TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/5 L518 2194807-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.07.2018
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Entscheidungsdatum

05.07.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L518 2194807-1/3E

L518 2194803-1/3E

L518 2194805-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, vertreten durch RA Mag. Ingeborg Haller, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, Außenstelle Salzburg, vom 27.03.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß 28 Abs. 1 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF, §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, §§ 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm §§ 9 und 18 (1) BFA-VG, BGBl I Nr. 87/2012 idgF sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG2005, BGBl 100/2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, vertreten durch RA Mag. Ingeborg Haller, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, Außenstelle Salzburg, vom 27.03.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß 28 Abs. 1 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF, §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, §§ 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm §§ 9, 18 (1) BFA-VG, BGBl I Nr. 87/2012 idgF sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG2005, BGBl 100/2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, vertreten durch seine Mutter als gesetzliche Vertreterin, diese wiederum vertreten durch RA Mag. Ingeborg Haller, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, Außenstelle Salzburg, vom 27.03.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß 28 Abs. 1 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF, §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, §§ 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm §§ 9, 18 (1) BFA-VG, BGBl I Nr. 87/2012 idgF sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG2005, BGBl 100/2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

BESCHLUSS

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, vertreten durch RA Mag. Ingeborg Haller, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, Außenstelle Salzburg, vom 27.03.2018, Zl. XXXX , beschlossen:

A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung

zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, vertreten durch RA Mag. Ingeborg Haller, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, Außenstelle Salzburg, vom 27.03.2018, Zl. XXXX , beschlossen:

A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung

zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, vertreten durch seine Mutter als gesetzliche Vertreterin, diese wiederum vertreten durch RA Mag. Ingeborg Haller, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, Außenstelle Salzburg, vom 27.03.2018, Zl. XXXX , beschlossen:

A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung

zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als "bP1" bis "bP3" bezeichnet), sind Staatsangehörige der Republik Armenien und brachten nach rechtswidriger und schlepperunterstützter Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 22.09.2017 bei der belangten Behörde (in weiterer Folge "bB") Anträge auf internationalen Schutz ein.

Die weibliche bP2 ist die Mutter von bP1 und bP2.

In Bezug auf das bisherige verfahrensrechtliche Schicksal bzw. das Vorbringen der bP im Verwaltungsverfahren wird auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen, welche wie folgt wiedergegeben werden (Wiedergabe an dem angefochtenen Bescheid in Bezug auf bP1):

"...

(Es folgen entscheidungsrelevante Auszüge aus der Erstbefragung)

[...]

11. Warum haben Sie ihr Land verlassen (Fluchtgrund):

(Die Befragung hat sich gem. § 19 Absatz 1 AsylG 2005 nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen, ist aber durch den AW in eigenen Worten abschließend zu beantworten. In einer Darstellung von ca 1/2 Seite sollten die 6W (Wer, Wann, Was, Wo, Wie, Wieso) abgedeckt sein)

Ich war beim armenischen Militär, zudem Zeitpunkt stellten die Behörden fest, dass mein Urgroßvater ein Aserbaidschaner war. Armenien und Aserbaidschan führen einen Krieg, solche Menschen wie ich sterben dort jeden Tag. In Militär wurde ich gefoltert und erniedrigt, man wollte mich nicht in Ruhe lassen. Nach dem Militär, als ich nach Jerewan zurückgekommen bin haben mich alle meine Freunde sehr feindlich behandelt. Das Geschäft von meinem Vater wurde in Brand gesetzt.

11.1. Was befürchten Sie bei einer Rückkehr in Ihre Heimat?

Ich werde ermordet.

[...]

Nachdem im Zuge der Erstbefragung festgestellt wurde, dass die bP mit einem Schengen-Visum, welches bP1 von der italienischen Botschaft in JEREWAN erteilt wurde, nach Österreich, weiter bP2 und bP3 mit einem Visum, welches von der litauischen Botschaft erteilt wurde, einreisen konnten, wurden Dublin-Konsultationen mit den Staaten Italien und Litauen bezüglich einer möglichen Rückübernahme aufgenommen. Eine Mitteilung gem. § 28 Abs. 2 AsylG wurde Ihnen ausgefolgt.

Nachdem die Dublin - Konsultationen ergebnislos verliefen, wurde das Asylverfahren am 15.12.2017 zugelassen. Entsprechend wurde den bP eine § 51 Aufenthaltsberechtigungskarte ausgefolgt.

Seit 27.09.2017 befinden Sie sich in Unterkünften im Bundesland Salzburg.

Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor XXXX , ASt am 26.01.2018 gaben Sie vor einem Organwalter des Bundesamtes Folgendes an:

(Rechtschreibfehler berichtigt)

[...]

Frage an die Vertrauensperson: In welchem Verhältnis stehen Sie zu dem Asylwerber, bzw. seiner Mutter?

VertrP.: Die Mutter des AW ist eine Freundin meiner Ehefrau. Bis jetzt habe ich die armenische Familie bei mir beherbergt. Ich besitze in XXXX ein Haus. Wir stellten aber einen Antrag auf Aufnahme in die Grundversorgung, da die Familie Privatsphäre braucht.

Die Vertrauensperson wird belehrt, ausschließlich passiv an der Einvernahme teilnehmen zu dürfen.

LA: Haben Sie ein Mobiltelefon?

VP: Nein.

LA: Verstehen Sie diese Dolmetscherin einwandfrei?

VP: Ja.

LA: Frage an die Dolmetscherin: Wie verstehen Sie den Asylwerber?

DM: Sehr gut.

LA: Wo wohnen Sie zurzeit?

VP: In XXXX bei meiner Vertrauensperson.

LA: Wann reisten Sie von Armenien nach Österreich?

VP: Am 22.09.2017.

LA: Wann sind Sie aus Armenien ausgereist?

VP: Etwa drei Wochen vor meiner Einreise flogen wir von JEREWAN nach Italien. Von Italien reisten wir am Landweg nach Österreich.

LA: Warum gaben Sie bei Ihrer Erstbefragung an, über Russland ausgereist zu sein?

VP: Mein Vater organisierte diese Reise. Dieser riet uns, dass wir bei der Erstbefragung angeben sollten, über Russland eingereist zu sein.

LA: Was hätte das für einen Grund?

VP: Ich weiß es nicht.

LA: Werden Sie heute auch falsche Angaben machen?

VP: Ich bin heute bei der Wahrheit.

Anmerkung:

Der AW wird auf die "Wahrheitspflicht" hingewiesen und dass sich dies bezüglich einer Glaubwürdigkeitsprüfung negativ auswirken kann.

LA: Besitzen Sie Dokumente, die Ihre Person bestätigen können, oder können Sie solche beschaffen?

VP: Nein.

LA: Wo befindet sich Ihr Reisepass?

VP: Mein Schlepper hat uns die Reisepässe weggenommen.

LA: Warum haben Sie sich nicht bemüht, diese Pässe zurückzubekommen?

VP: Wir wurden bis nach XXXX bis zum OBI-Baumarkt gebracht. Uns wurde gesagt, dass wir die Pässe zurückbekommen werden. Ich kannte meinen Schlepper nicht persönlich, alles wurde von meinem Vater organisiert.

LA: Wo ist Ihr Vater aufhältig?

VP: Ich weiß es nicht.

LA: Wo war er bei Ihrer Ausreise aufhältig?

VP: Als wir in Italien angekommen sind, habe ich meinen Vater zum letzten Mal gesehen. Wir wurden getrennt. Seitdem fehlt jeder Kontakt.

LA: Haben Sie seit September 2017 keinen Kontakt mehr mit Ihrem Vater, auch nicht telefonisch?

VP: Nein, kein Kontakt.

LA: Reiste Ihr Vater mit Ihnen und Ihren Angehörigen gemeinsam aus Armenien aus?

VP: Ja.

LA: Haben Sie sonst ein Identifikationsdokument?

VP: Nein.

LA: Haben Sie außerdem Dokumente vorzulegen?

VP: Nein.

LA: Wurde Ihnen von Armenien aus ein Ausreisevisum erteilt?

VP: Ich weiß nichts davon, das wurde alles von meinem Vater organisiert.

LA: Sahen Sie in Ihrem Reisepass nicht einen entsprechenden Aufkleber?

VP: Ich habe es nicht registriert.

Anmerkung:

Visa - Abfrage positiv - italienisches Schengen - Visum vom XXXX .

LA: Wurde Ihnen von der italienischen Botschaft, bzw. Konsulat in JEREWAN am XXXX ein Visum Typ "C" ausgestellt?

VP: Ja. Das wurde von meinem Vater organisiert.

LA: Für welchen Zweck wurde Ihnen dieses Visum erteilt?

VP: Ich weiß es nicht.

LA: Wie lange galt Ihr Visum?

VP: Ich weiß es nicht.

LA: Wird nach Ihnen in Armenien gefahndet, bzw. bestehen Ausschreibungen bezüglich Ihrer Person in Armenien?

VP: Nein.

LA: Fühlen Sie sich körperlich und geistig in der Lage, der gegenständlichen Einvernahme zu folgen?

VP: Ja.

LA: Wie geht es Ihnen? Leiden oder litten Sie an irgendwelchen gesundheitlichen Problemen, gibt es bestehende Krankheiten oder benötigen Sie aktuell bestimmte medizinische Betreuung oder Medikamente?

VP: Mir geht es gut. Ich bin gesund und benötige keine Medikamente.

LA: Wie ist Ihr Familienstand?

VP: Ledig, keine Kinder.

LA: Mit wem sind Sie nach Österreich gereist?

VP: Mit meiner Mutter (..) und meinem jüngeren Bruder (...).

LA: Wo in Italien haben Sie Ihren Vater aus den Augen verloren?

VP: Ich kenne den Ort nicht.

LA: Wollen Ihre Mutter und Ihr Bruder andere, von Ihnen abweichende Ausreisegründe vorbringen?

VP: Nein, wir alle haben das gleiche Problem.

LA: Sind Ihre Mutter und Ihr Bruder gesund?

VP: Ja.

LA: Sind Sie damit einverstanden, dass gemeinsam mit Ihren Asylverfahren die Verfahren Ihrer Mutter und Ihres Bruders geführt werden?

VP: Ja, ich bin einverstanden.

LA: Nehmen Sie Drogen oder Drogenersatzstoffe?

VP: Nein.

LA: Werden Sie anwaltlich vertreten?

VP: Ja, ich beauftragte die Rechtsanwaltskanzlei Ingeborg HALLER mit meiner Vertretung.

LA: Ist Ihnen bewusst, dass es bei der gegenständlichen Einvernahme um die Behandlung Ihres Antrages auf internationalen Schutz geht?

VP: Ja.

LA: Ihre Angaben im Asylverfahren werden vertraulich behandelt und keinesfalls an die Behörden ihres Heimatlandes oder an andere Personen ohne Ihre Zustimmung weiter geleitet. Ist ihnen diese Vertraulichkeit bewusst?

VP: Ja.

LA: Haben Sie im Verfahren bis jetzt, also in der Niederschriften mit der Polizei und Ihren Einvernahmen beim BFA immer der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht?

VP: Ja. Bis auf meine Angaben bezüglich Russland.

LA: Stimmen Ihre sonstigen Angaben in Ihrer Erstbefragung?

VP: Ja.

LA: Wurde Ihnen diese Protokolle richtig rückübersetzt und wurde alles korrekt protokolliert?

VP: Ja.

LA: Wo in Armenien sind Sie geboren und wo haben Sie sich aufgehalten?

