TE Vwgh Erkenntnis 2019/4/3 Ra 2018/08/0216

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Veröffentlicht am 03.04.2019
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag
62 Arbeitsmarktverwaltung
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze

Norm

AlVG 1977 §25 Abs1
AlVG 1977 §36a Abs5 Z1
EStG 1988 §41 Abs1 Z2
NotstandshilfeV §5 Abs1
NotstandshilfeV §6 Abs7

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision des L L in W, vertreten durch Dr. Ingo Riss, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Gußhausstraße 14 Top 7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. August 2018, Zl. W121 2161479-1/14E, betreffend Notstandshilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Wien Laxenburger Straße), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde dem Antrag des Revisionswerbers vom 7. April 2017 auf Gewährung von Notstandshilfe keine Folge gegeben, weil infolge der Anrechnung des Einkommens seiner Ehefrau keine Notlage bestehe.

2 Zur im Revisionsverfahren noch strittigen Frage, ob von den Einkünften der Ehefrau des Revisionswerbers aus geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen vor der Anrechnung die auf diese Einkünfte letztlich entfallenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abzuziehen seien, führte das Bundesverwaltungsgericht Folgendes aus:

3 Allgemein sei bei der Anrechnung von Partnereinkommen der jeweilige Nettobetrag maßgeblich. Der vorliegende Fall sei insofern besonders gelagert, als die Ehefrau des Revisionswerbers ihr Einkommen aus mehreren, teils geringfügigen Dienstverhältnissen beziehe und auf den vom AMS eingeholten Lohnbzw. Gehaltsbescheinigungen jeweils nur jene Steuern und Abgaben ausgewiesen seien, die das konkrete Dienstverhältnis beträfen. Der Rechtsvertreter des Revisionswerbers habe in der mündlichen Verhandlung vom 17. Mai 2018 darauf hingewiesen, dass die Ehefrau im Wege von jährlichen Einkommensteuererklärungen die entsprechenden Vorschreibungen erhalte und zu bezahlen habe; sämtliche Einkünfte seien am Ende des Jahres gemeinsam zu versteuern und unterlägen gemeinsam der Sozialversicherungspflicht.

Bei Ermittlung des tatsächlichen Monatseinkommens müssten daher auch die nachträglich zu bezahlenden Steuern und Sozialabgaben berücksichtigt werden.

4 Gemäß § 36a Abs. 5 Z 2 AlVG sei das Einkommen aus nicht selbständiger Arbeit durch die Vorlage einer aktuellen Lohnbestätigung nachzuweisen. Das sich daraus ergebende Nettoeinkommen sei auch im vorliegenden Fall der Anspruchsbeurteilung zu Grunde zu legen.

5 Es würde jedoch zweifellos eine sachlich nicht gerechtfertigte Benachteiligung von mehrfach geringfügig beschäftigten Personen bedeuten, wenn die von ihnen zu entrichtenden Steuern und Sozialabgaben bei Ermittlung des Nettoeinkommens nur deshalb nicht voll berücksichtigt würden, weil die entsprechenden Vorschreibungen zur Nachzahlung erst zu einem späteren Zeitpunkt ergingen. Bei den auf den aktuellen Lohnbestätigungen ausgewiesenen Nettobeträgen handle es sich in diesen Fällen nur um vorläufige Beträge. Insofern sei die Gruppe unselbständig Beschäftigter, die parallel mehrere Beschäftigungen ausübten, mit den selbständig Erwerbstätigem vergleichbar, für die § 36a Abs. 5 Z 1 ASVG bestimme, dass das Einkommen anhand des Einkommensteuerbescheides zu beurteilen sei und die bis dahin abgegebenen Erklärungen nur vorläufigen Charakter hätten.

6 Somit müsse auch für den Personenkreis der mehrfach unselbständig Beschäftigten gelten, dass erst nach Erlassung des Einkommensteuerbescheides eine endgültige Beurteilung des Nettoeinkommens vorgenommen werden könne. Ob dies durch den Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 69 AVG oder durch analoge Anwendung der für selbständig Erwerbstätige geltenden Bestimmungen des AlVG zu erfolgen habe, könne im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, weil der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017 noch nicht ergangen sei.

7 Zusammenfassend sei festzuhalten, dass das Einkommen der Ehefrau des Revisionswerbers zwecks Feststellung des Vorliegens einer Notlage anhand der aktuellen Lohnbestätigungen zu überprüfen gewesen sei.

8 Aus der vom Bundesverwaltungsgericht auf dieser Basis durchgeführten Berechnung ergab sich, dass dem Revisionswerber mangels Notlage keine Notstandshilfe gebührte.

9 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Weder weiche die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehle es an einer Rechtsprechung, noch sei sie als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht habe sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen können.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem das AMS eine Revisionsbeantwortung erstattete, erwogen hat:

10 Der Revisionswerber erblickt entgegen dem nur textbausteinartig begründeten Ausspruch des Bundesverwaltungsgerichts über die Zulässigkeit der Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darin, dass vom Verwaltungsgerichtshof zu beurteilen sei, ob bei der Ermittlung des Partnereinkommens für die Notstandshilfebemessung im Fall des Aufeinandertreffens mehrerer geringfügiger Beschäftigungen die ausgewiesenen Bezüge ohne Abzug der Steuer- und Sozialabgaben oder nur die Nettobezüge heranzuziehen seien. Von der für diese Frage einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei das Bundesverwaltungsgericht abgewichen.

