Entscheidungsdatum
08.04.2019Index
L82007 Bauordnung TirolNorm
BauO Tir 2018 §36Text
Das Landesverwaltungsgericht Tirol fasst durch seine Richterin Drin Mair über die Beschwerde der Frau AA, Adresse 1, Z, vertreten durch RA BB, Adresse 2, Y, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 19.09.2018, GZl *****, betreffend einen Feststellungsbescheid gemäß § 36 Tiroler Bauordnung 2018 den
B E S C H L U S S
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Bürgermeister der Gemeinde Z zurückverwiesen.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang, Beschwerdevorbringen:
Der Rechtsvertreter des Herrn CC (im Folgenden: Antragsteller) richtete folgende E-Mail-Eingabe vom 10.04.2018 an die belangte Behörde:
„Betreff: vermuteter Baukonsens Objekt CC
Sehr geehrter Herr DD!
Ich verweise auf die nunmehr erstellte Planbeilage zum vermuteten Baukonsens und ersuche um baurechtliche Abhandlung in diesem Sinne und Umfang.
Festhalten möchte ich, dass sich mein Mandant sämtliche bisher vertretene Rechtsstandpunkte vorbehält, insbesondere zur Genehmigungsfrage und sich folglich die gegenständliche Einreichung völlig unpräjudiziell für den vertretenen Rechtsstandpunkt versteht.
Sollten noch weitere Fragen bestehen oder Unterlagen benötigt werden, ersuche ich um geschätzte Kontaktaufnahme zur sofortigen meinerseitigen Erledigung.
…“
Diesem Antrag waren – so die Begründung des Bescheides vom 19.09.2018 - (weder ihren Verfasser, noch Unterfertigungen, noch das Datum ihrer Erstellung aufweisende) Planskizzen – Grundrisse EG und OG, Längsschnitt L01 sowie Querschnitte Q01 und Q02, Lageplan (Planauszug Gemeinde Z vom 25.04.2018) sowie eine Baubeschreibung des EE, ohne Datum - beigefügt.
Die Baubeschreibung des EE lautet wie folgt:
„Aufgrund historischer Bildaufnahmen ist davon auszugehen, dass das Objekt wie folgt beschrieben werden kann:
Bei der baulichen Anlage handelt es sich offensichtlich um einen für die damalige Zeit ortsüblichen Gebäudekomplex in, für die damalige Zeit, entsprechender Bauweise, bestehend aus einem Wohn- und einem Wirtschaftsteil.
Der 2-geschossige Wohnteil, in dem sich Wohn- und Schlafräume befunden haben dürften, lässt eine massive Bauweise schließen, mit einem zimmermannsmäßig abgebundenen Holzdachstuhl und vermutlich einer Eindeckung aus Tondachsteinen; die Fassade weiß verputzt.
Der angeschlossene Wirtschaftsteil bestehend aus einer Scheune in Holzbauweise mit einer stehenden Holzschalung versehen und vermutlich ebenfalls mit Tondachsteinen eingedeckt. Unter der Scheune lässt sich ein Stall vermuten, der offensichtlich wiederum massiv ausgeführt wurde; die Fassade weiß verputzt.“
Mit 27.04.2018 erstellte der nichtamtliche Sachverständige der belangten Behörde, FF, folgende gutachterliche Stellungnahme, wobei ausdrücklich benannte Grundlage dafür der Antrag vom 10.04.2018, die beigeschlossenen Planskizzen Erdgeschoß/Obergeschoß/Schnitte sowie eine (im Akt einliegende) Fotodokumentation 1-5 (deren Einbringer ergibt sich aus der Aktenlage nicht) bildete:
„Befund:
Die eingereichten Planskizzen und Fotos belegen, dass das ursprüngliche Wohn- und Wirtschaftsgebäude ein Ausmaß von rd. 9,00m x 23,00m (ohne Schuppen) aufgewiesen hat. Wie aus der Fotodokumentation hervorgeht, wurde das Gebäude mehrfach umgebaut. Im Zeitraum zwischen Fotoaufnahme 5 und 4 wurde der Stall und Stadel verkleinert bzw der Verwendungszweck in Wohnhaus geändert. Auf dem Foto 2 ist zu erkennen, dass die Dachkonstruktion des Wirtschaftsgebäudes an die des Wohnhaues angeglichen wurde und der Balkon abgebrochen sowie an der Westseite eine Stadeleinfahrt errichtet wurde.
