TE Bvwg Beschluss 2019/3/1 G312 2117070-2

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Veröffentlicht am 01.03.2019
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Entscheidungsdatum

01.03.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

G312 2117070-2/7E

Beschluss

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Manuela WILD als Einzelrichterin über die Beschwerden von XXXX, geb. XXXX; XXXX, geb. XXXX und XXXX, geb. XXXX; alle StA. Iran, vertreten durch XXXX, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl - Regionaldirektion XXXX - vom 06.02.2018, Zl. XXXX, XXXX und XXXX beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid

aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) vom 06.02.2018, Zl. XXXX, XXXX und XXXX wurden die Anträge von XXXX, geb. XXXX (in weiterer Folge: BF1);

XXXX (in weiterer Folge: BF2), geb. XXXX und XXXX, geb. XXXX (in weiterer Folge: BF3) vom 28.10.2015 bzw. 12.01.2017 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebungen gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig seien (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

In den Bescheiden wurde sowohl die irakische als auch die iranische Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer festgestellt.

2. Gegen die im Spruch genannten Bescheide erhob der Vertreter der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

Die gegenständlichen Beschwerden wurden mit den maßgeblichen Verwaltungsakten am 05.03.2018 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt und der Gerichtsabteilung G312 zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde sowie des nunmehr dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Gerichtsaktes.

2. Rechtliche Beurteilung:

2.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 27 VwGVG legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Demzufolge hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid aufgrund der Beschwerde zu überprüfen. Verwiesen wird dabei auf die Bestimmung des § 9 VwGVG, der den Inhalt der Beschwerde beschreibt und hier insbesondere auf Abs. 1 Z 3 und Z 4 leg. cit.. Dies betrifft die Angabe der Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie das Begehren.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu Spruchteil A):

2.2. Die zentrale Regelung zur Frage der Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte bildet § 28 VwGVG:

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Anmerkung: sog. Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit. nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Gemäß § 28 Abs. 4 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn es nicht gemäß Abs. 2 leg. cit. in der Sache selbst zu entscheiden hat und wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, für den Fall, dass die Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen zu üben hat, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Veraltungsgericht in seinem Beschluss ausgegangen ist.

2.3. Das Modell der Aufhebung des Bescheids und die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren [2013] § 28 VwGVG Anm. 11). Gemäß dieser Bestimmung kann die Berufungsbehörde, sofern der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.

Die subsidiäre Anwendung von § 66 Abs. 2 AVG durch die Verwaltungsgerichte ist allerdings auf Grund der Regelung des § 17 VwGVG ausgeschlossen. Im Gegensatz zu § 66 Abs. 2 AVG setzt § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung nicht mehr voraus. Dennoch ist die Judikatur des Verwaltungsgerichthofes zu § 66 Abs. 2 AVG auch für das Verwaltungsgericht maßgebend, wenn es gilt zu beurteilen, ob die Behörde die notwendigen Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.

Der VwGH hat festgehalten, dass bei der Ausübung des Ermessens nach § 66 Abs. 2 und 3 AVG auch die Bedeutung und Funktion der Rechtmittelbehörde ins Kalkül zu ziehen sei und die Einräumung eines Instanzenzuges nicht "zur bloßen Formsache degradiert" werden dürfe. Der Umstand, dass es die Vorinstanz ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse zu erarbeiten, rechtfertige nicht, dass sich der Rechtsweg "einem erstinstanzlichen Verfahren (...) nähert", in dem eine ernsthafte Prüfung des Antrages erst bei der zweiten und letzten Instanz beginnt und auch endet. (VwGH 21.11.2002, Zl. 2000/20/0084).

2.4. Der VwGH hat mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063, in Bezug auf die grundsätzliche Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte nach § 28 VwGVG und die Möglichkeit der Zurückverweisung ausgesprochen, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte darstellt. So kommt eine Aufhebung des Bescheides nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt, etwa weil es das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und Z 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG verneint bzw. wenn es von der Möglichkeit des § 28 Abs. 3 erster Satz VwGVG nicht Gebrauch macht.

2.5. Dem Telos des § 60 AVG entsprechend muss die Begründung so gestaltetet sein, dass der Bescheidadressat über die für die Entscheidung der Behörde maßgebenden Erwägungen ausreichend und nachvollziehbar informiert wird, sodass er in der Lage ist, sie eventuell zu entkräften und Gegenargumente vorzubringen, und andererseits eine nachprüfbare Kontrolle ermöglicht werden. Der VfGH hat mehrfach betont, dass die Begründung des Bescheides aus diesem selbst hervorgehen muss und auch nicht dadurch beseitigt werden kann, dass die "Motivation" der Behörde aus den Verwaltungsakten erhellt werden kann. Ein Mangel in der Bescheidbegründung kann auch nicht durch - selbst umfangreiche - Ausführungen (einen Nachtrag) in der Gegenschrift behoben werden; diese Rechtsansicht lässt sich damit begründen, dass es der Partei mangels Kenntnis der Gründe bei Erhebung der Beschwerde unmöglich war, dazu Stellung zu nehmen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, Rz 14 zu § 60 mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs muss die Begründung eines Bescheids erkennen lassen, welchen Sachverhalt die Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat, aus welchen Erwägungen sie zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhalts unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet (vgl. dazu etwa die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage, zu § 60 AVG unter E 19 angeführten hg. Erkenntnisse). Zu einer lückenlosen Begründung gehört nicht nur die Feststellung des Sachverhalts, sondern auch die Anführung der Beweismittel (im Einzelnen), auf die die Feststellungen gegründet werden (vgl. VwGH vom 28. März 2007, Zl. 2006/12/0115). Die Begründung eines Bescheides bedeutet die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (vgl. VwGH vom 23. November 1993, Zl. 93/04/0156, vom 13. Oktober 1991, Zl. 90/09/0186, Slg. Nr. 13.520/A, und vom 28. Juli 1994, Zl. 90/07/0029).

2.6. Im vorliegenden Fall geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 Z 1 und 2 VwGVG, welche zu einer meritorischen Entscheidungspflicht führen, nicht gegeben sind. Weder steht der maßgebliche Sachverhalt fest noch ist die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden. Es liegen Ermittlungslücken vor, welche, wie unten dargelegt, einen hohen Grad an Erheblichkeit aufweisen und Ermittlungsschritte erfordern, die durch die belangte Behörde, welche eine Spezialbehörde ist, rascher und effizienter nachgeholt werden können.

2.6.1. Zu der von der belangten Behörde festgestellten iran-irakischen Doppelstaatsbürgerschaft ist Folgendes auszuführen:

Während bei der Erstbefragung der BF 1 und BF 2 vom 30.10.2015 die irakische Staatsangehörigkeit protokolliert wurde, gaben die Beschwerdeführer bereits in einem Antrag auf Verfahrenshilfe vom 12.11.2015 die iranische Staatsangehörigkeit an. Das Protokoll der Erstbefragung ergibt, dass diese auf Arabisch erfolgte, obwohl aus der Einvernahme vor der belangten Behörde am 06.06.2017 hervorgeht, dass die Arabischkenntnisse BF 1 nicht einmal die Zahlen von 1-10 umfassten. Die iranische Staatsangehörigkeit findet auch Niederschlag in der Niederschrift vor dem Standesamt XXXX vom 11.01.2017 und geht aus den vorgelegten iranischen Dokumenten bzw. der im Verwaltungsakt inliegenden Übersetzungen (Heiratsbuch, AS 151 ff. des Verwaltungsaktes von BF 1, Heiratsurkunde, AS 237 ff. des Verwaltungsaktes von BF 1) hervor. BF 1 gab auch in seiner Einvernahme an, iranischer Staatsbürger zu sein und liegen keine Dokumente vor, die die irakische Staatsangehörigkeit des BF 1 belegen. Ohne weitere Ermittlungen durchzuführen, stellte die belangte Behörde dennoch die irakische Staatsangehörigkeit einzig auf der Grundlage fest, dass der Vater des BF 1 irakischer Staatsangehöriger war. Wann der Vater vom Irak in den Iran zog, ob dieser als Faili-Kurde von den Aberkennungsmaßnahmen hinsichtlich der Staatsbürgerschaft unter dem Regime Saddam Husseins betroffen war und ob der BF 1 als Sohn eines allenfalls staatenlosen Faili-Kurden, welcher im Iran geboren wurde und sich nie im Irak aufhielt, dennoch die irakische Staatsbürgerschaft besitzt, wurde jedoch nicht ermittelt. Gleiches gilt für die BF 2.

