TE Vfgh Erkenntnis 1997/3/1 B3811/95

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Veröffentlicht am 01.03.1997
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Index

82 Gesundheitsrecht
82/03 Ärzte, sonstiges Sanitätspersonal

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
BeitragsO der Wohlfahrtskasse der Ärztekammer für Oberösterreich §11 Abs3
Satzung der Wohlfahrtseinrichtungen der Ärztekammer für Oberösterreich §34 Abs1 litc
ÄrzteG §57 Abs1
ÄrzteG §68 Abs1
ÄrzteG §82

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch denkunmögliche Gesetzesanwendung bei Abweisung eines Antrags auf Zuweisung einer Witwenpension für die geschiedene Gattin eines Arztes wegen Unterlassung der Mitteilung der Wiederverehelichung und Leistung eines zusätzlichen Beitrags zur Wohlfahrtskasse; keine Bedenken gegen die Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Die Ärztekammer für Oberösterreich ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Die Beschwerdeführerin war die frühere Ehefrau eines am 18. Juni 1995 verstorbenen Arztes. Die Ehe ist mit am 14. Mai 1985 rechtskräftig gewordenen Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien geschieden worden. Mit vor dem Bezirksgericht Donaustadt im Jahre 1991 geschlossenem Vergleich hatte sich der Arzt verpflichtet, seiner geschiedenen Gattin ab dem 1. Februar 1991 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 20.000,-- zu bezahlen. Diese Verpflichtung bestand noch zum Zeitpunkt seines Todes.

Der Arzt, der sich im Jahre 1985 wiederverehelichte, hat zu seinen Lebzeiten weder seine Scheidung noch seine neuerliche Heirat der Ärztekammer für Oberösterreich mitgeteilt. Auch einen zusätzlichen Beitrag gemäß §11 Abs3 der Beitragsordnung zur Wohlfahrtskasse der Ärztekammer für Oberösterreich, der ab Wiederverehelichung für eine Witwenversorgung "einer früheren neben der derzeitigen Ehefrau" zu zahlen wäre, hat er nicht geleistet.

1.2. Nach dem Tod des Arztes stellte seine frühere Frau, die Beschwerdeführerin, bei der Wohlfahrtskasse der Ärztekammer für Oberösterreich einen Antrag auf Zuweisung einer Pension. Dieser Antrag wurde mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des Beschwerdeausschusses der Wohlfahrtskasse der Ärztekammer für Oberösterreich vom 31. Oktober 1995 abgewiesen.

Die Entscheidung wurde damit begründet, daß neben anderen - gegebenen - Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Pension an die frühere Ehegattin neben einer Witwe aus einer erst durch den Tod des Mitgliedes aufgelösten Ehe gemäß dem Abs1 litc) des §34 der Satzung der Wohlfahrtseinrichtungen der Ärztekammer für Oberösterreich (im folgenden: Satzung) zwei weitere Voraussetzungen vorliegen müßten, die jedoch nicht erfüllt seien:

Gemäß der zitierten Bestimmung sei eine Witwen- bzw. Witwerversorgung für den früheren neben dem derzeitigen Ehegatten nur bei Leistung eines zusätzlichen Beitrages (§11 Abs3 der Beitragsordnung) und nur im Falle der unverzüglichen Mitteilung der Tatsache der Wiederverehelichung unter Beischluß der gerichtlichen Unterlagen (Unterhaltsverpflichtung) an die Wohlfahrtskasse zu gewähren. Der frühere Ehemann der Antragstellerin habe aber seine Wiederverehelichung der Ärztekammer für Oberösterreich nie mitgeteilt und auch keinen zusätzlichen Beitrag iSd §11 Abs3 der Beitragsordnung geleistet.

2.1. In der gegen diesen Bescheid erhobenen, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde wird die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie die Verletzung in Rechten infolge der Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt.

2.2. Der Beschwerdeausschuß der Wohlfahrtskasse der Ärztekammer für Oberösterreich als belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der die Gesetzmäßigkeit der Satzung der Wohlfahrtskasse behauptet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt wird.

3. Die einschlägigen Rechtsvorschriften lauten wie folgt:

3.1. §68 ÄrzteG idF BGBl. Nr. 378/1996:

"§68. (1) Nach dem Tod eines (einer) Kammerangehörigen oder Empfängers (Empfängerin) einer Alters- oder Invaliditätsversorgung ist seiner Witwe (ihrem Witwer), die (der) mit ihm (ihr) im Zeitpunkt des Todes in aufrechter Ehe gelebt hat, die Witwen(Witwer)versorgung zu gewähren.

(2) Die Witwen(Witwer)versorgung wird nicht gewährt, wenn die Ehe erst nach Vollendung des 65. Lebensjahres des Kammerangehörigen oder Empfängers einer Alters- oder Invaliditätsversorgung geschlossen und zum Zeitpunkt des Todes des Kammerangehörigen oder Empfängers einer Alters- oder Invaliditätsversorgung weniger als drei Jahre lang bestanden hat. Dies gilt nicht, wenn der Tod des Ehegatten durch Unfall oder eine Berufskrankheit eingetreten ist, aus der Ehe ein Kind hervorgegangen ist oder hervorgeht, durch die Eheschließung ein Kind legitimiert worden ist, oder im Zeitpunkt des Todes des Ehegatten dem Haushalt der Witwe ein Kind des Verstorbenen angehört hat, das Anspruch auf Waisenversorgung hat.

(3) Witwen(Witwer)versorgung gebührt, sofern nicht ein Ausschließungsgrund nach Abs2 vorliegt, auf Antrag auch dem Gatten, dessen Ehe mit dem Kammerangehörigen für nichtig erklärt, aufgehoben oder geschieden worden ist, wenn ihm der Kammerangehörige zur Zeit seines Todes Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) auf Grund eines gerichtlichen Urteils, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer durch Auflösung (Nichtigerklärung) der Ehe eingegangenen vertraglichen Verpflichtung zu leisten hatte. Hat der frühere Ehegatte gegen den verstorbenen Kammerangehörigen nur einen befristeten Anspruch auf Unterhaltsleistungen gehabt, so besteht der Anspruch auf Witwen(Witwer)versorgung längstens bis zum Ablauf der Frist. Die Witwen(Witwer)versorgung darf die Unterhaltsleistung nicht übersteigen, auf die der frühere Ehegatte gegen den verstorbenen Kammerangehörigen an seinem Sterbetag Anspruch gehabt hat, es sei denn,

1. das auf Scheidung lautende Urteil enthält den Ausspruch nach §61 Abs3 Ehegesetz, dRGBl. 1938 I S 807,

2.

die Ehe hat mindestens 15 Jahre gedauert und

3.

der frühere Ehegatte hat im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft des Scheidungsurteils das 40. Lebensjahr vollendet.

Die Voraussetzung nach Z3 entfällt, wenn

              a)              der frühere Ehegatte seit dem Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft des Scheidungsurteils erwerbsunfähig ist oder

              b)              aus der geschiedenen Ehe ein Kind hervorgegangen oder durch diese Ehe ein Kind legitimiert worden ist oder die Ehegatten ein gemeinsames Wahlkind angenommen haben und das Kind am Sterbetag des Kammerangehörigen dem Haushalt des früheren Ehegatten angehört und Anspruch auf Waisenversorgungsgenuß hat; das Erfordernis der Haushaltszugehörigkeit entfällt bei nachgeborenen Kindern.

Die Witwen(Witwer)versorgung und die Versorgung des früheren Ehegatten dürfen zusammen jenen Betrag nicht übersteigen, auf den der verstorbene Kammerangehörige Anspruch gehabt hat. Die Versorgung des früheren Ehegatten ist erforderlichenfalls entsprechend zu kürzen. Die Witwen(Witwer)versorgung mehrerer früherer Ehegatten ist im gleichen Verhältnis zu kürzen. Ist kein(e) anspruchsberechtigte(r) Witwe(r) vorhanden, dann ist die Versorgung des früheren Ehegatten so zu bemessen, als ob der Kammerangehörige eine(n) anspruchsberechtigte(n) Witwe(r) hinterlassen hätte.

(4) Im Falle der Wiederverehelichung erlischt der Anspruch auf Witwen(Witwer)versorgung.

(5) Die Witwen(Witwer)versorgung beträgt 60 vH der Alters- oder Invaliditätsversorgung, die dem Verstorbenen im Zeitpunkt seines Ablebens gebührt hat oder gebührt hätte. Je nach der gemäß §57 festzustellenden finanziellen Sicherstellung der Leistungen kann diese bis 75 vH erhöht werden."

3.2. §34 der Satzung, beschlossen in der außerordentlichen Vollversammlung vom 5. Dezember 1969, idF des Beschlusses der Vollversammlung vom 18. Dezember 1987, lautet:

"§34 Witwen- und Witwerversorgung

(1) Die Witwen-(Witwer-)versorgung wird gewährt:

a) an Witwen(Witwer) von Mitgliedern, die mit ihrem Gatten im Zeitpunkt seines Todes in staatlich gültiger Ehe gelebt haben;

b) sofern eine Witwe nach lita) nicht vorhanden ist, der Witwe aus einer geschiedenen Ehe, wenn der Verstorbene verpflichtet war, ihr eine Unterhaltsleistung zu zahlen;

c) Witwen-(Witwer-)versorgung gebührt, sofern nicht ein Ausschließungsgrund nach Abs2 vorliegt, auf Antrag nach dem Gatten, dessen Ehe mit dem Mitglied für nichtig erklärt, aufgehoben oder geschieden worden ist, wenn ihm das Mitglied zur Zeit seines Todes Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) auf Grund eines gerichtlichen Urteiles, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer durch Auflösung (Nichtigerklärung) der Ehe eingegangenen vertraglichen Verpflichtung zu leisten hatte. Hat der frühere Ehegatte gegen das verstorbene Mitglied nur einen befristeten Anspruch auf Unterhaltsleistungen gehabt, so besteht der Anspruch auf Witwen-(Witwer-)versorgung längstens bis zum Ablauf der Frist. Die Witwen(Witwer-)versorgung darf die Unterhaltsleistung nicht übersteigen, auf die der frühere Ehegatte gegen das verstorbene Mitglied an seinem Sterbetag Anspruch gehabt hat, es sei denn,

1. das auf Scheidung lautende Urteil enthält den Ausspruch nach §61 Abs3 Ehegesetz,

2.

die Ehe hat mindestens 15 Jahre gedauert und

3.

der frühere Ehegatte hat zum Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Scheidungsurteiles das 40. Lebensjahr vollendet. Die Voraussetzung nach Z3 entfällt, wenn

aa)

der frühere Ehegatte seit dem Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft des Scheidungsurteiles erwerbsunfähig ist oder

bb)

aus der geschiedenen Ehe ein Kind hervorgegangen oder durch diese Ehe ein Kind legitimiert worden ist oder die Ehegatten ein gemeinsames Wahlkind angenommen haben und das Kind am Sterbetag des Mitgliedes dem Haushalt des früheren Ehegatten angehört und Anspruch auf Waisenversorgungsgenuß hat; das Erfordernis der Haushaltszugehörigkeit entfällt bei nachgeborenen Kindern.

Die Witwen-(Witwer-)versorgung und die Versorgung des früheren Ehegatten dürfen zusammen jenen Betrag nicht übersteigen, auf den das verstorbene Mitglied Anspruch gehabt hat. Die Versorgung des früheren Ehegatten ist erforderlichenfalls entsprechend zu kürzen. Die Witwen-(Witwer-)versorgung mehrerer früherer Ehegatten ist im gleichen Verhältnis zu kürzen. Ist kein(e) anspruchsberechtigte(r) Witwe(r) vorhanden, dann ist die Versorgung des früheren Ehegatten so zu bemessen, als ob das Mitglied eine(n) anspruchsberechtigte(n) Witwe(r) hinterlassen hätte.

