004 regierende Kongress-geführte Koalition unter Manmohan Singh. Sonia Gandhi und Sohn Rahul rücken nun auf die Oppositionsbank (Eurasisches Magazin 24.5.2014; vgl. FAZ 16.5.2014, GIZ 11.2015). Neuer Regierungschef ist der bisherige Chief Minister des Bundesstaates Gujarat, Narendra Modi. Damit erhält auch die Angst vor einem Aufflammen des Kommunalismus neue Nahrung (GIZ 11.2015).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

-

AA - Auswärtiges Amt (10.2015a): Indien, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_AC539C62A8F3AE6159C84F7909652AC5/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 9.11.2015

-

BBC - British Broadcasting Corporation (28.10.2015): India country profile - Overview,

http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 9.11.2015

-

CIA - Central Intelligence Agency(28.10.2015): The World Factbook

-

India,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 9.11.2015

-

Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,

http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 9.11.2015

-

FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (16.5.2014): Modi ist Mann der Stunde,

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fruehaufsteher/wahlentscheid-in-indien-modi-ist-der-mann-der-stunde-12941572.html, Zugriff 9.11.2015

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2015): Indien,

http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 9.11.2015

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmBH (8.2015): Indien, Wirtschaftssystem und Wirtschaftspolitik, http://liportal.giz.de/indien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 9.11.2015

-

USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - India, http://www.ecoi.net/local_link/306292/443589_de.html, Zugriff 9.11.2015

Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2015). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2015). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 24.4.2015).

Indien ist mit einer Reihe von Sicherheitsproblemen konfrontiert. Es gibt landesweit mehrere linksorientierte bewaffnete Gruppen (Maoisten). Nach einem Anstieg der Aktivitäten von aufständischen Gruppen in den Jahren 2003 bis 2010 nahmen diese Aktivitäten aufgrund von internen Machtkämpfen, einer eingeschränkten Unterstützung in den Stammesgemeinden und von effektiven Operationen gegen deren Führerschaft durch die Sicherheitskräfte ab. Im Jahr 2013 haben etwa 76 der mehr als 600 Bezirke Indiens irgendeine Art maoistischer Gewalt erfahren. Aufständische Gruppen aus Pakistan haben ihre Fähigkeit gezeigt, Angriffe (über das von Indien administrierte Kaschmir,) im Zentrum von Indien, durchzuführen. Erwähnenswert sind die Angriffe im Dezember 2001 auf das indische Parlament und die Angriffe in Mumbai im Juli 2006 und November 2008. Pakistanische Gruppen dürften bei den Angriffen im Jahr 2006 indischen Terrorzellen Unterstützung geboten haben. Die Angriffe im Jahr 2008 waren aus Pakistan geplant, unterstützt und geführt. Einheimische Rebellengruppen - sowohl hinduistische als auch islamistische - waren in eine Serie terroristischer Angriffe auf indische Schlüsselstädte verwickelt. Die Sicherheitslage in den Gegenden Kaschmir, Nordosten und speziell in Assam ist labil und es kommt immer wieder zu Aufständen. Ein weiteres Sicherheitsproblem ist die kommunale Gewalt zwischen der hinduistischen Mehrheit und der muslimischen Minderheit. Darüber hinaus ist das organisierte Verbrechen in den Hauptstädten ein Problem, allerdings nicht für ausländische Firmen. Es gibt Entführungen mit Lösegeldforderungen, aber diese sind auf die lokale Bevölkerung begrenzt. Die schlechte Straßensicherheit im Land ist ein signifikantes Problem. Die größte unmittelbare externe Sicherheitsbedrohung ist Pakistan, speziell in Bezug auf den langjährigen Kaschmirdisput (IHS- Jane's Sentinel Security 1.7.2014).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor, insbesondere sobald die innere Sicherheit als gefährdet angesehen wird. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, ist die Regierung in der Regel zu Verhandlungen über ihre Forderungen bereit. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 24.4.2015). Trotz zahlreicher und zum Teil dramatischer Erfolge durch Indiens Sicherheits- und Geheimdienstbehörden, die immer wieder unter starken Ressourcenproblem zu leiden haben, ist es in der Realität so, dass der Sicherheitsapparat weiterhin leicht angreifbar ist (South Asia Terrorism Portal 30.10.2015).