Stellungnahme:
Die Überprüfung der Grundlagen und Unterlagen sowie der durchgeführte Lokalaugenschein haben ergeben, dass aus Sicht des hochbautechnischen Sachverständigen der vermutete Baukonsens für das Wohn- und Wirtschaftsgebäude von der Baubehörde per Bescheid festgestellt werden kann.“
Der hochbautechnische Sachverständige versah die Planskizzen Grundrisse EG und OG, Längsschnitt L01, Querschnitte Q01 und Q02, Fotodokumente 1-5 und Lageplan (Planauszug 24.04.2018) mit seinem Prüfungsvermerk vom 27.04.2018.
Im vorgelegten Akt findet sich weiters folgender mit 11.07.2018 datierter Aktenvermerk des Bauamtsleiters der Gemeinde Z zum Antrag auf Feststellung des vermuteten Baukonsenses:
„Zu oa Ansuchen des Eigentümers CC für den vermuteten Baukonsens vom Gebäude auf Grundstück **1 in EZ ***** KG ***** Z – Adresse 3 konnte Nachfolgendes erhoben werden:
Das ehemalige Wohn- und Wirtschaftsgebäude wurde um die Jahrhundertwende 1900 bis 1920 vom damaligen Eigentümer GG geboren **** errichtet. Die rechtliche Beurteilung für Bauwerke oblag bis in die 1950er Jahren der Bezirksverwaltungsbehörde. Aus diesen Jahren gibt es in den Archiven der Gemeinde Z sowie im Archiv der BH X keine baurechtlichen Unterlagen.
Im Nahbereich des Grundstückes **1 (Adresse 3) befindet sich ein Wohn- und Wirtschaftsgebäude auf Bp **2 EZ ***** (Adresse 4) sowie ein Wohn- und Wirtschaftsgebäude auf Bp **3 EZ ***** (Adresse 5), das in etwa in der selben Zeit errichtet wurde. Auch von diesen sowie weiteren Gebäuden im alten Dorfkern gibt es keine baurechtlichen Unterlagen.
Der Gemeinde liegt ein Foto vor aus dem Jahre ca 1970, wo das Wohn- und Wirtschaftsgebäude zum damaligen Bestand ersichtlich ist.
Es ist zweifelsfrei anzunehmen, dass das ehemalige Wohn- und Wirtschaftsgebäude in den Jahren 1900 bis 1920 errichtet wurde.
…“
Im Akt erliegt weiters eine Niederschrift vom 18.07.2018 über eine Vorsprache (ua) der Beschwerdeführerin AA vor der belangten Behörde folgenden Inhalts:
„In der Planbeilage Längsschnitt L01 vom 27.04.2018 wird seitens von Herrn JJ und Frau AA festgehalten, dass sich die Tennenauffahrt nicht beim Schuppen, sondern vorne beim Stall befand.
In der Planbeilage Grundriss EG befand sich im Stall zum Wohnhaus gerichtet ein offener Durchgang parallel zum Wohnhaus-Stallmauer.
Ebenso stimmt laut Plänen die tatsächliche Höhe nicht, da sich das Wohnhaus samt ehemaligem Durchgang auf einer Höhe befand und hinten der Schuppen höher gelegen ist.
Ebenfalls wird festgehalten, dass es ca im Jahre 1981 eine Grundteilung gab, aufgrund dessen die neuen Grundparzellen Gp **1 und **1/2 entstanden sind. Es wird daher auf den Bescheid vom 19.07.2003, GZl *****, verwiesen, der ebenso Anhaltspunkte für das Ermittlungsverfahren haben könnte.
