Entscheidungsdatum
01.02.2019Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W256 2180930-1/22E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Caroline KIMM als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, StA Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24. November 2017, Zl. XXXX zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 23. Jänner 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Erstbefragung statt. Dabei gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt (wortwörtlich wiedergegeben) folgendes an: "Ich bin aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage in Afghanistan in den Iran geflüchtet. Aus dem Iran bin ich auf Grund des Ex-Gatten meiner Frau geflüchtet. Meine Gattin ist immer noch mit ihrem Ex-Mann verheiratet, darum mussten wir aus dem Iran flüchten."
Am 21. Juli 2016 wurde der belangten Behörde das Anmeldeformular des Beschwerdeführers für eine freiwillige Rückkehr nach Afghanistan von der Caritas, Rückkehrhilfe übermittelt. Nachdem die belangte Behörde mit Schreiben vom 25. Juli 2016 die Übernahme der Heimreisekosten dem Beschwerdeführer bestätigte, widerrief dieser seinen diesbezüglichen Antrag mit Schreiben vom 3. August 2016.
Mit E-Mail vom 28. Juli 2017 wurde der belangten Behörde der an die Staatsanwaltschaft XXXX gerichtete Abschlussbericht der Landespolizeidirektion XXXX vom 22. Juli 2017 zur GZ: XXXX wegen des Verdachtes der Begehung einer Körperverletzung durch den Beschwerdeführer gegen XXXX übermittelt.
Der Beschwerdeführer wurde am 13. Oktober 2017 durch ein Organ der belangten Behörde einvernommen. Dabei wiederholte er im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. Unter einem legte er eine Kursbestätigung betreffend A1 vor.
Der Beschwerdeführer wurde am 21. November 2017 nochmals durch ein Organ der belangten Behörde einvernommen. Dabei wurde er (auch) unter Vorhalt der Einvernahme seiner behaupteten Ehegattin, XXXX in deren Asylverfahren u.a. zur von ihm behaupteten Heirat und der gemeinsamen Ausreise aus dem Iran befragt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei. Dabei ging die belangte Behörde davon aus, dass dem gesunden und arbeitsfähigen Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung in Afghanistan drohen würde. Die vom Beschwerdeführer geschilderte Fluchtgeschichte habe aus näher dargestellten Gründen nicht glaubhaft gemacht werden können. Ebenso habe der Beschwerdeführer (auch) aufgrund zahlreicher (näher dargestellter) Widersprüche zu den Angaben seiner behaupteten Ehegattin in ihrem Asylverfahren nicht überzeugend darlegen können, dass er mit dieser verheiratet und gemeinsam ausgereist sei. Die belangte Behörde gehe vielmehr davon aus, dass der Beschwerdeführer mit dieser und ihrem aus erster Ehe stammenden Sohn erst seit Österreich in einer Beziehung lebe. Vor dem Hintergrund des in das Verfahren eingebrachten und im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zu Afghanistan könne kein reales Risiko einer Verletzung nach Art. 3 EMRK für den Fall einer Rückführung nach Afghanistan, insbesondere nach Kabul für den Beschwerdeführer angenommen werden. Der Beschwerdeführer sei bereits berufstätig und damit in der Lage gewesen, sich selbst zu versorgen, weshalb davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer sich auch bei einer Rückkehr durch Gelegenheitsarbeiten versorgen könne. Auch verfüge der Beschwerdeführer im Iran über Angehörige, welche ihn unterstützen könnten und sei auch nicht auszuschließen, dass der Beschwerdeführer selbst in Afghanistan über Angehörige verfüge. Der Beschwerdeführer spreche die Landessprache und sei im dortigen Kulturkreis verwurzelt, weshalb die belangte Behörde davon ausgehe, dass für den Beschwerdeführer ein zumutbares Umfeld in Kabul vorliege und er dort nicht in eine seine Existenz bedrohende Notlage geraten würde. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich über seine Lebensgefährtin und deren Sohn, welche ebenfalls von der aufenthaltsbeendenden Maßnahme betroffen seien, weshalb ein Eingriff in das Recht auf Familienleben schon aus diesem Grund ausscheide. Ansonsten verfüge der Beschwerdeführer über keine nennenswerten Bindungen im Bundesgebiet. Es bestehe insofern in Afghanistan ein deutlich intensiveres Privatleben als im Vergleich zu Österreich. Das private Interesse an einem Verbleib in Österreich sei dementsprechend geringer zu werten als das öffentliche Interesse an einem geordneten Zuzug von Fremden und der damit eng verbundenen Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Das Vorbringen des Beschwerdeführers entspreche der Wahrheit und sei "glaubwürdig". Die belangte Behörde habe zu Unrecht den behaupteten Verfolgungsgründen die Glaubhaftigkeit abgesprochen. Diese vertrete ohne Überprüfung der weiteren Sicherheitslage und der allgemeinen Situation in Kabul die Ansicht, dass Kabul relativ stabil und über den Flughaften sicher zu erreichen sei. Die Sicherheitslage in Kabul und anderen Städten könne unter Bezugnahme auf die Schnellrecherche der SFH Länderanalyse vom 19. Juni 2017 aber keinesfalls als stabil bezeichnet werden. Auch sei der Beschwerdeführer - wie den UNHCR Richtlinien zu entnehmen sei - als Angehöriger der Hazara Diskriminierungen und damit einer Gefahr in Afghanistan ausgesetzt. Der Beschwerdeführer verfüge in Afghanistan über keine familiären Anknüpfungspunkte. Er habe mit einem Jahr mit seinen Eltern Afghanistan verlassen und sei er im Iran aufgewachsen. Im Falle einer Rückkehr riskiere der Beschwerdeführer daher - auch aufgrund der hohen Selbsterhaltungskosten - in die Armut abzurutschen. Außerdem sei nicht auszuschließen, dass der Beschwerdeführer vom Ex-Mann seiner Frau oder dessen Verwandten verfolgt und getötet werde und sei dabei nochmals auf die prekäre Sicherheitssituation in Afghanistan hinzuweisen.
Mit E-Mail vom 5. Juni 2018 wurde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde eine Berichterstattung der Landespolizeidirektion XXXX vom 30. Mai 2018 zur GZ XXXX wegen des Verdachtes der Begehung einer Körperverletzung durch den Beschwerdeführer gegen XXXX sowie ein diesbezüglich verhängtes Betretungsverbot übermittelt.
Mit E-Mail vom 11. Juli 2018 wurde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde der diesbezügliche an die Staatsanwaltschaft XXXXgerichtete Abschlussbericht der Landespolizeidirektion XXXX vom 14. Juni 2018 übermittelt.
Am 3. Dezember 2018 wurde den Parteien, ua. das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29. Juni 2018, zuletzt aktualisiert am 29. Oktober 2018, durch das Bundesverwaltungsgericht zum Parteiengehör übermittelt. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, Angaben zu seinem Gesundheitszustand und zu seiner Integration in Österreich zu erstatten.
Mit E-Mail vom 14. Dezember 2018 wurde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde eine Berichterstattung der Landespolizeidirektion XXXX vom 10. Dezember 2018 wegen des Verdachtes der Begehung einer schweren Nötigung durch den Beschwerdeführer gegen XXXX übermittelt. Darin wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer aufgrund diverser Auseinandersetzungen (u.a. Körperverletzungen, Betretungsverbot) seit November 2018 nicht mehr in der gemeinsamen Asylunterkunft lebe. Er halte aber den Kontakt zuXXXX nach wie vor über das Telefon aufrecht und bedrohe diese immer wieder. So habe er sie auch am 10. Dezember 2018 vor der Unterkunft mit dem Umbringen bedroht.
Im am 10. Jänner 2019 vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem ist u.a. vermerkt, dass der Beschwerdeführer seit 22. November 2018 in die Asylunterkunft XXXX verlegt wurde, weil sich XXXX von ihm getrennt habe. Aus dem ebenfalls am 10. Jänner 2019 und am 16. Jänner 2018 vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem in Bezug auf XXXXund deren Sohn geht hervor, dass diese (aufgrund der Bedrohungen durch den Beschwerdeführer) seit 20. Dezember 2018 in einer anderen Asylunterkunft untergebracht sind.
Über telefonische Nachfrage teilte die StaatsanwaltschaftXXXX dem Bundesverwaltungsgericht am 16. Jänner 2019 mit, dass das gegen den Beschwerdeführer geführte Strafverfahren zu AZ: XXXX (GZ der LPD: XXXX) mittels Diversion erledigt worden sei.
Über telefonische Nachfrage teilte die Staatsanwaltschaft XXXX dem Bundesverwaltungsgericht am 16. Jänner 2019 mit, dass das gegen den Beschwerdeführer geführte Strafverfahren zu AZ: XXXX (GZ der LPD: XXXX) vorläufig eingestellt worden sei.
Mit E-Mail vom 17. Jänner 2019 wurde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde eine Verständigung der Staatsanwaltschaft XXXX vom 11. Jänner 2019 über die Anklageerhebung gegen den Beschwerdeführer wegen § 15 StGB §§ 105 (1), 106 (1) Z 3 StGB zur AZ: XXXX übermittelt.
Mit Schreiben vom 23. Jänner 2019 teilte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer mit, dass es aufgrund der (im Verfahrensgang dargestellten) Mitteilungen der LPD XXXX und der eingeholten Auszüge aus dem Betreuungsinformationssystem davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer von XXXX (auch räumlich) getrennt lebe. Dazu wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 45 AVG Parteiengehör eingeräumt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zur Person
Der - im Spruch genannte - Beschwerdeführer besitzt die afghanische Staatsangehörigkeit, gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist schiitischer Moslem (angefochtener Bescheid Seite 21).
Er wurde in Afghanistan in der Provinz Helmand geboren. Im Alter von einem Jahr ist er mit seiner Familie in den Iran ausgereist (angefochtener Bescheid Seite 5 und 21).
Seine Kernfamilie besteht aus seinen Eltern, seinen Schwestern und seinen Brüdern, welche derzeit im Iran aufhältig sind (angefochtener Bescheid Seite 7, 21, 22 und 122). Es geht ihnen finanziell gut. Seine Eltern kümmern sich als Hausmeister um ein Mietshaus, seine Brüder arbeiten als Fliesenleger (angefochtener Bescheid Seite 7). Im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan wäre seine Familie in der Lage, diesen finanziell zu unterstützen (angefochtener Bescheid Seite 21 und 122).
Der Beschwerdeführer spricht Dari und Farsi (angefochtener Bescheid Seite 3).
Er ist volljährig, ledig und arbeitsfähig. Zudem hat er bereits jahrelang im Iran gearbeitet (angefochtener Bescheid Seite 21).
Er ist seit seiner Antragsstellung am 23. Jänner 2016 im Bundesgebiet aufhältig (AS 45). Zudem ist er strafgerichtlich unbescholten (Strafregisterauszug vom 10. Jänner 2019).
Am 21. Juli 2016 hat der Beschwerdeführer seine freiwillige Rückkehr nach Afghanistan bei der belangten Behörde beantragt. Nachdem die belangte Behörde mit Schreiben vom 25. Juli 2016 die Übernahme der Heimreisekosten dem Beschwerdeführer bestätigte, widerrief dieser seinen diesbezüglichen Antrag mit Schreiben vom 3. August 2016 (AS 55 ff).
Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keine Verwandten. Er hat in Österreich über eine Lebensgefährtin und deren Sohn und deren sonstige Familie verfügt (angefochtener Bescheid Seite 21). Aufgrund diverser gegen seine Lebensgefährtin gerichteter Vorfälle (Körperverletzung, schwere Nötigung) wurde gegen den Beschwerdeführer ein Betretungsverbot verhängt und lebt der Beschwerdeführer nunmehr von seiner Lebensgefährtin und deren Sohn (auch räumlich) getrennt (Berichterstattungen der LPD XXXX vom 30. Mai 2018 und vom 10. Dezember 2018; Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem in Bezug auf den Beschwerdeführer und in Bezug aufXXXX vom 10. Jänner 2019 sowie in Bezug auf deren Sohn vom 16. Jänner 2019). Auch zu den sonstigen Familienangehörigen seiner Lebensgefährtin besteht keine nennenswerte Bindung (angefochtener Bescheid Seite 126).
Der Beschwerdeführer hat in Österreich einen Deutschkurs besucht (angefochtener Bescheid Seite 22) und wird im Rahmen der Grundversorgung versorgt (Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem vom 10. Jänner 2019).
zur Lage in Afghanistan
zur Sicherheitslage
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen registrierten im Berichtszeitraum 15.5.2018 bis 15.8.2018
5.800 Sicherheitsvorfälle, was einen Rückgang um 10 % gegenüber dem Vergleichszeitraum im Vorjahr bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14 % zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61 %) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38 % zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe sowie internationale Kräfte stiegen um 46 %. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67 % der Vorfälle erfolgten. Eine große Zahl an Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert. Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der Provinzen.
Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptstädte von den Taliban angegriffen. Farah-Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e-Pul im Semptember. Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen. Auch verübten die Taliban Angriffe in der Provinz Baghlan, Logar und Zabul (Kurzinformation zum LIB vom 19. Oktober 2018, Seite 16).
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UMAMA) registrierte im Berichtszeitraum 1.1.2018 bis 30.6.2018 5.122 zivile Opfer (1.692 Tote und 3.430 Verletzte), ein Rückgang von 3 % gegenüber dem Vorjahreswert. Zivilisten in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Faryab, Helmand und Kandahar waren am stärksten betroffen. Wobei die Zahl der durch die Zusammenstöße am Boden verursachten zivilen Opfer um 18 % und die Zahl der gezielten Tötungen deutlich zurückging. Jedoch ist die Zahl bei komplexen Selbstmordangriffen durch regierungsfeindliche Gruppierungen gestiegen. Im Vergleich mit dem ersten Halbjahr 2017 stieg die Anzahl ziviler Opfer von gezielten Angriffen auf Zivilsten um 28 %, was hauptsächlich auf Angriffe auf die öffentliche Verwaltung und Vorfälle in Bezug auf die Wahlen (zwischen 14.4.2018 und 27. 7. 2018 fand die Wählerregistrierung für die Parlaments- sowie Distriktwahlen statt) zurückzuführen ist. Dennoch unternahm die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen zur Reduzierung der Zahl der zivilen Opfer, was hauptsächlich während Bodenoperationen einen diesbezüglichen Rückgang zur Folge hatte (Kurzinformation zum LIB vom 19. Oktober 2018, Seite 20 und 21).
Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (LIB, Seite 40).
Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (LIB, Seite 40).
Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (LIB, Seite 43).
Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB, Seite 51).
Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB, Seite 44).
Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheits-operationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB, Seite 43).
Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert; auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen. Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (LIB, Seite 44).
Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle, wie zB. ein Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung in Kabul am 11.6.2018, ein Angriff auf das afghanische Innenministerium in Kabul am 30.5.2018, ein Angriff auf das Polizeireviere in Kabul am 9.5.2018, ein Doppelanschlag in Kabul in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes am 30.4.2018, ein Bombenangriff im sogenannten Regierung- und Diplomatenviertel in Kabul am 27.1.2018, Angriff auf das Luxushotel Intercontinental in Kabul am 20.1.2018 sowie ein Selbstmordattentat im sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel in Kabul am 31.5.2017 (LIB, Seite 45 ff).
Registriert wurde auch eine steigende Anzahl der Angriffe gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige, welche die afghanische Regierung dazu veranlasst hat, neue Maßnahmen zu ergreifen, um Gebetsstätten zu beschützen (LIB, Seite 47).
Seit der Ankündigung des neuen Wahltermines durch den afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani im Jänner 2018 haben zahlreiche Angriffe auf Behörden, die mit der Wahlregistrierung betraut sind, stattgefunden (LIB, Seite 49).
Ein besonderes Anliegen der ANDSF, der afghanischen Regierung und internationalen Kräften ist das Verhindern ziviler Opfer. Internationale Berater/innen der US-amerikanischen und Koalitionskräfte arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Reduzierung der Anzahl von zivilen Opfern zu schaffen. Die afghanische Regierung hält auch weiterhin ihre viertel-jährliche Vorstandssitzung zur Vermeidung ziviler Opfer ab, um u.a. Präventivmaßnahmen zu besprechen (LIB, Seite 52).
zu Helmand
Helmand zählt zu den volatilen Provinzen Afghanistans, in welcher aufständische Gruppierungen in einer Anzahl von Distrikten aktiv ist und Angriffe ausführt. In der Provinz werden regelmäßig militärische Operationen durchgeführt. Helmand ist dafür bekannt, die Festung der Taliban zu sein. Sie kontrollieren oder beeinflussen weite Teile der afghanischen Provinz (LIB, Seite 113 ff).
zu Mazar-e Sharif
Mazar-e-Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e-Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri. Sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich auch an und auch der Dienstleistungsbetrieb wächst. In Mazar-e-Sharif gibt es einen internationalen Flughafen (LIB, Seite 83 ff).
Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten (LIB, Seite 83 ff).
Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, das darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz zu reduzieren (LIB, Seite 83 ff).
Die Provinz Balkh ist nach wir vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistan, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen Nordafghanistans. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (LIB, Seite 83 ff).
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (LIB, Seite 83 ff).
zur Situation der Schiiten
Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10-15% geschätzt (LIB, Seite 288).
Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen (LIB; Seite 288).
Im Ulema Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u. a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote schiitischer Muslime va. 30 %. Auch tagen rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, welche aus Mitgliedern sunnitischer und schiitischer Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, regelmäßig, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern (LIB, Seite 288).
Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung gegen die schiitische Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch gab es Berichte zu lokalen Vorfällen (LIB, Seite 288).
Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern - manche Paschtunen sind über die öffentlichen Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet. In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS (LIB, Seite 289).
zu den ethnischen Minderheiten
In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34.1 Millionen Menschen. Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken (LIB, Seite 295).
Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen zu haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (LIB, Seite 296).
zur Situation der Hazara
Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden (LIB, Seite 298).
Die Hazara-Gemeinschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammeskulturen bezeichnet, dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammeskulturen. Das traditionelle Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (LIB, Seite 298).
Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage verbessert. Sie haben sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert; vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischen und politischen Gebiet. Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht. Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war, diese Möglichkeit zu nutzen, so haben sie dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert. So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz sind sie von einer allgemeinen wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist (LIB, Seite 298).
Gesellschaftliche Spannungen bzw. Diskriminierungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (LIB, Seite 299).
Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10 % in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (LIB, Seite 299).
Zur Versorgungslage:
Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB, S. 334).
Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB, S. 334 ff).
Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben (LIB, Seite 334).
Die Verfügbarkeit und Qualität der medizinischen Grundbehandlung ist durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt (LIB, Seite 338).
In den letzten 10 Jahren hat die Flächendeckung der primären Gesundheitsversorgung in Afghanistan stetig zugenommen. Das afghanische Gesundheitssystem hat in dieser Zeit ansehnliche Fortschritte gemacht. Einer Umfrage der Asia Foundation zufolge hat sich 2017 die Qualität der afghanischen Ernährung sowie der Gesundheitszustand in den afghanischen Familien im Vergleich zu 2016 gebessert (LIB, Seite 338).
Das afghanische Gesundheitsministerium bietet zwei Grundversorgungsmöglichkeiten an: das "Essential Package of Health Services" (EPHS) und das "Basic Package of Health Services" (BPHS). Beide Programme sollen standardisierte Behandlungsmöglichkeiten in gesundheitlichen Einrichtungen und Krankenhäusern garantieren. Die im BPHS vorgesehenen Gesundheitsdienstleistungen und einige medizinische Versorgungsmöglichkeiten des EPHS sind kostenfrei. Jedoch zahlen Afghanen und Afghaninnen oft aus eigener Tasche, weil sie private medizinische Versorgungsmöglichkeiten bevorzugen, oder weil die öffentlichen Gesundheitsdienstleistungen die Kosten nicht ausreichend decken. Es gibt keine staatliche Unterstützung für den Erwerb von Medikamenten, diese Kosten müssen von den Patienten getragen werden. Nur privat versicherten Patienten können die Medikamentenkosten zurückerstattet werden (LIB, Seite 339 ff).
Eine begrenzte Anzahl an staatlichen Krankenhäusern in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. Für den Zugang zur medizinischen Versorgung sind der Besitz der afghanischen Staatsbürgerschaft und die Mitnahme eines gültigen Ausweises bzw. der Tazkira erforderlich (LIB, Seite 340 ff).
zur Situation im Falle einer Rückkehr
Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (LIB; Seite 347).
Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB, Seite 349).
IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. AMASO bietet zwangsweise zurückgekehrten Personen aus Europa Beratung und Unterstützung. Unter anderem betreibt AMASO ein Schutzhaus, welches von privaten Spendern finanziert wird. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (LIB, Seite 349 ff).
Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (LIB, Seite 350 ff).
Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB, S. 351 ff).
Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB, S. 351 ff).
Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB, Seite 352).
2. Beweiswürdigung:
Die einzelnen Feststellungen beruhen jeweils auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen.
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit, seiner Herkunft, seiner Religion und seiner Volksgruppenzugehörigkeit ergeben sich aus seinen diesbezüglich gleichbleibenden Angaben (AS 41, AS 143ff); das Bundesverwaltungsgericht sieht keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren im Wesentlichen gleich gebliebenen - Angaben zu zweifeln und wurde diesbezüglich vom Beschwerdeführer in der Beschwerde auch nichts Gegenteiliges vorgebracht. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers (Name und Geburtsdatum) getroffen werden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung der Person des Beschwerdeführers.
Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Aufenthalt in Afghanistan und im Iran, seinem beruflichen Werdegang, seinem gesundheitlichen Zustand und der (finanziellen) Situation seiner im Iran lebenden Familie waren im Wesentlichen gleichbleibend und widerspruchsfrei (AS 143). Das Bundesverwaltungsgericht sieht auch hier keine Veranlassung, an diesen Angaben zu zweifeln und wurde diesbezüglich vom Beschwerdeführer in der Beschwerde und auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht auch nichts Gegenteiliges vorgebracht.
Die Feststellung seiner strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.
Die Feststellungen zu seiner Integration in Österreich ergeben sich aus seinem diesbezüglichen Vorbringen.
zur behaupteten Ehe mit XXXX
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid festgestellt, dass der Beschwerdeführer ledig sei, weil die behauptete Beziehung bzw. Heirat mit XXXX im Iran nicht glaubhaft gemacht werden habe können.