Grundversorgung/Wirtschaft

Indien gehört trotz Abschwächung des Wirtschaftswachstums auf 5 Prozent (2012/13; 2011/12 dagegen noch 6,2 Prozent, 2013/14 - geschätzt - : 4,9Prozent) nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt (weltweit an 10. Stelle). Bei derzeit 1,2 Mrd. Einwohnern wird es bis zur Mitte des Jahrhunderts voraussichtlich nicht nur das bevölkerungsreichste Land der Erde sein, sondern auch mit seinem Bruttoinlandsprodukt nach China und USA an dritter Stelle liegen (AA 3.2013).

Indien ist die drittgrößte Wirtschaft in Asien und ist durch eine hohe Inflation, einer schwachen Währung und einem Rückgang an ausländischen Investitionen belastet. Eine Flaute im Bergbau und Manufaktur, haben ihr restliches dazu beigetragen (BBC 31.1.2014).

Laut Zahlen der Weltbank betrug im Jahre 2012 das Pro-Kopf-Einkommen in Indien US Dollar 1.489. Das jährliche Wirtschaftswachstum in Indien sei zwar von 7,5 auf 5 Prozent gefallen, das aber sei immer noch ein sehr ansehnlicher Wert. Dies umso mehr, als der Internationale Währungsfonds für das laufende und das kommende Jahr eine Belebung des Wachstums erwarte. Das Land hat die im Jahre 2008 in den Vereinigten Staaten ausgebrochene Krise schlechter weggesteckt als China. Während China Leistungsbilanzüberschüsse und damit Devisenreserven ansammelt, ist die indische Leistungsbilanz negativ geworden. Während Peking seine Währung künstlich vor zu einer starken Aufwertung schützt, hat die indische Rupie erheblich an Wert verloren (FAZ 23.1.2014).

Das hohe Wachstum der letzten Jahre hat die regionalen Entwicklungsunterschiede auf dem Subkontinent und das zunehmende Einkommensgefälle zwischen der expandierenden städtischen Mittelschicht und der überwiegend armen Bevölkerung auf dem Lande, wo noch knapp 70 Prozent aller Inder leben, schärfer hervortreten lassen. Die erhofften massiven Beschäftigungseffekte des Wachstums sind bislang ausgeblieben (AA 3.2014).

Das Land hat eine aufstrebende urbane Mittelschicht. Es hat große Fortschritte wie zum Beispiel im IT-Bereich gemacht, dessen große Facharbeitskräfte es zu einem beliebten Ziel für internationale Firmen machen, die versuchen ihre Arbeit auszulagern. Der Großteil der ländlichen Bevölkerung ist weiterhin arm, da das Leben auch weiterhin durch das altertümliche Hindukastensystem beeinflusst wird, welches jeder Person einen Platz in der sozialen Hierarchie zuweist. Diskriminierungen auf Basis der Kaste ist gegenwärtig illegal und mehrere Maßnahmen wurden eingeführt um benachteiligte Gruppen zu stärken und ihnen Zugangsmöglichkeiten zu erleichtern - wie zum Beispiel Bildung und Arbeit. Armutsbekämpfung und Alphabetisierungskampagnen sind im Gange (BBC 16.5.2014 vgl. auch: BBC 11.12.2013).

Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Etwa 30 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze von 1 US-Dollar pro Kopf und Tag. Rund 70 Prozent haben weniger als 2 US-Dollar pro Tag zur Verfügung. Auf dem Human Development Index der UNDP (2013) steht Indien auf Platz 136 unter 186 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Etwa ein Viertel der Bevölkerung lebt unter dem von den Vereinten Nationen veranschlagten Existenzminimum. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der eigenen Familie oder Freunde angewiesen. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, problemlos ausgeglichen werden (AA 3.3.2014).