Frau AA teilt mit, dass sich im EG im Bereich des Wohnhauses zur Straßenseite hinaus auf der ganzen Hausseite eine Tischlerei befand (Nachtrag am 19.07.2018, 08:25)
Seitens der Gemeinde Z wird hiermit den Parteien nochmals erklärt, dass es sich bei diesem Feststellungsverfahren um die Feststellung des ursprünglichen Baubestandes des Hofes handelt und nicht um die Feststellung bzw behördlichen Genehmigungen von ev. Zu- bzw Umbauten.“
Mit Bescheid vom 19.09.2018, GZl ***** wurde „aufgrund des Antrages von Herrn CC, vertreten durch RA KK, ..… , festgestellt, dass im Sinne des § 36 TBO 2018 zu vermuten ist, dass die Baubewilligung auf Grundstück Bp **1, KG Z, EZ *****, welches als Wohn- und Wirtschaftsgebäude verwendet wird, nach Maßgabe der einen integrierenden Bestandteil dieses Bescheides bildenden Bestandsplänen vorliegt“. Begründend wurde ausgeführt, dass das im Antrag beschriebene Wohn- und Wirtschaftsgebäude um die Jahrhundertwende zwischen den Jahren 1870 -1920 errichtet worden sei. Aufgrund den eingebrachten Plänen könne festgestellt werden, dass sich im Erdgeschoß ein Wohnhaus, Stall und ein Schuppen, im Obergeschoß das Wohnhaus sowie der Stadel, im Bereich des Wohnhauses ein Dachgeschoß befänden. Weiters könnten die in den Plänen aufgewiesenen Höhen, Längen und Breiten festgestellt werden. Die Pläne würden daher einen integrierenden Bestandteil dieses Bescheides bilden. Die eingereichten Planskizzen und Fotos würden belegen, dass das ursprüngliche Wohn- und Wirtschaftsgebäude ein Ausmaß von rd 9,58 x 26,23 m aufgewiesen habe. Ob sich die Tennenauffahrt hinter oder seitlich des Wohnhauses befunden habe, könne nicht mehr festgestellt werden. Dies gelte auch für den vorgebrachten Einwand, dass sich zwischen Stall und Wohnhaus ein Durchgang bzw ein Verbindungsgang befunden hätte. Dass sich der Schuppen nicht in einer Ebene befunden habe, könne seitens der Behörde auch auf den eingebrachten Bildern nicht festgestellt werden.
In fristgerecht gegen diesen Bescheid erhobener Beschwerde macht Frau AA mangelhafte Sachverhaltsfeststellung und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und bekämpft den Bescheid vollinhaltlich. Sie hält mangelhafte Recherche zu den Eigentumsverhältnissen vor, das Gebäude wäre um die Jahrhundertwende 1900 bis 1920 nicht von GG als damaligem Eigentümer errichtet worden, sondern wäre in dieser Zeit vielmehr LL Alleineigentümer der betreffenden Liegenschaft gewesen. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf ein Abhandlungsprotokoll (A*****/33) und einen darin erwähnten Kaufvertrag vom 29.08.1892, ein Eigentumsübergang wäre erst im Jahre 1933 erfolgt. Im Bescheid werde auf historische Bildaufnahmen verwiesen und argumentiert, dass das Gebäude mehrfach umgebaut und im Zeitraum zwischen Foto 4 und 5 (leider seien diesen keine Jahreszahlen angefügt worden) der Stall und Stadel verkleinert bzw der Verwendungszweck in Wohnhaus geändert worden wäre. Die Beschwerdeführerin hält dazu vor, dass noch im Abhandlungsprotokoll (A*****/56) nach MM das Gebäude auf Bp **1 beschrieben werde als „Wohnhaus Nr ***** Gemeinde Z nebst Wirtschaftsgebäude und Hofraum, Werkstätte“. Historische Lichtbilder würden den damaligen Bestand belegen. Von einer Werkstatt sei im angefochtenen Bescheid keine Rede mehr. Zu den im Laufe der Zeit vorgenommenen oder beantragten Verwendungszweckänderungen würden jegliche Feststellungen fehlen. Die Ergebnisse der behördlich durchgeführten Recherchen vermöchten das Vorgehen der belangten Behörde nicht zu rechtfertigen. Es sei sohin nicht von einem rechtmäßigen Altbestand auszugehen und seien die hiefür getätigten Ermittlungen nicht ausreichend, um nach Maßgabe der, einen Bestandteil des Bescheides bildenden Bestandsplänen eine Baubewilligung zu vermuten. Ihre Einwendungen vom 18.07.2018 hätten ebenfalls nicht entkräftet werden können. Sohin bliebe ungeklärt, wo sich die Tennenauffahrt befunden habe, ob ein Durchgang zwischen Stall und Wohnhaus bestanden habe und auf welcher Ebene der Schuppen gelegen sei.
