TE Bvwg Beschluss 2019/1/28 W241 2162518-2

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Veröffentlicht am 28.01.2019
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Entscheidungsdatum

28.01.2019

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs3 Satz2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W241 2162518-2/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HAFNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Syrien, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.01.2019, Zahl 1137150705-181092498, beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 2. Satz BFA-VG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge BF) brachte nach erstmaliger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 05.12.2016 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) ihren ersten Antrag gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 (in der Folge AsylG), ein.

Mit Bescheid des BFA vom 07.06.2017 wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien gemäß Art. 12 Abs. 4 iVm 22 Abs. 7 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), zuständig ist. Weiters wurde gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass die Abschiebung nach Italien zulässig sei.

Am 18.10.2017 wurde die BF nach Italien überstellt.

Eine gegen obgenannten Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (in der Folge BVwG) vom 03.03.2018 gemäß § 5 AsylG als unbegründet abgewiesen und gemäß § 21 Abs. 5 Satz 1 BFA-VG festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.

2. Am 04.11.2018 reiste die BF neuerlich in Österreich ein und stellte am 15.11.2018 gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.

Eine EURODAC-Abfrage ergab eine erkennungsdienstliche Behandlung der BF im Rahmen einer Asylantragsstellung in Italien am 18.10.2017.

3. Im Zuge der Erstbefragung am 15.11.2018 gab die BF an, nach ihrer Überstellung von Österreich nach Italien von Venedig mit einem Schiff nach Libyen gefahren sei, wo sie von 10.11.2017 bis 13.11.2017 aufhältig gewesen sei. Danach wäre sie über den Sudan in den Libanon geflogen, wo sie von 18.11.2017 bis 10.10.2018 gewesen sei. Danach wäre sie bis 04.11.2018 in der Türkei aufhältig gewesen und hierauf über ihr unbekannte Länder nach Österreich gelangt. Hier würden zwei ihrer Söhne leben, sie wolle bei diesen bleiben.

Abschließend legte die BF ihren syrischen Reisepass vor.

4. Aufgrund des zugrundeliegenden Sachverhalts wurde am 19.11.2018 eine Anfrage nach Art. 34 Dublin III VO an Italien gerichtet.

Mit Antwortschreiben vom 23.11.2018 bestätigte Italien, dass die BF am 18.10.2017 in Italien einen Asylantrag gestellt hatte.

5. Am 27.11.2018 wurde eine Anfrage gemäß Art. 18 Abs. 1 lit b der Dublin III-VO an Italien gestellt.

In der Anfrage wurde zum Reiseweg der BF ausgeführt, dass diese angegeben hätte, am 10.11.2017 von Italien nach Libyen und weiter über den Sudan und den Libanon in die Türkei gereist sei. Von dort wäre sie über unbekannte Länder nach Österreich gelangt. Der Anfrage angeschlossen war der Reisepass der BF in Kopie.

Mit Schreiben vom 11.12.2018 teilten die italienischen Behörden mit, dass Italien der Wiederaufnahme der BF nach Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO zustimme.

6. Im Rahmen einer Einvernahme am 19.12.2018 legte die BF einen auf Arabisch verfassten Mietvertrag und eine auf Arabisch verfasste Bestätigung eines Krankenhausaufenthalts im Libanon vom 16.02.2018 sowie zwei Flugtickets (als Internetausdrucke) vor.

Daraufhin gab sie an, dass sie fünf Tage im Hospital XXXX in Libanon aufhätig gewesen wäre. Der Mietvertrag, abgeschlossen in einem Dorf im Libanon, sei von 25.11.2017 bis 10.10.2018 abgeschlossen worden. Sie hätte damals in den Libanon zurückkehren müssen, da ihr Mann verschollen gewesen sei. Sie wolle nicht nach Italien, da sich ihre Söhne hier befinden würden.

7. Mit beschwerdegegenständlichem Bescheid vom 02.01.2019 wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück und sprach aus, dass Italien für die Prüfung des Antrags gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b der Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Die Außerlandesbringung der BF wurde gemäß § 61 Abs. 1 Bundesgesetz über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung der BF nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Begründend wurde zur Zuständigkeit Italiens Folgendes ausgeführt (Schreibfehler korrigiert):

"Aufgrund des Ergebnisses des Fingerabdruckabgleiches, welches bei Ihnen einen Eurodac-Treffer der Kategorie 1 in Italien ergeben hat, steht die Antragstellung am 18.10.2017 in Italien fest.

Die Gründe zur Einleitung des Konsultationsverfahrens sowie zum zuständigkeitsbegründenden Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt. Es steht aufgrund der im Konsultationsverfahren mit Italien festgestellten Zuständigkeit fest, dass Italien das Land ist, welches zur Führung Ihres Asylverfahrens zuständig ist.

