TE Vwgh Beschluss 2019/2/13 Ra 2019/05/0002

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Veröffentlicht am 13.02.2019
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82009 Bauordnung Wien;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

BauO Wr §134a Abs1 litb;
B-VG Art132 Abs3;
VVG §1a Abs2;
VwGG §30 Abs2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2019/05/0004 Ra 2019/05/0003

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag 1. des Dr. R,

2. der Dr. I und 3. der Prof. Dr. h.c. W, alle vertreten durch Hausmaninger Kletter Rechtsanwälte - Gesellschaft mbH in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 3, der gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 1. Oktober 2018, Zlen. VGW- 111/077/10446/2017-16, VGW-111/V/077/11638/2017, VGW- 111/V/077/10448/2017, VGW-111/V/077/11639/2017, VGW- 111/V/077/10451/2017 und VGW-111/V/077/11640/2017, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörden: 1. Magistrat der Stadt Wien und 2. Bauausschuss der Bezirksvertretung für den 3. Bezirk; weitere Partei: Wiener Landesregierung; mitbeteiligte Partei: D Immobilienverwertungs GmbH, vertreten durch Mag. Gregor Michalek, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Falkestraße 1/6), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.

Begründung

1 Vorliegend geht es um die baurechtliche Bewilligung für ein Bauvorhaben der Mitbeteiligten (Bauwerberin), umfassend im Wesentlichen den Ausbau des Dachgeschoßes und den Zubau eines Liftes. Die Revisionswerber sehen sich in ihrem Nachbarrecht auf Einhaltung der Bestimmungen über die Gebäudehöhe verletzt.

2 Der gegenständliche Antrag wird damit begründet, dass nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Wien die Bauwerberin die Bauführung vornehmen und mit dem Dachgeschoßausbau beginnen könnte. Den Revisionswerbern drohe ein unverhältnismäßiger Nachteil, wenn der Dachgeschoßausbau ausgeführt werde und sich in der Folge herausstellen sollte, dass der Revision Folge gegeben werde. Der unverhältnismäßige Nachteil der Revisionswerber sei offensichtlich. Die Bauführung würde irreversible Veränderungen mit sich bringen, da das gegenständliche Dach abgetragen und ein Dachgeschoßausbau in dann als unzulässig erkannter Höhe errichtet würde. Die Belichtung auf dem Nachbargrundstück der Revisionswerber wäre dadurch beeinträchtigt. Bis zu einem - allenfalls sogar exekutiven - Abbruch des dann baukonsenswidrig errichteten Bauwerkes könnten Jahre vergehen und wäre die Wohn- und Lebensqualität der Revisionswerber als unmittelbare Nachbarn, deren Wohnungen auf Höhe des ersten Dachgeschoßes lägen, unzumutbar beeinträchtigt, zumal es auch zu Lärm- und Schmutzbelästigungen durch allfällige Abbrucharbeiten käme. Zwingende öffentliche Interessen, die der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenstünden, seien nicht erkennbar, zumal die Bauführung ein rein im privaten Interesse der Bauwerberin liegendes Vorhaben zur Verwertung der neu zu schaffenden fünf Dachgeschoßwohnungen betreffe.

3 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Stellungnahme vom 5. Februar 2019, in der sie im Wesentlichen ausführte, die Revisionswerber zeigten keinen unverhältnismäßigen Nachteil auf. Bei Berücksichtigung der geplanten Gebäudehöhe in der Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung müsste der Verwaltungsgerichtshof bereits die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses überprüfen. Eine solche inhaltliche Prüfung habe der Verwaltungsgerichtshof nach ständiger Rechtsprechung im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung jedoch nicht vorzunehmen. Er habe vielmehr zunächst von den Annahmen des Verwaltungsgerichtes auszugehen. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes werde das Gebäude gerade nicht in einer unzulässigen Höhe ausgeführt. Der Verwaltungsgerichtshof habe zudem davon auszugehen, dass sowohl die zuerst befasste Behörde als auch das Verwaltungsgericht bereits alle möglichen Auswirkungen, die von der geplanten Bauführung ausgingen, geprüft habe, eine besondere Sachlage sei nicht gegeben. Das Interesse der Bauwerberin an einer baldigen Umsetzung des Bauvorhabens sei offenkundig. Das Verfahren dauere bereits fast zwei Jahre. Die Baubewilligung sei nach mehreren Planänderungen erteilt worden. Der derzeitige Plan entspreche den Bauvorschriften. Allenfalls eintretende Folgen aufgrund des Obsiegens der Revisionswerber hätte einzig die Bauwerberin zu tragen. Darin sei jedoch kein unverhältnismäßiger Nachteil für die Revisionswerber zu erkennen. Der Verwaltungsgerichtshof erkenne in ständiger Rechtsprechung, dass in der bloßen Ausübung der mit der Baubewilligung eingeräumten Berechtigung durch den Bauwerber für sich allein noch kein unverhältnismäßiger Nachteil der revisionswerbenden Nachbarn gesehen werden könne. Die geltend gemachten Lärm- und Schmutzbelästigungen berührten keine öffentlichen Interessen und stellten ebensowenig einen unverhältnismäßigen Nachteil dar. Diese Einwirkungen würden auch durch eine allfällige spätere Bauführung entstehen. Zudem sei mit Bauarbeiten im innerstädtischen Bereich immer zu rechnen. Es könne davon ausgegangen werden, dass es auf der gegenständlichen Liegenschaft jedenfalls zu einer Bauführung kommen werde. Es sei nicht Zweck der aufschiebenden Wirkung, individuelle Empfindlichkeiten von Nachbarn zu berücksichtigen. Auch wenn keine zwingenden öffentlichen Interessen gegen den Antrag der Revisionswerber sprächen, sei dennoch eine Abwägung aller betroffenen Interessen vorzunehmen. Aus dem Vorbringen der Revisionswerber sei nicht zu erkennen, welcher unverhältnismäßige Nachteil drohe, wenn die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt werde. Das Interesse der Bauwerberin, von der erteilten Baubewilligung Gebrauch zu machen, sei evident. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung werde augenscheinlich nur gestellt, um die Bauausführung zu verzögern.

4 Vom Vorsitzenden des Bauausschusses der Bezirksvertretung für den 3. Bezirk wurde eine Stellungnahme vom 6. Februar 2019 abgegeben, nach der "dem Antrag auf Gewährung einer aufschiebenden Wirkung keine Dringlichkeit zukommt."

5 Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG ist die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

6 Der Mitbeteiligten ist zuzustimmen, dass der Verwaltungsgerichtshof im gegenständlichen, die aufschiebende Wirkung der Revision betreffenden Verfahren die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses nicht zu prüfen hat (vgl. z.B. VwGH 9.10.2013, AW 2013/05/0058).

7 Der mitbeteiligten Partei ist weiters beizupflichten, dass die bloße Ausübung der mit einer Bewilligung eingeräumten Berechtigung während des Revisionsverfahrens für sich allein nicht als unverhältnismäßiger Nachteil des Nachbarn angesehen werden kann (vgl. z.B. VwGH 16.10.2017, Ra 2017/05/0210). Nicht zu bestreiten ist ferner, dass im Fall des Obsiegens des Nachbarn als Revisionswerber allein der Bauwerber die Folgen einer dann allenfalls eingetretenen Konsenslosigkeit des ausgeführten Baues und die damit verbunden finanziellen Nachteile zu tragen hat (vgl. wiederum VwGH 16.10.2017, Ra 2017/05/0210). Festzuhalten ist auch, dass die Behörde in einem solchen Fall von Amts wegen verpflichtet wäre, für die Beseitigung eines dann konsenslosen Baues zu sorgen (vgl. auch dazu VwGH 16.10.2017, Ra 2017/05/0210).

8 Diese Überlegungen vermögen aber nicht, in einem Fall wie dem vorliegenden undifferenziert dazu zu führen, dass dem Antrag auf aufschiebende Wirkung der Nachbarrevision keine Folge gegeben wird:

9 Die Revisionswerber verfolgen im gegenständlichen Fall mit ihrer Revision ihr subjektiv-öffentliches Nachbarrecht auf Einhaltung der Bestimmungen über die Gebäudehöhe (§ 134a Abs. 1 lit. b der Bauordnung für Wien). Die Parteirevision gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes kann wegen Rechtswidrigkeit erheben, wer durch das Erkenntnis in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

10 Es ist verfassungsrechtlich grundsätzlich gebotene Rechtsfolge, dass subjektive Rechte durchsetzbar sind, erforderlichenfalls durch Zwang (Grabenwarter, Subjektive Rechte und Verwaltungsrecht, 16. ÖJT Band I/1, 14, 16 f).

11 Es geht somit bei subjektiven Rechten um deren faktische Effizienz, also nicht um die Effizienz allein, die unter Umständen bloß das letzten Endes bewirkte Erreichen einer Entscheidung rechtsrichtigen Inhaltes umfassen könnte, sondern auch darum, dass die Umsetzung einer solchen Entscheidung in den Tatsachenbereich zu erfolgen hat (vgl. VfSlg. 11.196/1986). Der Gesetzgeber hat darauf Bedacht zu nehmen, dass diese faktische Effizienz gewährleistet bleibt. Wenn der Gesetzgeber (wie auch im gegenständlichen Fall) dem Rechtsbehelf, der der Durchsetzung des subjektiven Rechtes dienen soll (hier: der Revision), grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung zuerkennt, ist er verhalten, eine Regelung zu treffen, die es der Vollziehung ermöglicht, die aufschiebende Wirkung im Einzelfall nach einer umfassenden Interessenabwägung dennoch zuzuerkennen (vgl. VfSlg. 19.969/2015), damit das Prinzip der faktischen Effizienz des Rechtschutzes gewahrt bleibt.

12 Es trifft nun, wie bereits erwähnt, zu und entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass die bloße Ausübung der mit einer Bewilligung eingeräumten Berechtigung während des Revisionsverfahrens für sich allein nicht als unverhältnismäßiger Nachteil für den Nachbarn angesehen werden kann. Es trifft weiters zu, dass das Interesse des Bauwerbers an der baldigen Umsetzung seines Bauvorhabens "auf der Hand liegt". Ebenso ist einzuräumen, dass im Fall des Obsiegens des Nachbarn als Revisionswerber allein der Bauwerber die Folgen einer dann allenfalls eingetretenen Konsenslosigkeit des ausgeführten Baues und die damit verbundenen finanziellen Nachteile zu tragen hat. Ebenso zutreffend ist es, dass in einem solchen Fall die Behörde von Amts wegen verpflichtet wäre, für die Beseitigung eines konsenslosen Baues zu sorgen (vgl. zu all dem nochmals z.B. VwGH 16.10.2017, Ra 2017/05/0210, mwN).

13 In der Literatur wurde aber auf der anderen Seite darauf hingewiesen, dass der Nachbar bei einem Erfolg seiner Beschwerde (nunmehr: Revision) selbst gar keine Rechtsdurchsetzungsmöglichkeit hat (Pfersmann, Der Verwaltungsgerichtshof und die aufschiebende Wirkung, besonders in Bausachen, ÖJZ 1981, 89). Dazu ist allerdings festzuhalten, dass davon auszugehen ist, dass sich die Behörden gesetzeskonform verhalten und entsprechende Abbruchaufträge erteilen und auch vollstrecken (vgl. Hauer, Ist Nachbarbeschwerden in Bausachen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen? ÖJZ, 1981, 348).

