TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/11 W191 2140521-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.03.2019
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Entscheidungsdatum

11.03.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W191 2140521-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den Verein Zeige, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.10.2016, Zahl 1096057207-151834735, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.02.2019 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

II. Gemäß § 3 Abs. 5 Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste irregulär und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte am 22.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

Eine EURODAC-Abfrage vom 26.02.2015 ergab keine Übereinstimmung bezüglich der erkennungsdienstlichen Daten des BF.

1.2. In seiner Erstbefragung am 22.11.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari im Wesentlichen Folgendes an:

Er stamme aus XXXX , Provinz Baghlan, sei Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, schiitischer Moslem und habe acht Jahre die Grundschule besucht. Zuletzt sei er Verkäufer gewesen und habe sich in XXXX (später auch XXXX ), Provinz Ghazni, aufgehalten, davor von März 1998 bis Juli 2013 mit seiner Familie in XXXX (Iran).

Vor ca. sieben Monaten habe er mit seiner Familie Afghanistan wieder verlassen und sei wieder zurück nach XXXX gegangen, von wo er vor ca. einem Monat mit seinem Bruder und dessen Familie nach Europa gereist sei. Auch diese hätten in Österreich um Asyl angesucht.

Als Fluchtgrund gab der BF an, dass er Afghanistan aufgrund der schlechten Sicherheitslage verlassen habe.

1.3. Mit Mail einer Hilfsorganisation (Rotes Kreuz) vom 10.03.2016 ersuchte der BF um Beiziehung eines Dolmetsch, der seinen (Hazaragi-) Dialekt spreche oder aus dem Iran komme, zu seiner Einvernahme vor dem BFA.

1.4. Bei seiner Einvernahme am 23.03.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA), Regionaldirektion Niederösterreich in Traiskirchen, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari, bestätigte der BF die Richtigkeit seiner bisher gemachten Angaben. Seine Familie (Ehefrau und drei minderjährige Kinder) sei wegen der Sicherheitslage in den Iran geflüchtet, in ihr Haus und zu ihren landwirtschaftlichen Grundstücken in Baghlan könnten sie nicht zurück.

Der BF schilderte die Gründe für die Flucht im Jahr 1998, nachdem Verwandte, die gegen die Taliban gekämpft hätten, von diesen getötet worden seien. Der BF legte Belege bezüglich der Zugehörigkeit seiner Verwandten zu Hazara-Kampfparteien vor. Er selbst sei nicht dauerhaft im Einsatz gewesen, aber in Notsituationen wegen Angriffen seitens der Taliban oder der radikalen Paschtunen und Wahabiten zur Verteidigung als Soldat herangezogen worden.

Der nunmehrige Anlass für die Flucht seiner Familie sei die Entführung eines Cousins väterlicherseits durch die Taliban gewesen.

Laut Niederschrift wurden dem BF "10 Seiten Länderfeststellungen" ausgehändigt, die offenbar Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistandarstellen und dem Verwaltungsakt einliegen. Dem Akt liegt weiters eine vom BF offenbar vorgelegte Tazkira (afghanisches Personaldokument) mit deutscher Übersetzung ein.

Der BF gab an, er habe psychische Probleme und stehe in ärztlicher Behandlung.

1.5. Mit Eingabe seiner ihn rechtsberatenden Hilfsorganisation vom 24.03.2016 bestätigte der BF seine mit dem Länderinformationsblatt übereinstimmende Einschätzung der schlechten Sicherheitslage in der Provinz Ghazni und verwies auf eine aktuelle Accord-Anfragebeantwortung zur Situation der Hazara in Afghanistan.

Mit Eingaben vom 31.03.2016 und vom 05.04.2016 legte der BF weitere Beweismittel vor.

1.6. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 17.10.2016 den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 22.11.2015 gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 17.10.2017 (Spruchpunkt III.).

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Eine asylrelevante Verfolgung liege nicht vor, das Vorbringen des BF sei unglaubhaft.

Beweiswürdigend führte das BFA (zusammengefasst) aus, dass der BF bezüglich seiner behaupteten Herkunftsregion, Volks- und Staatsangehörigkeit aufgrund seiner Sprach- und Lokalkenntnisse - im Gegensatz zu seinem Fluchtvorbringen - glaubwürdig wäre. Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan wären glaubhaft, weil sie verlässlichen, seriösen, aktuellen und unbedenklichen Quellen entstammten, deren Inhalt schlüssig und widerspruchsfrei sei.

Die Beweiswürdigung bezüglich des Fluchtvorbringens blieb rudimentär.

Subsidiärer Schutz wurde ihm zuerkannt, da im Falle einer Rückkehr des BF in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur GFK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt oder im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes nicht ausgeschlossen werden könne, da aus den Länderberichten der Staatendokumentation erschlossen werden müsse, dass Personen ohne soziale Anknüpfungspunkte in Afghanistan gefährdet seien, in eine existenzielle Notlage zu geraten, und die Lage in seiner Heimatprovinz prekär sei.

1.7. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides brachte der BF mit Schreiben seines damals zur Vertretung bevollmächtigen Rechtsberaters vom 16.11.2016 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) wegen "Verletzung von Verfahrensvorschriften, insbesondere einem mangelhaften Ermittlungsverfahren, einer mangelhaften Beweiswürdigung und unrichtiger Feststellungen und daraus resultierend, einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung" ein.

In der Beschwerdebegründung wurde das Vorbringen des BF knapp zusammengefasst wiederholt und das Verfahren sowie die Begründung im angefochtenen Bescheid des BFA als mangelhaft und unzutreffend kritisiert.

Neu wurde ausgeführt, dass der BF nunmehr zum Christentum konvertiert und am 23.10.2016 vom Bund der Baptistengemeinden in Österreich getauft worden sei. Die Taufurkunde wurde vorgelegt.

1.8. Mit Eingabe vom 18.05.2017 übermittelte der BF ein Zertifikat über die Absolvierung eines Bibellehrganges vom 11.05.2017.

1.9. Mit Schreiben seines nunmehrigen gewillkürten Vertreters vom 30.08.2018 teilte der BF mit, dass er aktives Mitglied der Baptistengemeinde sei und zusätzlich zu seiner stets regelmäßigen Teilnahme an den Gottesdiensten weiterhin zweimal wöchentlich Glaubenskurse besuche und rege am Gemeindeleben in einer Gruppe engagierter junger afghanischer Christen teilnehme.

1.10. Mit Eingabe vom 12.09.2018 und 14.11.2018 reichte der BF eine Bestätigung von Funktionären seiner Glaubensgemeinschaft vom 09.07.2018 über sein Verhalten in der Glaubensgruppe sowie Integrationsunterlagen (Kursteilnahme Deutsch A2) nach.

1.11. Auf die Ladung zur Verhandlung vor dem BVwG erstattete der BF mit Schreiben seines Vertreters vom 06.02.2019 eine Stellungnahme, in der er die Einvernahme namentlich genannter Gemeindefunktionäre als Zeugen anregte und Ausführungen zur Situation bei Konversion vom Islam zum Christentum in Afghanistan tätigte.

Beigelegt war dieser Eingabe eine ärztliche Bestätigung vom 14.01.2019, wonach der BF seit etwa zwei Jahren an einer mittelstarken Depression leide, die er selbst auf seine Einsamkeit zurückführe.

1.12. Das BVwG führte am 25.02.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari durch, zu der der BF persönlich in Begleitung eines Funktionärs seiner Baptistengemeinde, der auch als Zeuge einvernommen wurde, erschien. Die belangte Behörde verzichtete im Vorhinein auf die Teilnahme an einer Verhandlung.

Dabei gaben der BF und der Zeuge auf richterliche Befragung im Wesentlichen Folgendes an (Auszug aus der Verhandlungsschrift):

" [...] RI [Richter]: Was ist Ihre Muttersprache?

BF: Dari. Ich spreche darüber hinaus aufgrund meines jahrelangen Aufenthaltes im Iran auch Farsi.

RI an D [Dolmetsch]: In welcher Sprache übersetzen Sie für den BF?

D: Dari.

RI befragt BF, ob er D gut verstehe; dies wird bejaht.

Zur heutigen Situation:

RI: Fühlen Sie sich körperlich und geistig in der Lage, der heutigen Verhandlung zu folgen?

BF: Ja, heute geht es mir gut.

RI: Leiden Sie an chronischen oder akuten Krankheiten oder anderen Leiden oder Gebrechen?

BF: Ich bin seit Anfang 2016 in fachärztlicher psychiatrischer Behandlung. Ich habe psychosomatische Beschwerden und erhielt zuletzt eine Zuweisung für einen Facharzt für HNO. Ich nehme täglich abends 150 mg Trittico.

[...]

Der BF hat bisher bezüglich seiner Identität eine Tazkira (afghanisches Personaldokument in Kopie), bezüglich seines Fluchtgrundes Bestätigungen der Partei Hezb-e Wahdat und bezüglich seines Nachfluchtgrundes der Konversion vom Islam zum Christentum seine Taufurkunde vom 23.10.2016 und diverse Bestätigungen der Baptistengemeinde sowie bezüglich seiner Integration ein Deutschzertifikat A2 vorgelegt.

[...]

Zur Identität und Herkunft sowie zu den persönlichen

Lebensumständen:

RI: Sind die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zu Ihrem Namen und Geburtsdatum sowie zu Ihrer Staatsangehörigkeit korrekt?

BF: Ja.

RI: Welcher ethnischen Gruppe bzw. Volks- oder Sprachgruppe gehören Sie an?

BF: Hazara.

RI: Gehören Sie einer Religionsgemeinschaft an, und wenn ja, welcher?

BF: Ich bin nun ein Christ. Ich war früher schiitischer Moslem.

RI: Sind Sie verheiratet, oder leben Sie in einer eingetragenen Partnerschaft oder sonst in einer dauernden Lebensgemeinschaft?

BF: Ja, ich bin verheiratet und habe drei Kinder. Meine Familie hat früher in Teheran gelebt und lebt nun in XXXX , ca. 230 km von Teheran entfernt.

Der BF legt vor die Tazkiras seiner Familienmitglieder samt Übersetzung ins Englische in Kopie, die zum Akt genommen werden.

BF: Die Geburtsdaten meiner Familie lauten: Ehefrau XXXX , Kinder XXXX , XXXX , XXXX . Ich weiß diese Daten, da ich sie in einem Notizbuch aufgeschrieben habe. Geheiratet haben wir am 22.05.1999.

