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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AlVG 1977Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision der I GmbH in I, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 2 (Hauptpostgebäude), gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. April 2017, I401 2128214-1/11E, betreffend Antrag auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Innsbruck; mitbeteiligte Partei: M L in I), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 ML bezog vom Arbeitsmarktservice (AMS) von
12. November 2010 bis 11. August 2011 Arbeitslosengeld als Pensionsvorschuss, von 12. August 2011 bis 30. September 2012 Notstandshilfe als Pensionsvorschuss und ab 29. Mai 2015 nochmals Notstandshilfe als Pensionsvorschuss. Im Zeitraum von 1. Oktober 2012 bis 28. Mai 2015 stand er nicht im Leistungsbezug aus der Arbeitslosenversicherung.
2 Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 7. August 2015 wurde der revisionswerbenden Partei gegen ML als verpflichtete Partei aufgrund eines gerichtlichen Vergleiches (Exekutionstitel) zur Hereinbringung einer Forderung der revisionswerbenden Partei gegen ML von EUR 126.020,23 s.A. zunächst die Forderungsexekution nach § 294 EO durch Pfändung und Überweisung zur Einziehung der ML vom AMS gewährten Bezüge (§ 290a Abs. 1 Z 7 EO) bewilligt. Nach Zustellung der Exekutionsbewilligung an sie gab die regionale Geschäftsstelle des AMS Innsbruck am 15. September 2015 eine Drittschuldnererklärung ab, in der die (unter dem Existenzminimum liegende) Höhe des laufenden Bezuges des ML bekannt gegeben wurde.
3 Mit Beschluss vom 3. September 2015 bewilligte das Bezirksgericht Innsbruck der revisionswerbenden Partei gegen ML als verpflichtete Partei aufgrund desselben Exekutionstitels antragsgemäß gemäß § 331 EO die Pfändung der Rechte des ML als verpflichtete Partei "nach dem AlVG gegenüber dem AMS, insbesondere auf Stellung von Anträgen an (das) AMS auf Gewährung von Leistungen nach dem AlVG".
4 Am 5. November 2015 sprach das Bezirksgericht Innsbruck aufgrund eines Antrages der revisionswerbenden Partei mit Beschluss aus (Fehler im Original):
"In der gegenständlichen Exekutionssache (...) wird auf Antrag vom 5.11.15 die betreibende Partei aufgrund der rechtskräftigen Exekutionsbewilligung vom 3.9.15 gemäß § 333 EO ermächtigt, die gepfändeten vermögenswerten Rechte der verpflichteten Partei laut Exekutionsbewilligung vom 3.9.15, nämlich das ihr gegenüber dem Arbeitsmarktservice (in weiterer Folge kurz als AMS bezeichnet) zustehenden Recht (insbesondere) auf Stellung von Anträgen an das AMS auf Gewährung von Leistungen nach dem AlVG durch das AMS, in dessen Namen geltend zu machen und zu diesem Zwecke nach Maßgabe der Vorschriften des bürgerlichen Rechtes die Teilung oder die Einleitung des Auseinandersetzungsverfahrens zu begehren, Kündigungen vorzunehmen und die sonst zur Ausübung und Nutzbarmachung des gepfändeten (Anwartschaft-) Rechtes erforderlichen Erklärungen wirksam für die Verpflichtete abzugeben oder dementsprechende notwendige Anträge zu stellen. Diese Ermächtigung gewährt auch die Befugnis zur Einklagung des gepfändeten Rechtes, sowie einzelner aus demselben hervorgehender Ansprüche (§ 308 EO)."
5 Am 10. November 2015 stellte die revisionswerbende Partei an das AMS unter Verwendung der bundeseinheitlichen Antragsformulare drei Anträge auf Gewährung von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung an ML in den Zeiträumen ab 1. Dezember 2012, ab 9. August 2013 und ab 8. August 2014. Dazu berief sich die revisionswerbende Partei auf die ihr erteilten rechtskräftigen Exekutionsbewilligungen des Bezirksgerichtes Innsbruck.
