TE Vwgh Erkenntnis 2019/4/3 Ro 2018/08/0017

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Veröffentlicht am 03.04.2019
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Index

60/04 Arbeitsrecht allgemein
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

ASVG §11 Abs2
ASVG §49 Abs1
ASVG §49 Abs2
UrlaubsG 1976 §10

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ro 2018/08/0018

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision der Vorarlberger Gebietskrankenkasse, vertreten durch die Lercher & Hofmann Rechtsanwälte GmbH in 6832 Röthis, Schlösslestraße 31a, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juli 2018, Zl. I412 2013742-1/OZE, betreffend Ende der Pflichtversicherung nach dem ASVG (mitbeteiligte Parteien: 1. E L in B, 2. I GmbH in R, beide vertreten durch die Längle Fussenegger Singer Rechtsanwälte Partnerschaft in 6850 Dornbirn, Lustenauerstraße 64), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die Revisionswerberin hat den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu entrichten.

Begründung

1 Die revisionswerbende Gebietskrankenkasse (GKK) stellte mit Bescheid vom 5. August 2014 fest, dass die erstmitbeteiligte Partei auf Grund ihrer Tätigkeit für die zweitmitbeteiligte Partei im Zeitraum 21. April 2010 bis 4. Juni 2010 der Pflichtversicherung in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherung gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen sei.

2 Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Erstmitbeteiligte bis zum 28. Februar 2010 für die zweitmitbeteiligte Partei im Rahmen eines Dienstverhältnisses tätig gewesen sei. Mit 28. Februar 2010 sei dieses Dienstverhältnis auf Grund der Pensionierung der Erstmitbeteiligten beendet worden. Aus Anlass der Beendigung des Dienstverhältnisses seien ihr eine Urlaubsersatzleistung für 37,03 Urlaubstage und eine Abgeltung ihres Sabbaticalanspruchs für 267,75 unverbrauchte Sabbaticalstunden auf Grund des Kollektivvertrags für private Sozial- und Gesundheitsorganisationen

in Vorarlberg ausbezahlt worden. Der Sabbatical-Anspruch sei wie ein zusätzlicher Urlaubsanspruch und nicht etwa wie eine besondere Form des Zeitausgleichs zu betrachten. Somit sei die Abgeltung des bestehenden Sabbatical-Anspruchs bei Beendigung des Dienstverhältnisses als Urlaubsersatzleistung anzusehen, was gemäß § 11 Abs. 2 ASVG zu einer Verlängerung der Pflichtversicherung führe. Der an die Erstmitbeteiligte ausbezahlte Betrag entspreche 33,46 Arbeitstagen und damit einer Verlängerung der Pflichtversicherung um 45 Kalendertage. Insgesamt habe sich die Pflichtversicherung der Erstmitbeteiligten auf Grund der Sabbatical-Abgeltung um den Zeitraum 21. April 2010 bis 4. Juni 2010 verlängert (auf Grund der "gewöhnlichen" Urlaubsersatzleistung sei es bereits zu einer Verlängerung der Pflichtversicherung um den Zeitraum 1. März 2010 bis 20. April 2010 gekommen).

3 Den von der erst- und der zweitmitbeteiligten Partei gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerden gab das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis statt, indem es aussprach, dass die Erstmitbeteiligte im Zeitraum 21. April 2010 bis 4. Juni 2010 nicht der Pflichtversicherung nach dem ASVG unterlegen sei.