Anmerkung: Der BF legt vor ein Blatt Papier, auf dem er diese Daten in Dari und in Übersetzung und Transkription ins Deutsche aufgeschrieben hat.

RI: Haben Sie in Ihrem Herkunftsstaat eine Schul- oder Berufsausbildung absolviert?

BF: In Afghanistan habe ich acht Klassen die Schule besucht, darüber hinaus war ich in Afghanistan selbständig, als Verkäufer von Holz und als Taxifahrer.

Anmerkung: Der BF wirkt gedämpft (dies bestätigt auch der BF und der anwesende Zeuge).

RI: Geben Sie bitte soweit wie möglich chronologisch an, wann und wo Sie sich in Afghanistan aufgehalten haben.

BF: Ich habe Afghanistan zum ersten Mal im Jahr 1377 (umgerechnet 1999) verlassen, nachdem ich in meiner Heimatprovinz Baghlan fünf Familienmitglieder durch die Taliban verloren habe, und bin im Jahr 1384 (umgerechnet 2005) nach der Niederschlagung der Taliban nach Ghazni zurückgekehrt. Am 20.02.1394 (umgerechnet 2015) bin ich wieder in den Iran gereist.

RI: Wo und wie leben Ihre Verwandten?

BF: In Afghanistan habe ich niemanden mehr.

RI: Sie haben Ihre Tazkira in Kopie vorgelegt, wo ist das Original?

BF: Bei meiner Frau im Iran.

RI: Sind oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder Gruppierung?

BF: Ich nicht, aber mein Vater und die getöteten Familienmitglieder schon.

Zur derzeitigen Situation in Österreich:

RI: Haben Sie in Österreich lebende Familienangehörige oder Verwandte?

BF: Ja, ich habe einen Bruder mit seiner Familie in Linz, manchmal fahre ich sie besuchen.

RI ersucht D, die folgenden Fragen nicht zu übersetzen. RI stellt diverse Fragen.

RI: Sprechen Sie Deutsch? Haben Sie mich bis jetzt auch ohne Übersetzung durch den D verstehen können?

BF: Ich verstehe ca. 30% von dem, was sie sagen, tue mir aber beim Sprechen schwer.

Der anwesende Zeuge bestätigt auf Nachfrage des RI diese Einschätzung.

RI stellt fest, dass der BF die zuletzt gestellten und nicht übersetzten Fragen teilweise verstanden und holprig auf Deutsch beantwortet hat.

RI: Besuchen Sie derzeit einen Deutschkurs, oder haben Sie einen Deutschkurs bereits besucht?

BF: Ja. Ich habe den Deutschkurs B1 nicht bestanden und wiederhole jetzt Deutschkurs A2. Ich bin gut in Grammatik.

RI: Haben Sie Arbeit in Österreich? Gehen Sie einer regelmäßigen Beschäftigung nach?

BF: Nein, derzeit gehe ich keiner Beschäftigung nach, aber ich habe bereits nach Jobs gesucht. Ich habe das AMS gebeten, mir Jobs zu vermitteln, ich würde alles tun. Ich könnte auf einer Baustelle arbeiten oder bei Gebäudeabrissen.

RI: Besuchen Sie in Österreich bestimmte Kurse oder eine Schule, oder sind Sie aktives Mitglied in einem Verein? Gehen Sie sportlichen oder kulturellen Aktivitäten nach?

BF: Bis vor einem Jahr habe ich den Fitinn Club besucht, derzeit besuche ich einen Deutschkurs, außerdem gehe ich freitags und sonntags in die Kirche.

RI: Wurden Sie in Österreich jemals von einem Gericht wegen einer Straftat verurteilt oder von einer Behörde mit einem Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot belegt?

BF: Nein.

RI: Unterhalten Sie von Österreich aus noch Bindungen an Ihren Herkunftsstaat, insbesondere Kontakte zu dort lebenden Familienangehörigen, Verwandten, Freunden oder zu sonstigen Personen? Wenn ja, wie sieht dieser Kontakt konkret aus (telefonisch, brieflich, per E-Mail), bzw. wie regelmäßig ist dieser Kontakt?

BF: Ja. Ich telefoniere etwa drei bis viermal in der Woche mit meiner Ehefrau und meinen Kindern.

Z [Zeuge] wird ersucht, den Raum bis Aufruf zu verlassen, dieser verlässt um 10:00 Uhr den Verhandlungssaal.

Zu den Fluchtgründen und zur Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat:

RI: Sie wurden bereits im Verfahren vor dem Bundesasylamt zu den Gründen, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben bzw. warum Sie nicht mehr in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren können (Fluchtgründe), einvernommen. Die diesbezüglichen Niederschriften liegen im Akt ein.

Sind Ihnen diese Angaben noch erinnerlich und, wenn ja, halten Sie diese Angaben vollinhaltlich und unverändert aufrecht, oder wollen Sie zu Ihren Fluchtgründen noch etwas ergänzen oder berichtigen, das Ihnen wichtig erscheint?.

BF: Ja, ich halte meine Angaben aufrecht. Nur der Nachname meiner Ehefrau lautet richtig XXXX , sie führt nicht meinen Nachnamen.

RI: Warum glauben Sie, dass der Bescheid des Bundesamtes, mit dem Sie subsidiären Schutz, aber nicht Asyl bekommen haben, nicht richtig ist?

BF: Mein Leben wäre nicht sicher in Afghanistan, im Falle einer Rückkehr würde ich in Afghanistan getötet werden.