Davon ausgehend müssen auch die Ermittlungen zur Staatsangehörigkeit des BF 3 als völlig ungeeignet erachtet werden.

Gerade bei der Feststellung der Staatsangehörigkeit bzw. des Herkunftsstaates handelt es sich zweifellos um eine zentrale Frage im Asylverfahren (vgl. etwa VwGH 16.04.2009, 2008/19/0706; 20.02.2009, 2007/19/0535), welche grundsätzlich von der Behörde erster Instanz zu klären ist, da ansonsten im Fall der Klärung des Herkunftsstaates durch das Bundesverwaltungsgericht das gesamte sich an die Feststellung knüpfende Ermittlungsverfahren zum Herkunftsstaat vor das Bundesverwaltungsgericht verlagert würde.

2.6.2. Des Weiteren ist festzuhalten, dass die belangte Behörde jegliche Ermittlungen hinsichtlich der Niederlassung von Personen im Irak, welche sich nie im Irak aufgehalten haben und der der Volksgruppe der Faili-Kurden angehören, unterlassen hat. Die Annahme der Behörde, dass die Beschwerdeführer über maßgebliche familiäre, tribale und anderweitige soziale Netzwerke im Irak verfügen, entbehrt jeglicher Begründung, als die Beschwerdeführer im gesamten Verfahren keine diesbezüglichen Angaben machten.

Hinsichtlich der Situation der minderjährigen BF 3 ist auszuführen, dass der Bescheid zwar Feststellungen zur Lage von Kindern im Irak beinhaltet, die belangte Behörde sich dennoch überhaupt nicht mit diesen Länderberichten auseinandersetzte und die besondere Vulnerabilität von Minderjährigen nicht in ihrer Entscheidung berücksichtigte.

2.6.3. Feststellungen zur Lage im Iran finden im Bescheid überhaupt keinen Niederschlag und fehlen den Ausführungen im Bescheid, wonach den Beschwerdeführern eine Rückkehr in den Iran offenstehe, somit grundlegende Ermittlungen.

2.6.4. Zu der von den Beschwerdeführern vorgebrachten Konversion finden sich, auch in Bezug auf Irak, ebenso keine Länderberichte. Selbst wenn die belangte Behörde von der Unglaubwürdigkeit der Vorbringen der Beschwerdeführer ausging, wäre es notwendig gewesen, im Rahmen einer ganzheitlichen Würdigung die Behauptungen der Beschwerdeführer im Vergleich zur einschlägigen Berichtslage zu messen (vgl. VwGH 11.04.2018, Ra 2018/20/0040).

Insbesondere die Annahme der Behörde, dass selbst für den Fall, dass die iranischen und irakischen Behörden von der Taufe der Beschwerdeführer erfahren würden, die Beschwerdeführer durch glaubhafte Willenskundgebung ihre Rückkehr bzw. Treue zum islamischen Glauben bezeugen könnten und sie sowohl im Irak als auch im Iran mit keinerlei Konsequenzen zu rechnen hätten, entbehrt jeglicher Begründung.

Abschließend ist anzumerken, dass die betreffend die Konversion als Beweismittel herangezogenen Dokumente, wie Taufzeugnis, Austrittsbestätigung und Empfehlungsschreiben der XXXX, im vorgelegten Verwaltungsakt fehlen und deren Einbeziehung ins Beschwerdeverfahren somit nicht möglich war.

2.7. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes verstößt das Prozedere der Erstinstanz gegen die § 18 AsylG 2005 determinierten Ermittlungspflichten. Der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 18 AsylG bestimmt nämlich, dass die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Rechtsnorm, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG i.V.m. § 39 Abs. 2 leg. cit. hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörde, den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen ist, hat die Erstbehörde in diesem Verfahren missachtet.

Angesichts derart gravierender Ermittlungslücken erscheint eine sachgerechte Beurteilung der Beschwerde hinsichtlich des angefochtenen Bescheides auf Grundlage der Ermittlungsergebnisse der belangten Behörde als völlig ausgeschlossen, wobei hinsichtlich der Beurteilung ein vom bekämpften Bescheid abweichendes Ergebnis nicht auszuschließen ist.

Die Begründung des angefochtenen Bescheides entspricht aus Sicht der erkennenden Richterin nicht den Anforderungen an den Umfang der Ermittlungspflichten im Sinne des § 60 AVG, wonach in der Begründung des Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen sind.

2.8. Wenn man vom prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht durch die Verwaltungsgerichte ausgeht, würde dies im konkreten Fall bedeuten, dass das Bundesverwaltungsgericht sämtliche Erhebungen im konkreten Fall, welche grundsätzlich bereits von der belangten Behörde durchzuführen gewesen wären, selbst zu tätigen hätte.

Als zentrale Voraussetzung für eine reformatorische Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht zunächst zu überprüfen, ob der maßgebende Sachverhalt feststeht, was im gegenständlichen Fall nach Ansicht des erkennenden Richters nicht gegeben ist; weder wurde der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt noch ergibt sich dieser in einer Zusammenschau aus dem Akteninhalt, vielmehr wären weitere Sachverhaltsermittlungen bzw. mündliche Einvernahmen notwendig gewesen.

Ist der Sachverhalt noch ergänzungsbedürftig und erlaubt eine eigene Sachverhaltsermittlung die raschere Verfahrenserledigung oder trägt sie erheblich zur Kostenersparnis bei, hat das Verwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt selbst festzustellen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 8 zu § 28 VwGVG).

Auch davon kann hier nicht gesprochen werden. Zum einen handelt es sich im verfahrensgegenständlichen Fall nicht um bloße Ergänzungen des Sachverhalts. Zum anderen erlaubt, auch aus diesem Grund, eine eigene Sachverhaltsermittlung nicht eine rasche und kostengünstige Verfahrenserledigung.

Im vorliegenden Fall würde somit eine meritorische Entscheidung nach Durchführung der erforderlichen geeigneten Ermittlungsschritte durch das Bundesverwaltungsgericht selbst, sofern überhaupt möglich, - wie bereits erwähnt - nicht zu einer Beschleunigung des Verfahrens führen.

Im gegenständlichen Fall ist der angefochtene Bescheid der belangten Behörde und das, diesem zugrundeliegende Verfahren aufgrund der Unterlassung der notwendigen Ermittlungen zu wesentlichen Punkten im Ergebnis somit als mangelhaft zu bewerten.

2.9. Wie bereits ausgeführt folgt die Zurückverweisung im Rahmen des § 28 Abs. 3 VwGVG konzeptionell dem Zurückverweisungstatbestand des § 66 Abs. 2 AVG, ohne jedoch auf die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung abzustellen. Zur Auslegung des § 28 Abs. 3 VwGVG ist dazu im Wesentlichen die Judikatur des VwGH zu § 66 Abs. 2 AVG heranzuziehen. Demnach kommt es bei der Beurteilung der Kostenersparnis und Raschheit nicht auf die Auswirkungen auf das Gesamtverfahren, sondern nur auf die Ersparnis an Zeit und Kosten für die "konkrete Amtshandlung" an. Dass die Zurückverweisung den gesamten Verfahrensverlauf - zumindest wenn man eine (denkmögliche) neuerliche Beschwerde in Betracht zieht - verlängert, ist bei der Zeit- und Kostenersparnis nicht in Rechnung zu stellen, weil ansonsten eine kassatorische Entscheidung nie in Frage käme (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, Rz 20f zu § 66 mwN).

2.10. Die belangte Behörde würde durch seine Verfahrensführung und diesen Bescheid die wesentliche Ermittlungs- und Begründungstätigkeit quasi an die Rechtsmittelinstanz delegieren (vgl. VwGH 26.06.2014, Zl. 2014/03/0063). Würde in diesem konkreten Fall das Bundesverwaltungsgericht - jene Instanz die zur eigentlichen Rechtskontrolle eingerichtet wurde - die Instanz sein, die im Verfahren erstmals einen begründeten Bescheid mit den Feststellungen des maßgeblichen Sachverhaltes erlässt, so wäre damit der Rechtsschutz der beschwerdeführenden Partei de facto eingeschränkt. Es ist in erster Linie die Aufgabe der belangten Behörde als Tatsacheninstanz zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung sich sachgerecht mit dem Antrag auseinanderzusetzen, den maßgeblichen Sachverhalt vollständig festzustellen, ihre Begründung im Bescheid nachvollziehbar darzustellen und diese zentrale Aufgabe nicht etwa an das Bundesverwaltungsgericht zu delegieren.