4 Das Bundesverwaltungsgericht führte begründend im Wesentlichen aus, dass eine Gleichstellung der kollektivvertraglichen Sabbaticalregelung mit dem Urlaub nicht intendiert gewesen sei. In der Fassung des Kollektivvertrags vom 1. Februar 2013 (Stichtag 5. Februar 2014) sei auch ausdrücklich normiert, dass es sich bei der Auszahlung von nicht konsumierten Sabbaticalzeitgutschriften um Abgeltung eines angesammelten Zeitdepots auf der Basis des aktuellen Monatsgehalts und um keine Urlaubsersatzleistung handle. Die Sabbaticalregelung unterscheide sich von einer Urlaubsregelung dadurch, dass eine Ablöse auch während des aufrechten Dienstverhältnisses zulässig sei und dass ein Guthaben zehn Jahre lang angespart werden könne. Insgsamt sei nicht davon auszugehen, dass die ausbezahlte Sabbaticalgutschrift entsprechend einer Ersatzleistung für Urlaubsentgelt zu behandeln sei und somit zu einer Verlängerung der Pflichtversicherung führe.

5 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei, weil es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung der betreffenden Kollektivvertragsbestimmung fehle. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision der GKK, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem die mitbeteiligten Parteien eine Revisionsbeantwortung erstatteten, erwogen hat:

6 Die GKK führt zur Zulässigkeit der Revision aus, dass die Frage, ob die Abfindung von bei Beendigung des Dienstverhältnisses nicht in Anspruch genommenen Sabbaticalzeitguthaben als eine zur Verlängerung der Pflichtversicherung führende Leistung im Sinn des § 11 Abs. 2 ASVG anzusehen sei, noch nicht durch höchstgerichtliche Rechtsprechung geklärt worden sei.

7 Die Revision ist aus dem genannten Grund zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

8 Gemäß § 10 des Kollektivvertrags für private Sozial- und Gesundheitsorganisationen in Vorarlberg ist das Sabbatical die geblockte Konsumation von angesparten Sabbaticalzeitgutschriften und nicht verbrauchten Urlaubsansprüchen laut Urlaubsgesetz und/oder Zeitausgleich. Im Wesentlichen ist dafür Folgendes vorgesehen: Jede/r ArbeitnehmerIn erhält jährlich mit Stichtag 1.1. des Jahres eine Sabbaticalzeitgutschrift im Ausmaß einer Wochenarbeitszeit auf ein persönliches Zeitdepot gutgeschrieben. Bei Eintritt während des Kalenderjahres erfolgt per 1.1. des Folgejahres eine Sabbaticalzeitgutschrift im aliquoten Verhältnis der geleisteten Jahresarbeitszeit. Die Sabbaticalzeitgutschrift kann jährlich verbraucht oder aber über mehrere Jahre angesammelt und dann als Sabbatical konsumiert werden. ArbeitnehmerInnen, die ihre Sabbaticalzeitgutschriften über mindestens fünf Ansparjahre und höchstens zehn Ansparjahre ansparen und dann als Sabbatical konsumieren, erhalten pro Sabbatical eine weitere Woche Zeitgutschrift, die im Zusammenhang mit einem mindestens dreimonatigen Sabbatical zu konsumieren ist; andernfalls verfällt dieser Anspruch. Auch allfällige andere Zeitguthaben (zB nicht konsumierter Zeitausgleich oder unverbrauchte Urlaubsguthaben) können in Zusammenhang mit dem Sabbatical konsumiert werden. Sabbatical kann erstmals nach Ablauf von fünf Ansparjahren und spätestens bis Ende des 10. Ansparjahrs in Anspruch genommen werden. Während des Sabbaticals erfolgt volle Entgeltfortzahlung. Nach zehn Ansparjahren wird das persönliche Zeitdepot auf fünf Ansparjahre zurückgestellt. Die nicht konsumierten Ansparzeiten werden auf Basis des zum Zeitpunkt der Auszahlung aktuellen Gehaltes ausbezahlt. Für die Berechnung des Stundensatzes der Abgeltung ist das aktuelle Monatsgehalt, ohne Überstunden und ohne aus dem Kollektivvertrag resultierende Zulagen und Aufwandsersätze durch 173 (Divisor) zu teilen; bei Teilzeitbeschäftigung im aliquoten Verhältnis. Der Auszahlungsbetrag ergibt sich aus dem Stundensatz multipliziert mit dem aktuellen Zeitguthaben. Dies gilt auch im Fall der Beendigung des Dienstverhältnisses vor Inanspruchnahme der angesparten Sabbaticalzeitgutschrift. Die Sabbaticalzeitgutschrift aus dem Beendigungsjahr wird bei Beendigung des Dienstverhältnisses aliquot abgegolten; dies gilt analog auch bei Beendigung des Dienstverhältnisses während des ersten Ansparjahres.

