TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/11 W222 2173679-1

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Veröffentlicht am 11.02.2019
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Entscheidungsdatum

11.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W222 2173679-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Obregon als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.09.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.01.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3 und 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, und §§ 46, 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 29. Juli 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er am gleichen Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen. Zu seiner Person befragt gab er an, am XXXX in XXXX , Indien geboren worden zu sein. Er spreche Punjabi sowie Hindi und gehöre der Religionsgemeinschaft der Sikh an. Er habe zwölf Jahre die Grundschule in Haryana und drei Jahre die Universität in Haryana besucht. Zuletzt habe er als Hilfsarbeiter in der Landwirtschaft gearbeitet. Seine Eltern seien bereits verstorben. Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an: "Ich hatte Streitigkeiten wegen einem Grundstück mit meinem Onkel väterlicherseits. Er wolle ungerechtfertigt unser Grundstück in Besitz nehmen. Als ich dies nicht zulassen wollte, hat er mich geschlagen und mich mit dem Tod bedroht. Deshalb beschloss ich Indien zu verlassen. Ich habe hier mit all meine Gründe und die dazugehörenden Ereignisse angegeben, warum ich nach Österreich gereist bin. Ich habe keine weiteren Gründe einer Asylantragstellung." Bei einer Rückkehr in seine Heimat habe er Angst um sein Leben.

Am 04.09.2017 erfolgte eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Der Beschwerdeführer gab an, zuletzt im Distrikt Haryana in Indien gelebt zu haben. Er habe dort von seiner Geburt bis zu seiner Ausreise gelebt. Sein Vater sei vor ca. drei Jahren an einem natürlichen Tod verstorben. Seine Mutter sei vor ca. einem Jahr auch an einem natürlichen Tod verstorben. Er habe keine Geschwister. Er habe ein Haus und Grundstücke die ihm gehören. In Indien würden noch Onkeln und Tanten sowie Cousins und Cousinen leben. Nachgefragt gab er an, dass er ein gutes Verhältnis mit seiner Verwandtschaft habe, nicht jedoch mit seinem Onkel. Er sei nicht verheiratet und habe keine Kinder. Er spreche die Sprache Punjabi und Hindi in Wort und Schrift und ein wenige Englisch. Er habe zwölf Jahre die Schule und drei Jahre eine Universität in Indien besucht. Er habe dort das Bakkalaureat für Kunst absolviert. Er habe seinen Lebensunterhalt in Indien finanziert in dem er in der Landwirtschaft gearbeitet habe. Er sei ein Sikh. Er habe keine Verwandten bzw. Familienangehörigen in Österreich. In Österreich habe er sich mit einigen angefreundet. Er gehe in den Tempel und treffe einige Leute seines Heimatlandes. Er werde von der Caritas unterstützt und von der Grundversorgung. Er gehört nicht einem Verein oder einer sonstigen Organisation an. Es besteht auch zu keinem in Österreich lebenden Personen finanzielle oder sonstige Abhängigkeiten. Zum Fluchtgrund befragt, gab der Beschwerdeführer nun folgendes an: "Ich hatte mit meinem Onkel väterlicherseits ein Grundstücksproblem. Es gab

immer Streitigkeiten und Schlägereien. Ich konnte dort nicht mehr leben.

F: Haben Sie noch weitere Fluchtgründe?

A: Für uns Sikhs ist es sehr schwierig.

F: Haben Sie noch weitere Fluchtgründe?

A: Nein.

F: Ihre Angaben sind vage und unkonkret machen Sie mir genaue Angaben rund

um Ihren Fluchtgrund! Nennen Sie mir Einzelheiten und Details!

A: Mein Onkel wollte mein Grundstück erzwingen und in Besitz nehmen, als ich es

ihm nicht geben wollte hat er versucht mich umzubringen. Er hat Leute beauftragt

mich umzubringen. In Indien ist das Leben der Sikhs gefährdet, sie sehen uns

nicht als ihre Landsleute an.

Wiederholung der Frage! Sie schildern einen abstrakten Sachverhalt, Ihr

Vorbringen lässt Details und Einzelheiten vermissen. Machen Sie mir konkrete

Angaben über Ihren Fluchtgrund!

A: Mein Onkel wollte die Grundstücke nehmen, er hat gesagt, dass er sie erobern

wird und das Leben der Sikhs ist dort sehr schwierig.

Wiederholung der Frage! Ihre Schilderungen lassen Einzelheiten und Details

vermissen, Ihr Vorbringen ist so nicht glaubhaft, was sagen Sie dazu? Nennen

Sie mir alle Einzelheiten, was Sie darüber wissen!

A: Er hat auch versucht mich zu ermorden, es gab Angriffe gegen mich. Ich

musste mich verstecken. Seitdem ist mein Leben nicht mehr sicher. Mein Onkel

hat gesagt er wird mich heut oder morgen umbringen und das Grundstück

erobern. Als Sikh kann ich meine Religion nicht ausführen. Sie lassen unsere

Religion nicht ausführen, sie verbieten uns dies und beleidigen unseren

Propheten und unser heiliges Buch.

F: Mehr können Sie dazu nicht angeben?

A: Als Sie mich angriffen konnte ich entkommen, danach wurden Leute engagiert

mich umzubringen, ich musste mich immer verstecken.

F: Beschreiben Sie mir die Situation als man Sie ermorden wollte!

A: wegen dem Grundstückstreit. Ich habe in der Landwirtschaft gearbeitet als er

zu mir kam, sagte er ich solle es ihm freiwillig geben oder er wird mich ermorden

oder erzwingen. Ich war der einzige, ich hatte niemanden also sah er nur mich als

Problem.

F: Beschreiben Sie mir diese Drohungshandlungen im Detail, wie erlebten Sie

diese Geschehnisse?

A: ich habe gemerkt, dass Leute engagiert wurden mich umzubringen, andere

Leute sahen mich komisch an. Ich habe einen Schlepper aufgesucht und meine

Flucht geplant.

Wiederholung der Frage! Ihre Angaben sind vage und sehr blass, schildern Sie

mir umfangreich von diesen tragischen Vorfällen!

A: Das ist die Tatsache, wegen dem Grundstücksstreit. Ich war der einzige von

meiner Familie, mich wollte er vernichten, damit er das Grundsrück ahben

kann.Er hat gesagt ich habe niemanden und keiner wird mir helfen, entweder ich

gebe es ihm oder er wird mich umbringen.

F: In wie weit haben Sie bemerkt, dass Auftragskiller auf Sie angesetzt wurden?

A: Sie haben mich angegriffen und gesagt ich soll meinem Onkel das Grundstück

geben. Mein Onkel hat es mir auch gesagt. Ich ging zur Polizei und ihnen den

Vorfall geschildert, aber die Polizei hat mir nicht geholfen. Sie wollten mir nicht

helfen, meine Anzeige haben Sie auch nicht aufgenommen. Mein Onkel kennt die

Polizei sehr gut.

F: Beschreiben Sie mir die Situation als Sie von den Auftragsmördern angegriffen

wurden im Detail!

A: Ich habe in der Landwirtschaft gearbeitet, auf meinem Feld. Plötzlich sind vier

bis fünf Leute gekommen, sind auf mich zugekommen und haben mir gesagt ich

soll mein Grundstück übergeben. Ich habe gesagt es ist mein Grundstück, sie

wollten aber nichts hören und haben geschrien, dass ich es übergeben soll. Ich

habe gesagt es ist mein Grundstück, ich lebe davon. Sie haben dann gesagt ich

kann das nicht beweisen, dass es meins ist.

F: Wann begannen die Grundstückstreitigkeiten?

A: Nach dem Tod meines Vaters, also vor zwei bis drei Jahren.

F: Wann waren die Beauftragten bei Ihnen?

A: Auch kurz nach dem Tod meines Vaters.

F: Warum sind Sie erst so spät geflohen?

A: Ich habe versucht das Problem zu verdrängen, aber es war nicht möglich.

F: Welches Interesse hatte Ihr Onkel an dem Grundstück?

A: Aus Gier.

F: Beschreiben Sie mir das Naheverhältnis zur Polizei Ihres Onkels!

A: Die Polizei in Indien ist sehr korrupt mit Geld ist alles möglich.

F: Waren Sie in Indien sehr religiös?

A: Ja.

F: Ist Ihr Turban ein Zeichen der Sikh?

A: Ja.

F: Seit wann tragen Sie Ihren Turban?

A: Ab der Pubertät.

F: Gibt es einen Tempel in der Nähe Ihres Wohnortes?

A: Ja es gibt in der Nähe einen Tempel, dort ging ich zweimal täglich hin.

F: Waren viele Gläubige in diesem Tempel?

A: Ja, die ganzen gläubigen Sikhs.

F: Beschreiben Sie mir solch einen Ablauf, als Sie zum Tempel gingen?

A: In der Früh geht man dorthin liest vom heiligen Buch und gedenkt an die

Heiligen.

F: Gab es besondere Vorkommnisse?

A: Es gibt einen Prediger der vom heiligen Buch liest und die anderen gehorchen.

F: Beschreiben Sie mir bitte Ihre Probleme als SIKH, Sie konnten Ihren Glauben

ausüben?

A: Die Situation der Sikhs ist nicht in Ordnung, wir werden dort nicht akzeptiert.

F: Beschreiben Sie mir Ihre persönlichen Probleme als Sikh!

A: Unser Prophet wurde immer lächerlich dargestellt und ich wurde beschimpft

und geschlagen aufgrund meiner Religion.

F: Machen Sie mir genaue Angaben über die Beschimpfungen und Schläge!

A: Es passiert immer, aber es wird nichts unternommen, wenn man zur Polizei

geht unterstütz die Polizei den anderen. Sehr viele gläubige Sikhs gehen zur

Polizei, aber keine Anzeige wird aufgenommen.

Wiederholung der Frage! Beschreiben Sie mir Ihre persönlichen Erfahrungen,

Diskriminierung und Misshandlungen als Sikh!

A: In Punjab wurden vor ca. einem Jahr vom Staat Leute geschickt, um die Sikhs

zu schlagen und zu belästigen. Die Polizei und anderen Behörden sind

Marionetten des Staates. Diese Leute sind in den Tempel gegangen und haben

unser heiliges Buch kritisiert und misshandelt und haben unseren Propheten

beschimpft. Sie haben nicht das Recht dazu und es wird dagegen nichts

unternommen. Es gab Schießereien und Angriffe.

Wiederholung der Frage! Schildern Sie mir konkrete Angriffe gegen Sie!

A: Als sie in den Tempel kamen und unsere Religion kritisierten war ich

anwesend, sie haben mich und alle anderen bedroht.

F: Wann fanden diese Vorfälle statt?

A: Ca. vor einem Jahr oder vor 1,5 Jahren.

F: Mehr können Sie zu diesem Vorbringen nicht darlegen?

A: Nein.

F: Sie haben dies aber nicht in der Erstbefragung vorgebracht, was sagen Sie

dazu?

A: Ich konnte mich nicht konzentrieren, ich weiß nicht mehr was ich gesagt habe.

F: Machen Sie mir umfangreiche Angaben rund um die Bedroher/Verfolger, die

Sie aufgrund Ihrer Religion verfolgen!

A: Es gibt eine Organisation, die heißt XXXX , sie ist eine Antisikh Organisation und

diese beauftragt die Polizisten, dass keine Anzeigen der Sikhs aufgenommen

werden sollen.

F: Was können Sie mir über die Organisation XXXX (Mitglieder, Sitz, Programm,...)

erzählen!

A: Über die Mitglieder weiß ich nichts, das sind Leute, die die Religion

Hinduismus haben, sie sind gegen die Sikhs, sie sind für das Aussterben der

Sikhs.

Wiederholung der Frage! Machen Sie mir genaue Angaben über die XXXX !

A: Ich war mit meiner Religion beschäftigt und nicht mit dieser Organisation.

F: Was befürchten Sie im Falle Ihrer Rückkehr nach Indien? Was würde

passieren, wenn Sie morgen zurück nach Indien geschickt werden würden?

A: Ich habe Angst vor dem Tod.

Anmerkung: Ihnen wird nun die Möglichkeit eingeräumt, in die

Länderfeststellungen des BFA zu Indien Einsicht und Stellung zu nehmen. Die

Feststellungsunterlagen werden Ihnen gegebenenfalls vom Dolmetscher

vorgelesen! Möchten Sie das?

