TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/8 W107 2190447-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.03.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

08.03.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W107 2190447-1/12E

Schriftliche Ausfertigung des am 16.01.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Sibyll BÖCK über die Beschwerde des mj. XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, gesetzlich vertreten durch seine Eltern XXXX und XXXX , diese vertreten durch Mag. Julian A. MOTAMEDI, Rechtsanwalt, Baumannstraße 9/12A, 1030 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.02.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.01.2019 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der minderjährige, nach der illegalen Einreise seiner Eltern in das österreichische Bundesgebiet am XXXX in XXXX , Österreich, geborene Beschwerdeführer stellte am 21.11.2017, vertreten durch seinen Vater (Beschwerdeführer zu W107 2190441-1), gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren.

2. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III) und gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen [gemeint: 14 Tage] ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

3. Mit Schreiben vom 14.03.2018 erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch seine Eltern, diese unterstützt durch den amtswegig beigegeben Rechtsberater, fristgerecht vollumfängliche Beschwerde gegen den spruchgegenständlichen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften.

4. Am 26.03.2018 legte das BFA die Beschwerde und die dazugehörigen Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

5. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 16.01.2019 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Dari und des ausgewiesenen Rechtsvertreters eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer die Eltern und der ältere mj. Bruder des Beschwerdeführers im Familienverfahren zu ihren Anträgen auf internationalen Schutz einvernommen wurden. Die belangte Behörde verzichtete mit Schreiben vom 14.12.2018 auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung. Das gegenständliche Verfahren wurde mit den Verfahren zu W107 2190445-1 (Mutter des BF), W107 2190438-1 (mj. Bruder des BF) und W107 2190 441-1 (Vater des BF) zur gemeinsamen Verhandlung verbunden.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden die am Tag der mündlichen Verhandlung aktuellsten und den Parteien elektronisch zugänglichen Länderinformationen, insbesondere das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Stand: 08.01.2019, und die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018, in das Verfahren eingeführt.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung verkündete die Richterin das gegenständliche Erkenntnis samt den wesentlichen Entscheidungsgründen. Der Beschwerdeführer, vertreten durch seine Eltern, verzichtete nach Belehrung über die Folgen des Verzichts ausdrücklich auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof.

Das Verhandlungsprotokoll vom 16.01.2019 wurde den Eltern des Beschwerdeführers und deren Rechtsvertreterin am Tag der mündlichen Verhandlung persönlich ausgefolgt und dem BFA mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.01.2019 übermittelt.

9. Am 21.01.2019 beantragte das BFA die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den zugrundeliegenden Verwaltungsakt, insbesondere durch Einsicht in die im Verfahren vorgelegten Dokumente, Unterlagen und Befragungsprotokolle, Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, Einsicht in die ins Verfahren eingebrachten Länderberichte sowie Einsicht in das Zentrale Melderegister, das Strafregister, das Grundversorgungssystem und die Geburtsurkunde des Beschwerdeführers.

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der Beschwerdeführer ist am XXXX in XXXX , Österreich, geboren, führt den im Spruch angeführten Namen und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan. Er stellte am 21.11.2017, vertreten durch seinen Vater, den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Im Zeitpunkt der Antragstellung war der minderjährige Beschwerdeführer ledig.

Seine Mutter XXXX (BF zu W107 2190445-1), sein Vater XXXX (BF zu W107 2192040-1) und sein älterer Bruder mj. XXXX (BF zu W107 2190438-1) reisten unter Umgehung der Einreisebestimmungen schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 24.12.2015 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer hält sich derzeit gemeinsam mit seinen Eltern und seinem älteren Bruder in Österreich auf und lebt mit diesen zusammen.

Der Beschwerdeführer ist aufgrund seiner Minderjährigkeit strafunmündig und daher in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.03.2019, Zl. W107 2190445-1/12E, wurde der Beschwerde der Mutter des Beschwerdeführers stattgegeben und ihr der Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 zuerkannt. Im Falle der Mutter des Beschwerdeführers ist kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verfahrensakt des Beschwerdeführers und jenem seiner Mutter (BF zu W107 2190445-1).

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und Allgemeines:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017, geregelt (§ 1 leg. cit.).

§ 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem BFA, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 70/2015, obliegt dem BFA die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4).

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 68/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des BFA.

3.2. Zu A) Stattgabe der Beschwerde:

Im vorliegenden Fall wurde der Mutter des Beschwerdeführers mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.03.2019, Zl. W107 2190445-1/12E, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass dieser damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Anhand der Ermittlungsergebnisse war davon auszugehen, dass sich die Mutter des Beschwerdeführers angesichts ihrer auf ein selbstbestimmtes Leben gerichteten Einstellung ("westliche Gesinnung") aus wohlbegründeter Furcht wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe verfolgt zu werden, außerhalb Afghanistans befindet und in Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren (vgl. das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.03.2019, Zl. W107 2190445-1/12E). Es liegt auch in Bezug auf die Mutter des Beschwerdeführers keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe vor.

Gemäß § 34 Abs. 2 iVm Abs. 5 AsylG 2005 hat das Bundesverwaltungsgericht aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status eines Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7 AsylG 2005).

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsland bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat.

Der minderjährige und ledige Beschwerdeführer ist der Sohn von XXXX (BF zu W107 2190445-1). Somit ist der Beschwerdeführer als Familienangehöriger iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 zu betrachten.

Der Beschwerdeführer ist nicht straffällig geworden. Gegen die Mutter des Beschwerdeführers ist kein Asylaberkennungsverfahren anhängig.

Dem Beschwerdeführer ist daher gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 der gleiche Schutzumfang, dh. der Status des Asylberechtigten nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005, zuzuerkennen, ohne dass allfällige eigene Fluchtgründe zu beurteilen waren (vgl. VwGH 30.04.2018, Ra 2017/01/0418).

Der Beschwerde war daher stattzugeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz (und auch jener der Mutter des Beschwerdeführers) am 21.11.2017 - somit nach dem 15.11.2015 - gestellt wurde, wodurch insbesondere § 2 Abs. 1 Z 15 und § 3 Abs. 4 AsylG 2005 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall Anwendung finden. Dementsprechend kommt dem Beschwerdeführer eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung zu, welche sich in eine unbefristete Aufenthaltsberechtigung umändert, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird.

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen, befristete
Aufenthaltsberechtigung, Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W107.2190447.1.00

Zuletzt aktualisiert am

18.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten