TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/27 L511 2005188-1

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Veröffentlicht am 27.02.2019
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Entscheidungsdatum

27.02.2019

Norm

AlVG §1 Abs1 lita
ASVG §4 Abs1 Z1
ASVG §4 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

L511 2005188-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a JICHA als Einzelrichterin über die Beschwerden von XXXX und XXXX, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 29.01.2013, Beitragskontonummer: XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Verfahren vor der Gebietskrankenkasse

1.1. Gegenständliches Verfahren wurde durch Anzeige der Finanzpolizei an die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse [OÖGKK] vom 16.01.2012, FA-GZ 042/78141/14/2011, eingeleitet, wonach anlässlich einer Kontrolle am 20.12.2011 um 12.25 Uhr Herr XXXX [HM], SVNR XXXX, in XXXX beim Zuspitzen eines Christbaumes am Verkaufsstand von Herrn XXXX [FS], SVNR XXXX, angetroffen wurde.

1.2. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens der OÖGKK führte FS dazu aus, dass HM sein Grundnachbar sei, und die Tätigkeit von HM als Nachbarschaftshilfe und nicht als Dienstverhältnis einzuordnen sei.

1.3. Mit Bescheid vom 04.05.2012, Beitragskontonummer: XXXX, Zahl XXXX, zugestellt am 08.05.2012 an HM und am 09.05.2012 an FS, stellte die OÖGKK fest, dass HM hinsichtlich der für FS ausgeübten Tätigkeit als Hilfskraft im Zeitraum vom 15.12.2011 bis 20.12.2011 als Dienstnehmer der Vollversicherung (Pflichtversicherung in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung) sowie der Arbeitslosenversicherung unterlag.

Begründend wurde ausgeführt, dass die Tätigkeit von HM nicht bestritten worden sei, eine unentgeltliche Nachbarschaftshilfe in Anbetracht der umfassenden Arbeitszeit nicht glaubwürdig sei und alle wesentlichen Kriterien der Dienstnehmereigenschaft gemäß § 4 Abs. 2 ASVG gegeben seien.

1.4. Mit Schriftsatz vom 30.05.2012 erhob FS, mit Schriftsatz vom 21.05.2012 HM fristgerecht Einspruch gegen den Bescheid der OÖGKK.

FS führte im Wesentlichen aus, HM habe kein Geld erhalten und die Mithilfe sei als Nachbarschaftshilfe einzuordnen.

HM führte begründend aus, seine Anwesenheit am Christbaumverkaufstand von FS resultiere aus einer langjährigen Nachbarschaftsbeziehung, diese Nachbarschaftshilfe habe eine willkommene Abwechslung seines Pensionsalltags dargestellt und er sei zum Zeitpunkt der Kontrolle mit der Zubereitung der gemeinsamen Jause beschäftigt gewesen.

2. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 29.01.2013, Zahl:

XXXX, gab die damals zuständige Rechtsmittelbehörde, der Landeshauptmann von Oberösterreich [LH], dem Einspruch keine Folge und bestätigte den Bescheid der OÖGKK vom 04.05.2012 vollinhaltlich.

Begründend wurde ausgeführt, dass die zeitliche und örtliche Bindung des HM evident sei, dieser Weisungen von FS erhalten habe und somit von einer persönlichen Arbeitspflicht ausgegangen werden könne. Nachbarschaftshilfe scheide aus, zumal sich die Wohnsitze des HM und FS etwa einen Kilometer entfernt von einander befänden und ein Freundschafts- und Gefälligkeitsdienst auch aufgrund der umfassenden Arbeitszeit, somit mangels Kurzfristigkeit der erbrachten Leistungen, nicht vorliege.

2.1. Gegen den Bescheid des LH erhoben im weiteren Rechtsweg FS am 09.02.2013 und HM am 11.02.2013 jeweils Berufung, nunmehr Beschwerde, an das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz.

FS bestritt wie bisher das Vorliegen eines Dienstverhältnisses und brachte Nachbarschaftshilfe des HM vor. Auch HM bestritt das Vorliegen eines Dienstverhältnisses, die Anwesenheit am Verkaufsstand des Beschwerdeführers sei aus freien Stücken erfolgt, unentgeltlich gewesen und es bestehe kein Abhängigkeitsverhältnis. Auch habe er den Verkaufsstand nie alleine betreut bzw. jederzeit betreten und verlassen können.

3. Mit Wirksamkeit vom 01.01.2014 ging die Zuständigkeit zur Weiterführung dieses oben bezeichneten zum 31.12.2013 beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz anhängig gewesenen Verfahrens gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG auf das nunmehr zuständige Bundesverwaltungsgericht [BVwG] über (Ordnungszahl des Gerichtsaktes [im Folgenden:] OZ 1).

II. ad A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. entscheidungswesentliche Feststellungen

1.1. Anlässlich einer Kontrolle durch Prüforgane der Abgabenbehörden des Bundes am 20.12.2011 um 12.25 Uhr in XXXX wurde HM am Christbaumverkaufsstand von FS angetroffen.

1.2. HM war seit 15.12.2011, jeweils von Montag bis Samstag von 09.00 bis 16.00 Uhr am Verkaufsstand anwesend und dort mit dem Zuspitzen und Zuschneiden der Christbaumstämme auf die richtige Länge und Dicke, sowie dem Verpacken der Christbäume in ein Netz beschäftigt. Eine konkrete Entgeltvereinbarung bestand nicht.

1.3. FS ist gewerblich selbstständig Erwerbstätiger, HM ist Ruhegenussbezieher. FS und HM sind befreundet. Die Wohnsitze von FS und des HM sind etwa einen Kilometer voneinander entfernt; ein unbebautes Grundstück von FS grenzt an den Wohnsitz von HM.

2. Beweisaufnahme und Beweiswürdigung

2.1. Die Beweisaufnahme erfolgte durch Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsverfahrensakt, aus dem sich auch der unter I. dargelegte Verfahrensgang ergibt (OZ 1).

2.1.1. Zur Entscheidungsfindung wurden vom BVwG folgende Unterlagen herangezogen:

* Anzeige vom 16.01.2012 [A]

* Passkopie von MA

* Beschwerde [Bsw]

* Bescheid [B] und Vorlagebericht [V]

2.2. Beweiswürdigung

2.2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt und sind im Verfahren unbestritten geblieben. Die Beschwerden wenden sich ausschließlich gegen die Annahme es habe sich bei der Tätigkeit nicht um einen Freundschaftsdienst, sondern um ein Dienstverhältnis gehandelt.

3. Entfall der mündlichen Verhandlung

3.1. Eine Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG). Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen (§ 24 Abs.4 VwGVG).

3.2. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist kein absoluter. Nach der Rechtsprechung des EGMR und ihm folgend des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. dazu für viele EGMR 12.11.2002, Döry / S, Rn37; VfGH 20.02.2015, B1534; sowie jüngst VwGH 18.12.2018, Ra 2018/03/0132, jeweils mwN).

3.3. Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war, da der zu Grunde liegende Sachverhalt im Verwaltungsverfahren unstrittig blieb und weder ergänzungsbedürftig war, noch in entscheidenden Punkten als nicht richtig erschien.

4. Rechtliche Beurteilung

4.1.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch Einzelrichterin ergeben sich aus § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes [BVwGG] iVm § 194 Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz [GSVG] und § 414 Abs. 1 und Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz [ASVG].

4.1.2. Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die die SVA im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).

4.1.3. Die Beschwerden sind rechtzeitig und auch sonst zulässig.

4.2. Abweisung der Beschwerde

4.2.1. Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hierzu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

4.2.1.1. Weder HM noch FS sind der Tätigkeit von HM am Christbaumstand von FS entgegengetreten. HM führte im gegenständlichen Fall Hilfstätigkeiten beim Christbaumverkauf durch. Dabei handelt es sich um Dienstleistungen, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten (konkret zum Christbaumverkauf VwGH 20.05.2014, 2012/08/0257), sofern im Verfahren nicht vom Arbeitgeber jene atypischen Umstände dargelegt werden, die eine solche Deutung nicht ohne nähere Untersuchung zulassen.