6 Mit Bescheid vom 21. April 2016 sprach das AMS aus, die Anträge der revisionswerbenden Partei auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung "für" ML würden zurückgewiesen. Im Sinn der §§ 17 und 46 AlVG sei ein Anspruch persönlich durch die arbeitslose Person geltend zu machen und könne erst ab dem Tag der Geltendmachung zustehen.
7 In ihrer gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde brachte die revisionswerbende Partei vor, aufgrund der im Exekutionsverfahren rechtskräftig erteilten Ermächtigungen sei sie zur Stellung der Anträge auf Arbeitslosengeld für ML berechtigt. ML sei bei der revisionswerbenden Partei beschäftigt gewesen, jedoch am 12. November 2009 entlassen worden. Diese Entlassung habe ML im Hinblick auf seine Stellung als begünstigter Behinderter bekämpft. Seinem Klagebegehren sei zunächst am 19. Juni 2012 durch das Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht Folge gegeben worden. Ungeachtet der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung sei die revisionswerbende Partei daher gemäß § 61 ASGG verpflichtet gewesen, dem ML weiterhin sein Arbeitsentgelt auszuzahlen. ML habe daher auch nicht als arbeitslos gegolten. Die Berufung der revisionswerbenden Partei sei in der Folge erfolgreich gewesen, woraus auch die der Exekutionsführung zu Grunde liegende Forderung gegen ML auf Rückzahlung des geleisteten Arbeitsentgeltes resultiere. Erst nach Zustellung der das Verfahren abschließenden Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) am 23. April 2015 sei aber endgültig festgestanden, dass das Dienstverhältnis des ML am Entlassungstag geendet habe. Auch erst zu diesem Zeitpunkt habe sich daher herausgestellt, dass ML seit der Entlassung arbeitslos gewesen sei. In einer solchen Konstellation müsse aber auch eine rückwirkende Stellung eines Antrages auf Arbeitslosengeld zulässig sein.
8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde der revisionswerbenden Partei als unbegründet ab. Begründend führte es nach Wiedergabe des Verfahrensganges aus, der Verwaltungsgerichtshof habe mit Erkenntnis vom 26. April 2000, 96/08/0238, ausgeführt, dass ungeachtet der Rechtspersönlichkeit des AMS der Bund Schuldner der Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung sei und ein Begehren auf Erlassung eines Leistungsauftrages gegenüber dem AMS im Gesetz daher keine Deckung finde. Auch das vorliegende Begehren der revisionswerbenden Partei sei somit, weil das AMS nicht Drittschuldner der Geldleistungen nach dem AlVG sei, unzulässig. Die Frage, ob die revisionswerbende Partei aufgrund der erteilten Exekutionsbewilligung berechtigt gewesen sei, für ML einen Antrag auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zu stellen, könne daher dahingestellt bleiben. Das Bundesverwaltungsgericht sprach ferner aus, dass die Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision. Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem das AMS eine Revisionsbeantwortung erstattet hat, erwogen:
10 Die revisionswerbende Partei bringt zur Zulässigkeit ihrer Revision vor, dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. April 2000, auf das sich das Bundesverwaltungsgericht gestützt habe, sei ein gänzlich anderer Sachverhalt zu Grunde gelegen. In diesem Verfahren habe ein Gläubiger, der das Arbeitslosengeld eines Schuldners gemäß § 294a EO gepfändet habe, einen Bescheid über die Erteilung eines Leistungsauftrages an das AMS begehrt. Im vorliegenden Fall sei jedoch gemäß § 331 EO das Recht des ML, vom AMS Arbeitslosengeld zu beantragen, gepfändet worden. Auf die erteilte Exekutionsbewilligung habe die revisionswerbende Partei ihre Anträge an das AMS gestützt. Dem AMS - und nicht etwa dem Bund - komme die Pflicht zur Entscheidung über die Anträge auf Arbeitslosengeld zu. Es sei daher die (grundsätzliche) Rechtsfrage, ob die revisionswerbende Partei zur Antragstellung für ML berechtigt gewesen sei, offen. Bei richtiger Beurteilung sei der Anspruch des ML aufgrund der Anträge vom AMS zu prüfen und festzustellen gewesen. Im Hinblick auf die erfolgte Pfändung hätte in der Folge eine Überweisung des Bezuges an die revisionswerbende Partei als Gläubigerin erfolgen müssen. Als Revisionspunkt gab die revisionswerbende Partei an, sie sei in ihren Rechten dadurch verletzt, dass "ihr Antrag auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe, den sie anstelle und im Namen des M(...) L(...) gestellt hat, nicht bewilligt wurde".