Voraussetzung für den wirtschaftlichen Aufstieg Indiens und die Überwindung des über Jahrzehnte schwachen Wachstums war die sukzessive Deregulierung und Öffnung der indischen Volkswirtschaft nach der Finanzkrise von 1991. Dieser Prozess ist allerdings noch nicht abgeschlossen. Das Wirtschaftswachstum wird ganz wesentlich von der Binnennachfrage getragen, für deren weiteren Anstieg schon die demographische Entwicklung spricht. Die industriepolitische Strategie strebt den weiteren Auf- und Ausbau einer eigenen industriellen Produktion an. Dabei erfolgt gelegentlich ein Rückgriff auf protektionistische Maßnahmen wie Importzölle, Exportquoten, Lokalisierungszwänge oder Buy Indian-Vorgaben in öffentlichen Ausschreibungen. Seit September 2012 hat die indische Regierung weitere Liberalisierungsschritte eingeleitet und damit einen längeren Stillstand der Reformpolitik überwunden. So wurde die hoch umstrittene Zulassung ausländischer Investitionen auch in Supermarktketten beschlossen, ferner u.a. die Zulassung ausländischer Beteiligung an Fluggesellschaften und Strombörsen. Auch in anderen Branchen wurden die Grenzen für ausländische Kapitalbeteiligungen heraufgesetzt. Weitere wichtige Reformvorhaben zur Öffnung des Finanzsektors wie z.B. die Anhebung der Schwelle für Auslandsinvestoren an Versicherungsunternehmen sind allerdings noch nicht beschlossen worden (AA 3.2014).

Die globale Rezession, hat die indische Wirtschaft besonders stark getroffen - die Regierung sieht sich mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert, da sie kein integratives Wachstum zu garantieren konnte (AI 5.2013). Im April stiegen die Verbraucherpreise 8,6 Prozent im Jahresvergleich (FAZ 16.5.2014). Arme und marginalisierte Gemeinschaften, die geschätzt 30 - 50 Prozent der Bevölkerung ausmachen, waren besonders stark vom Preisanstieg betroffen (AI 5.2013).

Nur ca. 8 Prozent aller Beschäftigten stehen in einem vertraglich geregelten Arbeitsverhältnis. Die übrigen 92 Prozent werden dem sog. "informellen Sektor" zugerechnet - sie sind weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert, noch haben sie Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung (AA 3.2014).

Backsteinöfen sind ein wichtiger Bestandteil von Indiens wachsender Wirtschaft. Es gibt mehr als zwei Millionen ZiegelarbeiterInnen in Indien. Viele Ofenanlagen haben ArbeiterInnen, die unter fast sklavenähnlichen Bedingungen arbeiten und höchstens £1.50 für einen 12 Stunden Tag verdienen. Viele leiden unter Krankheiten aufgrund des beizenden Rauches der Öfen und den rauen Arbeitsbedingungen (BBC 4.1.2014). Das Ausmaß von Zwangs- und Kinderarbeit in den Backsteinöfen in Indien nimmt epidemische Ausmaße an. Schwangere Frauen, Kinder und junge Mädchen arbeiten 12 - 18 Stunden pro Tag. Sie sind schlecht ernährt, es gibt kein sauberes Wasser und sie leben wie Sklaven (BBC 2.1.2014).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.3.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien, Zugriff 5.3.2014

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AA - Auswärtiges Amt (3.2014): Indien, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_AC539C62A8F3AE6159C84F7909652AC5/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 6.8.2014

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AI - Amnesty International (5.2013): Amnesty International Report, State of the Human Rights 2013, http://files.amnesty.org/air13/AmnestyInternational_AnnualReport2013_complete_en.pdf, Zugriff 4.3.2013

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BBC (4.1.2014): India brick industry: Calls to improve working conditions, http://www.bbc.co.uk/news/world-asia-india-25595093, Zugriff 6.8.2014

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BBC (16.5.2014) India profile - Overview, http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 6.8.2014

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BBC (16.5.2014) India profile - Overview, http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 17.3.2014

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BBC (2.1.2014): Why India's brick kiln workers 'live like slaves', http://www.bbc.co.uk/news/world-asia-india-25556965, Zugriff 14.8.2014

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BBC (31.1.2014): World Bank chief economist on future of India's economy, http://www.bbc.com/news/world-asia-india-25742983, Zugriff 17.3.2014

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FAZ- Frankfurter Allgemeine Zeitung (23.1.2014): Ein Wirtschaftswunder und ein fragiler Subkontinent, http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/weltwirtschaftsforum/china-und-indien-ein-wirtschaftswunder-und-ein-fragiler-subkontinent-12766222-p2.html, Zugriff 6.8.2014

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FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (16.5.2014): Modi ist Mann der Stunde,

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fruehaufsteher/wahlentscheid-in-indien-modi-ist-der-mann-der-stunde-12941572.html, Zugriff 7.8.2014

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USDOS - US Department of State (27.2.2014): India, Country Report on Human Rights Practices,

http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm#wrapper, Zugriff 4.3.2014

Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen unzureichend und entspricht medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch meist nicht europäischem Standard (AA 24.3.2014).

Die gesundheitliche Grundversorgung wird vom Staat im Prinzip kostenfrei gewährt. Sie ist aber durchweg unzureichend (AA 3.3.2014). Nur 10 Prozent der heutigen indischen Bevölkerung verfügen über einen Krankenversicherungsschutz. 75 Prozent der Ausgaben für medizinische Versorgung müssen noch immer von Konsumenten selbst finanziert werden. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass dieser Industriezweig infolge des Markteintritts zahlreicher Privatinvestoren, in den nächsten Jahren enorm wachsen wird. 17 Versicherungsgesellschaften und 3 Krankenversicherungsunternehmen bieten derzeit Krankenversicherungen an. In Anbetracht der wachsenden Arzneimittelanwendungen und Gesundheitskosten steigt die Versicherungssummengrenze von 500.000 Rs. stetig an, so dass viele Unternehmen Policen in Höhe von 100.000 Rs. ausstellen. Max, Apollo Munich und Fortis sind die drei größten Gesellschaften. Royal Sundaram, Bharati AXA, ICICI Lombard etc. bieten Krankenversicherungen in Indien an (BAMF 8.2013).

Da der Andrang auf Leistungen des staatlichen Sektors sehr stark ist, weichen viele für eine bessere oder schnellere Behandlung auf private Anbieter aus. Die privaten Gesundheitsträger genießen wegen der fortschrittlicheren Infrastruktur und des qualifizierteren Personals einen besseren Ruf. In allen größeren Städten gibt es medizinische Einrichtungen, in denen überlebensnotwendige Maßnahmen durchgeführt werden können. Dies gilt mit den genannten Einschränkungen auch für den öffentlichen Bereich. Einige wenige private Krankenhäuser in den größten Städten gewährleisten einen Standard, der dem westlicher Industriestaaten vergleichbar ist. Insbesondere im wirtschaftlich starken Punjab und in New Delhi ist die Gesundheitsversorgung im Verhältnis zu anderen Landesteilen gut (AA 3.3.2014).

In staatlichen Krankenhäusern, von denen einige zu den besten Krankenhäusern Indiens gehören, erfolgt die Behandlung zu Steuerzahlerkosten. Die privaten medizinischen Einrichtungen bieten hohe Qualitätsstandards zu hohen Kosten. Die Gesundheitskosten in Indien sind im Vergleich zu den entwickelten Teilen der Welt verhältnismäßig niedrig. Nachfolgend die Durchschnittskosten einiger Einrichtungen in US $:

Knochenmarkstransplantation - $70.000, Lebertransplantation - $70.000, kardiologischer Eingriff - $10.000, orthopädischer Eingriff - $8.000, Katarakt-OP $1.250, Zahnimplantation - $800 etc. Die Primären Gesundheitseinrichtungen ("PHC") sind die Eckpfeiler der ländlichen Gesundheitsversorgung. Die Primären Gesundheitszentren und ihre nachgeordneten Stellen sollen die medizinischen Versorgungsbedürfnisse der Landbevölkerung gerecht werden. Jedes primäre Gesundheitszentrum ist für 100.000 Menschen zuständig und auf etwa 100 Dörfer verteilt. Die notwendige Ausstattung zur Verrichtung kleinerer operativer Eingriffe ist vorhanden. Auf der Gebietsebene besteht die Gesundheitsverwaltung aus einer Vielzahl von Bediensteten und Ärzten, die durchschnittlich 10-15 Krankenhäuser, 30-60 Primäre Gesundheitszentren und 300-400 nachgeordnete Zentren betreuen. Jeder Bezirk hat zudem ein Zivilkrankenhaus, um den Bedürfnissen der dortigen Bevölkerung zu begegnen (BAMF 8.2013).

Es gibt regierungsgestützte Vorhaben und Programme für die Gesundheit und Wohlfahrt der Bürger, die von der Zentralregierung durchgeführt werden. Diese Programme streben einen verbesserten Gesundheitszustand der Bevölkerung sowie niedrigere Erkrankungszahlen und Todesfälle durch Krankheiten an. Die regierungsgestützten Programme umfassen Immunisierungsaktionen, besonderen Umgang mit Epidemien, Pläne zur Ausrottung gefährlicher Krankheiten und zahlreiche Bildungs- und Trainingsprogramme (BAMF 8.2013). Dank einer massiven Impfkampagne unter Beteiligung einer gewaltigen Armee von Helfern konnte die Kinderlähmung in Indien ausgerottet werden. Dennoch leben noch viele mit den Folgen der Erkrankung, gelähmten beziehungsweise deformierten Gliedmaßen und gesellschaftlicher Ächtung. Noch vor fünf Jahren entfiel die Hälfte aller neuen Polio-Erkrankungen auf Indien. Es ist ein großer Erfolg, dass es in den vergangenen drei Jahren keine neuen Fälle gab (DW 16.1.2014).

Die Nationale Ländliche Gesundheitsmission "NRHM" ist ein Regierungsvorhaben zur landesweiten Bereitstellung nützlicher medizinischer Dienstleistungen in den Haushalten ländlicher Regionen. Im Fokus stehen vor allem die 18 Staaten Arunachal Pradesh, Assam, Bihar, Chhattisgarh, Himachal Pradesh, Jharkhand, Jammu and Kashmir, Manipur, Mizoram, Meghalaya, Madhya Pradesh, Nagaland, Orissa, Rajasthan, Sikkim, Tripura, Uttarkhand und Uttar Pradesh (BAMF 8.2013).

Der Zugang zu öffentlichen oder privaten Gesundheitsvorsorgeeinrichtungen in den ländlichen Gebieten ist, im Gegensatz den Städten, weiterhin eine Herausforderung. Eine steigende Zahl der Bevölkerung verwendet private Gesundheitsvorsorgeeinrichtungen, sowohl für stationäre als auch ambulante Behandlungen. Lange Wartezeiten und das Fehlen von Diagnoseeinrichtungen sind mitunter die Hauptgründe warum private Gesundheitsvorsorgeeinrichtungen, statt den öffentlichen Zentren, für die stationäre Behandlung ausgewählt werden. Für die ambulante Behandlung werden die Verfügbarkeit oder der Arzt und die Behandlungsqualität als Grund für die Auswahl der privaten Gesundheitsvorsorgeeinrichtungen genannt. Jedoch wären die Patienten bereit zu einem öffentlichen Gesundheitsvorsorgeeinrichtungen zu wechseln, wenn die genannten Probleme thematisiert werden würden. Patienten sind oft gezwungen aufgrund von Entfernung der schlechten öffentlichen Gesundheitseinrichtungen sich an teurere Institute zu wenden., Wenngleich es Verbesserungen gab, gibt es auch weiterhin signifikante Herausforderungen im Bereich des Gesundheitsvorsorgezugangs für die indische Bevölkerung, speziell in ländlichen Gebieten (IMS-Institute 6.2013).

