TE Vwgh Erkenntnis 1999/4/14 99/04/0005

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Veröffentlicht am 14.04.1999
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Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1994 §28 Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des R P in M, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 24. November 1998, Zl. 319.084/4-III/4/97, betreffend Verweigerung der Nachsicht vom Befähigungsnachweis, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gem. § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid vom 24. November 1998 verweigert der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten dem Beschwerdeführer die von ihm beantragte Nachsicht vom Befähigungsnachweis zur Ausübung des Gewerbes "Kraftfahrzeugtechniker, eingeschränkt auf Verkauf, Reparatur und Service-Pflege von Replicabau und Oldtimern sowie Klimaanlagen" gemäß § 28 Abs. 1 Z. 2, Abs. 3 und Abs. 5 zweiter Satz GewO 1994. Nach Darstellung des Verfahrensganges führte der Bundesminister zur Begründung aus, die im Zuge des Berufungsverfahrens befaßte gewerbetechnische Abteilung des Bundesministeriums habe in ihrer gewerbetechnischen Stellungnahme zum dargelegten Sachverhalt ausgeführt, bezüglich der Befähigung für das auf Reparatur und Service von Replicabau (Nachbauten von Fahrzeugen) und Oldtimern eingeschränkte Kraftfahrzeugtechniker-Gewerbe sei festzustellen, daß dafür ein umfangreiches praktisches und theoretisches Wissen erforderlich sei, wie z. B. Erstellung von Diagnosen, Aus- und Einbau von Teilen, Fehlererkennung, Einstell- und Kontrollarbeiten, Kraft- und Schmierstoffe, Motoren und Aggregate, Grundlagen der Mechanik, kraftfahrrechtliche Vorschriften, technische Normen etc. Der Nachsichtswerber habe zwar einige Jahre als Mechaniker gearbeitet, jedoch nie eine einschlägige Lehrlings- und Schulausbildung erfolgreich abgeschlossen. Es könne daher nicht angenommen werden, daß er hinsichtlich des mannigfaltigen Umfanges der im eingeschränkten Gebiet durchzuführenden Arbeiten die hinreichende tatsächliche Befähigung besitze. Zur allfälligen Befähigung für den Gewerbeteil Kraftfahrzeugtechniker-Reparatur und Service von Klimaanlagen habe die gewerbetechnische Abteilung des Bundesministeriums ausgeführt, der Nachsichtswerber dürfte auf Grund der vorgelegten Firmenbestätigungen betreffend Reparatur- und Wartungstätigkeiten gewisse Fertigkeiten erworben haben. Er habe jedoch auch auf diesem Gebiet nie eine einschlägige Lehrlings- und Schulausbildung erfolgreich abgeschlossen. Es sei also schon auf Grund seines beruflichen Werdeganges nicht anzunehmen, daß er in fachtechnischer Hinsicht im Hinblick auf Tiefe und Breite des Wissens ein für die selbständige Ausübung des auf diesen Teilbereich eingeschränkten Gewerbes erforderliches Bildungsniveau besitze. Auch wenn die (im erstbehördlichen Verfahren erfolgte) Befragung durch die Innung vom Nachsichtswerber bezüglich der Relevanz der geprüften Inhalte in Zweifel gezogen werde, sei festzustellen, daß beispielsweise Antriebs- und Strömungstechnik, Aggregatzustandsänderung der Kältemittel, Zusammenhang von Druck und Temperatur der Kältemittel, Grundlagen der Kälte- und Klimatechnik darstellten. In dem Schreiben der Innung vom 11. September 1995 werde dazu festgestellt, daß der Beschwerdeführer keinerlei diesbezügliche Kenntnisse besitze. Durch diese Befragung würden die angeführten Erwägungen bestätigt. Auf Grund dieses Ermittlungsergebnisses gelangte der Bundesminister zu dem Ergebnis, es könne nicht angenommen werden, daß der Nachsichtswerber in den angestrebten Bereichen des gegenständlichen Gewerbes über eine hinreichende tatsächliche Befähigung verfüge. Aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten fünf Fotos von Fahrzeugen, die er nach eigenen Angaben selbständig zusammengebaut habe, sei nicht zu ersehen, inwieweit er sich einschlägige Kenntnisse und Fähigkeiten zur Reparatur von Replicas und Oldtimern angeeignet habe. Die zusätzliche Befassung eines gerichtlich beeideten Sachverständigen zur Prüfung des Wissens und der erworbenen Fertigkeiten des Beschwerdeführers sei insofern entbehrlich gewesen, als der Beschwerdeführer nicht habe dartun können, inwieweit die Ausführungen des gewerbetechnischen Amtssachverständigen nicht objektiv oder schlüssig wären. Mangels Vorliegens einer hinreichenden tatsächlichen Befähigung für den angestrebten Gewerbeumfang sei ein Eingehen auf die Frage des Vorliegens eines Nachsichtsgrundes entbehrlich gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Erteilung der angestrebten Nachsicht verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes rügt er unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften die lange Verfahrensdauer sowohl in erster als auch in zweiter Instanz. Einen weiteren Verfahrensmangel stelle die Tatsache dar, daß die belangte Behörde aus unverständlichen Gründen nie seinem Antrag, von Amtssachverständigen oder gerichtlich beeideten Sachverständigen über seine Kenntnisse und Fähigkeiten befragt zu werden, nachgekommen sei. Es sei zwar richtig, daß er sich anfangs auf Anraten der Behörde erster Instanz zu einer Befragung durch die zuständige Kammerinnung bereit erklärt habe, doch habe sich gezeigt, daß diese Institution selbst nicht genau gewußt habe, welche Innung zuständig wäre. Hinsichtlich Replicabau sei er überhaupt nicht befragt worden. Es gebe auch offensichtlich keinerlei Protokolle über gestellte Fragen und Antworten. Auch hätten diese Befragungen jede Objektivität, wie sie Amtssachverständigen oder gerichtlich beeideten Sachverständigen gegeben sei, vermissen lassen. Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Annahme der belangten Behörde, auf die Frage des Vorliegens eines Nachsichtsgrundes sei nicht weiter einzugehen gewesen. Dem gesamten Aktenvorgang sei zu entnehmen, daß sich das Nachsichtsansuchen u. a. auf den Nachsichtsgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse stütze. Hinsichtlich der hinreichenden tatsächlichen Befähigung sei auf seine im Verwaltungsverfahren erstatteten diversen Stellungnahmen verwiesen. Die Innung der Mechatroniker habe bei der Befragung am 15. Februar 1996 festgestellt, der Beschwerdeführer weise das Niveau eines Lehrlings im zweiten Lehrjahr auf. Dem widerspreche offensichtlich das Dienstzeugnis vom 19. Juli 1994, demzufolge er seit dem Jahr 1986 insgesamt 16 Lehrlinge erfolgreich ausgebildet habe. Es sei für den Beschwerdeführer auch nicht nachvollziehbar, daß eine private Firma einem Mitarbeiter, der solche (Nicht-)Kenntnisse aufweise, die Lehrlingsausbildung übertrage. Auch die gewerbetechnische Abteilung des Bundesministeriums habe offensichtlich nur auf Grund der Aktenlage entschieden.

Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 ist, sofern dieses Bundesgesetz oder eine Verordnung gemäß § 20 Abs. 4 oder § 22 Abs. 4 nichts Gegenteiliges bestimmt, die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis zu erteilen, wenn eine hinreichende tatsächliche Befähigung des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, keine Ausschlußgründe gemäß § 13 vorliegen und

a) dem Nachsichtswerber die Erbringung des vorgeschriebenen Befähigungsnachweises wegen seines Alters, seiner mangelnden Gesundheit oder aus sonstigen, in seiner Person gelegenen wichtigen Gründen nicht zuzumuten ist,

oder

b) wenn besondere örtliche Verhältnisse für die Erteilung der Nachsicht sprechen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine hinreichende tatsächliche Befähigung dann gegeben, wenn auf Grund der vom Nachsichtswerber beigebrachten Unterlagen bzw. auf Grund des Ergebnisses des über sein Vorbringen bzw. sonst durchgeführten Ermittlungsverfahrens die Annahme gerechtfertigt erscheint, daß er immerhin über so viele Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, als erforderlich erachtet werden, um Leistungen erbringen zu können, welche in der Regel von Inhabern des betreffenden Gewerbes verlangt werden (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1994, Zl. 94/04/0042).

Ob im Einzelfall eine solche hinreichende tatsächliche Befähigung des Nachsichtswerbers vorliegt, wird die Gewerbebehörde in der Regel erst dann rechtsirrtumsfrei beurteilen können, wenn sie das Ermittlungsverfahren so gestaltet hat, daß sie auf Grund des Ergebnisses dieses Verfahrens in der Lage ist, zu beurteilen,

-

welche Leistungen im Rahmen des vom Nachsichtswerber angestrebten Gewerbes in der Regel zu erbringen sind,

-

welche Tätigkeiten beherrscht werden müssen, um solche Leistungen zufriedenstellend zu verrichten und

-

auf welche Weise der Nachsichtswerber die von ihm behaupteten Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat.

Zur Ermittlung des danach maßgeblichen Sachverhaltes hat die Behörde allenfalls auch einen Sachverständigenbeweis - etwa auch in Gestalt einer informativen Befragung des Nachsichtswerbers durch den Sachverständigen - aufzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1995, Zl. 94/04/0195). Als Ergebnis eines so gestalteten Ermittlungsverfahrens hat die belangte Behörde in ihrem Bescheid sodann die entsprechenden Feststellungen zu treffen.

Diesen Anforderungen kommt der angefochtene Bescheid nicht nach. Zwar führt der von der belangten Behörde beigezogene Sachverständige in seinem Gutachten aus, es sei für Reparatur und Service von Replicabau und Oldtimern ein umfangreiches praktisches und theoretisches Wissen auf näher dargestellten Fachbereichen erforderlich, es fehlt aber einerseits an konkreten Aussagen über jene Leistungen, die im Rahmen einer derartigen Gewerbeausübung in der Regel zu erbringen sind und andererseits über jene bestimmten Tätigkeiten, die beherrscht werden müssen, um solche Leistungen zufriedenstellend zu verrichten. Gleiches gilt für die Aussagen dieses Sachverständigen über die Tätigkeit auf dem Gebiet der Reparatur und des Services von Klimaanlagen.

Was die Kenntnisse und Fähigkeiten des Beschwerdeführers betrifft, beschränkte sich der Sachverständige im wesentlichen auf die Aussage, mangels einschlägiger Lehrlings- und Schulausbildung sei nicht anzunehmen, daß der Beschwerdeführer das erforderliche Wissen besitze. Letztere Aussage geht am Zweck der Regelung des § 28 Abs. 1 GewO 1994 vorbei, der gerade darin liegt, jenen Antragstellern, die nicht über den formellen Befähigungsnachweis verfügen, aber auf andere Weise die volle bzw. hinreichende Befähigung zur Gewerbeausübung erworben haben, den Zugang zum Gewerbe zu eröffnen.

Da somit mangels entsprechender Feststellungen durch die belangte Behörde die Frage des Vorliegens der - allein von der belangten Behörde geprüften - Tatbestandsvoraussetzungen des § 28 Abs. 1 Z. 2 Einleitungssatz GewO 1994 nicht abschließend beurteilt werden kann, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 14. April 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999040005.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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