Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
BAO §293;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der Sozialversicherungsanstalt der Bauern in Wien, vertreten durch Dr. Herbert Macher, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Nussdorfer Straße 64, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 4. Dezember 1996, GZ: SV (SanR)-934/7-1996, betreffend Beitragsgrundlage gemäß § 23 BSVG, (mitbeteiligte Partei: J in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als er die Festlegung der Beitragsgrundlagen ab dem 1. Dezember 1995 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Mit Bescheid vom 10. April 1996 sprach die Beschwerdeführerin als zuständiger Sozialversicherungsträger aus, dass gemäß § 23 BSVG (in der jeweils geltenden Fassung) für den Mitbeteiligten in der Pensions- und Unfallversicherung der Bauern folgende Beitragsgrundlage der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sei:
"Vom 01.09.1995 bis 30.09.1995 S 23.872,--
vom 01.10.1995 bis 31.10.1995 S 13.516,--
vom 01.11.1995 bis 31.12.1995 S 12.991,--
vom 01.01.1996 bis laufend S 13.549,--"
Dies wurde folgendermaßen begründet:
"Mit Pachtvertrag vom 31.08.1995 pachteten Sie ab 01.09.1995 von Ihrer Mutter die Liegenschaft Maisdorf 45, mit einem Ausmaß von 15,6347 ha und einem Einheitswert von S 185.943,-- zuzüglich einem Zuschlag wegen überdurchschnittlicher Tierhaltung von S 50.400,--, insgesamt somit ein Einheitswert von gerundet S 236.300,--. Bereits im Pachtvertrag nahmen Sie zur Kenntnis, dass Ihre Mutter Rosa Schweiger bereits Grundverkäufe getätigt hat, sodass ab 01.10.1995 sich der Pachtgrund auf insgesamt 3,6756 ha verringert hat. Im Pachtvertrag ist aber in Punkt 4 auch ausdrücklich festgelegt, dass Sie während der Dauer des Pachtverhältnisses den Viehstand nach Art, Stückzahl und Qualität zu halten haben, wie er bei Pachtübernahme bestanden hat, (...). Da sich bei einer Verringerung des Grundausmaßes von 15,6347 ha auf 3,6756 ha eine wesentliche Änderung im Tierbestand nicht ergeben hat, ist eine Anrechnung des Zuschlages wegen überdurchschnittlicher Tierhaltung so wie bei der Verpächterin gerechtfertigt.
Unter Berücksichtigung einer Übernahme von 0,9106 ha Gründe von Ihrer Mutter mit Übergabsvertrag vom 08.06.1995 und Wirksamkeit vom 01.10.1995, eines bis 30.10.1995 bestandenen Fruchtgenussrechtes an 0,8 ha an Limberger verkauften Gründen (anteiliger Einheitswert S 9.514,--) und einer Zupachtung von Josef Kaltenböck ab 01.11.1995 über 1,1825 ha (anteiliger Einheitswert S 5.333,--) ergeben sich die nachfolgend angeführten Gesamteinheitswerte und die im Spruch angeführten Beitragsgrundlagen. Erst bei einem Wegfall des Zuschlages wegen überdurchschnittlicher Tierhaltung durch einen Bescheid des Finanzamtes kann nach den vorliegenden Bewirtschaftungsverhältnissen mit dem Quartalsersten nach Bescheiderstellung der Tierzuschlag abgerechnet werden.
Aufgrund Ihrer Bewirtschaftungsverhältnisse ergeben sich folgende Einheitswerte:
vom bis Eigengrund Pachtgrund EW-Summe S
in S in S
3/3 2/3 (gerundet)
01.09.1995 30.09.1995 0,-- 236.300,-- 0,-- 236.300,--
01.10.1995 31.10.1995 7.000,-- 103.600,-- 0,-- 110.600,--
01.11.1995 laufend 7.000,-- 94.100,-- 5.300,-- 106.400,--
Von diesen Einheitswerten waren die im Spruch angeführten Beitragsgrundlagen zu berechnen."
Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Einspruch mit der Begründung, er habe "keine überdurchschnittliche Tierhaltung mitgepachtet" und die Abschreibungen der Grundstücke für einen neuen Einheitswert lägen derzeit noch beim Finanzamt Kirchdorf.