9 Sabbaticalzeitguthaben nach dem genannten Kollektivvertrag sind also auch während des aufrechten Dienstverhältnisses in Geld abzufinden, sobald zehn Jahre angespart wurden.

Sozialversicherungsrechtlich handelt es sich bei einer derartigen Abfindung um beitragspflichtiges Entgelt im Sinn des § 49 Abs. 1 ASVG, das jenem Beitragszeitraum zugeordnet wird, in welchem die Abgeltung ausbezahlt wird. Weder liegen Sonderzahlungen im Sinne des § 49 Abs. 2 ASVG vor (dazu bedürfte es einer Wiederkehr mit einer gewissen Regelmäßigkeit in bestimmten, über die Beitragszeiträume hinausreichenden Zeitabschnitten; vgl. - zur Abgeltung von Gleitzeitguthaben - VwGH 21.4.2004, 2001/08/0048), noch hat eine "Aufrollung" der einzelnen monatlichen Beitragszeiträume, aus denen das Guthaben stammt, zu erfolgen, ist die Abfindung doch auf Basis des zum Zeitpunkt der Auszahlung aktuellen Gehalts zu berechnen.

10 Es besteht kein Grund, eine solche Zahlung anders zu behandeln, wenn sie bei Beendigung des Dienstverhältnisses erfolgt: Auch in diesem Fall erhöht sie die Beitragsgrundlage für den Beitragszeitraum, in dem die Auszahlung erfolgt.

11 Zu einer Verlängerung der Pflichtversicherung gemäß § 11 Abs. 2 2. Satz ASVG kommt es nicht, weil diese Bestimmung (neben dem hier nicht relevanten Fall der Kündigungsentschädigung) ausdrücklich nur auf eine "Ersatzleistung für Urlaubsentgelt (Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung)" abstellt. Um eine solche handelt es sich bei der Abgeltung von Sabbaticalzeitguthaben nach dem genannten Kollektivvertrag nicht. Mögen mit dem Sabbatical-Anspruch auch - wie die GKK hervorhebt - teilweise ähnliche Ziele verfolgt werden wie mit dem Urlaubsanspruch, so besteht ein wesentlicher Unterschied doch darin, dass es im Fall des Sabbatical-Anspruchs nach zehn Jahren sogar zwingend zu einer Abfindung nicht verbrauchter Guthaben zu kommen hat, während eine Ablöse des Urlaubs bei aufrechtem Dienstverhältnisses nicht zulässig ist; die Urlaubsersatzleistung gewährleistet vor diesem Hintergrund (unbeschadet dessen, dass es sich um einen vermögensrechtlichen Entgeltanspruch handelt - vgl. Reissner in ZellKomm § 10 UrlG Rz 6) letztlich die Möglichkeit einer Konsumation des Urlaubs nach Ende des Dienstverhältnisses, was ihre fiktive Aufteilung über den ganzen Zeitraum des offenen Urlaubsanspruchs und damit auch eine dementsprechende Verlängerung der Pflichtversicherung rechtfertigt.

12 Das Bundesverwaltungsgericht hat im Ergebnis ohne Rechtsirrtum festgestellt, dass es auf Grund der Auszahlung der Abgeltung für das Sabbaticalzeitguthaben zu keiner Verlängerung der Pflichtversicherung der Erstmitbeteiligten gekommen ist.

13 Die Revision war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

14 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 3. April 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RO2018080017.J00

Im RIS seit

10.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

10.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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