Entscheidungsdatum
13.02.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W169 2214275-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Nepal, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.01.2019, Zl. 1087126605-151349306,
A)
zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte V bis VII. stattgegeben und diese ersatzlos behoben.
und den Beschluss gefasst:
III. In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid hinsichtlich des Spruchpunktes IV. behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatangehöriger von Nepal, stelle nach illegaler schlepperunterstützer Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 13.09.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 15.09.2015 führte der Beschwerdeführer aus, dass er aus Nepal stamme, verheiratet sei, im Heimatland die Grundschule besucht habe und selbstständig gewesen sei. In Nepal würden seine Eltern und seine Geschwister leben. Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer vor, dass er sein Heimatland verlassen habe, da es in seinem Heimatort "Krieg" gebe. Sein Elternhaus und sein Lebensmittelgeschäft seien zerstört worden.
2. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 12.03.2018 gab der Beschwerdeführer an, dass er in Nepal zehn Jahre die Schule besucht habe. Sie hätten ein kleines Lebensmittelgeschäft besessen, in welchem er auch zwei bis drei Jahre mitgearbeitet habe. Damit hätten sie den Lebensunterhalt der Familie finanzieren können. Zudem habe er in Saudi-Arabien fünf Jahre als Kellner und in Malaysia dreieinhalb Jahre für eine Firma gearbeitet. Er habe mit seinen Eltern und seinen drei Geschwistern im Elternhaus gelebt. Er spreche Nepali, Englisch, Hindi, Arabisch, Indonesisch, Malaysisch und ein bisschen Deutsch. Im Juni/Juli 2015 habe er Nepal legal verlassen. In Nepal würden seine Eltern, seine Schwester sowie sein Bruder leben. Diesen gehe es gut, er habe einmal im Monat telefonischen Kontakt mit ihnen. Weiters würden noch seine Großmutter, ein Onkel und zwei Tanten in Nepal leben. Seit 07.02.2018 sei er mit einer indonesischen Staatsangehörigen verheiratet. Mit seiner ersten Frau sei er von 2010 bis 2017 verheiratet gewesen und habe er sich von dieser scheiden lassen. Diese lebe mit der gemeinsamen Tochter in Nepal. Für die Schleppung nach Österreich habe er 8.000 bis 9.000 Euro bezahlt; dieses Geld habe er sich von seiner Familie und Freunden ausgeborgt.
Zu seinen Fluchtgründen brachte der Beschwerdeführer vor, dass seine Familie in Nepal ein kleines Geschäft gehabt hätte, welches nach dem Erdbeben völlig zerstört gewesen sei. Nach dem Erdbeben hätten sie nichts gehabt, wovon sie leben hätten können. Sein Bruder sei bei diesem Erdbeben verstorben. Er habe viele Tote gesehen, was ihn schockiert habe und deshalb habe er Nepal verlassen. Sonst habe er keine Fluchtgründe. Die Frage des einvernehmenden Beamten, ob er das Land somit aus wirtschaftlichen Gründen verlassen habe, bejahte der Beschwerdeführer. Weiters gab er an, dass er persönlich in Nepal nicht bedroht worden sei. Auch hätte er keine Probleme mit den Behörden in seinem Heimatland gehabt. Auf die Frage, was er im Falle einer Rückkehr nach Nepal befürchte, gab der Beschwerdeführer an, dass er nicht zurückkehren wolle. Eine Gefahr würde es in Nepal für ihn nicht geben. Er habe sich in Nepal weder religiös noch politisch betätigt, auch habe er keine Probleme aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit gehabt.
Zu seinen Lebensumständen in Österreich gab der Beschwerdeführer an, dass er mit seiner Gattin, einer indonesischen Staatsangehörigen, im gemeinsamen Haushalt lebe. Er besuche einen A2-Deutschkurs, sei Mitglied bei der NRN und gehe keiner legalen Beschäftigung nach. Weiters gab der Beschwerdeführer an, dass seine Gattin von ihm ein Kind erwarten würde.
Am Ende der Einvernahme wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit gegeben, in die Länderfeststellungen zu Nepal Einsicht und Stellung zu nehmen und die Feststellungen von einem Dolmetsch vorgelesen zu bekommen. Der Beschwerdeführer verzichtete jedoch auf diese Möglichkeiten.
Im Rahmen der Einvernahme legte der Beschwerdeführer diverse Unterlagen vor (ÖSD-Zertifikat A1; Heiratsurkunde, ausgestellt am 07.02.2018 vom Standesamt Wien Ottakring; Scheidungsurkunde im Original sowie in beglaubigter Übersetzung und seine Geburtsurkunde).
3. Am 30.05.2018 langten beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl weitere Unterlagen des Beschwerdeführers ein (ein ÖSD-Zertifikat A2 vom 06.04.2018; die Rot-Weiß-Rot-Karte- Plus seiner Ehegattin, gültig bis 08.08.2020 sowie die Geburtsurkunde seines Sohnes vom 10.04.2018 und den Reisepass seines Sohnes).
4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.01.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm mit § 2 Abs. 2 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nepal (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Nepal zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde (Spruchpunkt VI.) und gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VII.).