4.2.2. Gegenständlich ist zweifellos davon auszugehen, dass FS und HM sich freundschaftlich verbunden sind und das BVwG hat grundsätzlich keine Zweifel daran, dass vorab keine fixe Entgeltvereinbarung getroffen worden war. Allerdings erfolgte die Tätigkeit des HM für FS im Rahmen des Gewerbebetriebes aus dem FS Gewinn erzielt (vgl. VwGH 17.09.2013, 2011/08/0390 RS 3).

4.2.2.1. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertritt, können als Freundschafts- oder Gefälligkeitsdienste kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Dienste anerkannt werden, die vom Leistenden auf Grund spezifischer Bindungen zwischen ihm und dem Leistungsberechtigten erbracht werden. Besondere Zweifel sind jedoch dort angebracht, wo die Tätigkeit - wie gegenständlich - in einem Gewerbebetrieb erfolgen soll (Im Regelfall kann nämlich - ohne das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände - nicht erwartet werden, dass ein Angehöriger oder Freund eines Dienstnehmers bloß auf Grund dieser Eigenschaft für einen daraus Gewinn ziehenden Unternehmer Gefälligkeitsdienste leistet (VwGH 10.10.2018, Ra2015/08/0130 mwN). Unentgeltlichkeit der Verwendung ist nicht schon bei Fehlen einer Entgeltvereinbarung zu vermuten, sondern diese muss den Umständen nach zumindest konkludent vereinbart worden sein und einer Prüfung auf ihre sachliche Rechtfertigung standhalten. Eine derartige sachliche Rechtfertigung könnte in persönlichen Beziehungen, in bestimmten wirtschaftlichen Interessen, aber auch in der idealistischen Einstellung (etwa im Falle der ehrenamtlichen Tätigkeit für einen Verein) begründet sein. Es ist Sache der Partei, hierzu entsprechende konkrete Behauptungen aufzustellen und Beweise anzubieten VwGH 12.09.2018, Ra2018/08/0191 mwN).

4.2.2.2. Wenngleich zwischen HM und FS eine Freundschaft besteht, so ist keine darüber hinaus gehende Motivation ersichtlich, weshalb HM dem FS im Rahmen des mit Gewinnabsicht betriebenen Gewerbebetriebes einen unentgeltlichen Gefälligkeitsdienst hätte erweisen sollen (vgl etwa zur Verneinung der Unentgeltlichkeit einer Tätigkeit eines Verwandten VwGH 17.09.2013, 2011/08/0390). Dass die Tätigkeit für HM eine willkommene Abwechslung im Pensionsalltag war, vermag diese Einschätzung nicht zu ändern.

4.2.3. Zusammenfassend ist daher - trotz freundschaftlicher Verbundenheit - vom Vorliegen eines entgeltlichen Dienstverhältnisses von HM im Rahmen des Gewerbebetriebes von FS auszugehen und spruchgemäß zu entscheiden.

III. ad B) Unzulässigkeit der Revision

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG). Die Revision ist (mit einer hier nicht zum Tragen kommenden Ausnahme) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).

Die gegenständliche Beurteilung erfolgte im Einklang mit der bisherigen umfangreichen VwGH-Judikatur. Zur Qualifizierung der Tätigkeit auf einem Christbaumstand als Dienstverhältnis VwGH 20.05.2014, 2012/08/0257. Zu Gefälligkeitsdiensten im Allgemeinen sowie im Rahmen eines Gewerbebetriebes VwGH 10.10.2018, Ra2015/08/0130 mwN. Zur Beurteilung der Unentgeltlichkeit im Allgemeinen VwGH 12.09.2018, Ra2018/08/0191 mwN sowie bei persönlichem Naheverhältnis VwGH 17.09.2013, 2011/08/0390.

Der Entfall der mündlichen Verhandlung steht weder mit der Judikatur der Höchstgerichte noch mit der Judikatur des EGMR in Widerspruch, siehe dazu insbesondere VwGH 26.01.2017, Ra2016/07/0061 mwN, und es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.

Schlagworte

Dienstverhältnis, Entgeltlichkeit, Gefälligkeitsdienst,
Gewerbebetrieb, Pflichtversicherung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L511.2005188.1.00

Zuletzt aktualisiert am

17.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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