Diesem Einspruch wurde mit dem nunmehr bekämpften Bescheid der belangten Behörde teilweise Folge gegeben und die Beitragsgrundlage für den Mitbeteiligten in der Pensions- und Unfallversicherung der Bauern wie folgt der Beitragsbemessung zugrunde gelegt:
" 01.09.1995 bis 30.09.1995 ........ S 23.872,--
01.10.1995 bis 31.10.1995 ........ S 13.516,--
01.11.1995 bis 31.(30.)11.1995 ... S 13.384,--
01.12.1995 bis 31.12.1995 ........ S 6.850,--
01.01.1996 bis 30.09.1996 ........ S 7.144,--
01.10.1996 bis laufend ........... S 6.036,--"
In der Begründung führt die belangte Behörde aus, dass der Mitbeteiligte von seiner Mutter Rosa Schweiger ab dem 1. September 1995 landwirtschaftliche Grundstücke im Ausmaß von 14,5153 ha gepachtet habe. Ab dem 1. Oktober 1995 habe sich das Grundausmaß nach Grundstücksverkäufen auf 3,6756 ha verringert. Der Zuschlag für überdurchschnittliche Tierhaltung von S 50.400,-- nach dem Einheitswertbescheid vom 20. Februar 1991 zum 1. Jänner 1990 habe sich auf ein Grundausmaß von 17,3634 ha landwirtschaftlich genutzter Flächen bezogen.
Ab dem 1. September 1995 sei tatsächlich keine überdurchschnittliche Tierhaltung erfolgt, weshalb der Wegfall des Zuschlags für überdurchschnittliche Tierhaltung schon aufgrund des Ansuchens an das Finanzamt Kirchdorf vom 6. Dezember 1995 ab dem 1. Dezember 1995 anerkannt werden könne. Ab dem 1. November 1995 sei daher für die von Rosa Schweiger gepachteten Grundstücke von einem Einheitswert von S 94.113,-- und ab dem 1. Dezember 1995 für diese Grundstücke von einem Einheitswert von S 58.600,-- auszugehen.
Dagegen richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend machende Beschwerde. Wie sich aus den Ausführungen der Beschwerde ergibt, hat die Beschwerdeführerin den Bescheid der belangten Behörde insoweit angefochten, als er die ab dem 1. Dezember 1995 festgestellten Beitragsgrundlagen betrifft.
Die belangte Behörde erstattete keine Gegenschrift, teilte aber mit, dem Mitbeteiligten sei ab Oktober 1995 nur noch eine Fläche von 2,3274 ha zur Nutzung verblieben. Da weiters nicht auszuschließen sei, daß der Tierzuschlag nicht zur Gänze, sondern nur anteilig für die gepachteten Nutzflächen angerechnet werden müsse, sei mit der Beschwerdeführerin ein Kompromiß abgesprochen und in diesem Sinne entschieden worden.
Der Mitbeteiligte beantragte in seiner Gegenschrift, der Beschwerde nicht Folge zu geben.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Die Beschwerdeführerin macht zu Recht geltend, dass gemäß § 23 Abs. 5 BSVG der Wegfall eines Zuschlags für überdurchschnittliche Tierhaltung bei der Festsetzung des Einheitswertes durch die Finanzbehörde erst mit dem ersten Tag des Kalendervierteljahres wirksam werde, das der Zustellung des Bescheides der Finanzbehörde erster Instanz folge, sohin erst ab dem 1. Oktober 1996, weil der Bescheid über die Neufeststellung des Einheitswertes (Wertfortschreibung gemäß § 21 Abs. 1 Bewertungsgesetz 1955) dem Mitbeteiligten erst am 6. September 1996 zugestellt worden sei.
Hiezu genügt es, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das (auch von der Beschwerdeführerin zitierte) hg. Erkenntnis vom 8. Mai 1990, Zl. 90/08/0069, zu verweisen, wonach § 23 Abs. 5 BSVG alle denkbaren Fälle der Änderung eines Einheitswertes abschließend regle. Der erste Satz des § 23 Abs. 5 BSVG benennt jene Fälle, in denen die Änderung des Einheitswertes auch beitragsrechtlich mit dem ersten Tag des Kalendermonats, der der Änderung folgt, wirksam wird, in Form einer, auf bestimmte Fallkonstellationen des § 23 Abs. 3 BSVG bezugnehmenden taxativen Aufzählung sowie einer Generalklausel zugunsten der von den genannten Fällen nicht umfassten sonstigen Änderung des Einheitswertes, soweit sie durch Flächenänderungen bedingt sind. Der zweite Satz der genannten Gesetzesstelle enthält hingegen eine alle übrigen Fälle der Änderung des Einheitswerts abdeckende weitere Generalklausel und ordnet deren beitragsrechtliche Wirksamkeit mit dem auf die Zustellung des Bescheides der Finanzbehörde erster Instanz folgenden ersten Tag eines Kalendervierteljahres an.