11 Die Revision ist zulässig, weil zur Zulässigkeit der Geltendmachung exekutiv gepfändeter Ansprüche auf Stellung von Anträgen an das AMS auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung durch einen betreibenden Gläubiger keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt. Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.
12 Gemäß § 68 Abs. 2 AlVG regelt die Exekutionsordnung (EO), inwieweit Ansprüche auf Leistungen nach diesem Bundesgesetz pfändbar sind. Gemäß § 290a Abs. 1 Z 7 EO dürfen nach Maßgabe des § 291a EO oder des § 291b EO Leistungen, die für die Dauer der Arbeitslosigkeit zu gewähren sind, wie das Arbeitslosengeld, die Notstandshilfe, die Überbrückungshilfe und die erweiterte Überbrückungshilfe nach dem Überbrückungshilfegesetz, das Weiterbildungsgeld sowie die Sonderunterstützung nach dem Sonderunterstützungsgesetz gepfändet werden. Nach § 290a Abs. 2 EO umfasst die Pfändung alle Beträge, die im Rahmen des der gepfändeten Forderung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses geleistet werden.
13 Nach § 1 Arbeitsmarktservicegesetz (AMSG) obliegt die Durchführung der Arbeitsmarktpolitik des Bundes dem AMS. Das AMS ist ein Dienstleistungsunternehmen des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit. Gemäß § 42 Abs. 1 AMSG bestreitet das AMS die Ausgaben für finanzielle Leistungen u.a. nach dem AlVG im Namen und auf Rechnung des Bundes. Ungeachtet der Rechtspersönlichkeit des AMS ist somit der Bund Schuldner der Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung (vgl. VwGH 19.3.2003, 2000/08/0115). Wird eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung zuerkannt, aber in der Folge nicht ausgezahlt, ohne dass darüber ein Bescheid (oder eine dem Bescheid gleichzuhaltende Verständigung nach § 24 Abs. 1 AlVG) ergangen wäre oder zu ergehen hätte, kann der Leistungsberechtigte die Auszahlung nur mit Klage beim Verfassungsgerichtshof nach Art. 137 B-VG erreichen (vgl. VfGH 7.4.2016, A18/2015, mwN; in diesem Sinn auch VwGH 23.5.2012, 2012/08/0022; 19.3.2003, 2000/08/0115; 23.2.2000, 99/03/0123).
14 Dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. April 2000, 96/08/0238, lag ein Fall zu Grunde, in dem der Bezug eines Arbeitslosen exekutiv gepfändet worden war. Den Antrag des betreibenden Gläubigers auf bescheidmäßige Erlassung eines Leistungsauftrages durch die regionale Geschäftsstelle gegenüber der "Drittschuldnerin Arbeitsmarktservice" erachtete der Verwaltungsgerichtshof als unzulässig. Die Frage, ob der betreibende Gläubiger aufgrund der erteilten Exekutionsbewilligung berechtigt gewesen wäre, für den Fall der Nichtgewährung von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung vom AMS einen Bescheid über den Leistungsanspruch des Arbeitslosen zu verlangen, ließ der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich offen (vgl. in diesem Sinn auch nochmals VwGH 19.3.2003, 2000/08/0115).
15 Im vorliegenden Fall hat die revisionswerbende Partei zunächst Forderungsexekution auf die dem ML aus der Arbeitslosenversicherung zustehenden Leistungen geführt, in der Folge gemäß § 331 EO das Recht des ML auf "Stellung von Anträgen an (das) AMS auf Gewährung von Leistungen nach dem AlVG" gepfändet und gemäß § 333 EO eine Ermächtigung, diese Rechte "im Namen" des ML geltend zu machen, erwirkt. Diese Exekutionsbewilligungen haben Rechtskraft erlangt. Der revisionswerbenden Partei ist darin zuzustimmen, dass ihre Anträge auf Leistungen an ML daher - entgegen den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts - nicht mit Verweis auf das Erkenntnis vom 26. April 2000, 96/08/0238, abgetan werden können.
16 Gemäß § 8 AVG sind Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, Beteiligte und, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien. Die Frage, wer in einem konkreten Verwaltungsverfahren Parteistellung besitzt, kann nicht allein auf Grund des AVG gelöst werden. Sie muss vielmehr regelmäßig anhand der Vorschriften des materiellen Rechts gelöst werden (vgl. VwGH 12.8.2014, Ro 2014/10/0065 und 0066, mwN; vgl. näher VwGH 30.6.2015, 2013/03/0041). Bloße wirtschaftliche Interessen, die durch keine Rechtsvorschrift zu rechtlichen Interessen erhoben werden, begründen keine Parteistellung (VwGH 21.1.2019, Ra 2018/03/0118; 24.5.2006, 2006/04/0055; jeweils mwN).
17 Gemäß § 7 Abs. 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer 1. der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, 2. die Anwartschaft erfüllt und 3. die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat. Partei des Verfahrens auf Geltendmachung des Anspruches auf eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung ist daher der Anspruchswerber, somit derjenige, der die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen in seiner eigenen Person behauptet (vgl. in diesem Sinn Krapf/Keul, Arbeitslosenversicherungsgesetz, Rz 791 zu § 46 AlVG). Einem Gläubiger des Anspruchswerbers steht es nach § 290a Abs. 1 Z 7 EO im Rahmen der Beschränkungen nach § 291a EO ("Existenzminimum") bzw. § 291b EO ("Unterhaltsexistenzminimum") offen, Geldleistungen nach dem AlVG zu pfänden. Dieses Interesse an der Befriedigung seiner Forderung vermag dem Gläubiger im Verfahren über das Bestehen des Anspruches auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung aber keine (eigene) Parteistellung zu vermitteln.
18 Es entspricht sowohl der Rechtsprechung des OGH als auch des Verwaltungsgerichtshofes, dass durch eine exekutive Pfändung eines Anspruches auf Arbeitslosengeld keine Änderung hinsichtlich der öffentlich-rechtlichen Natur des Anspruches eintritt. Der betreibende Gläubiger wird grundsätzlich berechtigt, die Forderung so geltend zu machen, wie sie dem Verpflichteten gegen den Drittschuldner zusteht (vgl. VwGH 21.12.1993, 92/08/0200; OGH 24.2.1999, 9 ObA 359/98d; RIS-Justiz RS0003861). Da die Rechtsstellung eines Drittschuldners durch die Pfändung einer Forderung nicht geändert wird, stehen dem Drittschuldner alle Einwendungen und Gegenansprüche zu, die er vor der Pfändung hatte (RIS-Justiz RS0003914; Oberhammer in Angst/Oberhammer EO3 § 308 Rz 4, mwN). Die Pfändung einer nicht bestehenden Forderung geht ins Leere (vgl. etwa OGH 26.1.2005, 3 Ob 309/04v = RIS-Justiz RS0000085 (T 7)); dies kann etwa auch dadurch eintreten, dass eine als Exekutionsobjekt herangezogene bedingte Forderung schließlich nicht entsteht (OGH 19.6.2006, 8 ObA 34/06t) oder sich ergibt, dass es sich bei dem gepfändeten Recht um ein höchstpersönliches und damit nicht übertragbares Recht handelt (vgl. OGH 24.3.1971, 5 Ob 57/71 (= JBl 1971, 569)). Nach der zu § 308 EO ergangenen Rechtsprechung des OGH ist jedoch nicht mehr zu überprüfen, ob die Pfändung des Rechtes im Exekutionsverfahren zulässig war (vgl. RIS-Justiz RS0003869; Oberhammer aaO § 308 Rz 5). Da § 333 EO in seiner Funktionsweise mit § 308 EO, der die Überweisung zur Einziehung regelt, vergleichbar ist, kann die zur Überweisung zur Einziehung entwickelte Rechtsprechung und Lehre herangezogen werden (vgl. OGH 30.1.2008, 3 Ob 225/07w; Oberhammer aaO § 333 Rz 1; jeweils mwN).
19 In seiner Rechtsprechung zum Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz (IESG) hat der OGH (14.10.2008, 8 ObS 6/08b) auch zu den Befugnissen eines betreibenden Gläubigers, durch den die Forderung eines Verpflichteten auf Insolvenz-Ausfallgeld exekutiv gepfändet worden war, Stellung genommen und ausgeführt, § 308 Abs. 1 EO spreche u.a. vom Recht des Gläubigers, "namens des Verpflichteten" vom Drittschuldner die Entrichtung des im Überweisungsbeschluss bezeichneten Betrags nach Maßgabe des Rechtsbestands der gepfändeten Forderung und nach Eintritt ihrer Fälligkeit zu begehren, den Eintritt der Fälligkeit durch Einmahnung oder Kündigung herbeizuführen, alle zur Erhaltung und Ausübung des Forderungsrechts notwendigen Präsentationen, Protesterhebungen, Notifikationen und sonstigen Handlungen vorzunehmen und die Forderung gegen den Drittschuldner in Vertretung des Verpflichteten einzuklagen. Der Überweisungsgläubiger könne daher auch alle Rechtshandlungen setzen, die der Realisierung der Forderung dienten, also insbesondere die Herbeiführung ihrer Fälligkeit durch Einmahnung und Kündigung sowie die Abgabe sämtlicher sonstiger Willenserklärungen, die zur Geltendmachung der Forderung notwendig seien. Dazu gehöre auch eine Antragstellung, wenn zur Geltendmachung der Forderung des Verpflichteten ein Antrag in einem Verwaltungsverfahren notwendig sei (dem zustimmend Oberhammer aaO § 308 Rz 2 unter Verweis auf die Lehre in Deutschland).
20 Ein solches Handeln des betreibenden Gläubigers im Sinn des § 308 Abs. 1 EO "namens des Verpflichteten" bzw. im Sinn des § 333 Abs. 1 EO" "im Namen des Verpflichteten" bei einer Antragstellung im Verwaltungsverfahren muss aber jedenfalls dort seine Grenze finden, wo dem die Regelungen in den jeweiligen Materiengesetzen über die Antragstellung entgegenstehen. Der OGH hat in diesem Sinn in seiner folgenden Rechtsprechung zum IESG (OGH 28.6.2012, 8 ObS 3/12t) in Hinblick auf die mit BGBl. I Nr. 90/2009 eingeführte Bestimmung des § 8 Abs. 6 IESG, wonach die Berechtigung zur Antragstellung "nur dem Anspruchsberechtigten" zukommt, eine Befugnis des betreibenden Gläubigers zu einer Antragstellung auf Insolvenzentgelt nach dem IESG für den Verpflichten daher verneint. Gleiches muss immer dann gelten, wenn nach den jeweiligen Materiengesetzen eine persönliche Antragstellung durch den Anspruchsberechtigten verlangt wird oder eine Interpretation sonst ergibt, dass ein Handeln des betreibenden Gläubigers für den Verpflichteten ausscheidet (vgl. in diesem Zusammenhang dazu, dass "höchstpersönliche" subjektiv-öffentlich Rechte wie Gewerbeberechtigungen und vergleichbare Berechtigungen selbst nicht übertragbar, daher nicht pfändbar und somit nicht der Exekution unterworfen sind VwGH 21.12.2016, Ra 2016/04/0036; 25.8.2010, 2010/03/0084; 26.3.2009, 2007/07/0127, mwN; vgl. auch dazu, dass die Pfändung einer solchen Berechtigung keine Parteistellung des betreibenden Gläubigers einräumen kann, VwGH 24.5.2006, 2006/04/0055).
21 Für Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung gilt das Antragsprinzip (vgl. VwGH 9.9.2015, Ra 2015/08/0052). Nach § 17 Abs. 1 AlVG gebührt das Arbeitslosengeld - abgesehen von der Rückwirkung auf den Eintritt der Arbeitslosigkeit an einem Samstag, Sonntag oder Feiertag bei Geltendmachung am darauffolgenden Werktag, sowie der Rückwirkung auf den Eintritt einer vorab gemeldeten Arbeitslosigkeit bei Geltendmachung und persönlicher Vorsprache binnen zehn Tagen - grundsätzlich erst ab dem Tag der Geltendmachung, frühestens ab dem Eintritt der Arbeitslosigkeit.
22 § 46 Abs. 1 AlVG lautet samt Überschrift:
"Geltendmachung des Anspruches auf Arbeitslosengeld
Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ist bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle persönlich geltend zu machen. Für die Geltendmachung des Anspruches ist das bundeseinheitliche Antragsformular zu verwenden. Personen, die über ein sicheres elektronisches Konto beim Arbeitsmarktservice (eAMS-Konto) verfügen, können den Anspruch auf elektronischem Weg über dieses geltend machen, wenn die für die Arbeitsvermittlung erforderlichen Daten dem Arbeitsmarktservice bereits auf Grund einer Arbeitslosmeldung oder Vormerkung zur Arbeitsuche bekannt sind; sie müssen jedoch, soweit vom Arbeitsmarktservice keine längere Frist gesetzt wird, innerhalb von 10 Tagen nach elektronischer Übermittlung des Antrages persönlich bei der regionalen Geschäftsstelle vorsprechen. Das Arbeitsmarktservice kann die eigenhändige Unterzeichnung eines elektronisch eingebrachten Antrages binnen einer gleichzeitig zu setzenden angemessenen Frist verlangen, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Geltendmachung bestehen. Der Anspruch gilt erst dann als geltend gemacht, wenn die arbeitslose Person bei der regionalen Geschäftsstelle zumindest einmal persönlich vorgesprochen hat und das vollständig ausgefüllte Antragsformular übermittelt hat. Das Arbeitsmarktservice kann vom Erfordernis der persönlichen Vorsprache absehen. Eine persönliche Vorsprache ist insbesondere nicht erforderlich, wenn die arbeitslose Person aus zwingenden Gründen, wie Arbeitsaufnahme oder Krankheit, verhindert ist, den Antrag persönlich abzugeben. Die Abgabe (das Einlangen) des Antrages ist der arbeitslosen Person zu bestätigen. Können die Anspruchsvoraussetzungen auf Grund des eingelangten Antrages nicht ohne weitere persönliche Vorsprache beurteilt werden, so ist die betroffene Person verpflichtet, auf Verlangen bei der regionalen Geschäftsstelle vorzusprechen. Hat die regionale Geschäftsstelle zur Klärung der Anspruchsvoraussetzungen, etwa zur Beibringung des ausgefüllten Antragsformulars oder von sonstigen Unterlagen, eine Frist bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gesetzt und wurde diese ohne triftigen Grund versäumt, so gilt der Anspruch erst ab dem Tag als geltend gemacht, ab dem die beizubringenden Unterlagen bei der regionalen Geschäftsstelle eingelangt sind."
23 In § 46 Abs. 3 AlVG sind Fälle vorgesehen, in denen - abweichend von Abs. 1 - von einer rückwirkenden Geltendmachung auszugehen ist. Für die erneute Geltendmachung nach einer Unterbrechung oder einem Ruhen des Arbeitslosengeldbezuges bestehen nach § 46 Abs. 5, 6 und 7 AlVG Erleichterungen bei der Wiedermeldung durch den Arbeitslosen.
24 Nach dem klaren Wortlaut des § 46 Abs. 1 erster und zweiter Satz AlVG erfordert die Qualifizierung eines Sachgeschehens als "Geltendmachung des Anspruches", an die § 17 Abs. 1 AlVG den Beginn des Bezuges von Leistungen nach dem AlVG knüpft, somit grundsätzlich - von den vorgesehenen Ausnahmen abgesehen - die persönliche Abgabe des Antrages bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des AMS unter Verwendung des hiefür bundeseinheitlich aufgelegten Antragsformulars (vgl. VwGH 29.6.2005, 2004/08/0044). Auch im Fall der mit BGBl. I Nr. 5/2010 eingeführten Möglichkeit der Verwendung eines eAMS-Kontos durch den Anspruchsberechtigten ist für die "Geltendmachung des Anspruches" in der Regel zumindest eine einmalige persönliche Vorsprache beim AMS erforderlich (vgl. Leitner/Urschler in Pfeil (Hrsg.), Der AlV-Komm § 46 AlVG Rz 5).