A: Nein, das brauche ich nicht."

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.09.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Beweiswürdigend hielt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl betreffend die konkreten Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates im Wesentlichen fest, dass das Vorbringen nicht glaubhaft sei, zumal dieser beim BFA bloß ein höchst vages und abstraktes Vorbringen dargelegt habe: "Niederschriftlich ist es Ihnen beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) nicht gelungen ein fundiertes und substantiiertes Vorbringen rund um etwaige Fluchtgründe im Herkunftsland darzulegen. Durch Ihre inhaltsleeren und bloß allgemeinen Angaben haben Sie beim BFA ein vages, abstraktes Vorbringen dargelegt.

So führten Sie an, dass Sie aufgrund von Grundstückstreitigkeiten von Ihrem Onkel verfolgt und bedroht worden wären. Zusätzlich gaben Sie an, Problemen, wegen Ihrer Glaubensrichtung ausgesetzt gewesen zu sein.

Doch war es Ihnen in keiner Weise möglich detailreiche und konkrete Angaben rund um Ihren Fluchtgrund anzuführen. Ihre gesamten Schilderungen während der Einvernahme vor der Behörde waren allgemein gehalten, ohne jedwede Substanz und Sie gingen von sich aus nicht in die Tiefe, um Ihr Vorbringen zu untermauern und um es so, als glaubhaft einstufen zu können. Mehrfach von der Behörde aufgefordert Einzelheiten und Details anzuführen, waren Sie nicht im Stande diesen Aufforderungen gezielt entgegenzutreten.

Hierzu ein kurzer Auszug aus der Einvernahme vom 04.09.2017, um Ihr vages Vorbringen zu veranschaulichen:

Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist jedoch davon auszugehen, dass ein Asylwerber, der bemüht ist, in einem Land Aufnahme und Schutz zu finden, in der Regel bestrebt ist, alles diesem Wunsch Dienliche vorzubringen und zumindest die Kernfluchtgeschichte möglichst umfassend zu schildern, sodass der Behörde erkennbar ist, welchen massiven Bedrohungen er im Herkunftsland ausgesetzt sei. Eine wie von Ihnen dargelegte Schilderung der Geschehnisse verdeutlicht, dass Sie offenbar Einzelheiten präsentieren, die nicht der Wahrheit entsprechen. Ansonsten hätten Sie derartige Umstände weitaus konkreter verdeutlicht.

Weiters war es Ihnen nicht möglich die näheren Umstände und die konkret gegen Sie gerichteten Drohungen des Onkels und anderen Beteiligten mit Einzelheiten versehen zu beschreiben. Wiederum mehrmals von der Behörde aufgefordert konkrete und substantiierte Angaben über diese angeblich erfolgten Tathergänge und Geschehnisse zu machen, waren Sie abermals nicht in der Lage diese einschneidenden Erlebnisse zu erläutern:

Es entbehrt jeglicher Logik und Lebenserfahrung, dass Sie gerade jene einschneidenden Ereignisse, welche Sie zur Flucht aus Ihrem Herkunftsstaat bewogen haben, nicht konkret und detailreich darlegen konnten.

Es ist davon auszugehen, dass Personen, die solch einschneidende Erfahrungen (Morddrohungen, Mordversuch, jahrelange Streitigkeiten) machten, welche zur Flucht aus dem Land führten, gerade über solche Erlebnisse fundierte und konkrete Auskünfte erteilen könnten bzw. auch anscheinende Nebensächlichkeiten und irgendwelche Details in Ihr Vorbringen einfließen lassen. Ihr Vorbringen war nicht derartig ausgestaltet sodass auch dieser Aspekt Ihres Vorbringens nicht glaubhaft ist.

Zusätzlich führten Sie während der Einvernahme am 04.09.2017 Probleme aufgrund Ihrer Religion an. Jedweder Logik und schlüssigen Nachvollziehbarkeit entbehrend, ist der Umstand, dass Sie diese Probleme in der Erstbefragung nicht angeführt haben. Würde Ihr Fluchtvorbringen den Tatsachen entsprechen, hätten Sie bereits bei der Erstbefragung dieses wesentliche Element erwähnt.

Es ist davon auszugehen, dass eine vor Verfolgung Schutz suchende Person unter normalen Umständen wohl keine sich bietende Möglichkeit ungenutzt verstreichen lässt, um alle Beweggründe, die zum Verlassen des Heimatlandes bewogen haben, vorzubringen. Wäre der nunmehr behauptete Sachverhalt für Sie tatsächlich ausreisekausal und fluchtauslösend gewesen, so wäre nach der allgemeinen Lebenserfahrung von Ihnen zu erwarten gewesen, dass Sie die erste Möglichkeit zur umfassenden Darstellung dieser Problematik nützen.

Dies erweckt zusätzlich den Anschein, als ob Sie die Intensität Ihrer Fluchtgründe im Zuge der Einvernahme steigern wollten um schwerwiegendere asylrelevante Fluchtgründe angeben zu können.

Darüber hinaus vermochten Sie erneut nicht umfangreiche und substantiierte Angaben über Ihre vermeintlichen Probleme als Angehöriger des Sikhismus zu machen. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass, obwohl konkret über Ihre Religionsausübung im Heimatland befragt, keine Hinweise oder Anhaltspunkte hervortraten, die auf eine Verfolgung hätten schließen lassen. Auch zu der von Ihnen behaupteten Organisation " XXXX " wussten Sie nichts zu berichten, sondern gaben lapidar an, dass Sie sich ausschließlich mit Ihrer Religion beschäftigt hätten. Es wäre aber umso mehr zu erwarten gewesen, dass Sie, als Angehöriger der Sikhs, gerade über jene Organisation im Bilde sind, von der etwaige Bedrohungs- oder Verfolgungshandlungen ausgingen.

Auch aus dem aktuellen Länderinformationsblatt zu Indien ergaben sich keine Hinweise darauf, dass Angehörige der Glaubensrichtung des Sikhimus einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wären.

Fakt ist, dass laut Ihren Angaben die Drohungen über einige Jahre hindurch erfolgten. Es ist in keiner Weise plausibel, dass Sie sich im Heimatland über einen solch langen Zeitraum hinweg bedrohen bzw. verfolgen ließen.

Vollkommen unerklärlich und gegen eine asylrelevante Bedrohung Ihrerseits spricht auch die Tatsache, dass Sie sich nach erfolgten Bedrohungen noch weiterhin an Ihrem Wohnort aufgehalten haben und nicht versuchten in einem anderen Teil Indiens zu leben.

Bei Vorliegen einer tatsächlichen asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung im Heimatstaat, wären Sie überdies augenblicklich oder zumindest zeitnah geflohen und hätten sich nicht weiterhin der Gefahr ausgesetzt.

Sie haben Indien legal per Flugzeug verlassen und wurden laut Ihren Angaben auch von den indischen Beamten kontrolliert. Probleme mit heimatlichen Behörden haben Sie dezidiert negiert. Somit ist auch eine staatliche Verfolgung Ihrerseits vom BFA auszuschließen.

Zusammengefasst waren Sie trotz mehrfacher Aufforderung nicht in der Lage ein stichhaltiges, detailliertes und somit auch nachvollziehbares Vorbringen rund um Ihren Fluchtgrund darzulegen. Durch Ihre widersprüchlichen Aussagen, bloß vagen, abstrakten und teilweise nicht nachvollziehbaren Angaben konnten Sie der Behörde eine Verfolgung in Indien nicht glaubhaft machen."

Zu Spruchpunkt II. führte das Bundesamt u.a. aus: "Es konnten keinerlei Anhaltspunkte dahingehend gefunden werden, dass Sie im Falle einer Rückkehr nach Indien einer Verfolgungsgefährdung i. S.

d. Art. 3 EMRK ausgesetzt wären.

Die Feststellungen über Ihren Gesundheitszustand, dem schulischen und beruflichen Werdegang, Ihren Sprachkenntnissen und dass Sie im arbeitsfähigen Alter sind ergeben sich aus Ihren glaubhaften Aussagen und dem Eindruck Ihres persönlichen Auftretens während der Einvernahme vor dem BFA. Wie bereits näher ausgeführt sind Sie gesund und nehmen keine Medikamente.

Ihre Arbeitswilligkeit ergibt sich aus Ihrer Berufstätigkeit im Heimatstaat.

Aufgrund Ihrer Angaben konnte ebenfalls festgestellt werden, dass Sie in Indien über familiäre Bezugspunkte verfügen (Ihre gesamte Verwandtschaft lebt dort) und ein gutes Verhältnis zu Ihrer Verwandtschaft haben. Nachdem Ihrem Fluchtgrund kein Glauben geschenkt wird, kann auch weiterhin davon ausgegangen werden, dass Sie über ein gutes Verhältnis zu Ihrem Onkel väterlicherseits verfügen.

Es ist davon auszugehen, dass Sie von Ihren Familienangehörigen Unterstützung erhalten werden, da Sie aus einem Kulturkreis, in dem auf den familiären Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung im Familienkreis großen Wert gelegt wird, stammen.

Ihre Angaben sind die Grundlage für die Feststellung, dass Sie Ihren Lebensunterhalt durch Ihre berufliche Tätigkeit sichern konnten.

Die Feststellung, dass Sie in Indien über soziale Anknüpfungspunkte verfügen, fußt auf Ihren impliziten Angaben, der Dauer Ihres Aufenthaltes in Indien, Ihrer schulischen und beruflichen Laufbahn und der allgemeinen Lebenserfahrung.

Durch Ihre beruflichen Erfahrungen, Ihrer schulischen Ausbildung und den damit einhergehenden sozialen Kontakten ist es Ihnen überdies zuzumuten einen adäquaten Arbeitsplatz zu finden. Überdies stellten Sie bereits Ihre Mobilität mit der erfolgten Ausreise aus Ihrem Herkunftsstaat bis hin zur illegalen Einreise in das Bundesgebiet unter Beweis.

Zudem haben Sie den Großteil Ihres Lebens in Indien verbracht, weshalb davon auszugehen ist, dass Ihre sozialen, familiären und wirtschaftlichen Bindungen im Herkunftsland wesentlich intensiver ausgeprägt sind, als das im Bundesgebiet der Fall sein kann.

Aus dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens ergaben sich keine Gründe, die einer möglichen Wiederaufnahme Ihrer bisherigen Arbeitstätigkeit oder einer anderen Erwerbstätigkeit entgegenstehen würden. Auf Grund Ihrer langfristigen eigenständigen Sicherung Ihres Lebensunterhaltes in Indien und während Ihrer Flucht, ist Ihnen zuzutrauen und zuzumuten in Ihrer Heimat, Ihrem vertrauten sozialen Umfeld, Ihrer vertrauten Kultur und ohne jegliche sprachlichen Barrieren, jederzeit wieder Fuß zu fassen. Sie sind mit den kulturellen Gepflogenheiten Ihres Herkunftsstaates vertraut. Überdies verfügen Sie über mehrere Liegenschaften in Indien und können sich somit durch etwaige Mieteinkünfte, erneuter landwirtschaftlicher Nutzung oder den Verkauf von diesen ein zusätzliches Einkommen sichern.

Sie sprechen Punjabi, Hindi und ein wenig Englisch; diese Sprachkenntnisse sind für die Sicherung Ihrer Existenzgrundlage in Indien notenwenig (Punjabi, Hindi) bzw. hilfreich (Englisch).

Sie haben die Möglichkeit in einem als ausreichend sicheren geltenden Staat, nämlich Indien zu leben. Die Feststellungen bezüglich der Sicherheitslage Indiens ergeben sich aus den Länderfeststellungen der Staatendokumentation des BFA und dem Amtswissen.

Aufgrund Ihrer Angaben konnte ebenfalls festgestellt werden, dass Sie in Indien über eine nutzbare Wohngelegenheit und mehrere Liegenschaften verfügen.

Im Rahmen der Rückkehrhilfe können Sie finanzielle Unterstützung erhalten und besteht die Möglichkeit, Unterstützungen von NGOs in Anspruch zu nehmen. Mit heutigem Tag wurde Ihnen ein Rückkehrberater zur Seite gestellt, der Sie über Ihre Möglichkeiten informiert.

