TE Vwgh Erkenntnis 1999/4/12 98/11/0278

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Veröffentlicht am 12.04.1999
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Index

90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §3 Abs1 Z3;
FSG-GV 1997 §1 Abs1 Z8;
FSG-GV 1997 §12 Abs3;
FSG-GV 1997 §3 Abs1 Z1;
FSG-GV 1997 §5 Abs1 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des G in Wien, vertreten durch Dr. Georg Prchlik, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Dapontegasse 5/11, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 23. September 1998, Zl. MA 65 - 8/197/98, betreffend Erteilung einer Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 16. Oktober 1997 wurde die dem Beschwerdeführer erteilte Lenkerberechtigung gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. ausgesprochen, dass ihm für die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe.

Mit Eingabe vom 17. März 1998 beantragte der Beschwerdeführer bei der Erstbehörde, der Bundespolizeidirektion Wien, die "Wiederausfolgung" des Führerscheines für Kraftfahrzeuge der Gruppe B und legte zugleich ein Gutachten seines behandelnden Arztes bei.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Lenkberechtigung für die Klasse B gemäß § 3 Abs. 1 Z. 3 FSG 1997 abgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, im Zuge der Ermittlungen zum gegenständlichen Antrag habe der Polizeiamtsarzt in seinem Gutachten vom 1. April 1998 festgestellt, dass der Beschwerdeführer wegen Epilepsie zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B nicht geeignet sei. Aufgrund des Berufungsvorbringens, der Vorgeschichte und des nervenfachärztlichen Befundes habe sich der Beschwerdeführer am 1. Juli 1998 der erforderlichen Untersuchung an der Psychiatrischen Universitätsklinik unterzogen. Dieses Gutachten habe ergeben, dass beim Beschwerdeführer seit dem fünften Lebensjahr eine primär generalisierte Epilepsie bestehe. Das EEG vom 1. Juli 1998 weise ein mäßig abnormes EEG mit regelrechtem Grundrhythmus, Zeichen einer diffusen Hirnfunktionsstörung sowie Zeichen einer erhöhten cerebralen Erregungsbereitschaft (generalisiert) auf und habe die neuropsychologische Untersuchung verminderte kraftfahrspezifische Parameter (Reaktionsvermögen, Konzentrationsfähigkeit) ergeben. Der ärztliche Sachverständige habe aufgrund dieses Befundes am 31. Juli 1998 festgestellt, dass der Beschwerdeführer wegen verminderter kraftfahrspezifischer Parameter im Bereich des Reaktionsvermögens, der Konzentrationsfähigkeit und der Daueraufmerksamkeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B nicht geeignet sei. Die belangte Behörde führte darüber hinaus begründend aus, Befund und Gutachten seien schlüssig, nachvollziehbar und nach den derzeitigen medizinischen und verkehrspsychologischen Erkenntnissen erstellt und sei der Beschwerdeführer dem Gutachten nicht entgegengetreten, zumal er seine Behauptung (er fühle sich gesundheitlich und geistig befähigt, ein Kraftfahrzeug der Klasse B zu lenken) auch nicht mit einem auf gleicher wissenschaftlicher Ebene stehenden Gutachten untermauerte. Die Erstbehörde sei daher zu Recht von einem Mangel der gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers im Sinne des § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Z. 3 FSG-GV ausgegangen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Eine Lenkberechtigung darf gemäß § 3 Abs. 1 Z. 3 FSG nur Personen erteilt werden, die gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9 FSG). Gemäß § 5 Abs. 4 leg. cit. ist die Lenkberechtigung zu erteilen, wenn das in den §§ 6 bis 11 angeführte Verfahren ergibt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung vorliegen. Es ist die Lenkberechtigung gemäß § 5 Abs. 5 leg. cit., soweit dies aufgrund des ärztlichen Gutachtens nötig ist, unter den entsprechenden Bedingungen, Befristungen, Auflagen oder zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen der Gültigkeit zu erteilen (§ 8 Abs. 3 Z. 2).

Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 8 FSG-GV fallen in Gruppe 1 Kraftfahrzeuge der Klassen A, B, B+E und F.

Zufolge § 3 Abs. 1 Z. 1 FSG-GV in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. II Nr. 138/1998 gilt als im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt.

Gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 FSG-GV in der genannten Fassung gilt eine Person als zum Lenken von Kraftfahrzeugen hinreichend gesund, bei der keine Erkrankungen, bei denen es zu unvorhersehbaren Bewusstseinsstörungen oder -trübungen kommt, festgestellt wurden.

Nach § 12 Abs. 3 FSG-GV kann Personen, die unter epileptischen Anfällen oder anderen anfallsartigen Bewusstseinsstörungen oder -trübungen leiden, eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 nur unter Einbeziehung einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme erteilt oder belassen werden.

Aus dem angefochtenen Bescheid ist ersichtlich, dass die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers der Sache nach wegen des Mangels seiner gesundheitlichen Eignung (Epilepsie) abgewiesen hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 34 Abs. 1 lit. c KDV 1967 ausgesprochen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1998, Zl. 96/11/0289), dass Epilepsie eine Erkrankung ist, bei der es zu plötzlichen Bewusstseinsstörungen oder -trübungen kommen kann. Insoferne ist der belangten Behörde beizupflichten, als sie die vom Beschwerdeführer unbestrittene Erkrankung an "Epilepsie" unter § 5 Abs. 1 Z. 3 FSG-GV subsumierte.

Dennoch erweist sich der angefochtene Bescheid ausgehend von der oben wiedergegebenen Rechtslage als rechtswidrig.

Epilepsie ist zwar eine Erkrankung im Sinne des § 5 Abs. 1 Z. 3 FSG-GV, sie stellt jedoch entgegen der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid offensichtlich vertretenen Auffassung keinen absoluten "Ausschließungsgrund" für die Erteilung einer Lenkberechtigung dar, es kann vielmehr gemäß § 12 Abs. 3 FSG-GV Personen, welche unter epileptischen Anfällen leiden, eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 - damit auch dem Beschwerdeführer für die Klasse B - nur unter Einbeziehung einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme erteilt werden.

Die belangte Behörde hat es unterlassen, im angefochtenen Bescheid auf den mit Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung der Lenkberechtigung vorgelegten befürwortenden fachärztlichen Befund einzugehen und in der Folge trotz Vorliegens einander widersprechender gutächtlichen Äußerungen unterlassen, Feststellungen zu dem befürwortenden Befund vom 12. März 1998 sowie dem nervenfachärztlichen Sachverständigengutachten vom 6. Mai 1998 zu treffen, in welchem dem Beschwerdeführer eine (bedingte) Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B zuerkannt wird. Ausführungen in der Gegenschrift vermögen die erforderliche Begründung des angefochtenen Bescheides nicht zu ersetzen, abgesehen davon, dass die in der Gegenschrift von der belangten Behörde auszugsweise zitierten Passagen aus dem Gutachten vom 6. Mai eine Auseinandersetzung mit dem vorgelegten Befund nicht entbehrlich machen. Dies hat die belangte Behörde bisher unterlassen, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und lit. c VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 12. April 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998110278.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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