VP: Ich wurde in der Hauptstadt JEREWAN am 25.04.1997 geboren. Ich hielt mich immer in JEREWAN auf, besuchte dort 12 Jahre lang die Schule und studierte Wirtschaftswissenschaften und internationale Verwaltung an der Universität JEREWAN. Vom 14.07.2015 bis zum 16.07.2017 leistete ich meinen Wehrdienst ab und war im Ort XXXX stationiert. Übungen hatten wir auch außerhalb. Nachgefragt gebe ich an, dass ich in XXXX in einer Kaserne untergebracht war, ich musste mich im Rahmen meiner Truppe (Infanterie - Bataillon) auch am Berg - Karabach - Konflikt beteiligen. Nach meinem Abrüsten kehrte ich heim zu meiner Familie und verfolgte bis zu meiner Ausreise keine Ausbildung, bzw. Arbeit.

LA: Wie oft durften Sie während Ihres Grundwehrdienstes nach Hause fahren?

VP: Ich hatte einmalig Anfang 2016 die Möglichkeit, meine Familie zu besuchen.

Anmerkung: Der LA lässt sich den Geburtsort vom AW auf einer Google - Maps - Karte zeigen.

LA: Welche Staatsangehörigkeit haben Sie?

VP: Armenien.

LA: Welche Staatsangehörigkeit haben Ihre Eltern?

VP: Armenien.

LA: Ist Ihr Familienname ein armenischer Namen?

VP: Ja.

LA: Wo befindet sich Ihr Vater:

VP: Ich habe keine Information darüber.

La. Haben Sie weitere Familienangehörige in Armenien?

VP: Nein.

LA: Haben Ihr Vater oder Ihre Mutter keine Geschwister?

VP: Mein Vater hat einen Bruder, welchen ich nie gesehen habe. Meine hat soweit ich weiß, keine Verwandten.

LA: Leben Ihre Großeltern noch?

VP: Nein, sie sind bereits verstorben.

LA: Sind irgendwem gegenüber sorge- bzw. unterhaltspflichtig?

VP: Nein.

LA: Gibt es Angehörige in Österreich, außer Ihren mitgereisten Angehörigen?

VP: Nein.

LA: Warum kommen Sie gerade nach Österreich?

VP: Mein Vater beauftragte einen Schlepper und die sämtliche Reise wurde von diesem Schlepper organisiert. Der Schlepper hat entschieden, dass ich nach Österreich komme.

LA: Ist nicht für Sie das "Verschwinden Ihres Vaters in Italien" auch nicht glaubhaft?

VP: Wir waren der Meinung, dass wir am gleichen Ort ankommen.

LA: Bemühten Sie sich bezüglich einer Personensuche über das Internationale Rote Kreuz?

VP: Nein.

Anmerkung:

Der AW wird auf die Personensuche über das IRK aufmerksam gemacht und darauf hingewiesen, dass im Warteraum des BFA entsprechende Aushänge vorhanden sind.

LA: Zu wem in Ihrer Familie besteht Kontakt?

VP: Zu niemandem in Armenien.

LA: Wer arrangierte Ihre Ausreise aus Armenien?

VP: Mein Vater.

LA: Wie viel haben Sie für die Reise bezahlt?

VP: Das weiß ich nicht.

LA: Sind Sie "legal" ausgereist?

VP: Ja.

LA: Welcher Religion gehören Sie an?

VP: Christ - Armenisch Apostolisch.

LA: Wurden Sie aus Gründen ihrer Religion verfolgt?

VP: Nein. In Armenien sind fast nur Christen.

LA: Gab es in Armenien jemals eine Verfolgung Ihrer Person aufgrund Ihrer Nationalität als armenischer Staatsbürger?

VP: Nein.

LA: Welcher ethnischen Volksgruppe gehören Sie an?

VP: Armenier.

LA: Gab es in Armenien jemals eine Verfolgung Ihrer Person aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit?

VP: Nein.

Nach den allgemeinen Fragen zu Ihrer Reise und Ihren persönlichen Umständen werde ich Sie nun zu Ihrem Fluchtgrund befragen.

LA: Was waren alle Ihre konkreten, die genauen und zeitlich aktuellen Gründe, dass Sie Armenien verlassen mussten und Sie nicht zurück nach Armenien können, erzählen Sie bitte?

VP: Beginn der freien Erzählung:

Ich habe in Armenien ein nationales Problem. Der Großvater meines Vaters Seite war aserbaidschanischer Herkunft. Ich war beim Militär, als dies herausgekommen ist. Ich habe es dort erfahren, weil meine Kameraden, welche mit mir Wehrdienst leisteten, mich als Aserbaidschaner bezeichneten und immer wieder demütigten und erniedrigten. Die Kameraden gaben mir während meines Grundwehrdienstes ein nicht funktionierendes Gewehr, mit dem ich mich nicht verteidigen konnte. Mir wurde dann unterstellt, nachgefragt am 01.04.2016, das ich nicht auf Aserbaidschaner schießen will. Aus diesem Grund habe ich zwei Tage an diesem Einsatzort, im Dorf XXXX verbringen müssen. Nach vier Tagen kehrten wir in die Kaserne nach XXXX zurück. Der Kasernen Kommandant stellte mich zur Rede, er rief mich vor angetretener Truppe aus, ich musste vortreten. Ich wurde von ihm beleidigt und als Aserbaidschaner bezeichnet. Ich wurde weiter gedemütigt. Erst nachdem mir das von meinem Vater zu Hause erzählt wurde, nach meinem Abrüsten, wurde mir klar, woher diese Anschuldigungen beim Militär gekommen sind. Ich habe mich an die Militärpolizei gewendet, welche mir sagte, dass sie nichts machen kann und ich nicht beschützt werde. Das ist der Grund warum ich Armenien verlassen habe.

Ende der freien Erzählung.

LA: Kann man diesen Aserbaidschaner als Ihren "Urgroßvater" bezeichnen?

VP: Ja.

LA: Wie erfuhren Ihre Kameraden, dass Ihr "Urgroßvater" Aserbaidschaner war?

VP: Ich weiß es nicht, wie sie das erfahren haben, weil ich das selber nicht wusste.

LA: Woher wissen Sie, dass Ihr "Urgroßvater" Aserbaidschaner war?

VP: Als ich meinen Wehrdienst beendet hatte, hat mir das mein Vater gesagt.

LA: Wie kommen Sie dann zu der Behauptung, dass Ihre früheren Kameraden vorher wussten, dass Ihr "Urgroßvater" Aserbaidschaner war?

VP: Ich weiß es nicht, wie sie auf das gekommen sind. Ich wurde immer als Aserbaidschaner bezeichnet.

LA: Erging es anderen Kameraden ähnlich?

VP: Nein, nur mir.

LA: Woher kommt dann diese Information?

VP: Ich weiß es nicht, da ich es selber nicht wusste.

LA: Gibt es Beweise für die Abstammung Ihres Urgroßvaters?

VP: Nein, Mein Vater hat es mir später gesagt.

LA: Von wann bis wann lebte denn Ihr Urgroßvater?

VP: Das weiß ich nicht.

LA: Werden beim Militär Waffen nicht von Vorgesetzten, bzw. Nachschubs Organen ausgegeben?

VP: Ja, ich bekam diese Waffe von meinem Nachschubs Unteroffizier.

LA: Wann bekamen Sie dieses Gewehr und wann sind Sie draufgekommen, dass die Waffe nicht funktionstüchtig ist?

VP: Am 01.04.2016 bekam ich diese Waffe. Die Unruhen eskalierten und bin draufgekommen als ich schießen wollte.

LA: Macht man nach der Übergabe einer Waffe keine Funktionskontrolle und eine Sicherheitskontrolle?

VP: Ich durfte die Waffe nicht auseinandernehmen.

LA: Was funktionierte nicht bei diesem Gewehr?

VP: Es war eine Pistole und ein Gewehr. Beim Gewehr konnte ich keinen Schuss abgeben und für die Pistole bekam ich nur eine einzige Patrone.

LA: Wie haben Sie diese beiden Tage an diesem Einsatzort, im Dorf XXXX verbracht?

VP: Ich verbrachte diese Zeit im Schützengraben und hielt mich gedeckt.

LA: Waren Sie alleine im Schützengraben oder befanden sich Kameraden bei Ihnen?

VP: Ich war zwei Tage alleine dort und wurde dann abgeholt.

LA: Beschreiben Sie den Abholvorgang?

VP: Es war nachts - ich wurde von einem Geländewagen "Willys" abgeholt. 10 m weit von meiner Position hielt dieser Wagen an und ich gab durch Rufen zu erkennen, wo ich war. Ich wurde zu meinem Posten zu meinem Vorgesetzten Gruppenkommandanten gebracht. Ich wurde angeschrien, warum ich mich nicht umgebracht hätte. Ich wäre ein unnützer Aserbaidschaner und ich soll die Seite wechseln.

LA: Warum haben Sie diese Anschuldigung "Aserbaidschanische Herkunft" nicht abgestritten?

VP: Mir wurde kein Gehör geschenkt.

LA: Haben Sie sich im Rahmen des "Rapport" bezüglich einer persönlichen Aussprache an Ihren Vorgesetzten gewendet?

VP: Ich habe es versucht, mir wurde es nicht gewährt.

LA: Ereignete sich dies alles im April 2016?

VP: Ja.

LA: Woher hatte dieser Kasernenkommandant diese Information?

VP: Ich weiß es nicht.

LA: Beruhen diese Informationen und die folgenden Anschuldigungen auf Mutmaßungen?

VP: Das weiß ich nicht.

LA: Haben Sie sich bezüglich Ihrer angesprochenen Probleme an eine Menschenrechtsorganisation gewendet?

VP: Nein.

LA: Gab es nach dem April 2016 bis zu Ihrem Abrüsten im Juli 2017 noch weitere Probleme?

VP: In der Kaserne wurde ich von meinen Kameraden schlecht behandelt. Ich wurde geschlagen und gepeinigt.

LA: Haben Sie sich diesbezüglich bei Ihren Vorgesetzten beschwert?

VP: Mir wurde nicht geglaubt und ich wurde nicht angehört.

LA: Konnten Sie nach Ihrem Abrüsten in JEREWAN ein normales Leben führen?

VP: Als ich heimkehrte, habe ich erfahren, dass das Gemüsegeschäft meines Vaters in Brand gesetzt wurde, die Nachbarschaft mit uns verfeindet ist und mein Bruder die Schule nicht die Schule besucht.

LA: Wann war dieser Brand? Gibt es Beweise dass dies mit Ihren Vorfahren in Verbindung steht?

VP: Nein.

LA: Wurden gegen Ihren Vater Bedrohungshandlungen gesetzt?

VP: Ich weiß es nicht.

LA: Wie kam diese Information nach so langer Zeit zum Vorschein?

VP: Ich weiß es nicht.

LA: Ich bin mit den Fragen zu den Fluchtgründen soweit fertig. Wollen Sie dazu noch etwas sagen? Haben Sie alle Ihre Gründe geltend gemacht? Hatten Sie genug Zeit und Möglichkeit, alle Ihre Gründe geltend zu machen?

VP: Ich konnte alles schildern, warum ich aus Armenien ausgereist bin.

LA: Sie leben in einer Unterkunft in XXXX . Stimmt das?

VP: Ja.

LA: Haben Sie außerhalb Ihrer Unterkunft bereits soziale Kontakte zur österreichischen Gesellschaft?

VP: Wir haben Kontakte, vor allem über die Schulkollegen meines kleinen Bruders.

LA: Betätigen Sie sich bei karitativen Organisationen oder anderen Vereinen?

VP: Nein.

LA: Sprechen Sie Deutsch?

VP: Ja.

LA: Stellen Sie sich bitte kurz auf Deutsch vor:

VP: Ich heiße Robert. Ich komme aus Armenien. Ich bin 20 Jahre alt. Hier ich habe eine Mutter und einen Bruder.