Eine Witwen-(Witwer-)versorgung für den früheren Ehegatten wird allerdings nur bei Leistung eines zusätzlichen Beitrages (§11 Abs3 - Beitragsordnung) gewährt. Die Tatsache der Wiederverehelichung ist der Wohlfahrtskasse unter Beischluß der gerichtlichen Unterlagen (Unterhaltsverpflichtung) unverzüglich mitzuteilen.

d) nach dem Tode eines weiblichen Mitgliedes, dessen Gatte nicht Mitglied der Wohlfahrtskasse ist, unter den Bedingungen des Abs1 lita) dem Witwer nach den Bestimmungen des Abs3.

(2) ...

..."

3.3. §11 Abs3 der Beitragsordnung hatte im Jahre 1985 aufgrund des Beschlusses der ordentlichen Vollversammlung vom 13. Dezember 1984 den folgenden Wortlaut:

"(3) Bei Vorhandensein einer früheren neben der derzeitigen Ehefrau (§34 Abs1 litc) der Satzung) ist vom Zeitpunkt der Wiederverehelichung an ein zusätzlicher Beitrag von S 12.627,-, das ist 25 % des Beitrages eines Nichtkassenarztes (S 50.508,-) zu entrichten."

Die Höhe der Zahlungsverpflichtung wurde im Laufe der Jahre wiederholt geändert. Aufgrund des Beschlusses der ordentlichen Vollversammlung vom 15. Dezember 1994 erhielt der §11 Abs3 der Beitragsordnung mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1995 die folgende Fassung:

"(3) Bei Vorhandensein einer früheren neben der derzeitigen Ehefrau (§34 (1) litc) der Satzung ist vom Zeitpunkt der Wiederverehelichung an ein zusätzlicher Beitrag von S 19.557,-

das sind 25 % des Beitrages eines Nichtkassenarztes (S 78.228,-), zu entrichten."

4. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

4.1. Die Beschwerdeführerin bringt im wesentlichen vor, daß die bei der Erlassung des bekämpften Bescheides angewendeten letzten beiden Sätze des §34 Abs1 litc der Satzung mit Gleichheits- und Gesetzwidrigkeit belastet seien: Die Verpflichtung zur Leistung von zusätzlichen Beiträgen für den früheren Ehegatten sei einerseits unsachlich und verstoße andererseits gegen §68 ÄrzteG.

4.2. Der Verfassungsgerichtshof vermag diesem Vorbringen nicht zu folgen.

Der erste der beiden letzten Sätze des §34 Abs1 litc der Satzung ordnet an, daß eine Witwen(Witwer)versorgung für den früheren Ehegatten "nur bei Leistung eines zusätzlichen Beitrages (§11 Abs3 - Beitragsordnung) gewährt" wird. In §11 Abs3 der Beitragsordnung wird angeordnet, daß das Mitglied der Wohlfahrtskasse ab dem Zeitpunkt seiner Wiederverehelichung zur Leistung eines zusätzlichen Beitrages verpflichtet ist.

§68 Abs3 ÄrzteG enthält nun zwar weder eine Anordnung an noch eine ausdrückliche Ermächtigung für den Verordnungsgeber, für die Witwen- bzw. Witwerversorgung füherer Ehegatten die Entrichtung zusätzlicher Beiträge vorzusehen. Die Vorschriften des §57 Abs1 ÄrzteG, demzufolge für die finanzielle Sicherstellung der Leistungen aus dem Wohlfahrtsfonds unter Berücksichtigung seiner Erfordernisse, seines dauernden Bestandes und seiner Leistungsfähigkeit Beiträge einzuheben sind, und des §82 ÄrzteG, demzufolge aufgrund der §§57, 58 und 62 bis 81 nähere Vorschriften u.a. "über die Aufbringung der Beiträge" zu treffen sind, geben aber eine ausreichende gesetzliche Deckung für die in Rede stehende Vorschrift des vorletzten Satzes des §34 Abs1 litc der Satzung ab, in der eine solche Leistungspflicht vorgesehen ist.