Diese Regelung findet ihre sachliche Rechtfertigung darin, dass die rückwirkende Anwendung der in beide Richtungen denkbaren Änderungen des Einheitswertes zum Verlust oder zum Entstehen von Versicherungsansprüchen und damit unter Umständen auch zu rückwirkenden Belastungen der Versicherten, sei es durch die Nachzahlung von Beiträgen, sei es durch die Rückforderung erbrachter Leistungen führen könnten. Der Zweck der genannten Bestimmung liegt darin, den Gleichlauf von Beitrags- und Leistungsrecht zu wahren und eine beitragsrechtliche Rückwirkung grundsätzlich zu vermeiden, es sei denn, die Änderung des Einheitswertes hätte in einer Flächenänderung ihre Ursache (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 22. Juni 1993, Zl. 90/08/0195, und vom 27. Februar 1996, Zl. 94/08/0103).
2.2. Sowohl die Beschwerdeführerin als auch die belangte Behörde weisen darauf hin, dass der von der Finanzbehörde im Jahre 1991 festgesetzte Zuschlag zum Einheitswert nur flächenanteilsmäßig zu berücksichtigen sein dürfte. Tatsächlich hat die belangte Behörde, ausgehend von ihren Feststellungen und den aus dem Akt ersichtlichen, unstreitigen Verhältnissen, unter denen der Mitbeteiligte seinen landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaftete, dessen Beitragsgrundlagen aber fehlerhaft ermittelt.
§ 23 BSVG lautete in der auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwendenden Fassung vor der 21. Novelle, BGBl. I Nr. 139/1997, auszugsweise:
"§ 23. (1) Grundlage für die Bemessung der Beiträge in der Kranken- und Pensionsversicherung ist für die gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 und Z 3 Pflichtversicherten, soweit im Folgenden nichts andere bestimmt wird, der Versicherungswert des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes (monatliche Beitragsgrundlage).
(2) Der Versicherungswert ist ein Hundertsatz des Einheitswertes des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes. Hiebei ist von dem zuletzt im Sinne des § 25 des Bewertungsgesetzes festgestellten Einheitswert des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes auszugehen. Der Versicherungswert ist jeweils zum 1. Jänner eines jeden Kalenderjahres neu festzustellen und auf volle Schilling zu runden.
...
(3) Bei Bildung des Versicherungswertes gemäß Abs. 2 sind in den nachstehenden Fällen folgende Werte als Einheitswerte zugrunde zu legen:
...
d) bei Zupachtung einer land(forst)wirtschaftlichen Fläche ein um zwei Drittel des anteilsmäßigen Ertragswertes der gepachteten Fläche erhöhter Einheitswert;
e) wenn der land(forst)wirtschaftliche Betrieb zur Gänze gepachtet ist, ein um ein Drittel verminderter Einheitswert; ist ein solcher Betrieb von mehreren Personen anteilsmäßig gepachtet, so ist lit. b sinngemäß anzuwenden;
f) bei Erwerb oder Veräußerung einer land(forst)wirtschaftlichen Fläche (Übertragung von Eigentumsanteilen an einer solchen), wenn gemäß § 21 Abs. 1 Z 1 lit. a des Bewertungsgesetzes der Einheitswert nicht neu festgestellt wird, ein um den anteilsmäßigen Ertragswert dieser Flächen (des Eigentumsanteiles) erhöhter bzw. verminderter Einheitswert;
...