LA: Haben Sie in Österreich schon einmal Probleme mit Behörden, Polizei, Gericht oder anderen Institutionen gehabt?

VP: Nein.

LA: Wurden Sie schon einmal strafgerichtlich verfolgt bzw. verurteilt? Hatten Sie Probleme mit Verwaltungsbehörden aufgrund schwerer Verwaltungsstraftaten?

VP: Nein.

LA: Haben Sie sich jemals in oder außerhalb von Armenien politisch betätigt, gehören Sie irgendeiner politischen Organisation oder Partei an?

VP: Nein.

LA: Hat sich jemand in Ihrer Familie politisch engagiert?

VP: Nein.

LA: Möchten Sie zu den von Ihnen im Zuge der Befragung gemachten Angaben, insbesondere zu ihrer Person, Ihrem Reiseweg oder betreffend vorhandener Dokumente, Fluchtgrund etwas berichtigen, ergänzen oder hinzufügen? Sie werden nochmals darauf hingewiesen, dass Ihre Angaben die Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren sind und dass hervorkommende Widersprüche, Abweichungen von bereits getätigten Angaben oder sonstige Tatsachenabweichungen ihre Glaubwürdigkeit maßgeblich beeinflussen.

VP: Ich konnte alles schildern.

LA: Ich beende somit die Einvernahme.

Anmerkung: Die obigen Angaben werden dem Antragsteller rückübersetzt.

Nach erfolgter Rückübersetzung:

LA: Wurde alles aufgeschrieben und richtig protokolliert was Sie mündlich angegeben haben? Sollte das nicht der Fall sein, so können Sie jetzt noch weitere Angaben tätigen, Sie können auch sonst noch Aussagen treffen, die Sie Ihrer Meinung nach in der Entscheidung des Bundesamtes berücksichtigt haben wollen. Erläuternd darf dazu angemerkt werden, dass Sie in weiterer Folge in diesem Verfahren keine neuen Sachverhalte mehr vorbringen können, diese würden nicht mehr berücksichtigt werden. Weiter wird festgehalten, dass die Verständigung in Somalisch problemlos war, Sie alles verstanden haben und auch alles so schildern konnten, wie Sie wollten.

VP: Ich möchte folgendes anmerken:

Seite 6 Ich durfte nur einmal eine knappe Woche mein Elternhaus während des Grundwehrdienstes besuchen, alle anderen Kameraden durften zweimal 10 Tage nach Hause kehren. Mir wurde kein weiterer Heimataufenthalt gewährt.

Seite 9 Ich möchte anmerken, dass mir seitens meine militärischen Dienststelle kein Wehrdienstausweis ausgehändigt wurde, ich habe im Krankenrevier im Zuge der Abrüster Untersuchungen meinen Ausweis am Tisch liegen sehen und musste in das Krankenrevier durch das Fenster einsteigen, und hab mir in der Nacht meine Papiere geholt. Auch könnte ich jederzeit wieder eingezogen werden. Für das Entwenden meines Ausweises könnte ich bestraft werden.

Nach dem Abrüsten wollte ich mein Studium fortsetzen, das wurde mir erschwert - von der Leitung der Universität wurde gesagt, dass für mich kein Platz wäre.

LA: Wollen Sie eine Kopie der Niederschrift?

VP: Ja

LA: Ich werde Ihnen die landeskundlichen Feststellungen zu Ihrem Herkunftsstaat aushändigen. Es steht Ihnen frei, binnen von 2 Wochen eine Stellungnahme darauf abzugeben.

LA: Ich möchte Ihnen noch eine Aktion des BFA näherbringen. Es besteht die Möglichkeit "freiwillig unterstützt" auszureisen. Es wird Geld in Aussicht gestellt.

Anmerkung:

Die RETURN ASSISTANCE - Informationsblatt wird ausgegeben.

LA: Haben Sie die Dolmetscherin immer gut verstanden?

VP: Ja.

[...]

Die Zweiwochenfrist zum Einbringen einer Stellungnahme zu den landeskundlichen Feststellungen Ihres Herkunftsstaates verstrich Ihrerseits ungenutzt.

..."

bP2 - bP3 beriefen sich auf die Gründe der bP1 und auf den gemeinsamen Familienverband.

I.2. Die Anträge der bP auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der bB gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung in Bezug auf Armenien gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG nicht gewährt.

In Bezug auf sämtliche bP wurde ein im Spruch inhaltlich gleichlautender Bescheid erlassen, weshalb sich aus dem Titel des Familienverfahrens gem. § 34 AsylG ebenfalls kein anderslautender Bescheid ergab.

I.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der bP in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft und führte hierzu Folgendes aus (Wiedergabe an dem angefochtenen Bescheid in Bezug auf bP1):

Sie gaben bei Ihrer Erstbefragung am 22.09.2017 zu Protokoll, dass während der Ableistung Ihres Wehrdienstes die Behörden in Armenien feststellten, dass Ihr Ur-Urgroßvater aserbaidschanischer Abstammung gewesen wäre. Sie schilderten weiter, dass Armenien gegen Aserbaidschan Krieg führen würde und Sie beim Militär erniedrigt und gefoltert worden seien. Nach Ihrem Abrüsten wären Sie in JEREWAN von Ihren Freunden sehr feindlich behandelt worden, auch das Geschäft Ihres Vaters wäre in Brand gesetzt worden. Dieses Vorbringen wird der nachfolgenden Beweiswürdigung zugrunde gelegt, andere Fluchtgründe haben Sie über ausdrückliches Nachfragen nicht geltend gemacht.

Vorab sah sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl veranlasst, sich mit der Frage zu beschäftigen, ob Sie unabhängig Ihres Fluchtvorbringens von potenzieller "vulnerability" betroffen sind. Nachdem Sie als gesunder und erwachsener junger Mann zu betrachten sind, ist diese Frage zu verneinen.

Die von Ihnen zu Protokoll gegebenen personsbezogenen Daten sowie Lebensgeschichte bieten keine Hinweise auf das Vorliegen einer individuell besonders herausragenden Stellung Ihrer Person innerhalb der armenischen Gesellschaft, etwa durch Geburt, sozialer Stellung, religiösen Fachwissens, etc. Das bedeutet in Verbindung mit Ihrem unbedenklichen Gesundheitszustand und Kenntnis der Amts-/Landessprache auf Muttersprachenniveau im Grundsätzlichen, dass eine neuerliche gesellschaftliche Sozialisation Ihrer Person in Armenien Platz greifen kann. In diesem Zusammenhang wird darauf hinzuweisen sein, dass Sie hier in Österreich über keinerlei sonstiges familiäres Umfeld verfügen und dazu noch mit kulturellen, sprachlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen konfrontiert sind, die Ihnen völlig fremd sein müssen. Wenn man dann noch bedenkt, dass Sie bis nach Österreich reisen konnten - und dies ohne Sprachkenntnisse oder sonstige Unterstützung - dann wird man wohl davon ausgehen müssen, dass Sie mangels Anzeichen beachtenswerter psychischer/physischer Problemstellungen im Grundsätzlichen nicht einer besonderen Schutzwürdigkeit bedürfen und eine Rückkehr nach Armenien, d.h. in eine Ihnen soziokulturell und sprachlich vertraute Umgebung, zumutbar ist.

Wie dem Protokoll Ihrer Erstbefragung zu entnehmen ist, hätten die Behörden in jener Zeit, als Sie in Armenien Ihrer Wehrpflicht nachkamen, festgestellt, dass Ihr Ur-Urgroßvater aserbaidschanischer Abstammung gewesen wäre. Armenien und Aserbaidschan würden Krieg führen und Sie wären beim Militär gefoltert und erniedrigt worden. Man hätte Sie nicht in Ruhe gelassen und nach Ihrem "Abrüsten", als Sie nach JEREWAN zurückkehrten, wären Sie von Ihren Freunden feindlich behandelt worden. Abschließend gaben Sie zu Protokoll, dass das Geschäft Ihres Vaters in Brand gesetzt wurde.

Bei Ihrer Einvernahme am 26.01.2018 wurde, noch bevor Sie zu Ihrem Fluchtvorbringen befragt wurden, auf Ihre persönlichen Umstände, bzw. Ihren Lebenslauf eingegangen. Sie wären im Jahr 1997 in Armenien von armenischen Eltern geboren worden und hätten während Ihrer Kindheit und Jugend eine 12jährige Schulbildung absolviert. Sie hätten im Anschluss an der Universität JEREWAN "Wirtschaftswissenschaft" und "Internationale Verwaltung" studiert und hätten vom Juli 2015 bis zum Juli 2017 Ihren Wehrdienst abgeleistet.

Das ist auch im Einklang mit den landeskundlichen Feststellungen, denn in Armenien besteht eine 24monatige Wehrpflicht.

Ebenso ist zu entnehmen, dass die Möglichkeit besteht, aus Gründen eines Hochschulstudiums eine Rückstellung des Wehrdienstes zu beantragen, wovon Sie offensichtlich keinen Gebrauch machten.

In einer Kaserne in XXXX wären Sie einem Infanteriebataillon zugeordnet worden und hätten auch Übungen, bzw. Ausbildungsvorhaben an anderen Orten absolviert.

XXXX liegt im Westen Armeniens an der Grenze zu Aserbaidschan.

Sie hätten während der Ableistung Ihres Wehrdienstes nur einmalig Ihr Elternhaus besuchen dürfen und schilderten, dass Ihre Kameraden, welche mit Ihnen gemeinsam den Wehrdienst ableisteten, zweimalig einen Heimaturlaub konsumieren durften. Nach Ihrem Abrüsten im Juli 2017 wären Sie keiner Beschäftigung mehr nachgegangen. Mit Ihrem von der italienischen Botschaft in JEREWAN ausgestellten Visum wären Sie gemeinsam mit Ihrer Mutter und Ihrem Bruder drei Wochen vor Ihrer Antragstellung am Luftweg nach Italien gereist und von dort am Landweg weiter nach Österreich, wo Sie am 22.09.2017 Ihren Asylantrag stellten.

Es stellt sich die Frage, warum Sie nicht im sicheren EU-Land Italien einen Asylantrag gestellt haben.

Im Rahmen einer "Freien Erzählung" bekamen Sie die Möglichkeit, Ihre Ausreisegründe vorzubringen. Sie schilderten, dass Sie in Armenien ein nationales Problem hätten. Der Großvater Ihres Vaters wäre aserbaidschanischer Abstammung gewesen. Dies hätte sich zu jenem Zeitpunkt herausgestellt, als Sie Ihren Wehrdienst ableisteten. Ihre Kameraden hätten Sie als Aserbaidschaner bezeichnet und immer wieder gedemütigt und erniedrigt. Von Ihren Kameraden hätten Sie auch ein nicht funktionierendes Gewehr erhalten, mit welchem Sie sich nicht verteidigen konnten. Anschließend wäre Ihnen bei einem Einsatz im Dorf XXXX , welches im BERGKARABACH-Gebiet, Aserbaidschan liegt, unterstellt worden, dass Sie nicht auf Aserbaidschaner schießen wollen. Nach vier Tagen Einsatz wäre Ihr Bataillon in die Heimatgarnison, die Kaserne in XXXX zurückgekehrt. Vor angetretener Truppe wären Sie durch den Kasernenkommandanten aufgerufen und zur Rede gestellt worden. Sie wären dann von diesem Offizier als Aserbaidschaner bezeichnet und weiter beleidigt worden.

Nach Ihrem Abrüsten wäre Ihnen aufgrund der Erzählungen Ihres Vaters klar geworden, woher die in der Vergangenheit liegenden Anschuldigungen während Ihrer Militärzeit gekommen wären. Auch hätten Sie sich an die Militärpolizei gewandt, welche Ihnen entgegnet hätte, dass Sie nicht beschützt werden könnten. Aus diesem Grund hätten Sie Armenien verlassen.

In Ihrer Freien Erzählung geht hervor, dass Sie erst nach Beendigung Ihres Wehrdienstes, sozusagen nach Ihrem "Abrüsten" den Grund Ihrer erlittenen Diskriminierungen erfahren hätten.

Befragt, wer dies in Umlauf gebracht hat, bzw. wer behauptet hat, dass Ihr Ur-Urgroßvater aserbaidschanischer Abstammung war, gaben Sie zu Protokoll, dies erst durch Ihren Vater nach Ihrer Heimkehr erfahren zu hätten, was wiederum bedeutet, dass Sie zwar während Ihres Wehrdienstes Schikanen und unwürdiger Behandlung ausgesetzt gewesen wären, jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nichts bezüglich einer möglichen aserbaidschanischen Abstammung wussten.

Demzufolge wird belegt, dass Sie erst nach Ihrem Abrüsten von der Abstammung Ihres Urgroßvaters Kenntnis erlangten und während Ihres Militärdienstes zwar Schikanen über sich ergehen lassen mussten, jedoch deren Ursache nicht kannten.

Sie wären während Ihres Grundwehrdienstes immerzu als Aserbaidschaner beschimpft worden und behaupten, dass Ihre Kameraden dies vor Ihnen gewusst haben.

Selbst dies ist nicht nachvollziehbar, da man einerseits selbst wissen sollte, woher seine Vorfahren stammen und warum auf einmal Kameraden, wohlgemerkt in der militärischen Hierarchie "Gleichgestellte" dies vor Ihnen erfahren haben sollten.

Sie würden, wiederholt befragt nicht wissen, woher diese Information kommen würden, auch würden keinerlei Urkunden oder stichhaltige Beweise vorliegen, welche diese seinerzeitige Abstammung belegen, sie würden sich lediglich auf die Erzählung Ihres Vaters, welche nach Ihrem "Abrüsten" erfolgte, berufen. Auch würden Sie nicht wissen, von wann bis wann Ihr Urgroßvater gelebt hat. Die Ableistung des Wehrdienstes basiert in jeder Armee auf die Eckpfeiler "Befehl" und "Gehorsam" - was in Zusammenschau geführt hätte, dass Sie von Ihrem Wehrdienst vorwiegend negative Erfahrungen mitgenommen haben, diese liegen jedoch in der Vergangenheit und sind auf die Gegenwart bezogen nicht mehr relevant.

Auch wurden Sie befragt, von wem Ihnen die "nicht funktionierende Waffe" ausgehändigt wurde, worauf Sie angaben, Ihre Waffe durch Ihren Nachschubs-Unteroffizier am 01.04.2016 ausgehändigt bekommen zu haben und erst nachdem Sie einen Schuss abgeben wollten, festgestellt hätten, dass diese Waffe nicht funktionieren würde. Sie schilderten ausführlicher, für Ihre Pistole nur einen Schuss Munition erhalten zu haben und dass Ihr Gewehr, für welches Sie mehr Munition erhalten hätten, nicht funktioniert haben soll.

Dazu muss der Zeitpunkt Ihres Wehrdienstes betrachtet werden. Sie sind im Juli 2015 eingerückt und erhielten diese Waffen am 01.04.2016. Demzufolge waren Sie bereits 10 Monate lang beim Militär in Ausbildung. Man kann auch annehmen, dass Sie das Bedienen einer Waffe innerhalb dieser Zeit erlernt haben müssen. Noch dazu sind Sie einem Infanterie-Bataillon zugeordnet worden, wessen Hauptaufgabe es ist, Flachfeuerwaffen zu bedienen und klassische Verfahren wie Verteidigung oder Angriffe am Land zu bewältigen. Man kann auch davon ausgehen, dass bei der Übernahme einer Schusswaffe durch ein fachkundiges Personal (Infanteriesoldat) sowohl eine Sicherheitskontrolle, als auch eine Funktionskontrolle durchgeführt wird. Dass Sie erst im Schützengraben draufgekommen sind, dass dieses Gewehr funktionsuntüchtig ist, ist selbst mit viel Phantasie nicht nachvollziehbar.

Auch muss die Lage bewertet werden, in welcher Sie sich als armenischer Soldat im Dorf XXXX , wohlgemerkt in der umkämpften BERGKARABACH-Region zum behaupteten Zeitpunkt befunden hätten.

Im Länderbericht der Konrad-Adenauer-Stiftung vom April 2016 wird von den schwersten Gefechten seit Inkrafttreten des brüchigen Waffenstillstands von 1994 berichtet. Die armenische Seite berichtet von mindestens 18 getöteten und 35 verletzten Soldaten. Aserbaidschan bestätigte bislang den Tod von 12 eigenen Soldaten. Ausführlicher wird auf diese Lageentwicklung in den Briefing Notes vom 04.04.2016, vom 11.04.2016 und vom 25.04.2016 eingegangen. Am Abend des 01.04.2016 wurde mit Raketen, Artillerie und Panzern der Waffenstillstand verletzt. Am 08.04.2016 wurden in BAKU, Aserbaidschan Vermittlungsgespräche zwischen dem russischen Ministerpräsidenten Dimitri MEDWEDEW und dem aserbaidschanischen Präsidenten Ilham ALIYEV aufgenommen. Laut Briefing Notes vom 25.04.2016 wird die vereinbarte Waffenruhe größtenteils eingehalten. Dies beschreibt ein "Aufflammen" des "eingefrorenen Konfliktes von

BERGKARABACH".

Dass Sie somit im Schützengraben, sozusagen "gedeckt" verharrten und warten mussten, bis Sie von einem "Willys"-Geländewagen abgeholt werden, ist unter Einbeziehung der militärischen Lage im BERGKARABACH-Gebiet zum Zeitpunkt April 2016 nicht nachvollziehbar. Es zeugt ferner von viel Phantasie, dass ein Vorgesetzter genau während dieser Kampfhandlungen erwartet hätte, dass Sie sich mit ihrem einzigen Schuss Pistolenmunition das Leben nehmen. Auch ist davon auszugehen, dass ein Gruppenkommandant während eines Einsatzes gewisse Fürsorgepflichten für die ihm anvertrauten Soldaten wahrnimmt.

Dazu muss intensiver auf den "eingefrorenen" BERGKARABACH-Konflikt eingegangen werden. Diese mehrheitlich von Armeniern bevölkerte Region im Südosten des kleinen Kaukasus, genauer auf dem Hoheitsgebiet von Aserbaidschan wird sowohl von Armenien, als auch von Aserbaidschan beansprucht. Nach dem Zerfall der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, in weiterer Folge als UdSSR bezeichnet, im Jahr 1991 entzündete sich dieser Konflikt. BERGKARABACH erklärte sich 1991 von Aserbaidschan unabhängig, diese Unabhängigkeit wird jedoch von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt. Immer wieder werden teils unbedeutende, teils intensive Brüche des Waffenstillstandes vom 1994 gemeldet.

Eine militärische Kampfgemeinschaft, ob es nun eine Gruppe, ein Zug, eine Kompanie oder Ihr Infanteriebataillon ist, verfolgt in einem solchen Einsatz ein einheitliches Ziel, nämlich die Erfüllung des militärischen Auftrages. Sie beschreiben jedoch, dass Sie genau am Höhepunkt dieser Gefechte im April 2016 in BERGKARABACH von Ihren Kameraden schikaniert worden seien, obwohl es dazu keinerlei Anlass gegeben hätte. Auch konnten die Ihrerseits behaupteten Folterhandlungen auf Schikanen, bzw. unbegründete Diskriminierungen eingeschränkt werden.

Warum sollte Ihnen ausgerechnet in dieser Situation Ihr Nachschubunteroffizier vorsätzlich ein nichtfunktionierendes Gewehr aushändigen?

Warum machen Sie nach der Übernahme Ihrer Waffe keine Funktionsprobe?

Warum führen Sie im Schützengraben nicht mit Ihren Kameraden einen Munitionsausgleich durch?

Warum sollten Sie alleine im Schützengraben zurückgelassen worden sein?

Warum melden Sie nicht Ihrem Vorgesetzten, dass Ihre Waffe nicht einsatzbereit ist und Sie für Ihre Faustfeuerwaffe nur eine Patrone haben?

Was haben Sie während der in der Vergangenheit liegenden 10 Monate Grundwehrdienst gelernt?

Warum sollte ausgerechnet am Höhepunkt dieser Kampfhandlung Ihr Gruppenkommandant von Ihnen verlangen, dass Sie sich das Leben nehmen?

Es konnten auf diese Fragen trotz intensiver Nachfrage keine plausiblen Antworten gefunden werden.

Sollten Ihre Kameraden während dieser Kampfhandlungen Sie tatsächlich als "Feind in ihren eigenen Reihen" angesehen haben, hätten diese bestimmt andere Möglichkeiten gehabt, Sie zu verletzten oder gar zu töten. Sie verblieben jedoch bis zum Juli 2017 in der armenischen Armee und konnten offensichtlich diesen Einsatz nachbereiten und fanden wieder in den militärischen Alltag in der Kaserne in XXXX zurück. Ihr Fluchtvorbringen wurde somit ausreichend analysiert und als nicht glaubhaft qualifiziert.

Weitere Überlegungen, ob dieses Vorbringen für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" geeignet ist, ist das "Nichtstellen eines Asylantrages in Italien und das wochenlange Zuwarten bis der Asylantrag erst bei Ablauf des Visums gestellt wurde.

Es wird einerseits durch Ihre legale Einreise (Visum) und andererseits durch Ihr Zuwarten von Ihrer Ausreise bis zu Ihrem Stellen eines Asylantrages kein "furchtauslösender Moment" erkannt, welcher auf eine "wohlbegründete Furcht" hinweisen würde.

Ebenso gibt es eine Vielzahl von Armeniern, die Vorfahren haben, welche aserbaidschanische Wurzeln haben. Dazu braucht man nur in die Zeit der UdSSR zurückblicken, wo es weniger relevant war, welche Abstammung man hat. Dazu wird auch in den landeskundlichen Feststellungen im Punkt ethnische Minderheiten eingegangen. Demzufolge würden heute nur wenige aserbaidschanische Volkszugehörige in Armenien, meist Ehepartner von Armeniern oder Abkömmlinge gemischter Ehen leben. Diese besitzen die armenische Staatsangehörigkeit, die Mehrzahl hat auch armenische Familiennamen angenommen. Auch wird in der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 27.12.2012 "Aserbaidschaner in Armenien" auf diesen Sachverhalt eingegangen. Es würde eine Vielzahl an nationalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen tätig sein, welche sich um die Interessen ethischer Minderheiten annehmen. Doch wie bereits begründet, sind weder Sie, noch Ihre Kernfamilie der Volksgruppe der Aserbaidschaner zuzuschreiben.

Glaubhafte Berichte über staatliche Repressionen liegen nicht vor.

Genau dies trifft auch auf Ihren Fall zu. Sie haben bis vor kurzem, genauer erst im Sommer 2017 erfahren, dass Ihr Ur-Urgroßvater aserbaidschanischer Abstammung gewesen sei. Sie und Ihre Angehörigen führen armenische Familiennamen und leben seit Generationen in Ihrem Heimatland. Genauso, so die Sicht des Bundesamtes, leben eine Vielzahl von Menschen, deren Ahnen aserbaidschanische Wurzeln verfügen, in Armenien.

Auch konnte keinerlei plausible Erklärung gefunden werden, woher die Behauptung, dass Ihr Ur-Urgroßvater aserbaidschanischer Abstammung gewesen sei, stammt. Unabhängig davon, ob dies nun zutrifft oder nicht, scheint es für das Bundesamt in

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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