Entscheidungsdatum
06.12.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
G311 1257568-3/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geboren am
XXXX, Staatsangehörigkeit: Mazedonien, vertreten durch RA Mag. Hubert WAGNER LL.M., gegen den Bescheid des Bundesamtes für
Fremdenwesen und Asyl vom 24.10.2018, Zahl: XXXX, betreffend
Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid zur Gänze aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.10.2018 wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 26.01.2015 auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen, der beschwerdeführenden Partei ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen sie gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Einer Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung gemäß "§ 18 Abs. 1, 2, 4 Z 1 BFA-VG" aberkannt.
Festzuhalten ist, dass die Abweisung des Antrages hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ohne Bezugnahme auf den Herkunftsstaat erfolgte. Ebenso wenig wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung der beschwerdeführenden Partei gemäß § 46 FPG zulässig ist.
Festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer zumindest seit seiner gegenständlichen Asylantragstellung am 26.01.2015 im Bundesgebiet aufhältig ist. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer in Mazedonien asylrelevanter Verfolgung oder Gefährdung durch staatliche Organe oder Privatpersonen ausgesetzt war oder "pro futuro" ausgesetzt sein wird. Der Beschwerdeführer habe in Mazedonien zwei Jahre die Volksschule besucht, er habe sich als Boxer betätigt, habe aber keine Berufsausbildung. Seine Eltern und sein Bruder würde auch in Österreich als Asylwerber leben, der Beschwerdeführer könne keine vertiefenden Formen der Integration für sich geltend machen. Angeführt wurde weiters die gegen den Beschwerdeführer vorliegende strafgerichtliche Verurteilung. Das diesbezügliche Urteil ist jedoch nicht aktenkundig. Das der Verurteilung zugrundeliegende Verhalten wurde daher auch nicht bei der Interessenabwägung gemäß § 9 BFA-VG berücksichtigt. Der Beschwerdeführer selbst hat angegeben, Staatsmeister im Kickboxen zu sein und verwies dazu auf Videos auf YouToube und diverse Artikel. Die belangte Behörde hat auch nur oberflächlich auf das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner sportlichen Tätigkeit Bezug genommen. Die belangte Behörde hat dazu keine Erhebungen angestellt und keine Feststellungen getroffen, allfällige diesbezüglich maßgebliche Sachverhaltselemente wurden daher bei der Interessensabwägung gemäß § 9 BFA-VG nicht berücksichtigt Dem Verfahrensgang kann entnommen werden, dass der Beschwerdeführer am 22.08.2003 einen Antrag auf Asylerstreckung gestellt habe, über diesen sei letztlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 29.12.2009 negativ entschieden worden sei. Ein weiterer Antrag auf internationalen Schutz sei mit Bescheid des Bundesasylamtes abgewiesen worden, die dagegen erhobene Beschwerde habe der Asylgerichthof mit Erkenntnis vom 02.10.2013 als unbegründet abgewiesen. Auch hinsichtlich der Aufenthaltsdauer und der Frage, inwieweit der Aufenthalt rechtmäßig war, wären Feststellungen zu treffen gewesen und bei der Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG zu berücksichtigen gewesen.
Gegen den im Spruch genannten Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht vom Bundesamt vorgelegt und langten dort am 30.11.2018 ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus den unter Punkt I. getroffenen Ausführungen.
2. Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem Akteninhalt.
In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die belangte Behörde umfangreich Aktenteile mit dem Vermerk "Ausgenommen von der Akteneinsicht" versehen hat. Das erkennende Gericht hat in diese Aktenteile stichprobenartig Einsicht genommen. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Aktenteile - zumindest die eingesehenen - von der Akteneinsicht ausgenommen werden sollen, zumal das erkennende Gericht selbst beispielsweise Auszüge aus dem Zentralmelderegister und Zentralen Fremdenregister einholt, in das Verfahren einbringt und der Entscheidung zugrunde legt.
Ebenso wenig nachvollziehbar ist, weshalb das Erkenntnis des Asylgerichtshofes Zahl B11 257568-0/2008/6E von der Akteneinsicht ausgenommen werden soll. Im Übrigen ist es mehrfach im Aktenkonvolut enthalten und an anderer Stelle zutreffend nicht von der Akteneinsicht ausgenommen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Ausführlich hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27.06.2018, Ra 2017/09/0031, insbesondere Rz 13 und 14 mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:
"13 Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden; eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. etwa VwGH 10.9.2014, Ra 2014/08/0005; 24.3.2015,
Ra 2014/09/0043, 14.12.2015, Ra 2015/09/0057, und 20.2.2018, Ra 2017/20/0498, jeweils mwN).
14 Sind (lediglich) ergänzende Ermittlungen vorzunehmen, liegt die (ergänzende) Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit im Sinn des § 28 Abs. 2 Z 2 erster Fall VwGVG, zumal diesbezüglich nicht bloß auf die voraussichtliche Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alleine, sondern auf die Dauer des bis zur meritorischen Entscheidung insgesamt erforderlichen Verfahrens abzustellen ist. Nur mit dieser Sichtweise kann ein dem Ausbau des Rechtsschutzes im Sinn einer Verfahrensbeschleunigung Rechnung tragendes Ergebnis erzielt werden, führt doch die mit der verwaltungsgerichtlichen Kassation einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung verbundene Eröffnung eines neuerlichen Rechtszugs gegen die abermalige verwaltungsbehördliche Entscheidung an ein Verwaltungsgericht insgesamt zu einer Verfahrensverlängerung (vgl. etwa das zit. Erkenntnis Ra 2017/20/0498, mwN)."
Unter diesen Gesichtspunkten leidet der angefochtene Bescheid insbesondere im Hinblick auf die nach § 9 BFA-VG vorzunehmende Interessensabwägung unter erheblichen Ermittlungsmängeln. So wurde das strafgerichtliche Urteil nicht eingeholt. Weiters wurden keine Erhebungen über den Umfang und die Intensität der sportlichen Tätigkeit sowie die damit allenfalls einhergehenden Integrationsbemühungen angestellt.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird sich daher im fortgesetzten Verfahren durch Einholung des strafgerichtlichen Urteils, allenfalls auch Abfrage der verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen und Einholung allfälliger Straferkenntnisse und Strafverfügungen sowie Erhebungen hinsichtlich der Sportaktivitäten mit dem konkreten Verhalten des Beschwerdeführers und damit dem Grad seiner Integration auseinanderzusetzen haben.
Es hat sich nicht ergeben, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen wäre, zumal nichts darauf hindeutet, dass die erforderliche Feststellung durch das Bundesverwaltungsgericht selbst, verglichen mit der Feststellung durch die belangte Behörde nach Zurückverweisung der Angelegenheit, mit einer wesentlichen Zeitersparnis und Verkürzung der Verfahrensdauer verbunden wäre.
Schließlich liegt auch kein Anhaltspunkt dahingehend vor, dass die Feststellung durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Vergleich zur Feststellung durch die Verwaltungsbehörde mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre.
Da alle Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG vorliegen, war der angefochtene Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelleEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G311.1257568.3.00Zuletzt aktualisiert am
15.04.2019