RI: Warum?

BF: Es gab einige Tote bereits in Afghanistan, und zwar einer meiner Cousins, der Sohn meines Onkels, väterlicherseits ist in Maidan Wardak getötet worden, BUMAN, er war 34 Jahre alt.

RI: Wann war das?

BF: Etwa einen Monat oder 40 Tage vor meiner Ausreise aus Afghanistan im Jahr 1394.

RI: Wieso wären Sie in Gefahr?

BF: Das Problem von Baghlan dauert noch immer an. QULAM ALI war ein bekannter Kommandant, der Taliban getötet hat, er wurde selbst auf grausame Art getötet.

RI: Und wieso sind Sie jetzt in Gefahr?

BF: Ich bin ein Verwandter dieser Person, mein Vater und mein Cousin gehörten auch seiner Gruppe an.

RI: Wer würde Sie umbringen?

BF: Diejenigen, die meinen Cousin umgebracht haben.

RI: Gibt es noch einem Grund, warum Sie in Gefahr wären, wenn Sie jetzt nach Afghanistan gingen?

BF: Ja, ich bin Christ geworden, aufgrund dessen würde ich auch getötet werden.

RI: Warum sind Sie Christ geworden?

BF: Weil ich in einem kriegerischen Umfeld aufgewachsen bin. Als ich nach Europa kam, war ich 20 Tage lang in Griechenland, dort haben wir von der Kirche Hilfe bekommen, ohne dass die Menschen darauf geachtet haben, welcher Religion wir angehören. Dort habe ich gespürt, dass Jesus mein Herz berührt hat. Dann bin ich nach Österreich gereist, zu Beginn habe ich in Salzburg gewohnt, dann bin ich nach Mödling verlegt worden nach XXXX . Dort habe ich Liebe von der Kirche bekommen.

RI: Was sagt Ihre Frau dazu, dass Sie Christ geworden sind?

BF: Sie sagt mir nichts, es sei mein Weg und es sei meine Wahl, sagt sie.

RI: Was sagt Ihr Bruder dazu?

BF: Mein Bruder sagt ebenfalls nichts, Österreich ist nicht Afghanistan, dass man bei einer Religion bleiben muss, ich bin tatsächlich im Leben daraufgekommen, dass mich Scharia nicht retten kann. Als ich Moslem war, wusste ich, dass ich nicht alle Regeln der Scharia einhalten kann.

RI: Welche nicht?

BF: Vieles, man muss fünfmal am Tag beten, fasten, Scharia war wie ein Gefängnis für mich. Mein Vater hat immer über mich geurteilt. Er sagte, dass ich nicht die Regeln einhalte, z.B. dass ich nicht in die Moschee gehe, ich würde in der Hölle landen, damals dachte ich mir, dass ich nur geboren bin, um in die Hölle zu gehen. Ich habe mich entschieden, an Jesus zu glauben, dass er die einzige Erlösung ist.

RI: Es gibt auch im Islam Jesus, Prophet Isa, da kannten Sie ihn doch schon?

BF: Ja, Moslems akzeptieren ihn als Propheten, aber ich akzeptiere ihn als Gott und Erlöser.

RI: Was ist denn so die Botschaft, die Jesus den Menschen gebracht hat?

BF: Liebe zueinander, Hoffnung. Johannes sagt im Vers 16, Gott hat die Menschen so sehr geliebt, dass er ihnen seinen Sohn geschickt hat. Jeder, der an ihn glaubt, ist der einzige Weg der Erlösung.

RI: Was glauben Sie, wieso konnten die spanischen Eroberer so grausam mit den Ureinwohnern in Amerika umgehen?

BF: Wir haben nichts mit grausamen Taten der anderen zu tun und wollen auch nichts zu tun haben. Die Botschaft Jesus ist Liebe, wir gehen lediglich seinen Weg.

RI: Wieso haben Sie sich zuerst taufen lassen und dann erst Kurse bei den Baptisten besucht?

BF: Es hat gedauert, bis ich für die Taufe vorbereitet war. Als ich meinen Gott Jesus richtig kennengelernt habe, habe ich mich taufen lassen.

RI: Was ist für Sie das Heilige Buch?

BF: Das Heilige Buch ist die Worte und Lehre von Jesus Christus. Bibel ist eine frohe Botschaft von Jesus an uns.

RI: Wissen Sie, aus welchen Teilen die Bibel besteht?

BF: Aus zwei Teilen, das Alte und das Neue Testament, das Alte Testament gehört Moses. Darin wird das Kommen des Erlösers angekündigt.

RI: Wissen Sie, aus welchen Teilen das Neue Testament besteht?

BF: Markus, Matthäus, Lukas und Johannes.

RI: Wer ist Paulus?

BF: Er war ein Jude, stammt aus Rom. Er war ursprünglich ein Feind der Christen, er hat sie verfolgt. Bei seiner letzten Reise nach Damaskus mit seinen Gefolgsleuten ist ihm Gott Jesus erschienen.

RI wiederholt seine Frage bezüglich des chronologischen Ablaufes von Taufe und Kursen.

BF: Zuerst habe ich einen zehnmonatigen Taufvorbereitungskurs besucht, nach der Taufe habe ich dann Kurse besucht.

RI: Besuchen Sie auch noch heute Kurse?