Gemäß § 27 VwGVG ist es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, die angefochtene Entscheidung - gegenständlich ein Bescheid - zu "überprüfen". Das Bundesverwaltungsgericht ist damit in erster Linie Kontrollinstanz. Insbesondere angesichts der gerichtlichen Verfahrensführung durch einen einzelnen Richter, der Beachtung des Unmittelbarkeitsprinzips bei der Beweisaufnahme und grundsätzlich gegebenen Verhandlungspflicht, dem eingeschränkten bzw. erschwerten Zugang zu den bei der belangten Behörde für ihre Tätigkeit zugänglichen Daten, kann gegenständlich auch nicht festgestellt werden, dass die Verfahrensführung durch das Bundesverwaltungsgericht selbst, hier mit einer erheblichen Zeit- und Kostenersparnis verbunden wäre.

Dem Bundesverwaltungsgericht ist eine nachfolgende Überprüfung des erstinstanzlichen Bescheides verwehrt, da eine ausreichende Sachverhaltsfeststellung samt Beweiswürdigung und daraus resultierende Begründung dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen ist. Die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst ist nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden. Das von der belangten Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren erweist sich somit in wesentlichen Punkten als mangelhaft, weswegen die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG nicht vorliegen.

2.11. Zusammengefasst ist die belangte Behörde ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht zur Erforschung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhalts nicht ausreichend nachgekommen, obwohl die Ermittlung der oben genannten Umstände zur Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts zur Erforschung der materiellen Wahrheit von maßgeblicher Bedeutung ist (VwGH 09.11.1989, 87/06/0064).

Im Rahmen der nachzuholenden Ermittlungstätigkeiten wird sich das BFA somit im Rahmen einer eingehenden weiteren Befragung und weiteren Ermittlungstätigkeiten unter den oben angeführten Gesichtspunkten nochmals mit dem Vorbringen des BF hinreichend auseinanderzusetzen haben. Dazu werden auch die Anträge in der Beschwerde des BF sowie die Ergebnisse einer anzuberaumenden mündlichen Einvernahme zu berücksichtigen sein.

In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass durch eine Zurückverweisung das Verfahren in die Lage zurücktritt, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befand (VwGH 22.05.1984, 84/07/0012), sodass das BFA das im Rahmen des Beschwerdeverfahrens erstattete weitere Parteivorbringen, Anträge sowie allfällig zwischenzeitig vorgelegte Beweismittel zu berücksichtigen und gemäß § 18 Abs. 1 AsylG gegebenenfalls darauf hinzuwirken haben wird, dass getätigte Angaben ergänzt bzw. vervollständigt werden.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde die oben dargestellten Mängel (insbesondere Ermittlungen hinsichtlich der irakischen Staatsangehörigkeit und allenfalls der Niederlassung im Irak als Faili-Kurden ohne familiären Anschluss, Auseinandersetzung mit der Situation von Kindern und Konvertiten sowie Ermittlungen zur Lage im Iran) zu verbessern haben. Insbesondere wird sich die belangte Behörde mit den vom BF vorgelegten Beweismitteln auseinanderzusetzen und auf die diesbezüglichen Einwände des BF einzugehen haben.

Das BFA wird zudem unter Wahrung des Parteiengehörs seiner Entscheidung zum Entscheidungszeitpunkt aktuelle Länderfeststellungen unter nachvollziehbarer Nennung von Quellen zugrunde zu legen haben (zur Aktualität von Länderfeststellungen vgl. auch VwGH 09.03.1999, 89/01/0287; 11.11.1998, 98/01/0284, 07.06.2000, 99/01/0210), wobei zu beachten ist, dass diese auf die individuelle Situation der Beschwerdeführer Bezug zu nehmen haben.

Die Feststellung, ob der Antrag des BF auf internationalen Schutz abzuweisen und eine Rückkehrentscheidung zu erlassen ist, wird von der belangten Behörde durch ein ordnungsgemäßes amtswegiges Ermittlungsverfahren durchzuführen sein, da nur so eine zulässige Entscheidungsgrundlage im gegenständlichen Verfahren geschaffen werden kann, die eine begründete Sachentscheidung über die verfahrensgegenständliche Rechtsfrage erst ermöglicht.

Aus den dargelegten Gründen war daher spruchgemäß der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

2.12. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Da im gegenständlichen Fall bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

aktuelle Länderfeststellungen, Behebung der Entscheidung,
Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G312.2117070.2.00

Zuletzt aktualisiert am

17.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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