TE Vwgh Erkenntnis 1999/4/9 97/19/0657

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Veröffentlicht am 09.04.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/19/0658 97/19/0659 97/19/0660

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde 1.) der 1968 geborenen Z A, 2.) der 1989 geborenen S A,

3.) des 1989 geborenen M A und 4.) des 1990 geborenen C A, die Zweit- bis Viertbeschwerdeführer vertreten durch die Erstbeschwerdeführerin sowie den Vater C A, letztere vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 17. Jänner 1997, 1.) zu Zl. 119.841/2-III/11/96 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin),

2.) zu Zl. 119.841/3-III/11/96 (betreffend die Zweitbeschwerdeführerin), 3.) zu Zl. 119.841/4-III/11/96 (betreffend den Drittbeschwerdeführer) und

4.) zu Zl. 119.841/5-III/11/96 (betreffend den Viertbeschwerdeführer), jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 15.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Erstbeschwerdeführerin ist Mutter der übrigen Beschwerdeführer. Die Beschwerdeführer stellten beim österreichischen Generalkonsulat in Istanbul jeweils als "Erstantrag" bezeichnete Anträge auf Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen, die am 20. Juni 1995 beim Magistrat der Stadt Wien einlangten. Vorgelegt wurde eine Unterkunftserklärung eines Gartenbauunternehmens vom 1. September 1995, worin erklärt wurde, dass dem Ehegatten bzw. Vater der Beschwerdeführer und seiner Familie nach deren Ankunft in Österreich eine Betriebsunterkunft zur Verfügung gestellt werde. Die Unterkunft stehe ausschließlich dem Ehegatten bzw. Vater der Beschwerdeführer und seiner Familie zur Verfügung. Aus der unentgeltlichen Überlassung ergäben sich jedoch keinerlei Rechte im Sinne eines Mietsverhältnisses (vgl. OZl. 26 des Verwaltungsaktes).

Der Landeshauptmann von Wien wies die Anträge der Beschwerdeführer mit Bescheiden jeweils vom 21. März 1996 gemäß § 3 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab.

Die Beschwerdeführer erhoben dagegen Berufung. Dem Berufungsschriftsatz war ein Mietvertrag vom 17. April 1996 beigeschlossen, in dem der Ehegatte bzw. Vater der Beschwerdeführer als Mieter aufscheint. Mit Schreiben vom 5. November 1996 forderte der Bundesminister für Inneres die Beschwerdeführer auf, zum Nachweis ihrer ortsüblichen Unterkunft in Kopie einen Mietvertrag vorzulegen und eine Erklärung vorzulegen, dass die Familie an der angeführten Adresse Unterkunft nehmen dürfe. Daraufhin wurde eine entsprechende Bestätigung der Hausverwaltung vom 15. November 1996 sowie neuerlich der bereits erwähnte Mietvertrag vom 17. April 1996 vorgelegt.

Mit im wesentlichen gleich lautenden Bescheiden jeweils vom 17. Jänner 1997 wies der Bundesminister für Inneres die Berufungen der Beschwerdeführer gemäß § 5 Abs. 1 AufG ab. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, auf Grund des Mietvertrages sowie "durch Recherchen der Berufungsbehörde" sei festgestellt worden, dass der Ehegatte bzw. Vater "zur Zeit" an einer Adresse im 15. Wiener Gemeindebezirk (der im Mietvertrag genannten Adresse) Unterkunft genommen habe und diese Unterkunft, bestehend aus einem Zimmer, einem Kabinett, Küche und Vorzimmer bereits von vier Personen bewohnt werde. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass neben den erforderlichen Schlafstellen auch das Mobiliar für Kleider und sonstige Gegenstände, im Falle des Zuzuges der Beschwerdeführer, für insgesamt acht Personen benötigt werde, sei der verbleibende freie Bewegungsraum für die Unterkunftnehmer derart gering, dass eine für Inländer ortsübliche Unterkunft nicht vorliege.

Gerade die Notwendigkeit, in einem ohnedies sensiblen Bereich die weitere Zuwanderung sorgfältig zu steuern, mache es erforderlich, strenge Maßstäbe an die Beurteilung der Ortsüblichkeit von Wohnverhältnissen von Zuwanderern anzulegen. Sei eine für Inländer ortsübliche Unterkunft für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert, so dürfe gemäß § 5 Abs. 1 AufG eine Bewilligung nicht erteilt werden.