II. Beweiswürdigung:
Beweis wurde aufgenommen durch Einschau in den behördlichen Bauakt sowie in tirisMaps.
III. Rechtslage:
Es gilt folgende maßgebliche Bestimmung der Tiroler Bauordnung 2018 – TBO 2018, LGBl Nr 28/2018 idF LGBl Nr 144/2018:
„§ 36
Feststellungsverfahren
(1) Die Behörde hat hinsichtlich jener bewilligungspflichtigen baulichen Anlagen, für die die Baubewilligung nicht nachgewiesen werden kann, im Zweifel von Amts wegen oder auf Antrag des Eigentümers mit Bescheid festzustellen, ob das Vorliegen der Baubewilligung zu vermuten ist oder nicht. Das Vorliegen der Baubewilligung ist zu vermuten, wenn aufgrund des Alters der betreffenden baulichen Anlage oder sonstiger besonderer Umstände davon auszugehen ist, dass aktenmäßige Unterlagen darüber nicht mehr vorhanden sind, und überdies kein Grund zur Annahme besteht, dass die betreffende bauliche Anlage entgegen den zur Zeit ihrer Errichtung in Geltung gestandenen baurechtlichen Vorschriften ohne entsprechende Bewilligung errichtet worden ist. Anlässlich der Feststellung, wonach das Vorliegen der Baubewilligung zu vermuten ist, ist weiters der aus der baulichen Zweckbestimmung der betreffenden baulichen Anlage hervorgehende Verwendungszweck festzustellen.
(2) Dem Antrag nach Abs. 1 erster Satz sind ein Lageplan, im Fall von Gebäuden mit den Inhalten nach § 31 Abs. 2, eine Baubeschreibung sowie Bestandspläne, aus denen die wesentlichen Merkmale der baulichen Anlage ersichtlich sind, in dreifacher Ausfertigung anzuschließen. Im Fall der Einleitung des Verfahrens von Amts wegen hat die Behörde den Eigentümer der baulichen Anlage unter Setzung einer angemessenen Frist zur Vorlage dieser Unterlagen aufzufordern. Wird diesem Auftrag nicht entsprochen, so ist die Feststellung, wonach das Vorliegen der Baubewilligung nicht zu vermuten ist, zu treffen. Im Auftrag ist auf diese Rechtsfolge hinzuweisen.
(3) Der Bescheid, wonach das Vorliegen der Baubewilligung zu vermuten ist, ist dem Eigentümer der baulichen Anlage in zweifacher Ausfertigung und unter Anschluss zweier mit einem entsprechenden Vermerk versehener Ausfertigungen der Unterlagen nach Abs. 2 erster Satz zuzustellen. Der Vermerk hat das Datum und die Geschäftszahl des betreffenden Bescheides zu enthalten.
(4) Die Feststellung, wonach das Vorliegen der Baubewilligung zu vermuten ist, ist dem Bestehen der Baubewilligung gleichzuhalten. Die Feststellung, wonach das Vorliegen der Baubewilligung nicht zu vermuten ist, ist dem Fehlen der Baubewilligung gleichzuhalten.“
IV. Erwägungen:
Die Beschwerdeführerin ist grundbücherliche Anteilseigentümerin der Bp **1/2, KG Z. Dieses Grundstück grenzt im Nordosten, Norden und Nordwesten unmittelbar an das Baugrundstück **1, KG Z, an. Die Beschwerdeführerin erfüllt damit die Voraussetzungen nach § 33 Abs 2 TBO 2018. Entsprechend höchstgerichtlicher Judikatur kommt den Nachbarn auch im Feststellungsverfahren nach § 36 TBO 2018 Parteistellung (vgl dazu VwGH 2013/06/0196, 26.06.2014) und im Umfang dieser Parteistellung damit auch ein Beschwerderecht zu.
Zum Gegenstand eines Feststellungsverfahrens nach § 36 TBO 2018 kann eine bauliche Anlage nur in ihrer derzeitigen Gestalt und Nutzung gemacht werden. Nur in Bezug auf eine solche, durch entsprechende Bestandspläne (§ 36 Abs 4) ausgewiesene bauliche Anlage kann ein Feststellungsverfahren im Rahmen des § 36 TBO 2018 geführt werden. Nicht hingegen können unter dieser Rechtsgrundlage für in der Vergangenheit liegende (hypothetische) vormalige Bau- bzw Nutzungszustände – wie dies aber auch gegenständlich der Fall ist - Feststellungen ausgesprochen werden. Im vorliegenden Antrag und den Planskizzen würde darüber hinaus jegliche Angabe bzw jeglicher Hinweis auf den Zeitpunkt (das Zeitfenster) fehlen, für den diese konkrete Bauausführung ausgewiesen und sodann auch festgestellt sein sollte. Nur bezogen auf bestimmte Zeitpunkte und abstellend auf die zu verschiedenen Zeitpunkten jeweils geltenden (unterschiedlichen) Rechtslagen können aber im Hinblick auf die Vermutung eines Baukonsenses sachverhaltsbezogene Prüfungen (sowohl zur baulichen Ausführung als auch zur Verwendung) entsprechend den gesetzlich formulierten und durch die Rechtsprechung entwickelten Maßstäben überhaupt angelegt bzw angestellt werden.
Der Gegenstand der zur Feststellung beantragten baulichen Anlage, damit der konkrete Feststellungsumfang, ergibt sich vorliegend aus dem Inhalt des Antrags vom 10.04.2018 und den diesem Antrag beigeschlossenen Planunterlagen. Aus der Antragsformulierung selbst wird evident, dass der Feststellungsantrag nicht auf das in der Natur bestehende Gebäude gerichtet ist. So ersucht der Antragsteller nämlich unter ausdrücklichem Verweis auf die beigeschlossene Planbeilage zum vermuteten Konsens um baurechtliche Abhandlung in diesem Sinne und Umfang. Die beigeschlossene Planunterlage weist das Gebäude erkennbar in einer vom derzeitigen Gebäudebestand verschiedenen Form aus. Dies erschließt sich im Besonderen etwa aufgrund des im Längsschnitt L01 dargestellten Dachverlaufes, welcher im nördlichen Teil des Gebäudes im Verhältnis zur übrigen Dachkonstruktion tiefer gesetzt geführt wird, wogegen etwa das im Akt einliegende Foto 1 einen Dachverlauf auf gleichem Höhenniveau ausweist. Dieser durchgehende Dachverlauf des Gebäudes ist auch in Foto 5 (Gebäude im Hintergrund; Erläuterungen dazu an späterer Stelle) entsprechend ersehbar. Dass der heutige Gebäudebestand eine durchgehende Dachkonstruktion aufweist, bestätigt sich zudem darüber hinaus auch aus einer (aktuellen) Einschau in tirisMaps – Orthofoto, und erschließen sich daraus zudem bis zum heutigen Tage weitere Bauführungen, als etwa ein südwestlicher Zubau zum Gebäude mit – so zu vermuten - aufgebrachter Dachterrasse zu ersehen ist. Gegenüber der vorgelegten Plandarstellung gesetzte weitere Bauführungen erschließen sich auch aus dem weiteren Akteninhalt, so werden im Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 29.07.2003, *****, etwa südwestliche und nordwestliche Garagen/Zubauten, geschlossene Zwischenräume und Umbauarbeiten angeführt und wird daneben aber auch auf vorgenommene Nutzungsänderungen im Inneren des Gebäude selbst hingewiesen (etwa Umwidmungen von ehemaligen Stallungen). Bei der eingebrachten planlichen Darstellung handelt es sich damit offenkundig nicht um den aktuellen Gebäudebestand. Ebenfalls die zur Begründung der Feststellung des vermuteten Konsenses bezogene Fotodokumentation weist in keiner Aufnahme das heutige Bestandsgebäudes aus.