Daß es dem Verordnungsgeber angesichts dieser Gesetzeslage aus verfassungsrechtlichen Gründen verwehrt sein sollte, in der Satzung für den zu erwartenden Anfall einer zusätzlichen Versorgungsleistung auch zusätzlich Beiträge vorzusehen, vermag der Verfassungsgerichtshof nicht zu erkennen. Auch unter Aspekten des Gleichheitssatzes begegnet die gerügte Regelung insofern keinen Bedenken.

4.3. Solche ergäben sich aber dann, wenn der Versorgungsanspruch der früheren Witwe davon abhängig wäre, daß der Arzt den zusätzlichen Beitrag für die Witwenversorgung der früheren Ehegattin geleistet hat, weil es nicht dem Belieben des - allenfalls aus seinem Verschulden - geschiedenen, zu einer Unterhaltsleistung verpflichteten Arztes überlassen sein könnte, ob der früheren Ehegattin ein Anspruch auf Witwenversorgung zukommt oder nicht. Für eine solche Auslegung spräche nur, daß im §34 Abs1 litc vorletzter Satz der Satzung, der eine Witwenversorgung für den früheren Ehegatten vorsieht, das Wort "nur" den Worten "bei Leistung eines zusätzlichen Beitrages" vorangesetzt ist. Es ist jedoch offensichtlich, daß mit dem Wort "nur" nicht zum Ausdruck kommen soll, daß die Leistung einer Witwenversorgung an die frühere Ehegattin bei Nichtzahlung der Zusatzleistung durch den Arzt ausgeschlossen werden soll, sondern im Zusammenhang mit der vorausgehenden Regelung über die Versorgung der Witwe dahin zu verstehen ist, daß der Verordnungsgeber damit aussagt, daß bei einer Anspruchsberechtigung einer früheren Gattin der Arzt ab seiner Wiederverehelichung einen Zusatzbeitrag zu leisten hat. Diese, an den Arzt als Normadressaten gerichtete Anordnung wird durch den letzten Satz des §34 Abs1 litc der Satzung dahin ergänzt, daß dem Arzt im Falle einer Wiederverehelichung eine Meldepflicht obliegt, damit die Wohlfahrtskasse den Zusatzbeitrag dem Zweck entsprechend vereinnahmen kann.

Diese Auslegung ist auch bei gesetzeskonformem Verständnis der in Rede stehenden Verordnungsbestimmung geboten, da nach §68 ÄrzteG der Anspruch der früheren Ehegattin auf Witwenversorgung nicht davon abhängig ist, daß der Arzt Pflichten zur Meldung der Wiederverehelichung und zur Zahlung eines Zusatzbeitrages ab der Wiederverehelichung nachkommt.

Gerade das aber hat die belangte Behörde verkannt und mit dem bekämpften Bescheid das Begehren der Beschwerdeführerin mit der Begründung abgewiesen, daß ihr ehemaliger Ehegatte weder einen zusätzlichen Beitrag geleistet noch seine Wiederverehelichung gemeldet habe. Aus der Zahlungssäumnis resultiert zwar, daß die Wohlfahrtskasse ausständige zusätzliche Beiträge - so wie andere Beitragsrückstände - gegenüber der Verlassenschaft des verstorbenen Mitglieds geltend machen kann, nicht aber, daß sie gegenüber der früheren Ehegattin von einer Verpflichtung zur Leistung der Witwenversorgung entbunden wäre. Die belangte Behörde hat damit die in Rede stehenden Verordnungsbestimmungen in denkunmöglicher Weise angewendet und die Beschwerdeführerin - die denkunmögliche Anwendung einer Rechtsvorschrift stellt nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ein Indiz für Willkür dar (vgl. zB VfSlg. 8006/1977 und 13372/1993) - durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt. Der Bescheid ist daher aufzuheben.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,-- enthalten.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Auslegung verfassungskonforme, Ärzte Versorgung, Witwenpension, Versorgungsrecht Ärzte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B3811.1995

Dokumentnummer

JFT_10029699_95B03811_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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