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21/03 GesmbH-Recht;Norm
AlVG 1977 §11;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des G in S, vertreten durch Dr. Robert Fuchs, Rechtsanwalt in St. Valentin, Hauptplatz 1, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 11. April 1997, Zl. LGS NÖ/JUR/12181/1997, betreffend Widerruf der Zuerkennung und Rückforderung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, der zuletzt 1988 im Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung gestanden war, beantragte am 9. Februar 1996 Arbeitslosengeld. Nach der von ihm vorgelegten Arbeitsbescheinigung der Günter K. GmbH war er bei dieser vom 23. März 1992 bis zur Lösung des Dienstverhältnisses im beiderseitigen Einverständnis zum 8. Februar 1996 als Büroangestellter beschäftigt gewesen.
Mit Mitteilung über den Leistungsanspruch vom 22. Februar 1996 wurde dem Beschwerdeführer das Arbeitslosengeld zuerkannt. Am 3. Juni 1996 wurde der Bezug eingestellt, weil der Beschwerdeführer erneut in ein pflichtversichertes Dienstverhältnis zur Günter K. GmbH eingetreten war.
Im Juli 1996 forderte das Arbeitsmarktservice einen Firmenbuchauszug der Günter K. GmbH an. Nach dem Inhalt des Firmenbuchauszuges wurde die Gesellschaft seit ihrer Eintragung im November 1988 von der Ehegattin des Beschwerdeführers als alleiniger Geschäftsführerin sowie (unter anderem) vom Beschwerdeführer als selbstständig vertretungsbefugtem Prokuristen vertreten.
Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 24. September 1996 wurde der Bezug (gemeint: die Zuerkennung) des dem Beschwerdeführer gewährten Arbeitslosengeldes widerrufen "bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt" und der Beschwerdeführer zur Rückzahlung unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in der Höhe von S 50.507,-- für den gesamten Bezugszeitraum vom 9. Februar 1996 bis zum 2. Juni 1996 verpflichtet. Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes dargelegt:
"Das Ermittlungsverfahren hat ergeben:
Sie haben dem Arbeitsmarktservice Ihre selbständige
Erwerbstätigkeit verschwiegen."
In seiner Berufung gegen diese Entscheidung machte der Beschwerdeführer geltend, er sei nicht selbstständig erwerbstätig gewesen. Für den Fall, dass seine Funktion als Prokurist als selbstständige Erwerbstätigkeit gewertet worden sei, verweise er darauf, dass er (im Widerrufszeitraum) weder Gesellschafter noch handelsrechtlicher Geschäftsführer noch Dienstnehmer gewesen sei. Er habe weder von der Günter K. GmbH noch aus irgend einer anderen Tätigkeit ein Einkommen bezogen, das die Geringfügigkeitsgrenze überstiegen hätte.
Die belangte Behörde forderte den Beschwerdeführer u.a. auf, bekannt zu geben, 1. "in welcher Form" er während der Dauer seiner "Beschäftigungslücke" für die Günter K. GmbH, bei welcher er "laufend eingetragener Prokurist" sei, tätig geworden sei; weiters möge er 2. seine Behauptung, kein die Geringfügigkeitsgrenze übersteigendes Entgelt bezogen zu haben, durch die Mitteilung ergänzen, aus welcher Tätigkeit er "dieses Einkommen" bezogen habe, wie diese Tätigkeit rechtlich fundiert gewesen sei und in welcher Höhe er "dieses Entgelt" bezogen habe.
Zu diesen Fragen nahm der Beschwerdeführer wie folgt schriftlich Stellung:
"Punkt 1: Ich war in der in Frage kommenden Zeit für die Firma Günter K. GesmbH als ehrenamtlicher Prokurist tätig.
Punkt 2: Ich habe überhaupt kein Entgelt bezogen."
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. In der Begründung dieser Entscheidung ging die belangte Behörde den Angaben des Beschwerdeführers folgend davon aus, dass dessen Dienstverhältnis als Büroangestellter zum 8. Februar 1996 einvernehmlich beendet worden sei und er "in der fraglichen Zeit lediglich ehrenamtlich als Prokurist tätig gewesen" sei, jedoch daraus kein Entgelt bezogen habe. Der Beschwerdeführer sei weder Gesellschafter noch handelsrechtlicher Geschäftsführer der Günter K. GmbH.