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer sein Heimatland aus wirtschaftlichen Gründen verlassen habe, was nicht zur Gewährung von internationalen Schutz führen könne. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Nepal sei nicht gegeben, zumal der Beschwerdeführer ein junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann sei, der über ein familiäres Netzwerk in Nepal verfüge, welches ihn bei einer Rückkehr unterstützen könnte, weshalb er im Falle einer Rückkehr in keine existentielle Notlage geraten würde. Auch ergebe sich aus den Feststellungen zur allgemeinen Lage in Nepal kein Hinweis, dass der Beschwerdeführer im gesamten Staatsgebiet Nepals einer extremen Gefahrenlage mit besonders exzessiver und unkontrollierter Gewaltanwendung gegenüber der Zivilbevölkerung oder eine unmenschliche Behandlung bewirkende humanitäre Situation im gesamten Staatsgebiet vorliege. Der Beschwerdeführer erfülle zudem auch nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der nicht sehr langen Aufenthaltsdauer und seiner "schwach ausgeprägten privaten Interessen" im Inland nicht entgegen. Er lebe in Österreich mit seiner indonesischen Ehefrau zusammen. Im Falle einer Rückkehr wäre es ihm möglich und zumutbar, den weiteren Kontakt zu seiner Ehefrau zu halten. Weiters stehe es seiner Ehefrau frei, ihn in Nepal zu besuchen. Die aufschiebende Wirkung habe aberkannt werden können, da der Beschwerdeführer keine Verfolgungsgründe vorgebracht habe.
5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Vertreterin fristgerecht Beschwerde und führte nach Wiederholung der Fluchtgründe im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Nepal Verfolgungshandlungen aufgrund seiner Mitgliedschaft bei der NRN-Partei fürchte. Zudem hätte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer aufgrund der allgemeinen Sicherheits- und Versorgungslage den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen müssen. Zum Privat- und Familienleben in Österreich gab der Beschwerdeführer an, dass er mit einer indonesischen Staatsangehörigen verheiratet und Vater eines gemeinsamen Sohnes sei. Seine Gattin verfüge über einen Aufenthaltstitel ("Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus") und somit über einen uneingeschränkten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt. Sie gehe einer geregelten Arbeit bei einer namentlich genannten Firma nach. Der Beschwerdeführer kümmere intensiv um den gemeinsamen Sohn. Die Ermittlungen zum Privat-und Familienleben des Beschwerdeführers seien grob mangelhaft vorgenommen worden. Zudem habe die Einvernahme des Beschwerdeführers durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vor fast einem Jahr stattgefunden, weshalb das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl daher von vornherein nicht in der Lage gewesen sei, alle für die Entscheidung relevanten Aspekte im Hinblick auf das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich zu berücksichtigen. Weiters wurde darauf hingewiesen, dass nach der Europäischen Grundrechtecharta jedes Kind Anspruch auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Elternteile habe, es sei denn, dies stehe dem Wohl des Kindes entgegenstehe, was im gegenständlichen Fall jedoch nicht behauptet werden könne. Das Kindeswohl und den persönlichen Kontakt zu beiden Elternteilen werde in Entsprechung der Judikatur des EGMR bei der Abwägung der Kriterien nach Art. 8 EMRK ein besonderes Gewicht beigemessen. Das Kindeswohl des Sohnes des Beschwerdeführers werde aber von Seiten der belangten Behörde in einer dem Verfassungsrecht widersprechenden Weise gewertet. In einer Gesamtschau sei im Falle des Beschwerdeführers von einem schützenswerten Privat- bzw. Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK auszugehen, weshalb die belangte Behörde zum Schluss hätte kommen müssen, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nepal auf Dauer unzulässig sei und dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen gewesen sei. Es werde der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt.
Der Beschwerde beigelegt war das ÖSD-Zertifikat A2 vom 06.04.2018, ein Unterstützungsschreiben der Gattin des Beschwerdeführers sowie ein gemeinsames Familienfoto.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ein Staatsangehöriger von Nepal aus XXXX und gehört der Religionsgemeinschaft der Hindus an. Seine Identität steht fest. Er beherrscht die Sprachen Nepali, Englisch, Hindi, Malaysisch, Arabisch und etwas Deutsch. Er besuchte im Heimatland zehn Jahre die Grundschule und arbeitete mehrere Jahre im Lebensmittelgeschäft seiner Eltern, wodurch die Familie den Lebensunterhalt sichern konnte. Zudem arbeitete der Beschwerdeführer fünf Jahre als Kellner in Saudi-Arabien und dreieinhalb Jahre bei einer Firma in Malaysia. Bis zur Ausreise lebte der Beschwerdeführer mit seinen Eltern und Geschwistern im Elternhaus. Nepal verließ er im Juli/August 2015 legal und reiste im September 2015 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Für die Schleppung nach Österreich bezahlte der Beschwerdeführer 8.000 bis 9.000 Euro. In Nepal leben die Eltern des Beschwerdeführers, ein Bruder, eine Schwester, seine Großmutter, ein Onkel und zwei Tanten sowie die Ex-Gattin und die gemeinsame Tochter. Der Beschwerdeführer hat regelmäßigen Kontakt zu seinen Eltern und Geschwistern. Diesen geht es gut.
Der Beschwerdeführer hatte keine Probleme mit den Behörden im Heimatland. Der Beschwerdeführer hat Nepal aus wirtschaftlichen Motiven verlassen.
Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr eine an asylrelevanten Merkmalen anknüpfende Verfolgung droht.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich seit 07.02.2018 mit einer indonesischen Staatsangehörigen verheiratet. Diese verfügt über einen Aufenthaltstitel (Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus, gültig bis 08.08.2020). Mit dieser hat der Beschwerdeführer einen gemeinsamen Sohn, welcher am 01.04.2018 in Österreich geboren wurde. Der Beschwerdeführer lebt mit seiner Ehegattin und seinem Sohn im gemeinsamen Haushalt. Die Ehegattin des Beschwerdeführers geht in Österreich einer geregelten Arbeit nach. Der Beschwerdeführer kümmert sich um den gemeinsamen Sohn. Der Beschwerdeführer verfügt über ein ÖSD-Zertifikat A1 und A2. Er ist strafgerichtlich unbescholten, nimmt Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch, ist gesund und steht im erwerbstätigen Alter.
1.2 Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:
Politische Lage
Nepal hat ca. 147.181 km² Fläche und ca. 29,5 Mio. Einwohner. Die Hauptlandessprache ist Nepalesisch (AA 2.2018). Regierungsform ist eine parlamentarische Mehrparteien-Demokratie, die nach dem zehnjährigen Bürgerkrieg (1996-2006) entstand. Staatsoberhaupt ist seit 28.10.2015 die Präsidentin Bidya Devi Bhandari (AA 2.2018; vgl. AA 3.2018).
Nepal war 240 Jahre lang ein hinduistisches Königreich. Die ersten freien Parlamentswahlen im Mai 1991 gelten als Geburtsstunde der parlamentarischen Demokratie in Nepal. Die oftmals rasch wechselnden Koalitions- und Minderheitsregierungen konnten die Erwartungen der breiten Bevölkerung jedoch nicht erfüllen. Der Unmut führte schließlich im Februar 1996 zur Aufnahme des bewaffneten Kampfes der maoistischen Rebellenbewegung unter Führung der Unified Communist Party of Nepal (UCPN-M) gegen das bestehende politische System mit dem Ziel der Etablierung einer Volksrepublik. Der Konflikt zwischen Sicherheitskräften und Maoisten eskalierte nach 1999 landesweit und forderte im Verlauf von zehn Jahren rund 13.000 Todesopfer auf beiden Seiten. Mehr als 1.200 Menschen gelten noch immer als vermisst. Die nach dem zehnjährigen Bürgerkrieg (1996 - 2006) Anfang April 2008 gewählte erste verfassungsgebende Versammlung erklärte in ihrer konstituierenden Sitzung Nepal zur Demokratischen Bundesrepublik. Die zweite verfassungsgebende Versammlung wurde in allgemeinen Wahlen am 19.11.2013 gewählt. Die endgültige Staatsform, das Regierungs- und Wahlsystem sowie die künftige föderale Gliederung (sieben Provinzen) regelt die neue Verfassung, die am 16.9.2015 durch die verfassungsgebende Versammlung verabschiedet und am 20.9.2015 verkündet wurde. Mit Verkündung der Verfassung hatte sich die verfassungsgebende Versammlung aufgelöst. Die Funktion übernahm in Folge das Parlament. Das Parlament und die sieben neu eingerichteten Provinzparlamente sind am 7.12.2017 gewählt worden (AA 3.2018).
In den im November und Dezember 2017 abgehaltenen Parlaments- und Provinzwahlen erhielten die Vereinte Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (CPN-UML) und ihr Bündnispartner, die Kommunistisch-Maoistische Zentrumspartei (CPN-MC), 121 bzw. 53 Sitze im Unterhaus, das über 275 Sitze verfügt. Bei der bislang stärksten Partei Nepali Congress (NC) verfehlten dagegen viele Politiker den Wiedereinzug ins Parlament. In der südlichen Provinz Nr. 2 erhielten zwei Parteien, die die Minderheit der Madhesi vertreten, eine parlamentarische Mehrheit. Das linke Bündnis der Kommunisten verstärkte seine Position noch, indem es eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Senat erhielt. Die CPN-UML und die CPN-MC gewannen dort 27 bzw. 12 Sitze von insgesamt 59. Nach dem überwältigenden Wahlsieg des linken Bündnisses hat der Führer der CPN-UML Khadga Prasad Sharma Oli das Amt des Premierministers Nepals als Nachfolger von Sher Bahadur Deuba angetreten.
Die verfassungsmäßigen Vorschriften und neuen Mehrheitsverhältnisse machen es wahrscheinlich, dass Nepal, anders als in der Vergangenheit, von Premierministern regiert wird, die mehrere Jahre im Amt bleiben werden. Nach den erfolgreichen Wahlen sind jetzt auf der Gemeinde-, der Provinz- und der Bundesebene gewählte Volksvertreter dabei, die Exekutive zu kontrollieren (GIZ 3.2018b; vgl. DS 14.2.2018).