BF: Ja, ich nehme derzeit sowohl am Freitag als auch am Sonntag an einem Kurs teil. Am Sonntag Nachmittag nehme ich dann am Gottesdienst teil.

RI: Wer in Österreich weiß, dass Sie Christ geworden sind?

BF: Alle. Als ich im Heim gewohnt habe, habe ich die frohe Botschaft verbreitet. Ich habe Probleme mit anderen Afghanen bekommen.

Der Zeuge betritt um 10:40 [Uhr] wieder den Verhandlungssaal.

[...]

RI: Was ist Ihre Stellung in dieser Einrichtung, und um welche Einrichtung handelt es sich?

Z: Mein Titel ist Gemeindeältester in der Baptistengemeinde "Projektgemeinde". Wir gehören so wie die Evangelikalen und die Pfingstgemeinden zu den Freikirchen in Österreich. Das ist eine gesetzlich anerkannte Kirche seit ca. vier Jahren. Wir haben drei Sprachgruppen, Deutsch, Farsi und Spanisch. Ich leite gemeinsam mit dem Pastoralassistenten XXXX die Gruppe Farsi. Wir haben typischerweise parallele Leitungsstrukturen von Pastoren und Laien. Laien haben nebenbei einen anderen Beruf und nicht die theologische Ausbildung von Pastoren. Ich habe auch durchaus auch pastorale Aufgaben.

RI: Seit wann kennen Sie den BF, und wie haben Sie ihn kennengelernt?

Z: Er ist im Jänner 2016 zu uns gekommen und hat zu einer Gruppe von fünf Afghanen gehört, die in diesem Roten Kreuz Camp am Flughafen gelebt haben. Diese Personen sind nach wie vor bei uns in der Farsi Gruppe tätig.

RI: Was können Sie über die religiöse/weltanschauliche Einstellung des BF sagen?

Z: Der BF kommt regelmäßig und treu zu unserer Gruppe, er ist sehr ruhig und zurückhaltend. Mir ist das auch erst in letzter Zeit aufgefallen, dass er größere psychische Probleme hat (Depression) und würde das vermutlich auf eine Traumatisierung zurückführen, dem wir jetzt auch nachgehen müssen. Ich dachte auch, dass er seit seiner Schutzgewährung erwerbstätig ist. Ich habe mit ihm auch über seine Probleme gesprochen und auch darüber, wie er das von seinem Glauben her verarbeitet. Er sagt sehr klar, dass es ihm, wenn er bei uns in der Kirche ist, sehr gut geht, an den restlichen Tagen nicht. Er führt es darauf zurück, dass die Gemeinde seine Familie ist. Das ist etwas, was wir auch theologisch stark betonen, dass wir Brüder und Schwester im Glauben sind. Die Entscheidung, ihn zu taufen, fußte zunächst auf zwei Kursen, einem Glaubenskurs und einem Taufkurs über mindestens ein halbes Jahr. Dann gab es ein Gespräch mit ihm. Die Taufbewerber geben dabei einander ein Zeugnis ihres Glaubens. Es gibt daher regelmäßig ausreichend Zeit, jemanden kennenzulernen und zu sehen, wie er sich in der Gruppe verhält.

RI gibt BFV [Vertreter des BF] die Möglichkeit, Fragen an den Z zu stellen.

BFV: Wie kommen Sie darauf, dass der BF wirklich und nicht aus taktischen Gründen konvertiert ist?

Z: Wir haben die Entscheidung getroffen, weil wir davon überzeugt waren, dass er wirklich Christ ist. Die Einbindung in die Gruppe in Schwechat war sehr wichtig für uns. Es gab dort auch iranische Christen ("Neuchristen") und einige Afghanen und Iraner, die in andere Kirchen gegangen sind. Für Konvertiten war es eine schwierige Sache, und es war schon klar erkennbar, wer wirklich Christ werden wollte. Es war ein großes Lager mit viel Druck.

Der Zeuge wird um 11:05 Uhr aus dem Zeugenstand entlassen und nimmt hinten im Verhandlungssaal wieder Platz.

Der RI bringt unter Berücksichtigung des Vorbringens des BF auf Grund der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Informationen die dieser Niederschrift beiliegenden Feststellungen und Berichte [...] in das gegenständliche Verfahren ein.

Der RI erklärt die Bedeutung und das Zustandekommen dieser Berichte. Im Anschluss daran legt der RI die für die Entscheidung wesentlichen Inhalte dieser Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat dar.

RI folgt BFV Kopien dieser Erkenntnisquellen aus und gibt ihm die Möglichkeit, dazu sowie zu den bisherigen Angaben des BF eine mündliche Stellungnahme abzugeben oder Fragen zu stellen.

BFV verzichtet darauf.

RI befragt BFV, ob er noch etwas Ergänzendes vorbringen will; dies wird verneint.

RI befragt BF, ob er noch etwas Ergänzendes vorbringen will; dies wird verneint.

RI befragt BF, ob er D gut verstanden habe; dies wird bejaht.

Weitere Beweisanträge: Keine. [...]"

Das erkennende Gericht brachte weitere Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF in das Verfahren ein (aufgelistet unter Punkt 2.).

Das BFA beantragte nicht die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde und beteiligte sich auch sonst nicht am Verfahren vor dem BVwG. Dem BFA wurde die Verhandlungsschrift samt Beilagen übermittelt.

2. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

* Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschriften der Erstbefragung am 22.11.2015 und der Einvernahme vor dem BFA am 23.03.2016, die vom BF vorgelegten Belege sowie die Beschwerde vom 16.11.2016

* Einsicht in Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat des BF im erstbehördlichen Verfahren (offenbar Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Aktenseiten 181 bis 233)

* Einvernahme des BF und eines Zeugen im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 25.02.2019 sowie Einsichtnahme in die im Beschwerdeverfahren vorgelegten Belege

* Einsichtnahme in folgende in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG zusätzlich in das Verfahren eingebrachte Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF:

o Feststellungen und Berichte über die allgemeine Lage im Herkunftsstaat sowie in den Provinzen Baghlan und Ghazni und die Lage von ethnischen Minderheiten, insbesondere die Hazara, sowie die Religionsfreiheit (Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018, zuletzt aktualisiert am 31.01.2019)

3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):

Folgende Feststellungen werden aufgrund des glaubhaft gemachten Sachverhaltes getroffen:

3.1. Zur Person des BF:

3.1.1. Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, bekannte sich früher zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam und bekennt sich nunmehr zum Christentum. Die Muttersprache des BF ist Dari (Hazaragi-Dialekt), er spricht aufgrund seines jahrelangen Aufenthaltes im Iran auch Farsi.

3.1.2. Lebensumstände:

Der BF stammt aus XXXX , Provinz Baghlan, ist Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und verheiratet. Er hat acht Jahre die Grundschule besucht und dann als Verkäufer gearbeitet. Im Jahr 1998 ist er wegen angegebener Gründe (Kämpfe mit den Taliban) nach XXXX (Iran) gegangen und im Juli 2013 mit seiner Familie wieder nach Afghanistan zurückgekehrt. Er hat sich bis ca. April 2015 in XXXX (auch XXXX ), Provinz Ghazni, aufgehalten. Dann hat er mit seiner Familie Afghanistan wieder verlassen und ist zurück nach XXXX gegangen, von wo er ca. sechs Monate später gemeinsam mit seinem Bruder und dessen Familie nach Europa gereist ist.

3.1.3. Der BF bemüht sich um seine Integration in Österreich und hat derzeit Deutschkenntnisse etwa auf A2-Niveau (er hat die Deutschprüfung B1 nicht bestanden und besucht nun wieder den Kurs A2).

Der BF hat psychische Probleme, leidet laut ärztlicher Bestätigung seit ca. 2016 an einer mittelgradigen Depression und nimmt Psychopharmaka.

Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

3.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

Der BF befürchtet, im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan auf Grund seiner Konversion vom Islam zum Christentum von anderen Personen getötet zu werden, weil er nach der dort allgemein vorherrschenden Ansicht als Moslem (Schiite) nicht die Religion wechseln hätte dürfen. Der BF ist jedoch gewillt, auch im Fall der Rückkehr seinen christlichen Glauben offen und nach außen hin erkennbar auszuüben, seine Konversion zum Christentum nicht zu widerrufen und nicht wieder zum Islam überzutreten.

Der BF ist im Zuge seines Aufenthaltes im Flüchtlingscamp - und schon vorher in Griechenland, wo er Hilfe nur von Christen erfahren habe - mit dem Christentum in Berührung gekommen und hat sich nach mehrmonatiger Vorbereitungszeit am 23.10.2016 taufen lassen. Er ist aktives Mitglied der "Projektgemeinde", Gruppe der Farsi-Sprechenden, des Bundes der Baptistengemeinden in Österreich und besucht regelmäßig wöchentlich den Gottesdienst und zweimal wöchentlich einen Glaubenskurs. Seine afghanischen Mitbewohner im Camp wissen - genauso wie seine Ehefrau und sein in Österreich ebenfalls als Asylwerber mit seiner Familie lebender Bruder - über seine Konversion Bescheid.

Der BF konnte seinen in Österreich gesetzten Nachfluchtgrund glaubhaft darlegen.

Es liegen keine Gründe vor, nach denen der BF von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten auszuschließen ist oder nach denen ein Ausschluss des BF hinsichtlich der Asylgewährung zu erfolgen hat.

3.3. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:

Aufgrund der in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG zusätzlich in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des BF getroffen (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zu Afghanistan ("Gesamtaktualisierung am 29.06.2018", zuletzt aktualisiert am 01.03.2019, Schreibfehler teilweise korrigiert):

"[...] 2. Politische Lage

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.01.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015).

Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.09.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.09.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen. Über die genaue Gestalt und Institutionalisierung des Postens des CEO muss noch eine loya jirga [Anm.: größte nationale Versammlung zur Klärung von wichtigen politischen bzw. verfassungsrelevanten Fragen] entscheiden (AAN 13.02.2015; vgl. AAN o. D.), doch die Einberufung einer loya jirga hängt von der Abhaltung von Wahlen ab (CRS 13.12.2017).

Die afghanische Innenpolitik war daraufhin von langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Regierungslagern unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah geprägt. Kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 wurden schließlich alle Ministerämter besetzt (AA 9.2016).

Parlament und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus dem Unterhaus, auch wolesi jirga, "Kammer des Volkes", genannt, und dem Oberhaus, meshrano jirga auch "Ältestenrat" oder "Senat" genannt. Das Unterhaus hat 250 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz im Unterhaus reserviert (AAN 22.01.2017; vgl. USDOS 20.04.2018, USDOS 15.08.2017, CRS 13.12.2017, Casolino 2011). Die Mitglieder des Unterhauses haben ein Mandat von fünf Jahren (Casolino 2011). Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von ca. 25% im Unterhaus (AAN 22.01.2017).

Das Oberhaus umfasst 102 Sitze (IPU 27.02.2018). Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für behinderte Personen bestimmt. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 20.04.2018; vgl. USDOS 15.08.2017).

Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z.T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leider die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 5.2018).

Die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen konnten wegen ausstehender Wahlrechtsreformen nicht Am geplanten Termin abgehalten werden. Daher bleibt das bestehende Parlament weiterhin im Amt (AA 9.2016; vgl. CRS 12.01.2017). Im September 2016 wurde das neue Wahlgesetz verabschiedet und Anfang April 2018 wurde von der unabhängigen Wahlkommission (IEC) der 20.10.2018 als neuer Wahltermin festgelegt. Gleichzeitig sollen auch die Distriktwahlen stattfinden (AAN 12.04.2018; vgl. AAN 22.01.2017, AAN 18.12.2016).

Parteien

Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 15.08.2017). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (AE o. D.). Der Terminus "Partei" umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich, die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).

Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf strukturelle Elemente (wie z.B. das Fehlen eines Parteienfinanzierungsgesetzes) zurückzuführen sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange, werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9.2016). Ein hoher Grad an Fragmentierung sowie eine Ausrichtung auf Führungspersönlichkeiten sind charakteristische Merkmale der afghanischen Parteienlandschaft (AAN 06.05.2018).

Mit Stand Mai 2018 waren 74 Parteien beim Justizministerium (MoJ) registriert (AAN 06.05.2018).

Parteienlandschaft und Opposition

Nach zweijährigen Verhandlungen unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.01.2017), das letzterer Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtete sich die Gruppe, alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.09.2016). Das Abkommen beinhaltete unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für den historischen Anführer der Hezb-e-Islami, Gulbuddin Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, internationale Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.01.2017). Tatsächlich wurde dieser im Februar 2017 von der Sanktionsliste des UN-Sicherheitsrates gestrichen (AAN 03.05.2017). Am 04.05.2017 kehrte Hekmatyar nach Kabul zurück (AAN 04.05.2017). Die Rückkehr Hekmatyars führte u.a. zu parteiinternen Spannungen, da nicht alle Fraktionen innerhalb der Hezb-e Islami mit der aus dem Friedensabkommen von 2016 erwachsenen Verpflichtung, sich unter Hekmatyars Führung wiederzuvereinigen, einverstanden sind (AAN 25.11.2017; vgl. Tolonews 19.12.2017, AAN 6.5.2018). Der innerparteiliche Konflikt dauert weiter an (Tolonews 14.03.2018).

Ende Juni 2017 gründeten Vertreter der Jamiat-e Islami-Partei unter Salahuddin Rabbani und Atta Muhammad Noor, der Jombesh-e Melli-ye Islami-Partei unter Abdul Rashid Dostum und der Hezb-e Wahdat-e Mardom-Partei unter Mardom Muhammad Mohaqeq die semi-oppositionelle "Coalition for the Salvation of Afghanistan", auch "Ankara Coalition" genannt. Diese Koalition besteht aus drei großen politischen Parteien mit starker ethnischer Unterstützung (jeweils Tadschiken, Usbeken und Hazara) (AB 18.11.2017; vgl. AAN 06.05.2018).

Unterstützer des weiterhin politisch tätigen ehemaligen Präsidenten Hamid Karzai gründeten im Oktober 2017 eine neue politische Bewegung, die Mehwar-e Mardom-e Afghanistan (The People's Axis of Afghanistan), unter der inoffiziellen Führung von Rahmatullah Nabil, des ehemaligen Chefs des afghanischen Geheimdienstes (NDS). Später distanzierten sich die Mitglieder der Bewegung von den politischen Ansichten Hamid Karzais (AAN 06.05.2018; vgl. AAN 11.10.2017).

Anwarul Haq Ahadi, der langjährige Anführer der Afghan Mellat, eine der ältesten Parteien Afghanistans, verbündete sich mit der ehemaligen Mujahedin-Partei Harakat-e Enqilab-e Eslami-e Afghanistan. Gemeinsam nehmen diese beiden Parteien am New National Front of Afghanistan teil (NNF), eine der kritischsten Oppositionsgruppierungen in Afghanistan (AAN 6.5.2018; vgl. AB 29.05.2017).

Eine weitere Oppositionspartei ist die Hezb-e Kongara-ya Melli-ye Afghanistan (The National Congress Party of Afghanistan) unter der Führung von Abdul Latif Pedram (AB 151.2016; vgl. AB 295.2017).

Auch wurde die linksorientierte Hezb-e-Watan-Partei (The Fatherland Party) wieder ins Leben gerufen, mit der Absicht, ein wichtiges Segment der ehemaligen linken Kräfte in Afghanistan zusammenzubringen (AAN 06.05.2018; vgl. AAN 21.08.2017).