11 Dies trifft zu, weshalb sich die Revision als zulässig und

berechtigt erweist.

12 § 36a AlVG lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 36a. (1) Bei der Feststellung des Einkommens für die Beurteilung des Vorliegens von Arbeitslosigkeit (§ 12 Abs. 6 lit. a bis e), des Anspruchs auf Familienzuschlag (§ 20 Abs. 2 und 5) und für die Anrechnung auf die Notstandshilfe ist nach den folgenden Absätzen vorzugehen.

(2) Einkommen im Sinne dieses Bundesgesetzes ist das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, in der jeweils geltenden Fassung, zuzüglich den Hinzurechnungen gemäß Abs. 3 und dem Pauschalierungsausgleich gemäß Abs. 4. (...)

...

(5) Das Einkommen ist wie folgt nachzuweisen:

1. bei Personen, die zur Einkommensteuer veranlagt werden,

durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das Kalenderjahr, in dem die Leistung nach diesem Bundesgesetz bezogen wird, und bis zum Vorliegen dieses Bescheides auf Grund einer jeweils monatlich im nachhinein abzugebenden Erklärung des selbständig Erwerbstätigen und geeigneter Nachweise;

2. bei Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit durch die

Vorlage einer aktuellen Lohnbestätigung;

..."

13 Gemäß § 5 Abs. 1 erster Satz der im Revisionsfall noch anzuwendenden Notstandshilfeverordnung (NH-VO) ist das Einkommen des Arbeitslosen, das er innerhalb eines Monats erzielt, nach Abzug der Steuern und sozialen Abgaben sowie des zur Erwerbung dieser Einkommen notwendigen Aufwandes auf die Notstandshilfe, die im Folgemonat gebührt, anzurechnen. Nach § 6 Abs. 7 NH-VO ist diese Bestimmung bei der Anrechnung des Einkommens des Ehepartners sinngemäß anzuwenden.

14 Es kann auf Grund dieser Bestimmungen - entgegen der in der Revisionsbeantwortung vertretenen Ansicht des AMS - keinem Zweifel unterliegen, dass für das anzurechnende Einkommen stets die nach Abzug der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge verbleibenden Nettobeträge maßgeblich sind, auch wenn auf den Lohnbestätigungen nur Bruttobeträge ausgewiesen sind, wie es bei geringfügigen Beschäftigungen der Fall ist.

15 Davon ist auch das Bundesverwaltungsgericht ausgegangen. Das Bundesverwaltungsgericht war allerdings der Meinung, dass die Abzüge erst im Nachhinein - sobald ein Einkommensteuerbescheid für das betreffende Kalenderjahr vorliegt - zu berücksichtigen seien, wobei im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben könne, ob insoweit die für selbständig Erwerbstätige geltenden Bestimmungen anzuwenden seien, weil noch kein Einkommensteuerbescheid vorgelegen sei.

16 Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht übersehen, dass die Ehefrau des Revisionswerbers auf Grund ihres Bezugs mehrerer lohnsteuerpflichtiger Einkünfte im Kalenderjahr gemäß § 41 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 zwingend zur Einkommensteuer zu veranlagen war. Daraus folgt aber, dass auf die Ermittlung der Notstandshilfe des Revisionswerbers insoweit § 36a Abs. 5 Z 1 AlVG anzuwenden ist. Dies hat insbesondere zur Folge, dass dem Revisionswerber bei der (vorläufigen) Berechnung seiner Notstandshilfe der Nachweis des Einkommens der Ehefrau durch Erklärung und geeignete Nachweise offen steht, wozu auch - wie bei einer selbständig erwerbstätigen Person - der Einwand gehört, dass das anzurechnende Nettoeinkommen der Ehefrau niedriger ist als die ihr tatsächlich zugeflossenen Beträge, weil ein bestimmter Teil des der Ehefrau zufließenden Einkommens im Nachhinein als Einkommensteuer zu entrichten sein wird. Es liegt in einem solchen Fall bei der Behörde bzw. beim Bundesverwaltungsgericht, das (mutmaßliche) vorläufige Nettoeinkommen unter Berücksichtigung der Einkommensteuerlast, die bei einer periodengerechten Zusammenrechnung mehrerer lohnsteuerpflichtiger Einkünfte entstehen wird, zu ermitteln. Nach Vorliegen des Einkommensteuerbescheides der Ehefrau ist die endgültige Höhe der gebührenden Notstandshilfe festzustellen und gegebenenfalls die sich ergebende Differenz nachzuzahlen oder ein Überbezug im Rahmen des § 25 Abs. 1 dritter Satz AlVG zurückzufordern (vgl. VwGH 19.9.2007, 2006/08/0187 ua).

17 Da das Bundesverwaltungsgericht demnach die Rechtslage verkannt hat, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

18 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff AlVG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 3. April 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018080216.L00

Im RIS seit

10.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

10.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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