Auf nationaler Ebene wird Nepal ein Bestehen von demokratischen Institutionen attestiert. Doch sind diese instabil, etwas umstritten und wegen fortwährender politischer Kontroversen wenig effektiv (BTI 2018). Diese ersten nationalen, regionalen und lokalen Wahlen, welche unter einer neuen Verfassung mit einer hohen Wahlbeteiligung stattfanden, bedeuten trotz einiger Gewaltmeldungen einen Aufwärtstrend für Nepal (FH 2018).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (2.2018): Nepal, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nepal-node/nepal/221214, Zugriff 5.3.2018
-
AA - Auswärtiges Amt (3.2018): Nepal - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nepal-node/-/221262, Zugriff 26.3.2018
-
BTI - Bertelsmann Stiftung¿s Transformation Index (2018): Nepal Country Report,
http://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/NPL/, Zugriff 26.3.2018
-
DS - Der Standard (15.2.2018): Marxist als neuer Ministerpräsident in Nepal vereidigt,
https://derstandard.at/2000074349937/Marxist-als-neuer-Ministerpraesident-in-Nepal-vereidigt, Zugriff 5.3.2018
-
FH - Freedom House (2018): Freedom in the World 2018, Nepal, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/nepal, Zugriff 26.3.2018
-
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018b): Nepal - Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/nepal/geschichte-staat/, Zugriff 5.3.2018
Sicherheitslage
Die Sicherheitslage bleibt vor allem in urbanen Zentren wie Kathmandu und Pokhara angespannt. Unruhen, Streiks und Anschläge sind zu keiner Zeit auszuschließen (BMEIA 28.3.2018). Nepal befindet sich in einer politischen Übergangsphase. Seit Inkrafttreten der Verfassung am 20.9.2015 haben sich die politischen Spannungen erhöht, da sie nicht von allen politischen Parteien und Gesellschaftsgruppen akzeptiert wird. Zwischen Herbst 2015 und Frühjahr 2016 führten zahlreiche Proteste und Generalstreiks auf nationaler, regionaler und Distrikt-Ebene zu mehrmonatigen Versorgungsengpässen; vor allem die Treibstoffversorgung war stark eingeschränkt. Erneute Ereignisse dieser Art sind jederzeit möglich. Im ganzen Land, einschließlich Kathmandu, werden sporadisch Anschläge mit kleineren Sprengsätzen verübt. Sie haben vereinzelte Todesopfer und Verletzte sowie Sachschaden verursacht (EDA 18.12.2017). Im jetzigen politischen Umfeld kommt es in Nepal nur noch gelegentlich zu kurzfristig ausgerufenen "Bandhs" (Zwangsstreiks jedweder Art, auch im Kathmandu-Tal, mit Blockaden/Straßensperren); manchmal werden diese auch gewaltsam durchgesetzt. Letzteres gilt auch für sog. Transportstreiks. Nach den bisherigen Erfahrungen können diese Protestaktionen das öffentliche Leben empfindlich stören. Besonders im Terai ist mit Protestaktionen und gewaltsamen, unter Umständen gefährlichen Auseinandersetzungen zu rechnen (AA 20.3.2018).
Kriminelle Organisationen und andere Gruppierungen erpressen in vielen Landesteilen nationale und internationale Organisationen, Geschäftsleute und Einzelpersonen und setzen Forderungen teilweise mit Gewalt durch. Auf Grund der politischen Instabilität und der Unzuverlässigkeit des Rechtssystems ist eine steigende Gewaltbereitschaft und Kriminalität im ganzen Land feststellbar (AA 20.3.2018).
Bedenken bestehen hinsichtlich Aktivitäten von indischen Grenzsicherheitskräften, welche außerhalb ihrer Zuständigkeitsbereiche agieren. Darüber hinaus sollen chinesische Grenztruppen an der nördlichen Grenze zur Autonomen Region Tibet gelegentlich auf nepalesischem Territorium operieren (BTI 2018).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (20.3.2018): Nepal - Reise- und Sicherheitshinweise,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nepal-node/nepalsicherheit/221216, Zugriff 26.3.2018
-
BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (28.12.2017): Reiseinformation - Nepal, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/nepal/, Zugriff 5.3.2018
-
BTI - Bertelsmann Stiftung¿s Transformation Index (2018): Nepal Country Report,
http://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/NPL/, Zugriff 26.3.2018
-
EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (18.12.2017): Reishinweise für Nepal, https://www.eda.admin.ch/content/eda/de/home/laender-reise-information/nepal/reisehinweise-nepal.html, Zugriff 5.3.2017
Regionale Problemzone Terai
Politische und ethnische Spannungen sind im Terai und in den östlichen Hügelgebieten ausgeprägter als in anderen Teilen des Landes. Im Terai-Gebiet im Süden des Landes agieren zahlreiche bewaffnete Gruppierungen und es kommt häufig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften. Es besteht ein Risiko von lokalen Unruhen, Blockaden und Streiks (Bandhs), besonders in Siraha, Sarlahi, Dhanusha, Bara, Kailali, Dang und Kapilbastu, sowie in den östlichen Hügeldistrikten inklusive Jhapa (EDA 18.12.2017; vgl. AA 20.3.2018, BMEIA 28.3.2018).