Sie gaben im Verfahren an, dass Sie aus Italien ausgereist wären und die Mitgliedsstaaten verlassen hätten. Italien wurde dieser Sachverhalt bei der Einleitung des Konsultationsverfahrens mitgeteilt und Italien stimmte der Übernahme Ihrer Person dennoch zu.

Zu Ihren vorgelegten Beweismittel welche eine angebliche Ausreise beweisen sollen, ist anzuführen, dass es sich hierbei lediglich um einen Mietvertrag und eine Krankenhausbestätigung aus dem Libanon handelt.

Des Weiteren wird darauf hingewiesen, dass in der Erstbefragung festgestellt wurde, dass sich kein Ausreisestempel aus dem Libanon in Ihrem Reisepass befindet, dies ist für die Behörde nicht logisch nachvollziehbar, warum Sie für Ihre Ausreise keinen Ausreisestempel haben."

8. Gegen den angeführten Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde der BF an das BVwG.

9. Die Beschwerdevorlage an die zuständige Gerichtsabteilung des BVwG iSd § 16 Abs. 4 BFA-VG erfolgte am 21.01.2019.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenord-nung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß an-zuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegan-genen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt. In Asylverfahren tritt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an die Stelle des Bundesasylamtes (vgl § 75 Abs 18 AsylG 2005 idF BGBGl I 2013/144).

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Zu A) Aufhebung des angefochtenen Bescheids:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) lauten:

"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuwiesen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzuhalten, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

...

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offen-kundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet."

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) lauten:

Art. 3 Abs. 1:

"(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaats-angehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird."

Art. 7 Abs. 1 und 2:

"(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt."

Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO lautet: "Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 22 Abs. 3 genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts."

Art. 18:

"Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats

(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;

b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.

(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab.

Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird. In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird.

In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen."

Art. 19:

"Übertragung der Zuständigkeit

(1) Erteilt ein Mitgliedstaat dem Antragsteller einen Aufenthaltstitel, so obliegen diesem Mitgliedstaat die Pflichten nach Artikel 18 Absatz 1.

(2) Die Pflichten nach Artikel 18 Absatz 1 erlöschen, wenn der zuständige Mitgliedstaat nachweisen kann, dass der Antragsteller oder eine andere Person im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d, um dessen/deren Aufnahme oder Wiederaufnahme er ersucht wurde, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat, es sei denn, die betreffende Person ist im Besitz eines vom zuständigen Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Aufenthaltstitels.

Ein nach der Periode der Abwesenheit im Sinne des Unterabsatzes 1 gestellter Antrag gilt als neuer Antrag, der ein neues Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats auslöst.

(3) Die Pflichten nach Artikel 18 Absatz 1 Buchstaben c und d erlöschen, wenn der zuständige Mitgliedstaat nachweisen kann, dass der Antragsteller oder eine andere Person im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d, um dessen/deren Wiederaufnahme er ersucht wurde, nach Rücknahme oder Ablehnung des Antrags das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten auf der Grundlage eines Rückführungsbeschlusses oder einer Abschiebungsanordnung verlassen hat.

Ein nach einer vollzogenen Abschiebung gestellter Antrag gilt als neuer Antrag, der ein neues Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats auslöst."

§ 21 Abs. 3 BFA-VG lautet:

"§ 21 (3) Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."

2.1. Zur Frage der Unzuständigkeit Österreichs für die Durchführung der gegenständlichen Verfahren beziehungsweise der Zuständigkeit Italiens ist eine Auseinandersetzung mit der Frage erforderlich, auf welcher Bestimmung die Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaates beruht (VfGH 27.6.2012, U462/12); dies freilich, sofern maßgeblich, unter Berücksichtigung der Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 10.12.2013 in der Rechtssache C-394/12, Shamso Abdullahi/Österreich, vom 07.06.2016 in der Rechtssache C-63/15, Mehrdad Ghezelbash/Niederlande sowie vom 07.06.2016 in der Rechtssache C-155/15, Karim.

Im Rahmen der Entscheidung C-63/15, Mehrdad Ghezelbash/Niederlande, wurde insbesondere ausgesprochen, dass Art. 27 Abs. 1 Dublin III-VO dahingehend auszulegen ist, dass ein Antragsteller auf internationalen Schutz im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung die fehlerhafte Anwendung eines in Kapitel III der Dublin III-VO festgelegten Zuständigkeitskriteriums sowie einen Verstoß gegen die Regelung des Art. 19 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO geltend machen könne und sich die korrekte Anwendbarkeit der Kriterien der Dublin III-VO sohin als im Rechtsweg überprüfbar erweise (siehe auch VwGH 23.6.2016, Ra 2016/20/0069, Rz 17). Der EuGH erwog, dass die Kontrolle der richtigen Anwendung der Zuständigkeitskriterien in dem Rahmen vorzunehmen ist, der durch Art. 22 Abs. 4 und 5 vorgegeben ist. Diese Bestimmung sieht vor, dass das Beweiserfordernis nicht über das für die ordnungsgemäße Anwendung der Verordnung erforderliche Maß hinausgehen sollte und in Ermangelung förmlicher Beweismittel der ersuchte Mitgliedstaat seine Zuständigkeit anerkennt, wenn die Indizien kohärent, nachprüfbar und hinreichend detailliert sind, um seine Zuständigkeit zu begründen.