25 Mit BGBl. I Nr. 77/2004 wurde es in das Ermessen der regionalen Geschäftsstelle gestellt, Ausnahmen vom Erfordernis der persönlichen Vorsprache vorzusehen. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu dieser AlVG-Novelle (464 BlgNR 22. GP 7) sollte damit der bürokratische Aufwand verringert, aber am grundsätzlichen Erfordernis der persönlichen Geltendmachung festgehalten werden, da nach den Erfahrungen des AMS zur Klärung der Anspruchsvoraussetzungen in der Regel zumindest eine persönliche Vorsprache unverzichtbar sei.
26 § 46 Abs. 1 AlVG ordnet weiters an, dass eine persönliche Vorsprache dann nicht erforderlich ist, wenn der Arbeitslose aus zwingenden Gründen - wie etwa durch Arbeitsaufnahme oder Krankheit - verhindert ist, den Antrag persönlich abzugeben. Damit werden somit Fälle erfasst, in denen der Arbeitslose vorübergehend aus in seiner Person gelegenen Gründen daran gehindert ist, die "Geltendmachung" selbst vorzunehmen. In einem derartigen Fall kann der Anspruch auch anderweitig (etwa durch einen vom Antragsteller bevollmächtigten Vertreter) geltend gemacht werden (vgl. VwGH 9.9.2015, Ra 2015/08/0052; 26.1.2005, 2004/08/0090). Fehlt dem Anspruchsberechtigten die Geschäftsfähigkeit, sodass Antragstellung durch ihn selbst ausscheidet, hat die Geltendmachung durch seinen gesetzlichen Vertreter zu erfolgen (VwGH 30.3.1993, 92/08/0183).
27 Der in § 46 AlVG vorgesehene Modus der von den genannten Ausnahmen abgesehen persönlichen Geltendmachung des Arbeitslosengeldes dient der Sicherstellung der Verfügbarkeit des Arbeitslosen für die Arbeitsvermittlung - insbesondere in Hinblick auf seine Arbeitswilligkeit - ab Beginn des Bezuges (vgl. in diesem Sinn Leitner/Urschler aaO § 46 AlVG Rz 1). Dem entspricht § 46 Abs. 4 letzter Satz AlVG, wonach die Leistung erst dann gewährt werden kann, wenn die regionale Geschäftsstelle dem Arbeitslosen keine zumutbare Arbeit vermitteln kann. Die Geltendmachung des Anspruchs ist also auch insoweit erforderlich, als damit die Meldung als arbeitssuchend und die zwingende Zurverfügungstellung für die Arbeitsvermittlung (§ 7 Abs. 1 Z 1 AlVG) verbunden sind (vgl. VwGH 9.9.2015, Ra 2015/08/0052, mwN).
28 Zusammenfassend folgt aus der Anordnung der persönlichen Geltendmachung somit, dass es dem Anspruchsberechtigten - von den genannten Ausnahmen abgesehen - nicht offen steht, sich bei der Antragstellung eines Vertreters (§ 10 AVG) zu bedienen, sondern die Geltendmachung in eigener Person zu erfolgen hat. Dem entsprechen auch die die Bezieher von Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung ebenso persönlich treffenden Pflichten (vgl. insbesondere §§ 9 f, 49 AlVG).
29 Damit scheidet aber auch eine - ohne Beteiligung des Anspruchsberechtigten erfolgende - Geltendmachung der Leistungen durch einen betreibenden Gläubiger aus. Auf die Rechtzeitigkeit der Antragstellung bzw. auf die weiteren Voraussetzungen des Anspruches kommt es daher im vorliegenden Fall nicht mehr an.
30 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
31 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 3. April 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017080053.L00Im RIS seit
10.07.2019Zuletzt aktualisiert am
10.07.2019