Wenn ein Ehegatte vom anderen Ehegatten oder wenn Kinder (§ 2 Abs. 1 Z 2) und Eltern (Großeltern, Wahleltern, Stiefeltern, Schwiegereltern) voneinander land(forst)wirtschaftliche Flächen (Miteigentumsanteile) bzw. land(forst)wirtschaftliche Betriebe gepachtet haben, ist dem Pächter, abweichend von lit. d und e, der volle Ertragswert der gepachteten Flächen (des gepachteten Betriebes) anzurechnen. Die sich gemäß lit. a bis f ergebenden Einheitswerte (Summe der Einheitswerte) sind auf volle tausend Schilling abzurunden.
...
(5) Änderungen des Einheitswertes gemäß Abs. 3 lit. b, c, d und f sowie durch sonstige Flächenänderungen werden mit dem ersten Tag des Kalendermonates wirksam, der der Änderung folgt. Sonstige Änderungen des Einheitswertes werden mit dem ersten Tag des Kalendervierteljahres wirksam, das der Zustellung des Bescheides der Finanzbehörde erster Instanz folgt. Im Übrigen ist Abs. 3 entsprechend anzuwenden. ...
..."
Gemäß § 30 Abs. 3 Bewertungsgesetz 1955 gilt die Zucht oder das Halten von Tieren als landwirtschaftlicher Betrieb, wenn zur Tierzucht oder Tierhaltung überwiegend Erzeugnisse verwendet werden, die im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb gewonnen worden sind. Gemäß §§ 37 und 40 Bewertungsgesetz 1955 ist bei der Feststellung des Einheitswertes der Vergleichswert durch einen Abschlag zu vermindern oder durch einen Zuschlag zu erhöhen, wenn die tatsächlichen Verhältnisse der Ertragsbedingungen von den regelmäßigen Verhältnissen, die bei der Feststellung der Betriebszahl oder bei der Ermittlung des Hektarsatzes unterstellt worden sind, wesentlich abweichen und außerdem die Abweichung zu einer wesentlichen Minderung oder Steigerung der Ertragsfähigkeit führt. Nach § 40 Z 2 der zitierten Bestimmung ist für die Bemessung der Abschläge und Zuschläge von dem Unterschiedsbetrag zwischen dem Ertrag, der beim Vorliegen der regelmäßigen Verhältnisse zu erzielen wäre, und dem Ertrag, den der landwirtschaftliche Betrieb in seinem tatsächlichen Zustand nachhaltig erzielen kann, auszugehen.
Anders als das Bewertungsgesetz 1955, das flächenbezogene und nicht flächenbezogene Bewertungen kennt, knüpft das BSVG am gesamten Einheitswert in einheitlicher Weise an und differenziert nicht mehr zwischen flächenbezogenen und nicht flächenbezogenen Bewertungen. Auch eine nicht flächenbezogene Bewertung ist daher von Flächenänderungen im Sinne des § 23 Abs. 5 erster Satz BSVG betroffen.
Daraus ergibt sich, dass sich der Zuschlag zum Einheitswert auf die dem Einheitswert insgesamt zugrunde gelegte landwirtschaftlich genutzte Fläche bezieht und im Sinne des § 23 Abs. 3 lit. d und e BSVG bei der Ermittlung der Beitragsgrundlage nur derjenige Einheitswert und nur derjenige Zuschlag zugrundezulegen ist, der der im Beurteilungszeitraum gepachteten (kleineren) Fläche entspricht.
Bei der Aliquotierung des mit Bescheid vom 20. Februar 1991 zum 1. Jänner 1990 festgestellten Einheitswertes samt Zuschlag ist überdies zu klären, ob die dem Mitbeteiligten verbleibende Fläche nicht im Sinne der Mitteilung der belangten Behörde im vorliegenden Verfahren nur 2,3274 ha groß ist.
Erst ab dem 1. Oktober 1996 ist schließlich in Bezug auf diese Fläche von 3,6756 ha bzw. 2,3274 ha der am 6. September 1996 zugestellte Bescheid des Finanzamtes Kirchdorf an der Krems vom 28. August 1996 über die Wertfortschreibung, der keine Zuschläge für überdurchschnittliche Tierhaltung mehr vorsieht, im Sinne des § 23 Abs. 3 lit. d und e BSVG aliquot zugrunde zu legen.
Weil die belangte Behörde die Zuschläge zum Einheitswert der Berechnung der Bemessungsgrundlage mehrfach unrichtig zugrundelegte, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 13. April 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997080031.X00Im RIS seit
14.01.2002Zuletzt aktualisiert am
29.04.2009