14 An dieser Stelle sei abgesehen davon bemerkt, dass das Argument, dass ein Schwarzbau auch ohne jegliche Baubewilligung errichtet werden könnte und dem Nachbarn damit gar keine Möglichkeit zu Einwendungen gegeben wäre, (vgl. Hauer, ÖJZ 1981, 347), im Zusammenhang mit der hier gegenständlichen Problematik der aufschiebenden Wirkung einer Revision ebenso außer Betracht zu bleiben hat wie das allfällige Motiv, dass der Nachbar seine Rechte missbräuchlich verfolgt (vgl. dazu aber Steiner, Ausschluss der aufschiebenden Wirkung als Sanktion gegen Rechtsmissbrauch, ecolex 1992, 595, 597; dagegen Raschauer, Nochmals: Zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung, ecolex 1992, 815 f; ferner Steiner, Ein drittes Mal: Zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung, ecolex 1993, 60 f). Von rechtserheblicher Bedeutung ist es jedoch, dass der Nachbar überhaupt ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht verfolgt (vgl. wiederum VwGH 16.10.2017, Ra 2017/05/0210), was im gegenständlichen Fall in Bezug auf die Einhaltung der zulässigen Gebäudehöhe unstrittig ist.

15 Zu bemerken ist, dass der mit der sofortigen Umsetzung der angefochtenen Entscheidung in die Wirklichkeit verbundene Nachteil nach § 30 Abs. 2 VwGG in der Interessensphäre des revisionswerbenden Nachbarn eintreten muss. Das Risiko, dass für den Bauwerber verlorene Aufwendungen und sonstige Nachteile im Fall des Obsiegens des revisionswerbenden Nachbarn entstehen, fällt nicht in die Interessensphäre des revisionswerbenden Nachbarn und kann daher nicht zu dessen Gunsten in die Interessenabwägung eingehen (vgl. Puck, Die aufschiebende Wirkung bei Beschwerden vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts, ZfV 1982, 466). Darauf hinzuweisen ist aber auch, dass die in den Verwaltungsvorschriften positivierte Interessenlage nicht den ausschließlichen Bewertungsmaßstab dafür bildet, welche Interessen in die Abwägung nach § 30 Abs. 2 VwGG einzubeziehen sind. Es ist auch auf die sonstigen Interessen des Revisionswerbers am Aufschub der Konsumierung der der mitbeteiligten Partei eingeräumten Berechtigung bis zum Ende des Revisionsverfahrens Bedacht zu nehmen (Puck, ZfV 1982, 466). Was nun im hier gegenständlichen Fall allerdings die Lärm- und Schmutzbelästigungen durch allfällige Abbrucharbeiten betrifft, fehlt es aber schon an einer näheren Darlegung und Konkretisierung, weshalb sich daraus ein unverhältnismäßiger Nachteil für die Revisionswerber ergeben sollte.

16 Zur Frage, ob die Behörden in der Folge eines Obsiegens des Nachbarn gegen den konsenslosen Bau auch tatsächlich vorgehen, hält Puck (ZfV 1982, 469) die bloße Möglichkeit, dass die Behörden sich nicht ihren objektiven Rechtspflichten gemäß verhalten, für nicht ausreichend, um zu Lasten des Bauwerbers bei der Interessenabwägung zum Tragen zu kommen. Wäre aber auf Grund von Untersuchungen ausreichenden Fallmaterials erwiesen, dass die Behörden in der überwiegenden Zahl der Fälle die Herstellung des Zustandes unterlassen, der letzten Endes der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht, dann müsste der mit der sofortigen Berechtigungsausübung für den Revisionswerber verbundene Nachteil in der Tat als evident unverhältnismäßig angesehen werden (Puck, ZfV 1982, 469). Mit Puck ist davon auszugehen, dass es im Zusammenhang mit der Durchsetzung des verfolgten subjektiven Rechtes auch auf Aspekte des Vollzuges im Tatsächlichen ankommt.

17 An dieser Stelle ist nun in Erinnerung zu rufen, dass sowohl die Revisionswerber in ihrem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung als auch die mitbeteiligte Partei in ihrer Stellungnahme dazu ein zeitliches Moment ins Spiel bringen. Die mitbeteiligte Partei verweist darauf, dass das Verfahren bereits zwei Jahre gedauert habe und die Baubewilligung nach mehreren Planänderungen erteilt worden sei. Abgesehen davon, dass nach diesem Vorbringen offenbar nicht von vornherein ein bewilligungsfähiger Plan eingereicht wurde und sich daraus - zumindest auch - die konkrete bisherige Verfahrensdauer ergeben hat, ist in diesem Zusammenhang auf die Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit 2014 hinzuweisen, die eine nicht unerhebliche Verkürzung der Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgerichtshof gebracht hat (vgl. dazu auch die jährlichen Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes).