Auch der angefochtene Bescheid vom 19.09.2018 trifft seine feststellende Entscheidung bezogen auf den eingebrachten Bauzustand. Er nimmt ausdrücklichen Bezug auf den Antrag und vermutet die Baubewilligung nach Maßgabe der einen integrierenden Bestandteil dieses Bescheides bildenden (wenngleich auch nicht mit einem entsprechenden Genehmigungsvermerk nach § 36 Abs 3 TBO 2018 versehenen) Bestandspläne. Deutlich wird dieser Feststellungsumfang auch aus den in der Begründung zum Antrag vom 10.04.2018 getroffenen Ausführungen (S. 2 A. I.) der belangten Behörde, wonach um Feststellungen über den vermuteten Baukonsens für das ehemalige Wohn- und Wirtschaftsgebäude angesucht worden wäre, aus der begründend verwiesenen Erklärung an die Beschwerdeführerin (S. 4 IV), dass es sich bei diesem Feststellungsverfahren um die Feststellung des ursprünglichen Baubestandes des Hofes handle sowie aus den beschreibenden Darstellungen des Gebäudes (letzte Seite).
Legte die belangte Behörde nun den in dieser Weise bestimmten bzw umrissenen Sachverhalt ihrer Entscheidung zugrunde, hat sie aber den Inhalt des § 36 TBO 2018 sowie den unter dieser Bestimmung zu klärenden maßgeblichen Sachverhalt verkannt.
Zur Vollständigkeit bzw zur Ermittlung des maßgeblichen Entscheidungssachverhaltes wäre es Verpflichtung der Behörde gewesen, diesen Mangel im Antragsgegenstand durch entsprechendes Tätigwerden, nämlich durch Aufforderung bzw Einräumung der Möglichkeit an den Antragstellers zur inhaltlichen Änderung seines Antrages im gesetzlich intendierten Sinne, zu beheben, um dadurch eine abschließende Erledigung nach § 36 TBO 2018 in der Sache zu ermöglichen bzw das Ansuchen – unter Beteiligung der Nachbarn nach § 33 TBO 2018 als Parteien dieses Verfahrens - einer Entscheidung zuführen zu können. Da bereits in diesem Sinne der entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht geklärt war, rechtfertigt sich schon unter derartiger Betrachtung die getroffene Aufhebung und Zurückverweisung an die belangte Behörde.
Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auch darauf, dass die vorgelegten Planunterlagen nicht den Anforderungen des § 36 Abs 2 TBO 2018 – sowohl in inhaltlicher, umfänglicher als auch erstellungstechnischer Sicht – entsprechen. Weder wurden – wie aufgezeigt - Bestandspläne eingebracht und würden die vorgelegten Planskizzen auch in ihren ausgewiesenen baulichen Inhalten nicht genügen, noch entspricht der vorgelegte Planauszug vom 25.04.2018 dem geforderten Lageplan mit den Inhalten nach § 31 Abs 2.
Aus dem vorgelegten Akt der belangten Behörde ist zu ersehen, dass im Zuge des behördlichen Verfahrens diverse Unterlagen eingeholt wurden. Auch im Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 29.07.2003 betreffend ein zum gegenständlichen Gebäude geführtes Bauverfahren (Umbau des bestehenden Wohnhauses unter gleichzeitigen teilweisen Nutzungsänderungen; das weitere rechtliche Schicksal dieses Bauverfahrens nach Aufhebung der zugrundeliegenden behördlichen Entscheidung vom 16.06.2003 lässt sich dem vorliegenden Akt nicht entnehmen, Anm.) wird auf diverse bereits vorliegende Entscheidungen (Bewilligungen) Bezug genommen. Darüber hinaus wird aus dieser Entscheidung vom 29.07.2003 aber auch evident, dass daneben auch teilweise konsenslose bzw vom Konsens abweichende Bauführungen am Gebäude vorgenommen worden sein dürften bzw dass in diversen Genehmigungen Bauteile als ihrerseits Grundlage für weitere (darauf aufbauende) Bewilligungen als Bestand (wobei diesbezüglich ebenfalls entsprechende Ermittlungen im Hinblick auf einen Konsens zu führen wären) ausgewiesen sein dürften, sowie wird zudem evident, dass auch mögliche Änderungen in der Verwendung einzelner Bauteile erfolgt sein könnten.