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide (ihre Zustellung erfolgte jeweils am 3. März 1997) ist für die Überprüfung ihrer Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 201/1996 maßgeblich.

§ 5 Abs. 1 AufG lautete:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

Weder nach der Aktenlage noch nach dem Beschwerdevorbringen verfügten die Beschwerdeführer jeweils über eine Aufenthaltsbewilligung. Die belangte Behörde wertete ihre Anträge daher zu Recht nicht als Verlängerungsanträge. Die angefochtenen Bescheide sind demnach auch nicht gemäß § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes haben Fremde von sich aus (initiativ) zu belegen, dass sie über die zur Bestreitung ihres Unterhalts erforderlichen Mittel sowie über eine ortsübliche Unterkunft (vgl. zu letzterem das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/0009) verfügen. Nur dadurch kommen sie ihrer Obliegenheit gemäß § 6 Abs. 1 AufG nach, glaubhaft zu machen, dass kein Ausschließungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 1 leg. cit. vorliegt.

Wie bereits dargestellt, legten die Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren mehrfach Unterlagen über ihnen zur Verfügung stehende Unterkünfte vor. Sie sind damit ihrer Pflicht, das Vorliegen einer für Inländer ortsüblichen Unterkunft für die Dauer der (angestrebten) Bewilligung initiativ darzulegen, nachgekommen.

Die belangte Behörde durfte zwar im Hinblick auf die Obliegenheit der Beschwerdeführer zur Glaubhaftmachung des Nichtvorliegens von Versagungsgründen auch im Berufungsverfahren ohne entsprechenden Vorhalt von den Angaben der Beschwerdeführer über ihre Unterkunft ausgehen, die von den Antragstellern in ihren Anträgen und im folgenden Verwaltungsverfahren von sich aus bekannt gegeben wurden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. Juni 1998, Zlen. 95/19/0861 bis 0866); dies bedeutet jedoch nicht, dass die Behörde die Ergebnisse ihrer eigenen Ermittlungen über die Unterkunftsverhältnisse der Beschwerdeführer diesen im Rahmen des Parteiengehöres nicht vorzuhalten hätte.

Die Ermittlungsergebnisse der belangten Behörde, die im angefochtenen Bescheid erwähnt werden, stellen Beweismittel dar, die den Beschwerdeführern in Wahrung des Parteiengehörs mit der Möglichkeit zur Stellungnahme vorzuhalten gewesen wären.

Die belangte Behörde stellte in den angefochtenen Bescheiden jeweils fest, dass in der Wohnung im 15. Wiener Gemeindebezirk, in der der Ehegatte bzw.Vater der Beschwerdeführer Unterkunft genommen habe, noch weitere vier Personen wohnhaft seien. Diese Annahme wurde den Beschwerdeführern im Verwaltungsverfahren nicht vorgehalten. Ihr diesbezügliches Beschwerdevorbringen unterliegt daher nicht dem im Verwaltungsverfahren geltenden Neuerungsverbot. Indem die Beschwerdeführer vorbringen, die betreffende Wohnung sei "lediglich vorübergehend" von mehreren Personen mitbenützt worden, diese Personen seien jedoch mittlerweile ausgezogen, weshalb die Wohnung, die er alleine bewohne, zur Gänze dem Ehegatten bzw. Vater der Beschwerdeführer und diesen zur Verfügung stünde, zeigen sie in tauglicher Weise die Relevanz des der Behörde unterlaufenen Verfahrensmangels auf. Dass die (nach dem vorgelegten Mietvertrag über 40 m2 große), aus einem Zimmer, einem Kabinett, Küche und Vorzimmer bestehende Wohnung auf Grund ihrer besonderen Beschaffenheit für eine Unterkunftnahme der Familie der Beschwerdeführer nicht geeignet sei oder andere Umstände vorlägen, deretwegen sie nicht als für Inländer ortsübliche Unterkunft im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG anzusehen wäre, hat die belangte Behörde nicht festgestellt.

Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass die belangte Behörde, hätte sie die ihr zur Last fallenden Verfahrensfehler unterlassen, bei Zutreffen des Vorbringens der Beschwerdeführer zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.

Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff, insbesondere § 52 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil eine Einbringung der Beschwerde in zweifacher sowie der angefochtenen Bescheide in einfacher Ausfertigung für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung ausreichend gewesen wäre.

Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG Abstand genommen werden.

Wien, am 9. April 1999

Schlagworte

Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997190657.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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