Friedens- und Versöhnungsprozess

Am 28.02.2018 machte Afghanistans Präsident Ashraf Ghani den Taliban ein Friedensangebot (NYT 11.03.2018; vgl. TS 28.02.2018). Die Annahme des Angebots durch die Taliban würde, so Ghani, diesen verschiedene Garantien gewähren, wie eine Amnestie, die Anerkennung der Taliban-Bewegung als politische Partei, eine Abänderung der Verfassung und die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Anführer (TD 07.03.2018). Quellen zufolge wird die Annahme bzw. Ablehnung des Angebots derzeit in den Rängen der Taliban diskutiert (Tolonews 16.4.2018; vgl. Tolonews 11.4.2018). Anfang 2018 fanden zwei Friedenskonferenzen zur Sicherheitslage in Afghanistan statt: die zweite Runde des Kabuler Prozesses [Anm.: von der afghanischen Regierung ins Leben gerufene Friedenskonferenz mit internationaler Beteiligung] und die Friedenskonferenz in Taschkent (TD 24.03.2018; vgl. TD 07.03.2018, NZZ 28.02.2018). Anfang April rief Staatspräsident Ghani die Taliban dazu auf, sich für die Parlamentswahlen im Oktober 2018 als politische Gruppierung registrieren zu lassen, was von diesen jedoch abgelehnt wurde (Tolonews 16.04.2018). Ende April 2018 kam es in diesem Zusammenhang zu Angriffen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich des IS, aber auch der Taliban) auf mit der Wahlregistrierung betraute Behörden in verschiedenen Provinzen (vgl. Kapitel 3. "Sicherheitslage").

Am 19.05.2018 erklärten die Taliban, sie würden keine Mitglieder afghanischer Sicherheitskräfte mehr angreifen, wenn diese ihre Truppen verlassen würden, und gewährten ihnen somit eine "Amnestie". In ihrer Stellungnahme erklärten die Aufständischen, dass das Ziel ihrer Frühlingsoffensive Amerika und ihre Alliierten seien (AJ 19.05.2018).

Am 07.06.2018 verkündete Präsident Ashraf Ghani einen Waffenstillstand mit den Taliban für den Zeitraum 12.06.2018 - 20.06.2018. Die Erklärung erfolgte, nachdem sich Am 04.06.2018 über 2.000 Religionsgelehrte aus ganz Afghanistan in Kabul versammelt hatten und eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aussprachen (Tolonews 07.06.2018; vgl. Reuters 07.06.2018, RFL/RL 05.06.2018). Durch die Fatwa wurden Selbstmordanschläge für ungesetzlich (nach islamischem Recht, Anm.) erklärt und die Taliban dazu aufgerufen, den Friedensprozess zu unterstützen (Reuters 05.06.2018). Die Taliban selbst gingen am 09.06.2018 auf das Angebot ein und erklärten einen Waffenstillstand von drei Tagen (die ersten drei Tage des Eid-Fests, Anm.). Der Waffenstillstand würde sich jedoch nicht auf die ausländischen Sicherheitskräfte beziehen; auch würden sich die Taliban im Falle eines militärischen Angriffs verteidigen (HDN 10.06.2018; vgl. TH 10.06.2018, Tolonews 09.06.2018).

[...]

3. Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.02.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.)

[...]

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.02.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 09.03.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (UNGASC 15.03.2016).

[...]

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.08.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östliche Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.02.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.02.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.02.2018).

[...]

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 06.06.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.02.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.02.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.02.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.02.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.02.2018, NZZ 21.03.2018, UNGASC 27.02.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.03.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 01.06. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.02.2018; vgl. Slate 22.04.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.03.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.03.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.01.2018; vgl. BBC 29.01.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.01.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.01.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.05.2018; AD 20.05.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.02.2018), [...]

Angriffe gegen Gläubige und Kultstätten

Registriert wurde eine steigende Anzahl der Angriffe gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige; 499 zivile Opfer (202 Tote und 297 Verletzte) waren im Rahmen von 38 Angriffen im Jahr 2017 zu verzeichnen. Die Anzahl dieser Art Vorfälle hat sich im Gegensatz zum Jahr 2016 (377 zivile Opfer, 86 Tote und 291 Verletzte bei zwölf Vorfällen) verdreifacht, während die Anzahl ziviler Opfer um 32% gestiegen ist (UNAMA 2.2018). Auch verzeichnete die UN in den Jahren 2016 und 2017 Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Religiösen Führern ist es nämlich möglich, durch ihre Predigten öffentliche Standpunkte zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 07.11.2017). Ein Großteil der zivilen Opfer waren schiitische Muslime. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 07.11.2017; vgl. UNAMA 2.2018). Es wurden aber auch Angriffe auf sunnitische Moscheen und religiöse Führer ausgeführt (TG 20.10.2017; vgl. UNAMA 07.11.2017)

Diese serienartigen und gewalttätigen Angriffe gegen religiöse Ziele haben die afghanische Regierung veranlasst, neue Maßnahmen zu ergreifen, um Gebetsstätten zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempel vor Angriffen zu schützen (UNGASC 20.12.2017).

[...]

Angriffe auf Behörden zur Wahlregistrierung:

Seit der Ankündigung des neuen Wahltermins durch den afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani im Jänner 2018 haben zahlreiche Angriffe auf Behörden, die mit der Wahlregistrierung betraut sind, stattgefunden (ARN 21.05.2018; vgl. DW 06.05.2018, AJ 06.05.2018, Tolonews 06.05.2018, Tolonews 29.04.2018, Tolonews 220.4.2018).

[...]

Zivilist/innen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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