Da Ihnen im Herkunftsstaat keine Verfolgung droht, und Sie über alle nötigen Voraussetzungen verfügen, um Ihr Leben eigenständig zu meistern, geht die Behörde davon aus, dass Ihnen im Herkunftsstaat auch keine Gefahren drohen, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würden.

Es ergaben sich auch keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür, dass Sie als Angehöriger der der Religionsgemeinschaft des Sikhismus aktuell und/oder künftig alleine wegen Ihrer Glaubensrichtung in Indien einer Verletzung der Art. 2 bzw. 3 EMRK ausgesetzt wären.

Es ist Ihnen daher zuzumuten in Ihrem Herkunftsstaat mit Hilfe der eigenen Arbeitsleistung und der Unterstützung Ihrer in Indien lebenden Angehörigen den Lebensunterhalt zu sichern, so dass auch der Schluss zulässig ist, dass es in Ihrem Falle bei einer Rückkehr nach Indien nicht zu einer Verletzung der Art. 2 bzw. 3 EMRK kommen wird."

Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde wegen unrichtigen Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung erhoben.

Am 22.01.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, im Rahmen derer der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen sowie zu seinen Lebensumständen in Österreich und Indien befragt wurde.

Mit Schreiben vom 06.02.2019 wurde vom rechtsfreundlichen Vertreter eine Stellungnahme abgegeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien und stammt aus Haryana und gehört der Religionsgemeinschaft der Sikh an. In Indien besuchte er zwölf Jahre eine Schule und drei Jahre eine Universität. Er arbeitete in der familieneigenen Landwirtschaft. Er spricht Punjabi, Hindi und Englisch. In Österreich hat der Beschwerdeführer keine Familienangehörigen, hingegen halten sich seine Onkeln und Tanten in Indien auf. Er hat hier keine österreichischen Freunde. In einer Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Gemeinschaft lebt er ebenso wenig. Der Beschwerdeführer hat einen Deutschkurs besucht und verfügt über ein A1 Zertifikat. Er geht in den Sikh-Tempel und hilft dort aus. Der Beschwerdeführer geht keiner regelmäßigen Arbeit nach. Er ist arbeitsfähig und in Österreich unbescholten.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland aus den von ihm genannten Gründen verlassen hat.

Zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Indien wird Folgendes festgestellt:

A) Politische Lage

Indien ist mit über 1,2 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 12.12.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016, BBC 27.9.2016). Die - auch sprachliche - Vielfalt Indiens wird auch in seinem föderalen politischen System reflektiert, in welchem die Macht von der Zentralregierung und den Bundesstaaten geteilt wird (BBC 27.9.2016). Die Zentralregierung hat deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten (AA 9.2016a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 13.4.2016). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 9.2016a).

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 16.8.2016), der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 9.2016a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 16.8.2016). Das oberste Gericht in New Delhi steht an der Spitze der Judikative (GIZ 11.2016). Die Entscheidungen der staatlichen Verwaltung (Bürokratie, Militär, Polizei) unterliegen überdies der Kontrolle durch die freie Presse des Landes, die nicht nur in den landesweiten Amtssprachen Hindi und Englisch, sondern auch in vielen der Regionalsprachen publiziert wird. Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 9.2016a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 13.4.2016). Die Legislative besteht aus einer Volkskammer (Lok Sabha) und einer Staatenkammer (Rajya Sabha). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 16.8.2016).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 13.4.2016). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2012 ist Präsident Pranab Kumar Mukherjee indisches Staatsoberhaupt (AA 9.2016a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 11.2016).

Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 16.8.2016). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP - Indische Volkspartei) und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Abgesehen von kleineren Störungen, verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 16.8.2016).

Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis NDA (AA 16.8.2016), mit der hindu-nationalistischen BJP (AA 9.2016a) als stärkster Partei (282 Sitze), den Kongress an der Regierung ab (AA 16.8.2016). Die seit 2004 regierende Kongress-geführte Koalition unter Manmohan Singh erlitt hingegen große Verluste, womit Sonia Gandhi und Sohn Rahul nun auf die Oppositionsbank rücken (Eurasisches Magazin 24.5.2014; vgl. auch:

FAZ 16.5.2014, GIZ 11.2016). Die AAP, die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang landesweit nun nur vier Sitze (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Der BJP Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt (AA 16.8.2016) und steht seit 16.5.2014 (GIZ 11.2016) einem 65-köpfigen Kabinett vor (AA 16.8.2016).

Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 12.2016).

Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktivere Außenpolitik als zuvor. Die frühere Strategie der "strategischen Autonomie" wird zunehmend durch eine Politik "multipler Partnerschaften" mit allen wichtigen Ländern in der Welt überlagert. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und die Profilierung als aufstrebende Großmacht (AA 9.2016b). Ein ständiger Sitz im VN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 12.2016). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an. Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft (Association of Southeast Asian Nations - ASEAN) und Mitglied im "ASEAN Regional Forum" (ARF). Auch bilateral hat Indien in den letzten Monaten seine Initiativen in den Nachbarländern verstärkt. Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. In der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) hat Indien im Februar 2016 von Russland den diesjährigen Vorsitz übernommen. Bei ihrem Treffen in Ufa im Juli 2015 beschloss die Shanghai Cooperation Organisation (SCO), Indien und Pakistan nach Abschluss der Beitrittsprozeduren als Vollmitglieder aufzunehmen (AA 9.2016b).

Die Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan haben sich jüngst erneut zugespitzt. In den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit haben sich wiederholt Phasen des Dialogs und der Spannungen bis hin zur kriegerischen Auseinandersetzung abgelöst.

Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmirproblem (AA 9.2016b).

Indien ist durch das Nuklearabkommen mit den USA ein Durchbruch gelungen. Obwohl es sich bis heute weigert, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, bedeutet das Abkommen Zugang zu Nukleartechnologie. Ebenfalls positiv hat sich das Verhältnis Indiens zu China entwickelt. Zwar sind die strittigen Grenzfragen noch nicht geklärt, aber es wurden vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart, um zumindest in dieser Frage keinen Konflikt mehr herauf zu beschwören. Auch ist man an einer weiteren Steigerung des bilateralen Handels interessiert, der sich binnen eines Jahrzehnts mehr als verzehnfacht hat (GIZ 12.2016).

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze, kontrolliert Indien die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs, und war Indien maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handels- und Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016a): Indien, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_AC539C62A8F3AE6159C84F7909652AC5/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien, Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_F210BC76845F7B2BE813A33858992D23/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 29.12.2016

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BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016): India country profile - Overview,

http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 5.12.2016

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CIA - Central Intelligence Agency (15.11.2016): The World Factbook

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https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 9.1.2017

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Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,

http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 4.1.2017

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FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (16.5.2014): Modi ist Mann der Stunde,

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fruehaufsteher/wahlentscheid-in-indien-modi-ist-der-mann-der-stunde-12941572.html, Zugriff 4.1.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2016): Indien,

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmBH (11.2016): Indien, Wirtschaftssystem und Wirtschaftspolitik, http://liportal.giz.de/indien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 5.12.2016

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B) Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.8.2016).

Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011

Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.8.2016).

Pakistan und Indien

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 9.2016b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege, davon zwei aufgrund des umstrittenen Kaschmirgebiets. Friedensgespräche, die 2004 begannen, wurden trotz Spannungen wegen der Kaschmirregion und sich immer wieder ereignenden schweren Bombenaschlägen bis zu den von Islamisten durchgeführten Anschlägen in Mumbai 2008, fortgesetzt (BBC 27.9.2016).

Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und der jüngste terroristische Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Indien reagierte auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. In der Folge kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 9.2016b). Bei einem Treffen in New York Ende September 2013 vereinbarten die Premierminister Singh und Sharif lediglich, den Waffenstillstand künftig besser einhalten zu wollen (GIZ 11.2016a). Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist über die aktuellen Entwicklungen zum Stillstand gekommen. Noch am Weihnachtstag 2015 hatte Premierminister Modi seinem pakistanischen Amtskollegen einen Überraschungsbesuch abgestattet und damit kurzzeitig Hoffnungen auf eine Entspannung aufkeimen lassen (AA 9.2016b).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien - Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_09493FC61FD08185D486477F8D93E1EE/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016

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BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016): India country profile - Overview,

http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 5.12.2016

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Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,

http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 5.12.2016

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2016a): Indien,

http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 5.12.2016

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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