Am 8.8.2015 einigten sich vier der wichtigsten Parteien darauf, Nepal in der neuen Verfassung als föderale Republik zu definieren und in sieben föderal verwaltete Bundesstaaten aufzuteilen. Ethnische Gruppen im Süden und mittleren Westen von Nepal protestierten gegen die neue Struktur, die ihnen ihrer Meinung nach die politische Repräsentanz verweigerte. In der Folge kam es zu gewalttätigen Protesten in der Region Terai. Die Sicherheitskräfte wendeten bei mehreren Zusammenstößen mit Protestierenden exzessive, unverhältnismäßige oder unnötige Gewalt an. Bis Oktober 2015 waren mehr als 50 Zivilpersonen und Polizeiangehörige bei diesen Auseinandersetzungen ums Leben gekommen (AI 24.2.2016; vgl. BTI 2018). Von Ende August 2015 bis zum Frühjahr 2016 forderten Unruhen im westlichen Terai mehrere Todesopfer und Verletzte und es wurde eine Ausgangssperre verhängt. Erneute Ereignisse dieser Art sind jederzeit möglich (EDA 18.12.2017; vgl. AA 20.3.2018, BMEIA 28.12.2017, AI 22.2.2018).
Im März 2017 kam es im Distrikt Saptari (östliches Terai) zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten der Madhesi und Sicherheitskräften, die mehrere Todesopfer und zahlreiche Verletzte forderten. Während der Untersuchung der Todesfälle wurden Beamte der Nationalen Menschenrechtskommission (NHRC) in ihrem Fahrzeug von Anhängern jener Partei angegriffen, welche die Wahl boykottierten (AI 22.2.2018; vgl. HRW 18.1.2018).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (20.3.2018): Nepal - Reise- und Sicherheitshinweise,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nepal-node/nepalsicherheit/221216, Zugriff 26.3.2018
-
AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425587.html, Zugriff 6.3.2018
-
AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Nepal, https://www.ecoi.net/local_link/319778/466805_de.html, Zugriff 5.3.2018
-
BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (28.3.2018): Reiseinformation - Nepal, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/nepal/, Zugriff 5.3.2018
-
BTI - Bertelsmann Stiftung¿s Transformation Index (2018): Nepal Country Report,
http://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/NPL/, Zugriff 26.3.2018
-
EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (18.12.2017): Reishinweise für Nepal, https://www.eda.admin.ch/content/eda/de/home/laender-reise-information/nepal/reisehinweise-nepal.html, Zugriff 5.3.2018
-
HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422530.html, Zugriff 5.3.2018
(...)
Sicherheitsbehörden
Die Aufgabe der Nepal Police (NP) ist die Durchsetzung von Recht und Ordnung, während die Armed Police Force (APF) für die Terrorismusbekämpfung, für die Gewährleistung der Sicherheit während Ausschreitungen und öffentlichen Unruhen, für die Unterstützung bei Naturkatastrophen und für den Schutz wichtiger Infrastruktur zuständig ist. NP und APF können Fahndungs- und Haftbefehle ohne gerichtliche oder staatsanwaltschaftliche Überprüfung erlassen. Beide Einheiten verfügen, genauso wie die Armee (Nepal Army - NA), über eine Menschenrechtskommission, aber nur die Kommissionen von NP und NA verfügen über unabhängige Ermittlungsbefugnisse. Alle Sicherheitskräfte erhalten eine Menschenrechtsschulung. Von der NP wurde festgestellt, dass die Missbrauchsvorwürfe bezüglich der Zeit des Bürgerkriegs durch die Truth and Reconciliation Commission (TRC) behandelt werden sollten. Die Menschenrechtskommission der Nepal Police berichtete zwischen Juli 2015 und Juli 2016 über drei Beschwerden, die sich alle auf Foltervorwürfe bezogen und zur Bestrafung von zehn Polizeibeamten führten. Sieben Offiziere erhielten offizielle Rügen und drei wurden nicht befördert. Zusätzlich rügte die nepalesische Polizei in drei Folterfälle aus dem abgelaufenen Jahr fünf Beamte und mahnte einen anderen Beamten ab. Die NGO Terai Human Rights Defenders Alliance (THRDA) und das Advocacy Forum (AF) berichten jedoch unabhängig voneinander, dass sie seit August 2016 mehrere Beschwerden wegen Polizeigewalt bei den Bezirksgerichten einreichten, die alle noch anhängig sind. AF informiert weiters, dass es keine Beschwerden mehr an die Menschenrechtskommission der NP richtet, da diese auf keine der über 100 Beschwerden, welche AF seit 2010 eingereicht hat, reagiert hat. Die Polizeikorruption, vor allem bei unterbezahlten niederen Polizeibeamten, und die mangelhafte Bestrafung polizeilichen Missbrauchs bleiben weiterhin Probleme (USDOS 3.3.2017).
Bemühungen, die strafrechtliche Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen zu gewährleisten, werden weiterhin dadurch stark untergraben, dass die Polizei die zur Einleitung von Ermittlungen erforderlichen Berichte (First Information Reports) nicht anfertigt, keine Untersuchungen einleitet und gerichtliche Anweisungen nicht befolgt. Dies gilt selbst in Fällen von mutmaßlichen außergerichtlichen Hinrichtungen, Menschenhandel, geschlechtsspezifischer Gewalt sowie von Folter und anderen Misshandlungen (AI 24.2.2016).
Angebliche unangemessene Gewaltanwendung durch die Sicherheitskräfte bei den Protesten zwischen August 2015 und Februar 2016 - besonders in der Region Terai - werden kritisiert und als erhebliches Menschenrechtsproblem betrachtet (USDOS 3.3.2017).
Quellen:
-
AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Nepal, https://www.ecoi.net/local_link/319778/466805_de.html, Zugriff 3.5.2017
-
USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Nepal,
https://www.ecoi.net/local_link/337161/479925_de.html, Zugriff 5.3.2018
Allgemeine Menschenrechtslage
Nach dem verheerenden Erdbeben am 25.4.2015 wurde innerhalb weniger Monate eine neue Verfassung verabschiedet, welche im September 2015 in Kraft trat. Sie wies zahlreiche Defizite in Bezug auf den Schutz der Menschenrechte auf und sah eine föderalistische Staatsstruktur vor, die von den ethnischen Gruppen in der Terai-Region abgelehnt wurde. Der Verfassungsänderung folgten gewalttätige Zusammenstöße zwischen Protestierenden und Polizei - besonders in den Gebieten der Terai, und führte von August 2015 bis Februar 2016 zu zahlreichen Toten (AI 22.2.2017; vgl. AI 24.2.2017, AI 22.2.2018, BTI 2018). Im August 2016 genehmigte jedoch die Regierung die Gründung einer unabhängigen Juristischen Kommission, um Menschenrechtsverletzungen während der Unruhen bezüglich der Verfassungsänderung zu untersuchen. Aber seit September wurde die Arbeit noch nicht aufgenommen (USDOS 3.3.2017).
Durch eine ungleiche Verteilung der Katastrophenhilfe nach dem Erdbeben wurden benachteiligte Gruppen diskriminiert; in allen betroffenen Gebieten kam es zu Verzögerungen beim Wiederaufbau (AI 22.2.2017; vgl. AI 24.2.2017). Hunderttausende Überlebende des Erdbebens von 2015 (fast 70% der Betroffenen) leben noch immer in Notunterkünften. Die Regierung hat einen Nachweis des Grundbesitzes als Bedingung für den Erhalt einer Wiederaufbauförderung festgelegt. Da jedoch bis zu 25% der Bevölkerung dieses Kriterium nicht erfüllt haben, sind zehntausende der Überlebenden des Erdbebens nicht förderfähig. Die Situation betrifft vor allem marginalisierte und benachteiligte Gruppen, darunter Frauen, Dalits, wie auch andere ethnische Minderheiten und Kasten (AI 22.2.2018; vgl. BTI 2018).
Weitere Menschenrechtsprobleme sind die Schikanierung von Medien und die Einschränkung der Presse durch Selbstzensur. Die Regierung begrenzte die Versammlungsfreiheit vor allem in den Gebieten, wo die gewalttätigen Proteste gegen die Verfassungsänderung stattfanden. Die Freiheitsrechte von Flüchtlingen, insbesondere tibetischer Herkunft, wurden teilweise eingeschränkt. Die Staatsbürgerschaftsgesetze und -regelungen sind diskriminierend und tragen zur Entstehung von Staatenlosigkeit bei. Früh- und Zwangsehen sowie Vergewaltigung und häusliche Gewalt gegen Frauen, einschließlich Mitgiftmorde, sind nach wie vor ernste Probleme. Es wird weiterhin über Gewalt gegen Kinder, auch in Waisenhäusern, berichtet; die Vorfälle werden jedoch selten gerichtlich verfolgt. Menschenhandel von Kindern und Erwachsenen zu Zwecken sexueller Ausbeutung kommt häufig vor. Personen mit Behinderung und einige ethnische Minderheiten leiden unter Diskriminierung (USDOS 3.3.2017). Jegliche Diskriminierung auf der Basis der Kastenzugehörigkeit ist von der nepalesischen Verfassung verboten. Trotzdem werden Angehörige "unberührbarer Kasten" (Dalits) vielfach ausgegrenzt (GIZ 3.2018). Die Schikanierung aufgrund von Geschlecht oder Zugehörigkeit zu sexuellen Minderheiten ist nach wie vor verbreitet. Die Arbeitnehmerrechte werden teilweise eingeschränkt. Bei der Bekämpfung von Zwangsarbeit und Schuldknechtschaft gibt es nur geringe Fortschritte. Trotz Verbots sich diese weiterhin gebräuchlich. Bei der Bekämpfung von Kinderarbeit gibt es moderate Fortschritte (USDOS 3.3.2017).
Menschenrechtsorganisationen in Nepal fordern von der Regierung das Schicksal der im Bürgerkrieg verschwundenen, verschleppten und ermordeten Menschen aufzuklären (GIZ 3.2018). Diesbezüglich wurden bereits die ersten Initiativen ergriffen. Die Untersuchungskommission zum erzwungenen Verschwinden von Personen (Commission of Investigation on Enforced Disappeared Persons - CIEDP), hat eine Gesetzesvorlage erarbeitet, die darauf zielt, Verschwindenlassen unter Strafe zu stellen. Daneben möchte die CIEDP auch solche Fälle untersuchen, in denen die Opfer des Verschwindenlassens auch gefoltert wurden oder anderen Verbrechen ausgesetzt waren. Die o.g. Forderungen wurden jedoch bis jetzt von der Regierung ignoriert. Die Regierung hatte die Kommission gebildet, ohne ein entsprechendes Gesetz zu verabschieden, das das Verschwindenlassen von Personen kriminalisiert, womit sie Vorgaben des Obersten Gerichts ignorierte, den Transitional Justice Act entsprechend zu überarbeiten. Sie sah sich deshalb dem Vorwurf von Zivilgesellschaft, Menschenrechtsorganisationen und internationaler Gemeinschaft ausgesetzt, eine zahnlose Übergangsjustiz etablieren zu wollen, bei der die schweren Verbrechen aus der Konfliktzeit nicht mehr strafrechtlich aufgearbeitet würden. Laut CIEDP dienen die Maßnahmen der Regierung nur dazu, die Erlassung der erforderlichen Gesetze und die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen verzögern zu können (SAB 1.2016; vgl. THT 26.3.2017).
