TE Vwgh Erkenntnis 2019/3/26 Ra 2017/05/0264

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.03.2019
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §63 Abs1
AVG §63 Abs3
AVG §66 Abs4
VStG §24

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision des W W in W, vertreten durch Dr. Josef Sailer und Dr. Romana Schön, Rechtsanwälte in 2460 Bruck/Leitha, Schloßmühlgasse 14, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 25. August 2017, Zl. LVwG-AV-1312/001-2016, betreffend Zurückweisung einer Berufung gegen einen Abbruchauftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtrat der Stadtgemeinde E; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Stadtgemeinde E hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 Dem Revisionswerber wurde als Eigentümer des verfahrensgegenständlichen Grundstückes mit Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom 13. Juni 2016 ein Auftrag zum Abbruch der entlang der Grundgrenze zum angrenzenden Güterweg errichteten Trockensteinmauer erteilt.

2 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber innerhalb der Berufungsfrist folgende Berufung vom 3. Juli 2016:

"Betr.: Berufung gegen den Bescheid Zl ... vom 13.06.2016 der

Baubehörde betr. Abruch lt Bescheid auf Parzelle.627/23 EZ 1032 KG U... und begehre die ersatzlose Aufhebung des Bescheides.

Gegen den mir kürzlich am 22.7.2016 übermittelten oben genannten Bescheid der Stadtgemeinde E... betr. des Auftrages zum Abbruch erhebe ich in offener Frist das Rechtsmittel der Berufung gegen den Inhalt und den Spruch des Bescheides und fechte diesen Bescheid in seiner Gesamtheit an. Auch deshalb, weil er in Widerspruch mit anderen erteilten Bescheiden/Bewilligungen steht (Wasserrecht, Forstrecht usw).

Eine eingehende Begründung meines Antrages/Einspruches werde ich in 8 Wochen nachreichen - wie es mir rechtlich gemäß lt. AVG auf Antragstellung zusteht - da es mir und meiner Rechtsvertretung in diesem kurzen Zeitraum seit der Bescheidzustellung der Stadtgemeinde nicht möglich ist, alle für die Sachverhaltsdarstellung notwendigen Unterlagen, behördliche Auflagen, Bescheide und Bewilligungen einzusehen und die Verbindung/Verknüpfung zwischen den einzelnen befaßten Behörden wie Wasserrecht, Forstrecht usw. herzustellen und um die Einbringungsfrist des Rechtsmittels nicht zu versäumen."

3 Mit Schreiben vom 12. August 2016 (eingelangt bei der Stadtgemeinde E. am 29. August 2016) erstattete der Revisionswerber die angekündigte "eingehende" Begründung.

4 Der Gemeindevorstand der Stadtgemeinde E. wies die dagegen erhobene Berufung des Revisionswerbers mit Bescheid vom 31. Oktober 2016 als unbegründet ab, der Revisionswerber erhob dagegen Beschwerde.

5 Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wies die Beschwerde mit der Maßgabe ab, dass die Berufung zurückgewiesen werde, und sprach aus, dass eine Revision unzulässig sei. Der Beschwerdeführer habe die Berufung zwar fristgerecht eingebracht und die ersatzlose Aufhebung begehrt, er habe allerdings angegeben, eine eingehende Begründung erst in acht Wochen nachzureichen. Ihm und seiner Rechtsvertretung sei es in dem kurzen Zeitraum seit der Bescheidzustellung nicht möglich, alle für die Sachverhaltsdarstellung notwendigen Unterlagen beizuschaffen.

6 Seit der Neufassung des § 13 Abs. 3 AVG durch die AVG-Novelle 1998 habe die Behörde bei einem Mangel eines schriftlichen Anbringens nunmehr von Amts wegen den Auftrag zur Behebung des Mangels - also auch eines fehlenden begründeten Berufungsantrages -

binnen einer angemessenen Frist zu erteilen; dies gelte auch für inhaltliche Mängel der Berufung. Allerdings habe der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis (VwGH 25.2.2005, 2004/05/0115) leere Berufungen für nicht zulässig erkannt.

7 § 13 Abs. 3 AVG diene dem Schutz der Parteien vor Rechtsnachteilen, die ihnen aus Anbringen entstehen könnten, die aus Unkenntnis der Rechtslage oder infolge eines Versehens mangelhaft seien. Habe hingegen die Partei den Mangel erkennbar bewusst herbeigeführt, um zum Beispiel auf dem Umweg eines Verbesserungsverfahrens eine Verlängerung der Rechtsmittelfrist zu erlangen, sei für die Erteilung eines Verbesserungsauftrages kein Raum und das bewusst und rechtsmissbräuchlich mangelhaft gestaltete Anbringen sei sofort zurückzuweisen.