2.2. Im vorliegenden Fall wurde von der BF bereits in der Erstbefragung behauptet, dass sie nach ihrer Überstellung nach Italien und der dortigen Asylantragsstellung am 18.10.2017 Italien verlassen und über Libyen und den Sudan in den Libanon gereist sei. Dort hätte sie sich von 18.11.2017 bis 10.10.2018 aufgehalten, ehe sie sich zu einer Flucht nach Österreich über die Türkei entschlossen hätte. Damit wäre jedoch die aufgrund des am 18.10.2017 in Italien gestellten Asylantrages grundsätzlich bestehende Zuständigkeit Italiens gemäß Art. 19 Abs. 2 Dublin III-VO erloschen.

Im gegenständlichen Fall führte das BFA in der Beweiswürdigung aus, dass trotz der vorgelegten Beweismittel nicht festgestellt werden hätte können, dass die BF in den Libanon gereist sei und sie sich tatsächlich länger als drei Monate außerhalb der EU aufgehalten hätte. Allerdings ist hierzu auszuführen, dass sich die Beweiswürdigung des BFA als mangelhaft erweist und sich die Erstbehörde nicht ausreichend mit dem Vorbringen der BF und den vorgelegten Unterlagen auseinandergesetzt hat:

So wurde ausgeführt, dass es sich bei den Beweismitteln lediglich um einen Mietvertrag und eine Krankenhausbestätigung aus dem Libanon handle. Eine nähere Auseinandersetzung mit diesen Schriftstücken erfolgte nicht, weder wurden sie einer Übersetzung ins Deutsche zugeführt, um Kenntnis von deren Inhalt zu erlangen, noch wurden nähere Ausführungen getätigt, weshalb den beiden Dokumenten nach Ansicht des BFA keinerlei Beweiswert zukomme. Auch wurde im Zuge der Einvernahme eine genauere Befragung der BF zu ihrem behaupteten Aufenthalt in einem Krankenhaus im Libanon und zum abgeschlossenen Mietvertrag unterlassen.

Des Weiteren wurden die beiden von der BF vorgelegten Internetausdrucke, die auf ihren Namen lautende Flugtickets von Tipolis (Libyen) nach Khartoum (Sudan) am 13.11.2017 (Ankunft am 14.11.2017) sowie von Karthoum über Kairo nach Beirut (Libanon) am 17.11.2017 (Ankunft am 18.11.2017) darstellen, im gegenständlichen Bescheid nicht angeführt und somit auch nicht im Zuge der Beweiswürdigung bewertet.

Besondere Bedeutung kommt dem von der BF vorgelegten Reisepass zu. Dieser enthält eine Vielzahl von arabischen Stempeln, wobei einer das Datum 13.11.2017 aufweist. Ein weiterer, datiert mit 14.11.2017, weist - schwer leserlich - die Wortfolge "Khartoum Airport Passport [...]" auf. Ein anderer Stempel, datiert mit 18.11.2017, enthält möglicherweise (da sehr schwer entzifferbar) das Wort "Kairo". Einer der Stempel - ebenfalls vom 18.11.2017 - stellt offenbar einen libanesischen Einreisestempel dar, zumal darauf "S.O. DU LIBAN" und "R.H.I.A." (= Rafic Hariri International Airport in Beirut) zu lesen ist.

Bezüglich dieses wichtigen Beweismittels wurde in der Beweiswürdigung ausgeführt, dass im Reisepass kein Ausreisestempel aus dem Libanon enthalten sei und dies für die Erstbehörde nicht nachvollziehbar sei. Dies mag zwar zutreffend sein, allerdings schenkt das BFA den oben aufgezählten Stempeln keine Beachtung und bleibt somit eine Erklärung schuldig, weshalb der Reisepass - der offenbar als echt erachtet wurde - arabische, mit 13.11.2017, 14.11.2017 und 18.11.2017 datierte Stempel, die die von der BF erwähnten Reisedestinationen aufweisen, enthält. Somit fehlt auch eine genauere Begründung, weshalb die Erstbehörde trotz dieser Stempel - wobei auch diesbezüglich nicht davon ausgegangen wurde, dass es sich um Verfälschungen handelt - annimmt, dass sich die BF im Zeitraum vom 13.11. bis 18.11.2017 und danach bis zur Einreise nach Österreich durchgehend in Italien aufgehalten hat.

Betreffend eine mögliche Erlöschung der Zuständigkeit Italiens gemäß Art. 19 Abs. 2 Dublin III-VO ist festzuhalten, dass die Beweislast in diesen Fällen beim ersuchten Mitgliedstaat liegt.

Nun befindet sich ein Antragsteller in ähnlich gelagerten Fällen - so wie auch im vorliegenden Fall - nicht in der Verfügungsgewalt des Mitgliedstaates, der das Erlöschen der Zuständigkeit zu beweisen hat. Im Sinne des allgemeinen unionsrechtlichen Gebotes der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten hat der ersuchende Mitgliedstaat - gegebenenfalls nach näherer Befragung des Antragstellers - jedwedes Art. 19 Abs. 2 Dublin III-VO relevante Vorbringen dem ersuchten Staat (wohl mit einer Darlegung aller vorgelegten Nachweise und gegebenenfalls einer nachvollziehbaren Glaubwürdigkeitseinschätzung) mitzuteilen. Nur auf diese Weise ist es dem ersuchten Mitgliedstaat auch möglich, informiert das allfällige Vorliegen des Endigungstatbestandes des Art. 19 Abs. 2 Dublin III-VO beurteilen zu können, wodurch die formelle Zuweisung der Beweislast an ihn inhaltlich gerechtfertigt ist.

Im gegenständlichen Fall wurde Italien zwar eine Kopie des Reisepasses übermittelt, allerdings wurden die weiteren von der BF vorgelegten Beweismittel (Mietvertrag, Aufenthaltsbestätigung, Flugtickets) Italien nicht zur Kenntnis gebracht. Es ist aus dem vorliegenden Akt auch nicht ersichtlich, dass Italien über den behaupteten Aufenthalt der BF im Libanon vom 18.11.2017 bis 10.10.2018 ausreichend informiert worden wäre, zumal das BFA in der Anfrage am 27.11.2018 lediglich ausführte, die BF sei laut eigenen Angaben am 10.11.2017 von Italien nach Libyen und weiter über den Sudan und den Libanon in die Türkei gereist, von wo sie über unbekannte Länder nach Österreich gelangt sei. Wann sich diese angeblich nach dem 10.11.2017 stattgefundenen Reisebewegungen abgespielt haben sollen und wo sich die BF wie lange aufgehalten haben will, erwähnte das BFA im Zuge der Anfrage nicht.

Unabhängig vom tatsächlichen Wahrheitsgehalt der Angaben der BF und der Echtheit der vorgelegten Unterlagen ist somit festzuhalten, dass es das BFA im Verfahren unterlassen hat, dem ersuchten Staat - entweder bereits im Zuge der Anfrage am 27.11.2018 oder nach der Einvernahme der BF - das relevante Vorbringen (gegebenenfalls mit einer nachvollziehbaren Glaubwürdigkeitseinschätzung) umgehend mitzuteilen und die vorgelegten Unterlagen vollständig anzuführen, um eine Beurteilung durch Italien zu ermöglichen.

Neben der mangelnden Auseinandersetzung mit den vorgelegten Beweismitteln durch das BFA wurden somit auch die italienischen Behörden nicht ordnungsgemäß in die Lage versetzt, das eventuelle Erlöschen ihrer Zuständigkeit entsprechend zu beurteilen.

2.3. Die belangte Behörde wird folglich einerseits im fortgesetzten Verfahren eine neuerliche Bewertung der vorgelegten Beweismittel durchzuführen haben und in Wahrung des Grundsatzes des Parteiengehörs der BF die Ermittlungsergebnisse zur Kenntnis zu bringen haben. Andererseits wird das BFA den ersuchten Mitgliedsstaat über die Aussagen der BF und die vorgelegten Beweismittel informieren müssen, damit Italien das allfällige Vorliegen des Endigungstatbestandes des Art. 19 Abs. 2 Dublin III-VO ausreichend prüfen kann.

2.4. Im Hinblick darauf, dass eine Ergänzung des vorliegenden Sachverhaltes und damit verbunden die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, war gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG der Beschwerde stattzugeben und der bekämpfte Bescheid zu beheben.

3. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG unterbleiben, zumal sämtliche verfahrenswesentliche Abklärungen eindeutig aus dem vorliegenden Verwaltungsakt beantwortet werden konnten.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im Übrigen trifft § 21 Abs. 3 BFA-VG eine klare, im Sinne einer eindeutigen, Regelung (vgl. OGH 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W241.2162518.2.00

Zuletzt aktualisiert am

15.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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