Bis Juni 2017 erhielt der CIEDP 3.093 Beschwerden über Verschwindenlassen. Eine weitere Aufsichtsbehörde, die Wahrheits- und Versöhnungskommission (Truth and Reconciliation Commission - TRC) nahm trotz fehlender Ressourcen bereits ihre Arbeit auf; sie ist in sieben Provinzen anwesend und bis Juni 2017 erhielt sie 58.000 Beschwerden bezüglich Menschenrechtsverletzungen vor allem aus der Zeit des Bürgerkriegs. Der Vorsitzende der TRC berichtet, dass Gerechtigkeit für die Opfer von außergerichtlicher Tötung, Verschwindenlassen, Vergewaltigung und Folter aufgrund der mangelhaften Gesetzeslage nicht gewährleistet werden kann (THT 8.7.2017).
Quellen:
-
AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425587.html, Zugriff 5.3.2018
-
AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Nepal, http://www.ecoi.net/local_link/336579/479257_de.html, Zugriff 5.1.2018
-
AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Nepal, https://www.ecoi.net/local_link/319778/466805_de.html, Zugriff 5.1.2018
-
BTI - Bertelsmann Stiftung¿s Transformation Index (2018): Nepal Country Report,
http://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/NPL/, Zugriff 26.3.2018
-
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018): Nepal - Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/nepal/geschichte-staat/, Zugriff 5.3.2018
-
SAB - Südasienbüro (1.2016): Nepal: Untersuchungskommission zum erzwungenen Verschwinden von Personen, http://www.suedasienbuero.de/index.php/suedasien-bestellen/99-meldungen/nepal-meldungen/964-1-2016-untersuchungskommission-zum-erzwungenen-verschwinden-von-personen, Zugriff 5.3.2018
-
THT - The Himalaya Times (8.6.2017): Transnational justice bodies await revision of related acts, https://thehimalayantimes.com/kathmandu/transitional-justice-bodies-await-revision-related-acts/, Zugriff 5.3.2017
-
THT - The Himalaya Times (26.3.2017): CIEDP handicapped as legally there's very little it can do,
https://thehimalayantimes.com/nepal/commission-of-investigation-on-enforced-disappeared-persons-handicapped-legally/, Zugriff 5.3.2017
-
USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Nepal,
https://www.ecoi.net/local_link/337161/479925_de.html, Zugriff 5.3.2018
Bewegungsfreiheit
Das Gesetz sieht Bewegungs- und Reisefreiheit, aber auch das Recht auf Emigration und Rückkehr vor. Eine Ausnahme bilden Flüchtlinge; diese müssen bezüglich ihrer Bewegungsfreiheit oft gesetzlich geregelte Einschränkungen hinnehmen. Die Einschränkungen der Flüchtlingsbewegungen werden aber nicht einheitlich durchgesetzt. Die Regierung stellt seit 20 Jahren keine Ausweisdokumente für tibetische Flüchtlinge mehr aus. Es gibt Berichte über Vertriebene aus Tibet, die aufgrund fehlender Personaldokumente an Kontrollpunkten von der Polizei schikaniert oder zurückgeschickt werden. Um Frauen vor Menschenhandel oder Misshandlung zu schützen, führte die Regierung für Frauen ein Mindestalter von 24 Jahren für Auslandsreisen zum Zweck der Aufnahme einer Beschäftigung ein. Diese Regelung wird jedoch von NGOs und Menschenrechtsaktivisten als diskriminierend und kontraproduktiv empfunden, da so Frauen auf informellem Weg über die indische Grenze migrieren (USDOS 3.3.2017). Rekrutierungsunternehmen nutzen weiterhin ihren politischen Einfluss, um Ermittlungen, Strafverfolgung und Wiedergutmachungen für Missbrauch und Ausbeutung von Migranten zu verhindern (AI 22.2.2018).
Während Streiks sind Reisen auf dem Landweg nicht oder nur unter schwierigen Bedingungen möglich (AA 20.3.2018).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (20.3.2018): Nepal - Reise- und Sicherheitshinweise,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nepal-node/nepalsicherheit/221216, Zugriff 26.3.2018
-
AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425587.html, Zugriff 5.3.2018
-
USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Nepal,
https://www.ecoi.net/local_link/337161/479925_de.html, Zugriff 1.3.2018
Grundversorgung und Wirtschaft
Der zehnjährige Bürgerkrieg hat die wirtschaftliche Entwicklung Nepals deutlich beeinträchtigt. Mit dem 2006 eingeleiteten Friedensprozess haben sich die politischen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft bislang nur wenig verbessert. Das gesamtwirtschaftliche Wachstum bewegte sich in den letzten Jahren real zwischen 2% und 4%. Die schweren Erdbeben vom April / Mai 2015 und die innenpolitische Krise nach Verkündung der neuen Verfassung (20.9.2015) haben zu einem weiteren Einbruch der Wirtschaft geführt, von dem sich das Land nur langfristig erholen wird. Mit einem jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von 733,7 US-Dollar (GTAI, prognostiziert für 2016) ist Nepal das zweitärmste Land Südasiens und zählt weiterhin zu den 20 ärmsten Ländern der Welt. Ein Viertel der Bevölkerung lebt unterhalb der nationalen Armutsgrenze. Die nepalesische Wirtschaft ist faktisch weitgehend privatwirtschaftlich verfasst, aber auch geprägt durch starre sozialstaatliche Elemente sowie durch privilegierte Staatsunternehmen. Ausgeprägte Bürokratie sowie eine unzureichende Infrastruktur beeinträchtigen das Investitionsklima und damit die wirtschaftliche Entwicklung. Nepal ist noch immer ein weitgehend von der Subsistenzwirtschaft geprägter Agrarstaat. Die Landwirtschaft beschäftigt mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen und trägt mehr als ein Drittel zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei. Der Anteil des verarbeitenden Sektors am BIP hingegen ist aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen für Industriebetriebe in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen. Der Tourismus im Kathmandu-Tal, im tropischen Regenwald des Terai und im Himalaja ist eine wichtige Deviseneinnahmequelle. Der Dienstleistungssektor profitiert stark vom zunehmenden Fremdenverkehr. Etwa 90% aller Unternehmen des Landes sind Kleinbetriebe, die einen wichtigen Beitrag zur Beschäftigung leisten, aber nur 4% zum BIP beitragen. Die Inflation ist im Vergleich zum Vorjahr gestiegen und liegt aktuell bei etwa 8,5% (IWF, 2015). Ausländische Direktinvestitionen machen nur einen sehr geringen Anteil am gesamten Staatshaushalt aus. Ein Drittel des Budgets wird von der Gebergemeinschaft im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit finanziert (AA 3.2017; vgl. GIZ 1.2018a).
Es existieren keine zuverlässigen Erhebungen zur Arbeitslosigkeit. Die offizielle Erwerbslosenquote ist relativ niedrig (2016: 3.2%), die Unterbeschäftigung ist jedoch weit verbreitet (BTI 2018). In den letzten Jahrzehnten ist die Zahl jener, die das Land aufgrund der politischen Instabilität und der schweren wirtschaftlichen Krise verließen, exponentiell gestiegen. Neben dem traditionellen Zielland Indien sind mit dem Öl-Boom und dem wirtschaftlichen Aufstieg Asiens, Länder am Persischen Golf und in Südostasien zu attraktiven Destinationen geworden. Schätzungen gehen davon aus, dass heute vier bis fünf Millionen Nepalesen im Ausland arbeiten, deren Geldleistungen an die Familien im Heimatland zwischen 25 und 35% des BIP ausmachen. Mit der zunehmenden Emigration ist die Rekrutierung von Arbeitskräften zu einem lukrativen Geschäft geworden. Über 800 sogenannte "manpower companies" werben über lokale Agenten Arbeitswillige in den Dörfern an und organisieren Transport, Ausreisepapiere und Verträge mit den Arbeitgebern in den Zielländern. Die große Mehrheit der Arbeitsmigranten sind junge Männer. Der Anteil der Frauen hat mit der steigenden Nachfrage nach Hausangestellten in den Golfstaaten im letzten Jahrzehnt zwar zugenommen, Frauen machen aber erst etwa 10% der Arbeitskräfte im Ausland aus und sind besonders gefährdet (GIZ 1.2018b; vgl. AA 3.2017, GIZ 1.2018a, DR 25.4.2017).
Nach zwei schweren Erdbeben, die im April und Mai 2015 Nepal erschüttert und verheerende Schäden im Kathmandu-Tal und den Bergdörfern des Himalaya angerichtet haben, erholt sich das Land nur langsam. Damals kamen fast 9.000 Menschen ums Leben, 3,5 Millionen wurden obdachlos, 400.000 Familien benötigen Hilfe. Der Wiederaufbau läuft auch zwei Jahre später nur schleppend. Laut der Wiederaufbaubehörde wurde bisher erst rund 4.000 Menschen eine zweite Rate der zugesicherten Gelder ausgezahlt, nur 420 bekamen bisher die volle Zahlung. Trotz nationaler und internationaler Unterstützung beklagten die Hilfsorganisationen fehlende Vorgaben der Regierung für den notwendigen Wiederaufbau (DR 25.4.2017; vgl. GIZ 1.2018a).
Nepal verfügt außer den familiären sozialen Netzwerken über kein Wohlfahrtssystem. In bestimmten Fällen sind NGOs bemüht, diese Lücke zu füllen, aber deren Tätigkeit ist sehr stark von dem jeweiligen Standort und von internationalen Spenden abhängig, somit können nicht die gleichen Leistungen im ganzen Land angeboten werden. Es gibt nur vereinzelt Privatinitiativen; die öffentlichen Sozialdienste sind rückständig und unzureichend, obwohl sich die Situation in den letzten Jahren leicht verbesserte (BTI 2018).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (3.2017): Nepal - Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/au