Dieser notwendige Sachverhalt wurde von der belangten Behörde maßgeblich nicht erhoben. Es wird entsprechend einschlägiger höchstgerichtlicher Judikatur Aufgabe der belangten Behörde sein, nach Einbringung eines gesetzmäßigen Feststellungsantrages im weiteren Verfahren die (bauliche) Entwicklungsgeschichte des gegenständlichen Gebäudes lückenlos zu erheben, unter Anlegung der durch höchstgerichtliche Rechtsprechung vorgegebenen Prüfungsansätze die daraus notwendigen rechtliche Schlüsse zu ziehen und so den zur Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt (denkbar unter Wahrnehmung allfälliger baulicher Trennbarkeiten) zu würdigen. In das weitere Verfahren vor der Baubehörde werden auch die schon im Bescheid vom 29.07.2003 aufgezeigten Vorgänge und Ermittlungsansätze einzufließen haben sowie wird auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin entsprechend zu würdigen sein.
Hat die belangte Behörde nur über einen vormaligen Bauzustand entschieden, hat sie aber die bereits eingeholten Unterlagen nicht sachverhaltsbezogen relevant gewertet und auf den maßgeblichen Sachverhalt umgelegt, bzw auch nicht den vollständigen Sachverhalt im Hinblick auf eine Feststellung erhoben noch entscheidungsreif abgeklärt.
Zu der von der belangten Behörde zum vorliegenden Fotodokumentationsmaterial und dessen Beweiswert für die Erforschung des wahren Sachverhalts angestellten Beweiswürdigung ist festzustellen, dass diesbezüglich davon ausgegangen werden muss, dass sowohl die Behörde als auch der von ihr beigezogene nichtamtliche Sachverständiger FF einem Irrtum in der Weise unterliegen dürften, als sie dabei das gegenständliche Gebäude in der Fotodarstellung falsch zuordnen. Bezieht sich der hochbautechnische Sachverständige in seiner Begutachtung auf Foto 5 und 4, stellt er dazu einen inhaltlichen Bezug zu Foto 2 her und begründet er daraus die bauliche Entwicklungsgeschichte des Gebäudes, dürfte es sich bei dem von ihm bezogenen Gebäude in Foto 4 und 5 jedoch nicht um das verfahrensgegenständliche Objekt handeln. Vielmehr ergibt ein Vergleich der Bilddarstellungen, dass das gegenständliche Objekt in Foto 1, 2 und auf Foto 5 im Bildhintergrund ausgewiesen ist. Dies begründet sich insbesondere aus einem Vergleich der (Detail-)Gestaltungen der Fassaden, wie etwa bezogen auf Anzahl und Anordnung der Tür- und Fensteröffnungen, optische Trennung zwischen EG und OG sowie Dachkonstruktion (Stützbalken). Der diesem Fotodokumentationsmaterial zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts zugemessene Erklärungswert dürfte damit wohl fehl gehen. Auch in dieser Hinsicht ist somit aber das Ermittlungsverfahren entscheidend mangelhaft geblieben.
War der entscheidungswesentliche Sacherhalt damit zum Entscheidungszeitpunkt in maßgeblicher Weise nicht geklärt, rechtfertigt sich im Lichte einschlägiger höchstgerichtlicher Judikatur die gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG ausgesprochen Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung an die belangte Behörde zur Ermittlung und entscheidungsreifen Abklärung des Sachverhaltes in beschriebenem Sinne. In Anbetracht der weiter zu setzenden Ermittlungsschritte ist eine entsprechende Klärung des Sachverhaltes durch das Landesverwaltungsgericht Tirol selbst weder rascher noch erheblich kostengünstiger möglich. In Durchführung der notwendigen Ermittlungen sind entsprechende Abklärungen der tatsächlichen Sachlage vor Ort (etwa Übereinstimmung der Planausweisungen mit den tatsächlichen Bestandsverhältnissen) sowie allfällige weitere Einsichtnahmen in die Archive bzw Bauakten der befassten Baubehörden notwendig.
Der für die Aufhebung und Zurückverweisung notwendige Sachverhalt stand aufgrund der Aktenlage ausreichend erwiesen fest. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden. Die Akten haben erkennen lassen, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtslage nicht erwarten lässt. Einem Entfall der mündlichen Verhandlung standen weder Art 6 EMRK noch Art 47 GRC entgegen.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die unter Punkt IV zitierte Judikatur wird verwiesen.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Drin Mair
(Richterin)
Schlagworte
Gegenstand des Feststellungsverfahrens; vermuteter Baukonsens; mangelhafte Sachverhaltserhebung; ZurückverweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2018.39.2263.2Zuletzt aktualisiert am
19.04.2019