Dies insbesondere aufgrund der im Vergleich zu den Angaben seiner behaupteten Ehefrau grob widersprüchlichen Angaben zum Heiratsablauf u. a. in Bezug auf die anwesenden Zeugen. Während lautXXXX bei der behaupteten Eheschließung kein Zeuge bzw. nur ein Assistent des Sheiks als Zeuge anwesend gewesen sei, hätten laut Angaben des Beschwerdeführers hingegen die Arbeitgeberin von XXXX und eine Verwandte von dieser bei der Eheschließung als Zeugen fungiert (angefochtener Bescheid, Seite 111).
Aber auch die Angaben des Beschwerdeführers zur behaupteten gemeinsamen Ausreise aus dem Iran seien mit den Angaben von XXXX keinesfalls in Einklang zu bringen gewesen (u.a. angefochtener Bescheid Seite 111: "So gaben Sie an, dass Sie um neun oder zehn Uhr vormittags vom Bezirk XXXX aufgebrochen wären. Nachgefragt gaben Sie an, dass der Schlepper Ihnen telefonisch mitgeteilt habe, dass Sie dorthin kommen sollten (vgl. S. 2 der EV vom 21.11.2017). Ihre Lebensgefährtin gab demgegenüber an, dass Sie von zu Hause abgeholt worden wären. Sie wären in der Nacht aufgebrochen.") und sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb der Beschwerdeführer während der Ausreise versucht habe, ohne "seine Familie" in ein anderes Land einzureisen (angefochtener Bescheid Seite 112: "Aufgrund der EURODAC-Treffer steht fest, dass Sie am 11.01.10216 illegal nach Griechenland eingereist sind, Ihre Lebensgefährtin hingegen ist bereits am 21.12.2015 illegal nach Griechenland eingereist. Auch haben Sie versucht am 18.01.2016 illegal nach Deutschland zu reisen. Es wurde Ihnen aber die Einreise verweigert. ...") bzw. sogar nach der Einreise in Österreich versucht habe, alleine (freiwillig) nach Afghanistan zurückzukehren.
Letztlich komme hinzu, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen sei, nähere Angaben zur gemeinsamen letzten Wohnadresse im Iran zu machen (AS 143: "F: Geben Sie mir bitte chronologisch die
Wohnsitze im Iran an. A: .... Dann habe ich meine Frau
kennengelernt, dann haben wir in XXXX gewohnt und dann in XXXX (genau weiß ich es nicht, ca. 4-6 Monate, meine Frau weiß es genau). Die Wohnung haben wir über die Frau bekommen, deshalb weiß das meine Frau besser. V: Sie haben dort auch gewohnt und sind dort eingezogen, es ist nicht nachvollziehbar, warum sie es nicht wissen wollen. A: Ich habe immer gearbeitet und war beschäftigt, deshalb weiß ich es nicht. Ich bin immer in der Früh arbeiten gegangen und kam erst am Abend wieder."; angefochtener Bescheid Seite 113: "Auch ist es nicht nachvollziehbar, dass Sie nicht in der Lage waren, die Adresse Ihrer letzten Wohnung in XXXX anzugeben").
Es bestehen von Seiten des Gerichts insgesamt keine Gründe, an dieser Beweiswürdigung und damit der Feststellung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei mit XXXX nicht verheiratet, sondern erst in Österreich mit dieser in Kontakt bzw. eine Beziehung getreten, zu zweifeln, zumal dies vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde nicht einmal (zumindest substantiiert) in Abrede gestellt worden ist. Die bloß allgemein aufgestellte Behauptung des Beschwerdeführers in der Beschwerde, sein (gesamtes) Vorbringen entspreche der Wahrheit, ist für sich allein jedenfalls nicht geeignet, die vorliegende Beweiswürdigung und damit den festgestellten Sachverhalt ausreichend in Zweifel zu ziehen (siehe dazu u.a. den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Dezember 2016, Ra 2016/09/0104).
zum derzeitigen Beziehungsstatus
Aus den seit der Erlassung des angefochtenen Bescheids ergangenen (im Verfahrensgang aufgelisteten) Mitteilungen der LPD XXXX sowie den (ebenfalls im Verfahrensgang aufgezeigten) Auszügen aus dem Informationssystem der Grundversorgung geht hervor, dass es aufgrund von diversen Auseinandersetzungen des Beschwerdeführers mit XXXX zu Anzeigen bzw. sogar einem Betretungsverbot gegen den Beschwerdeführer gekommen ist und dieser nunmehr von XXXX und ihrem Sohn (auch räumlich) getrennt lebt. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23. Jänner 2019 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass das Bundesverwaltungsgericht aufgrund dieser Mitteilungen bzw. Eintragungen davon ausgeht, dass er mitXXXX (auch räumlich) getrennt lebt. Der Beschwerdeführer hat sich dazu im Rahmen des Parteiengehörs nicht geäußert. Es bestehen daher von Seiten des Gerichts keine Gründe, an diesen von öffentlichen Stellen ergangenen Informationen zu zweifeln.
2. zu den Negativfeststellungen in Bezug auf individuelle gegen den Beschwerdeführer gerichtete Bedrohungen:
Der Beschwerdeführer behauptet eine Verfolgung durch den Ex-Mann vonXXXX und dessen Familie in Afghanistan, weil sich XXXX (wegen dem Beschwerdeführer) von ihrem Ex-Mann scheiden habe lassen. Schon im Iran sei der Beschwerdeführer vom Ex-Mann in der gemeinsamen Wohnung aufgesucht und mehrmals bedroht worden (AS 145).
Dieses Vorbringen wurde von der belangten Behörde schon allein deshalb für unglaubhaft befunden, weil - wie oben näher ausgeführt - die behauptete Beziehung des Beschwerdeführers zu XXXX im Iran und damit die geschilderte Bedrohung des Beschwerdeführers durch den Ex-Mann nicht festgestellt werden konnte. Dass sich der Beschwerdeführer in Österreich im Übrigen freiwillig für eine Rückkehr nach Afghanistan angemeldet habe, spreche ebenfalls dafür, dass ihn in Afghanistan keine Gefahr der Verfolgung erwarte.
Es bestehen von Seiten des Gerichts insgesamt keine Gründe, an dieser Beweiswürdigung zu zweifeln, zumal dies vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde nicht (zumindest substantiiert) in Abrede gestellt worden ist. Die bloß allgemein aufgestellte Behauptung des Beschwerdeführers in der Beschwerde, sein (gesamtes) Vorbringen entspreche der Wahrheit, ist für sich allein jedenfalls nicht geeignet, die vorliegende Beweiswürdigung und damit den (nicht)festgestellten Sachverhalt ausreichend in Zweifel zu ziehen (siehe dazu u.a. den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Dezember 2016, Ra 2016/09/0104).
Auch die vom Beschwerdeführer vor der belangten Behörde lediglich aufgestellte Behauptung, er werde wegen der Scheidung von XXXX und ihrem Ex-Mann "nach der Scharia getötet" (AS 145), kann - im Hinblick auf die ohnedies nicht glaubhafte gemeinsame Ehe und Flucht aus dem Iran - ebenfalls nicht nachvollzogen werden.
Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers kann daher - der Beweiswürdigung der belangten Behörde folgend - insgesamt nicht als glaubhaft befunden werden, weshalb diesbezüglich auch keine Feststellungen getroffen werden konnten.
Sonstige Anhaltspunkte, die für eine konkret gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung in Afghanistan sprechen würden, liegen nicht vor, und wurden solche auch (in der Beschwerde) nicht behauptet, weshalb insgesamt keine Feststellungen in Bezug auf eine allfällige Verfolgung des Beschwerdeführers getroffen werden konnten.
zu den Feststellungen zur Lage in Afghanistan
Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der - auch in Übereinstimmung mit den von der belangten Behörde - getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln, zumal der Beschwerdeführer dazu auch gar nichts Gegenteiliges vorgebracht hat.
3. Rechtliche Beurteilung:
zu Spruchpunkt A.
zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist.
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."
Unter "Verfolgung" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen (vgl. bspw. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. September 2016, Ra 2016/19/0074 u.v.a).
§ 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt "Verfolgung" als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie), worunter - unter anderem - Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art. 2 EMRK geschützte Recht auf Leben und das in Art. 3 EMRK niedergelegte Verbot der Folter (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 2016, Ra 2016/18/0083).
In Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan konnte der Beschwerdeführer allerdings - wie bereits in der Beweiswürdigung näher dargestellt - keine konkrete individuelle, gegen ihn gerichtete Bedrohung, aus welcher möglicherweise eine aktuelle asylrelevante Verfolgung der Person des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat ableitbar wäre, festgestellt werden. Dem Beschwerdeführer ist es entgegen dem Beschwerdevorbringen insgesamt nicht gelungen, die von ihm behauptete Verfolgung glaubhaft zu machen.
Davon abgesehen könnte eine durch den Ex-Mann vonXXXX zum Zweck der (Wieder)Herstellung der Ehre erfolgte Verfolgung des für den "Verlust" der Ehre verantwortlichen und damit unmittelbar betroffenen Beschwerdeführers selbst unter Wahrunterstellung nicht die erforderliche Verknüpfung mit einem Konventionsgrund aufweisen (siehe dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Mai 2015, Ra 2015/20/0030, das Erkenntnis vom 13. November 2014, Ra 2014/18/0011, sowie das Erkenntnis vom 26. Februar 2002, 2000/20/0517, wonach im Falle, dass sich die Rache - anders als im vorliegenden Fall - gegen einen unbeteiligten Dritten wendet, eine Verfolgung aus Gründen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie in Betracht zu ziehen wäre). Dass der Beschwerdeführer aus anderen Gründen vom Ex-Mann bzw. dessen Familie in Afghanistan verfolgt werde, wurde vom Beschwerdeführer jedenfalls im gesamten Verfahren nicht behauptet.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Gefahr der Verfolgung allerdings nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten (siehe dazu zuletzt das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Februar 2017, Ra 2016/20/0089 u.v.m.).
Wie den Feststellungen zwar zu entnehmen ist, unterliegen Schiiten - speziell jene, die der Volksgruppe der Hazara angehören - in Afghanistan zwar zweifelsohne nach wie vor gesellschaftlichen Diskriminierungen und Schikanen, deren Lage hat sich allerdings insgesamt verbessert. Dabei ist im Hinblick auf die derzeitige Sicherheitslage in Afghanistan insbesondere auch festzuhalten, dass vereinzelte Angriffe, Entführungen oder Tötungen von Zivilpersonen sowie Terroranschläge in Afghanistan grundsätzlich jederzeit und überall möglich sind. Die Gründe für diese Gewalthandlungen sind dabei aber ebenso vielfältig, wie die beteiligten Konfliktgruppen.
Von einer systematischen Vertreibung oder massiv diskriminierenden Benachteiligung sämtlicher Schiiten bzw. Hazara und damit von einer asylrechtlichen (Gruppen)Verfolgung im oben beschriebenen Sinn kann daher - auch im Hinblick auf ihre Repräsentation in Politik sowie auch Armee und Sicherheitsbehörden - nicht ausgegangen werden.
Daran ändern auch die vom Beschwerdeführer vorgelegten Berichte über Anschläge und Angriffe auf Hazara und Schiiten nichts, weil diese Vorkommnisse nicht die - für eine (Gruppen)Verfolgung erforderliche - Verfolgungsdichte aufzeigen können.
Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verwies in seiner Judikatur auf die schlechte Situation für Angehörige der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan, verneinte jedoch eine automatisch vorliegende Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK bei einer Rückkehr allein auf Grund der Zugehörigkeit zu dieser Volksgruppe (EGMR 05. Juli 2016, 29.094/09, A.M./Niederlande).
Aus diesen Gründen ist das Vorliegen einer Gruppenverfolgung im Hinblick auf die Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit von Hazara und Schiiten in Afghanistan im Ergebnis zu verneinen.
Sonstige Anhaltspunkte für eine asylrelevante gegen den Beschwerdeführer gerichtete Bedrohung sind nicht hervorgekommen und wurden solche vom Beschwerdeführer auch gar nicht behauptet. Sohin kann insgesamt nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer - wie schon von der belangten Behörde zu Recht erkannt - im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG 2005 droht, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids:
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 8 Abs. 1 und Abs. 3 sowie des § 11 AsylG 2005, BGBl. Nr. 100 lauten wie folgt:
"§ 8 (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
......
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
....
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.
....
§ 11 (1) Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.
(2) Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen."
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 6. November 2018, Ra 2018/01/0106 ausgesprochen, dass aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AsylG zwar ableitbar ist, dass für die Gewährung subsidiären Schutzes bereits jegliche Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art. 3 EMRK an sich, unabhängig von einer Verursachung von Akteuren oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat ausreicht, es allerdings den in der Statusrichtlinie 2011/95/EU festgelegten und in der Rechtsprechung des EuGH entwickelten Vorgaben widerspricht, einem Fremden den Status eines subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuzuerkennen. (siehe dazu ausführlich das genannte Erkenntnis sowie zuletzt auch den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. November 2018, Ra 2018/01/0461 zur Dürresituation bzw. Lebensmittelknappheit in Somalia).
Im Sinne der vom Verwaltungsgerichtshof aufgezeigten richtlinienkonformen Auslegung ist § 8 Abs. 1 AsylG insofern derart zu lesen, dass vom subsidiären Schutz nur Fälle realer Gefahr, einen auf ein Verhalten durch Dritte (Akteure) zurückzuführenden ernsthaften Schaden im Sinne des Art 15 der Statusrichtlinie zu erleiden.
Art 15 der Statusrichtlinie definiert als "ernsthaften Schaden" die Todesstrafe oder Hinrichtung (lit.a), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung eines Antragsstellers im Herkunftsland (lit. b) und "eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts" (lit. c).
Eine Zuerkennung des subsidiäre