In rechtlicher Hinsicht würdigte die belangte Behörde diesen Sachverhalt im Wesentlichen wie folgt:
"Das Dienstverhältnis des Berufungswerbers bei der Günter K. GmbH endete mit 08.02.1996; als Prokurist dieser Gesellschaft blieb er jedoch weiterhin im Firmenbuch eingetragen und seinen eigenen Angaben nach auch weiterhin als Prokurist tätig, bezog jedoch kein Entgelt. Ein Widerruf der Prokura liegt daher nicht vor. Ab 03.06.1996 nahm er bei der Günter K. GmbH die Beschäftigung wieder auf.
Die Prokura entsteht durch rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung, wobei eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung des Geschäftsherren genügt. Aufgrund der Prokura kann der Prokurist im Außenverhältnis Dritten gegenüber Rechtshandlungen setzen, die den Geschäftsherren unmittelbar verpflichten und berechtigen. Die Prokura ermächtigt zu allen Rechtshandlungen, die der Betrieb der Günter K. GmbH mit sich bringt.
Die vertraglichen Beziehungen des Berufungswerbers zu der Gesellschaft werden daher nicht nur durch das Angestelltenverhältnis, sondern auch durch die sich aus der Funktion des Prokuristen ergebenden Pflichten und Rechten geprägt und bestimmt. Es ist kein Grund ersichtlich, aus welchem der mit einer Einzelprokura ausgestattete Berufungswerber, der nach Beendigung seines Angestelltenverhältnisses seinen aus der Prokura resultierenden Pflichten weiterhin nachkommt, rechtlich anders zu stellen ist, als ein handelsrechtlicher Geschäftsführer, der lediglich sein Angestelltenverhältnis beendet (vgl. VwGH 28.11.1995, 95/08/0304 sowie VwGH 30.05.1995, 93/08/0138 und die dortigen Judikaturhinweise). Auf das Ausmaß der Tätigkeit und die Höhe der Entlohnung ist entsprechend der VwGH Judikatur nicht näher einzugehen.
Aus all diesen Erwägungen ist davon auszugehen, dass die bloße Beendigung des Angestelltenverhältnisses alleine die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses iSd § 12 AlVG nicht bewirkt und daher den Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht zu begründen vermag."
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die belangte Behörde geht nicht davon aus, dass der Beschwerdeführer während des Widerrufszeitraumes durchgehend oder auch nur zeitweise in einem Dienstverhältnis zur Günter K. GmbH gestanden sei, oder dass er - wie im erstinstanzlichen Bescheid behauptet - einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Der angefochtene Bescheid beruht vielmehr auf der Rechtsansicht der belangten Behörde, die Gründe, aus denen die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses beim Geschäftsführer einer GmbH auch die Zurücklegung seiner gesellschaftsrechtlichen Funktion erforderten, stünden bei einem angestellten Einzelprokuristen einer Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses entgegen, solange der Prokurist "nach Beendigung seines Angestelltenverhältnisses seinen aus der Prokura resultierenden Pflichten weiterhin nachkommt".
Dem gegenüber vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Rechtsauffassung, dass es sich bei der Prokura um eine bloße Vertretungsmacht handelt, aus deren Fortbestand nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses sich nicht ableiten lässt, es sei "nicht einmal die Hauptleistungspflicht" des Inhabers dieser Berechtigung "zur Gänze ausgesetzt" worden (vgl. hiezu das von der belangten Behörde zitierte Erkenntnis vom 30. Mai 1995, Zl. 93/08/0138). Auch die im Erkenntnis vom 16. Februar 1999, Zl. 96/08/0171, dargestellten weiteren Gründe für das Erfordernis einer Zurücklegung der Funktion als Geschäftsführer als Voraussetzung für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses sind auf ein bloßes Vollmachtsverhältnis nicht übertragbar. Ein Urteil darüber, ob das Beschäftigungsverhältnis des Beschwerdeführers beendet war, hätte die belangte Behörde daher nur im Rahmen einer näheren Auseinandersetzung mit den Umständen und den Vereinbarungen, unter denen bzw. auf deren Grundlage der Beschwerdeführer von seiner Prokura weiterhin Gebrauch machte, gewinnen können. Hätte sich ergeben, dass der Beschwerdeführer das Arbeitslosengeld zu Unrecht bezogen hatte, so wäre im Übrigen auch der Ausspruch über die Rückforderung im angefochtenen Bescheid näher zu begründen gewesen.
Da die belangte Behörde in Bezug auf den Widerruf der Zuerkennung der Leistung, ohne den auch deren Rückforderung nicht Bestand haben kann, die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 13. April 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997080393.X00Im RIS seit
21.02.2002