Fast alle gängigen Medikamente sind auf dem Markt erhältlich. Die Einfuhr von Medikamenten aus dem Ausland ist möglich. Indien selbst ist der weltweit größte Hersteller von Generika, Medikamente kosten einen Bruchteil der Preise in Europa (AA 3.3.2014). Die Durchimpfungsrate ist extrem gestiegen. Zum Beispiel ist die Diphtherie-Tetanus-Pertussis Impfung unter den 1-jährigen um 60 -70 Prozent gestiegen die von Hepatitis B hat sich von 68 Prozent im Jahr 2005 auf 91 Prozent im Jahr 2010 gesteigert. Nationale Programme haben erfolgreich die Erkennungs- und Heilraten für Tuberkulose und Leprose verbessert (IMS-Institute 6.2013). [Zur Müttersterblichkeitsrate siehe Kapitel 18]

Die Säuglingssterblichkeitsrate hat sich in einem Zeitraum von 2000 - 2009 um mehr als 25 Prozent gesenkt, 50 Totgeburten pro 1.000 Lebendgeburten. Auch die unter -5jährigen Kindersterblichkeitsrate ist gesunken, 64 Toten pro 1.000 Lebendgeburten. Der städtische Bereich konnte die anvisierte Zahl der MDGs von 42 Toten pro 1.000 Lebendgeburten erreichen, jedoch ist der ländliche Bereich hinter dem Ziel mit 71 Toten pro 1.000 Lebendgeburten (IMS-Institute 6.2013). Die indische Regierung förderte regionale Krebszentren (HRW 29.1.2013).

Die "Accredited Socia lHealth Activist" (ASHA) ist eine Gesundheitsaktivisten-Initiative innerhalb der Gemeinden. Sie soll die Wahrnehmung für das Thema Gesundheit und die sozialen Begleiterscheinungen schärfen, sowie die Gemeinde zu örtlicher Gesundheitsplanung anleiten, ebenso wie zum vermehrten Gebrauch von und der Verantwortung für die existierenden medizinischen Dienste, die von der Regierung bereitgestellt werden. Die ASHA- Initiative bietet auch ein Mindestpaket an Heilpflege an, wie es auf dieser Ebene angemessen und realisierbar ist. Außerdem sorgt sie für termingerechte Überweisungen. Die kostenlose Notrufnummer in Indien ist die 1-0-8. Die Notrufe werden vom GVK EMRI (GVK Emergency Management and Research Institute) entgegengenommen, dem einzigen professionellen Notruf Service Provider in Indien, der medizinische Notrufe und Notrufe für Polizei und Feuerwehr entgegennimmt (BAMF 8.2013).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.3.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien, Zugriff 5.3.2014

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AA - Auswärtiges Amt (24.3.2014): Indien: Reise- und Sicherheitshinweise, unverändert gültig seit 18.2.2014, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_9FEE4C8FB03B6BE38D455A53869D3ADC/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/IndienSicherheit.html?nn=346896#doc346804bodyText7, Zugriff 24.3.2014

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (8.2013):

Länderinformationsblatt Indien, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_indien-dl_de.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 7.8.2014

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DW - Deutsche Welle (16.1.2014): Neues Leben für Polio-Opfer in Indien,

http://www.dw.de/neues-leben-f%C3%BCr-polio-opfer-in-indien/a-17366908, Zugriff 5.2.2014

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Human Rights Watch (29.1.2013): World Report 2013, India, http://www.hrw.org/world-report/2013/country-chapters/india?page=3; Zugriff 7.8.2014

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IMS-Institute (6.2013): Understanding Healthcare Access in India, http://www.imshealth.com/deployedfiles/imshealth/Global/Content/Corporate/IMS%20Institute/India/Understanding_Healthcare_Access_in_India.pdf, Zugriff 29.4.2014

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USDOS - US Department of State(27.2.2014): India, Country Rep

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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