18 Die Revisionswerber führen aus, dass im Falle ihres Obsiegens bis zu einem allenfalls exekutiven Abbruch des dann baukonsenswidrig errichteten Bauwerkes Jahre vergehen könnten. Hier ist es nun von Bedeutung, dass zwar, wie bereits ausgeführt, davon auszugehen ist, dass die Behörden den gesetzlichen Zustand herstellen werden, dass es aber der Nachbar nach der Bauordnung für Wien nicht in der Hand hat, selbst tätig zu werden und den Abbruch, gegebenenfalls im Wege einer Säumnisbeschwerde (Art. 132 Abs 3 B-VG), auch beizeiten durchzusetzen. Zwar räumt § 1a Abs. 2 VVG in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013 dem Berechtigten (hier: dem Nachbarn, vgl. dazu VwGH 20.11.2018, Ra 2017/05/0300) nunmehr ein Antragsrecht als betreibendem Gläubiger auf die Vollstreckung ein. Dies ändert aber nichts daran, dass die Vollstreckung eines Titels bedarf. Andere Bauordnungen gewähren den Nachbarn das Recht, ihre Nachbarrechte auch im baupolizeilichen Auftragsverfahren zu verfolgen und die Schaffung eines solchen Titels gegebenenfalls durchzusetzen (vgl. insbesondere § 6 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 35 Abs. 2 NÖ Bauordnung 2014, LGBl. Nr. 1/2015 in der Fassung Nr. 53/2018; § 41 Abs. 6 Steiermärkisches Baugesetz, LGBl. Nr. 59/1995 in der Fassung Nr. 117/2016; § 34 Abs. 3 Kärntner Bauordnung 1996, LGBl. Nr. 62 in der Fassung Nr. 85/2013; ferner auch § 7 Abs. 5 in Verbindung mit § 16 Salzburger Baupolizeigesetz 1997, LGBl. Nr. 40/1997 in der Fassung Nr. 96/2017).

19 Beim derzeit gegebenen Stand der Rechtsordnung fällt es daher bei der hier konkret vorzunehmenden Interessenabwägung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG vor dem Hintergrund des Vorbringens der Parteien des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof ins Gewicht, dass die Umsetzung des subjektiv-öffentlichen Rechts der Revisionswerber im Fall ihres Obsiegens jedenfalls in zeitlicher Hinsicht weiterhin ungewiss bleibt. Solange die revisionswerbenden Nachbarn im Falle ihres Obsiegens nicht die Möglichkeit haben, einen Vollstreckungstitel zu erwirken, den sie dann nach § 1a Abs. 2 VVG auch vollstrecken lassen können, erscheint die faktische Effizienz der Revision vor dem Hintergrund der Neuregelung des § 1a Abs. 2 VVG nicht in ausreichendem Maß gesichert. Gerade angesichts dessen, dass der Nachbar vor dem Verwaltungsgerichtshof subjektive Rechte verfolgt, kann es nicht mehr ausreichen, ihn bei der subjektiven Verfolgbarkeit dieser Rechte in Bezug auf die Umsetzbarkeit derselben ins Tatsächliche auf die Amtspflicht der Behörde bzw. die Judikatur der ordentlichen Gerichte zum Missbrauch der Amtsgewalt oder auf das Einschreiten der Volksanwaltschaft (vgl. zu all dem Hauer, Der Nachbar im Baurecht6, 536) zu verweisen. Unter diesen Umständen vermag auch das Interesse des Bauwerbers an einer Umsetzung des Bauvorhabens bereits während des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof nichts daran zu ändern, dass in einem Fall nach der Bauordnung für Wien, wie dem vorliegenden, die Interessenabwägung zugunsten der Nachbarn auszufallen hat. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am 13. Februar 2019

Schlagworte

InteressenabwägungBesondere Rechtsgebiete Baurecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019050002.L00

Im RIS seit

17.04.2019

Zuletzt aktualisiert am

19.04.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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