Entscheidungsdatum
27.11.2018Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
G312 2148280-2/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Manuela WILD als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX,
StA.: IRAK, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.08.2018, Zl.
XXXX zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird als begründet stattgegeben und der Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX, (im Folgenden: belangte Behörde oder kurz BFA), vom 09.08.2018, Zl. XXXX, wurde XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer oder kurz BF) gemäß § 46 Abs. 2a und 2b FPG iVm § 19 AVG aufgetragen, zur Einholung eines Ersatzreisedokuments zum angegebenen Termin und Ort als Beteiligter persönlich zu kommen und an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisekokumentes mitzuwirken, konkret eine Terminvereinbarung mit der Botschaft zur Beantragung eines Ersatzreisedokumentes durchzuführen, sich anschließend bei der Botschaft einzufinden und ein solches zu beantragen. Die Terminvereinbarung hat innerhalb einer Woche ab Zustellung dieses Bescheides zu erfolgen. Des Weiteren hat der BF an der erkennungsdienstlichen Behandlung mitzuwirken und wahrheitsgemäße Angaben zu seiner Identität und Herkunft zu machen (Spruchpunkt I), die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Beschied wird ausgeschlossen (Spruchpunkt II).
2. Mit Schriftsatz vom 03.09.2018 erhob der BF durch seinen Rechtsanwalt Beschwerde gegen den im Spruch angeführten Bescheid und beantragte, die belangte Behörde möge ein psychiatrisches Gutachten zur Abklärung des psychischen Zustandes des BF veranlassen, zudem sei gegen das Erkenntnis des BVwG XXXXeine außerordentliche Revision beim VwGH eingebracht worden und werde beantragt, die Durchsetzung der Rückkehrentscheidung bis zum Vorliegen des Erkenntnis des VwGH auszusetzen.
3. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) von der belangten Behörde vorgelegt und am 04.09.2018 der Gerichtsabteilung G312 zugewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF beantragte am 29.04.2015 internationalen Schutz, welcher mit Bescheid vom 13.12.2017 abgewiesen wurde. Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis XXXXvom 17.07.2018 keine Folge gegeben, die Rückkehrentscheidung in den Irak ist in Rechtskraft erwachsen und seit 17.07.2018 durchführbar.
1.2. Der BF ist iraksicher Staatsangehöriger und somit Fremder iSd § 2 Abs. 4 Z 1 FPG, er hält sich seit der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung nicht rechtmäßig in Österreich auf.
1.3. Der BF hat einen irakischen Personalausweis im Original vorgelegt, sowie einen irakischen Staatsbürgerschaftsnachweis im Original, hat jedoch seit Rechtskraft der Rückkehrentscheidung kein Heimreisezertifikat beantragt.
1.4.1. Bei der Beschaffung eines Heimreisezertifikates handelt es sich um eine Selbstbeantragung, dh der BF muss selbst ein Heimreisezertifikat beantragen, dies kann gegenständlich nicht von der belangten Behörde erfolgen.
1.4.2. Der BF hat den verfahrensgegenständlichen Bescheid am 20.08.2018 zugestellt bekommen, die Wochen-Frist zur Terminvereinbarung mit der Botschaft endete am 27.08.2018.
1.5. Der BF leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung mit depressiver Verstimmung und befand sich vom 27.07.2018 bis 02.08.2018 in stationärer Behandlung.
2. Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte, des nunmehr dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Gerichtsakts sowie der mündlichen Verhandlung.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchteil A):
§ 46 Abs. 2a und 2b FPG lauten: "(2a) Das Bundesamt ist jederzeit ermächtigt, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen (insbesondere Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument) einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (§ 97 Abs. 1) auszustellen. Macht es davon Gebrauch, hat der Fremde an den Amtshandlungen des Bundesamtes, die der Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung oder der Ausstellung des Reisedokumentes gemäß § 97 Abs. 1 dienen, insbesondere an der Feststellung seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft, im erforderlichen Umfang mitzuwirken und vom Bundesamt zu diesem Zweck angekündigte Termine wahrzunehmen.
(2b) Die Verpflichtung gemäß Abs. 2 oder 2a Satz 2 kann dem Fremden mit Bescheid auferlegt werden. Für die Auferlegung der Verpflichtung gemäß Abs. 2a Satz 2 gilt § 19 Abs. 2 bis 4 iVm § 56 AVG sinngemäß mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Ladung die Auferlegung der Verpflichtung tritt; ein solcher Bescheid kann mit einer Ladung vor das Bundesamt oder zu einer Amtshandlung des Bundesamtes zur Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung bei der zuständigen ausländischen Behörde verbunden werden (§ 19 AVG). § 3 Abs. 3 BFA-VG gilt.
(3) Wer nicht durch Krankheit, Behinderung oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, hat die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden. Die Anwendung dieser Zwangsmittel ist nur zulässig, wenn sie in der Ladung angedroht waren und die Ladung zu eigenen Handeln zugestellt war; sie obliegt den Vollstreckungsbehörden.
(4) Eine einfache Ladung erfolgt durch Verfahrensanordnung."
Der Beschwerdeführer verfügt über kein Reisedokument und ist seit der Rechtskraft der Rückkehrentscheidung seiner Verpflichtung zur Ausreise in sein Heimatland nicht nachgekommen. Um seine Ausreise in sein Heimatland sicherzustellen, wurde ihm im angefochtenen Bescheid die Mitwirkung spruchgemäß aufgetragen.
3.2. Gemäß § 19 Abs. 1 erster Satz AVG ist die Behörde berechtigt, Personen, die in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt (Sitz) haben und deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen. Abs. 2 dieser Gesetzesstelle bestimmt, dass in der Ladung außer Ort und Zeit der Amtshandlung auch anzugeben ist, was den Gegenstand der Amtshandlung bildet, in welcher Eigenschaft der Geladene vor der Behörde erscheinen soll (als Beteiligter, Zeuge usw.) und welche Behelfe und Beweismittel mitzubringen sind. In der Ladung ist ferner bekanntzugeben, ob der Geladene persönlich zu erscheinen hat oder ob die Entsendung eines Vertreters genügt und welche Folgen an ein Ausbleiben geknüpft sind. Abs. 3 ordnet an, dass, wer nicht durch Krankheit, Behinderung oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, die Verpflichtung hat, der Ladung Folge zu leisten, und zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden kann. Die Anwendung dieser Zwangsmittel ist nur zulässig, wenn sie in der Ladung angedroht waren und die Ladung zu eigenen Handen zugestellt war. Gemäß Abs. 4 ist gegen die Ladung oder die Vorführung kein Rechtsmittel zulässig.
Der BF wendet ein, dass er sich nach Kräften bemüht, ein Ersatzreisedokument zu besorgen, dies jedoch derzeit aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht möglich sei. Er sei seit der Entscheidung des BVwG in massive Depressionen gefallen und habe am 27.07.2018 versucht, sich das Leben zu nehmen. Er sei vom 27.07.2018 bis 02.08.2018 stationär in der Psychiatrie aufgenommen worden. Somit sei eine Abschiebung des BF derzeit keinesfalls möglich, er sei nicht reisefähig. Außerdem habe er eine außerordentliche Revision gegen die Entscheidung des BVwG eingebracht und ersuche, das gegenständliche Verfahren bis zu dieser Entscheidung auszusetzen.
Dem Bescheid ist zu entnehmen, dass Gegenstand der Amtshandlung die Pflicht zur Mitwirkung des BF an der Beschaffung eines Ersatzreisedokuments darstellt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliegt die Beurteilung, ob zur Erreichung des mit einer Ladung verfolgten Zwecks ein Erscheinen des Geladenen nötig ist, oder ob dieser Zweck auch auf andere Weise erreicht werden kann, grundsätzlich der Behörde (zu Ladungen in Angelegenheiten nach dem FPG vgl. VwGH 17.07.2008, 2008/21/0055 und 2008/21/0386). So hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Judikat vom 20.01.1992, 91/19/0326, hervorgehoben, dass die Beurteilung der Frage, ob zur Erreichung des mit der Ladung verfolgten Zweckes ein Erscheinen des Geladenen nötig ist, oder ob dieser Zweck auf andere Weise erreicht werden kann, allein der Behörde und nicht auch der Partei obliege. Stets muss es sich demnach um eine Ladung zu einer behördlichen Amtshandlung handeln, in deren Rahmen die beabsichtigte Befragung stattfinden soll. Um sie als "behördlich" verstehen zu können, ist die Leitung durch ein Organ der Behörde unverzichtbar (VwGH 05.07.2011, 2010/21/0316). Dass es sich um eine behördliche Amtshandlung dreht, wurde gegenständlich nicht bestritten.
Gemäß § 46 Abs. 2a iVm § 19 Abs. 2 und 3 AVG sind unter einem anzugeben, welche Folgen die Nichtbefolgung des Auftrages habe und das konkrete Zwangsmittel anzudrohen. Die möglichen Zwangsstrafen zur Erfüllung von unvertretbaren Leistungen wie dem gegenständlichen Auftrag seien gemäß § 5 Abs. 3 VVG eine Geldstrafe bis zu € 726,-- oder eine Haftstrafe bis zu 4 Wochen. Bei Säumnis oder Zuwiderhandeln sei sofort zu vollstrecken und für den Verzug ein schärferes Zwangsmittel anzudrohen.
Angemerkt wird, dass es sich bei Zwangshaft bzw. Beugehaft nicht um eine Strafe handelt. Die in Aussicht genommene Strafhaft ist ein auch vom Verwaltungsgerichtshof im Einzelfall akzeptiertes Zwangsmittel (VwGH 07.11.1995, 95/05/0260).
Im Sinne der Beschwerdeausführungen liegen jedoch derzeit gravierende gesundheitliche Probleme des BF vor, die ihm an der Erfüllung der auferlegten Verpflichtung im Sinn des § 46 Abs. 3 FPG hindern.
Aus dem Gesagten war der Beschwerde als begründet stattzugeben.
3.3. Zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung:
Aufgrund des vorliegenden Erkenntnisses kann ein Ausspruch über die Frage der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde unterbleiben.
4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG. Der Sachverhalt ist aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen (entspricht der bisherigen Judikatur zum § 67d AVG, wobei darauf hinzuweisen ist, dass § 24 VwGVG dem aufgehobenen § 67d AVG entspricht). Es ergab sich sohin auch kein Hinweis auf die Notwendigkeit, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer zu erörtern (vgl. VwGH 23.01.2003, 2002/20/0533, VwGH 01.04.2004, 2001/20/0291). Es hat sich daher aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts keine Notwendigkeit ergeben, den als geklärt erscheinenden Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer näher zu erörtern. Schließlich wurde eine mündliche Verhandlung durch den Beschwerdeführer auch nicht beantragt.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Abschiebung, gesundheitliche Beeinträchtigung, Voraussetzungen,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G312.2148280.2.00Zuletzt aktualisiert am
15.04.2019