8 Der erstinstanzliche Bescheid sei dem Beschwerdeführer am 22. Juni 2016 zugestellt worden. Die Berufungsbegründung sei erst am 29. August 2016 bei der Stadtgemeinde E eingelangt. Gegenständlich habe der Beschwerdeführer den Mangel bei dem von ihm erhobenen Rechtsmittel bewusst herbeigeführt, indem er in Aussicht gestellt habe, die Begründung seines Berufungsantrages in acht Wochen nachzureichen. Somit sei dem Beschwerdeführer bekannt gewesen, dass eine Berufungsbegründung notwendig sei. Mit einer derartigen Vorgangsweise sei er nicht schützenswert, zumal ihm ja auch aufgrund der Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Bescheid bewusst gewesen sei, dass eine Berufung einen mit einer Begründung versehenen Berufungsantrag zu enthalten habe. Im Übrigen sei in der nachgereichten Berufungsbegründung nichts vorgebracht worden, was den vom Beschwerdeführer genannten zeitlichen Aufwand gerechtfertigt hätte.

9 Somit habe der Beschwerdeführer durch sein Berufungsschreiben vom 3. Juli 2016 beabsichtigt und letztendlich auch erreicht, die ihm zustehende Berufungsfrist von zwei Wochen auf nahezu zehn Wochen zu verlängern. Dies sei unzulässig. Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, das bewusst und rechtsmissbräuchlich mangelhaft gestaltete Anbringen als unzulässig zurückzuweisen. Der angefochtene Bescheid sei mit der Maßgabe zu bestätigen gewesen, dass die Berufung zurückzuweisen sei.

10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

11 Die Revision ist hinsichtlich der Frage, ob das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, dass die Berufung des Revisionswerbers keine Berufungsbegründung enthalten habe, zulässig.

12 Gemäß § 63 Abs. 3 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013 hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.

13 Nach der hg. Judikatur (vgl. zum Ganzen u. a. VwGH 30.1.2001, 99/05/0206, mwN) kann eine Eingabe nur dann als Berufung im Sinne des § 63 AVG angesehen werden, wenn ihr zunächst entnommen werden kann, dass der bezeichnete Bescheid angefochten wird, d.h. dass die Partei mit der Erledigung der erkennenden Behörde nicht einverstanden ist. Des Weiteren muss aber aus der Eingabe auch ersichtlich sein, aus welchen Erwägungen die Partei die Entscheidung der Behörde bekämpft. Denn das Gesetz verlangt nicht nur einen Berufungsantrag, sondern überdies auch noch die Begründung eines solchen, ob und aus welchen Gründen sie sich gegen den angefochtenen Bescheid wendet. Darauf, ob die Begründung stichhältig ist oder nicht, kommt es bei der Prüfung der formellen Erfordernisse eines Rechtsmittels nicht an. Selbst eine - aus objektiver Sicht - ganz und gar unzutreffend begründete Berufung kann die Unzulässigkeit dieses Rechtsmittels nicht bewirken. Nach der Judikatur (vgl. VwGH 7.11.2012, 2012/06/0035), sind an die Begründung der Berufung durch eine rechtsunkundige, unvertretene Partei keine allzu großen Anforderungen zu stellen; es genügt, wenn die Berufungsschrift erkennen lässt, aus welchen Erwägungen die Partei die Entscheidung bekämpft.

14 Im vorliegenden Fall hat der unvertretene Revisionswerber in seiner Berufung eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass er sich gegen den Inhalt und den Spruch des angeführten erstinstanzlichen Bescheides wendet und ihn in seiner Gesamtheit anficht. Weiters hat er ausgeführt, dass dieser Bescheid mit anderen erteilten Bescheiden/Bewilligungen (mit Hinweis auf Wasserrecht und Forstrecht) im Widerspruch stehe. Damit hat der Revisionswerber aber in der Berufung vom 3. Juli 2016 dargetan, ob, in welchem Ausmaß und auch aus welchem inhaltlichen Grund der erstinstanzliche Bescheid bekämpft wird. Ob eine Berufungsbegründung stichhältig ist, spielt - wie dargestellt - bei der Frage, ob formell eine Berufungsbegründung vorliegt, keine Rolle. Im vorliegenden Fall war daher davon auszugehen, dass der Revisionswerber eine Berufung mit einer Berufungsbegründung, somit eine wirksame Berufung, unter Wahrung der Berufungsfrist (Fristende: 6. Juli 2016; bei der Stadtgemeinde E. am 4. Juli 2016 eingelangt) eingebracht hat.

15 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

16 Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

17 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014. Das Mehrbegehren betreffend die zu ersetzenden Kosten war abzuweisen, da der Schriftsatzaufwand für die Beschwerde vor dem Verwaltungsgericht nicht das vorliegende Revisionsverfahren betrifft und weiters der in der angeführten Verordnung diesbezüglich vorgesehene Pauschalbetrag auch die Umsatzsteuer mitumfasst (zu Letzterem siehe VwGH 29.6.2016, Ro 2014/15/0026). An Eingabengebühr war die in § 24a VwGG für das Revisionsverfahren vorgesehene Gebühr in Höhe von EUR 240,-- zu ersetzen.

Wien, am 26. März 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017050264.L00

Im RIS seit

18.06.2019

Zuletzt aktualisiert am

18.06.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten