TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/5 W105 2185595-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.02.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

05.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W105 2185595-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald BENDA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb., StA Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.12.2017, Zahl: 1098459300/151968766, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.09.2018 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, § 8 Abs. 1 AsylG

2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, § 57 AsylG 2005 sowie §§ 46, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 10.12.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 10.12.2015 gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari an, dass er afghanischer Staatsangehöriger sowie Angehöriger der Volksgruppe Hazara schiitischer-islamischer Glaubensrichtung sei. Er sei am XXXX in Mazar-e Sharif geboren.

Zu seiner Reiseroute gab der Antragsteller an, sich von Afghanistan über den Iran und die Türkei weiter nach Mazedonien und Serbien sowie ihm unbekannte Länder nach Österreich begeben zu haben. Sein Vater befinde sich in Afghanistan; seine Mutter sei verstorben. Als Fluchtgrund führte der Antragsteller wörtlich ins Treffen: "Ich wurde von einigen Milizen in unserer Stadt beschuldigt, dass ich Christ geworden bin. Da ich bei einem Mann in einen Kurs gegangen bin, wo ich Englisch und Dari gelernt habe. Sie drohten mir mit dem Umbringen. Aus Angst um mein Leben habe ich das Land verlassen."

2. Da sich im Rahmen des Verfahrens Indikatoren für eine nicht richtige Angabe des Geburtsjahres ergaben, eine Erstabklärung durch ein durchgeführtes Handwurzelröntgen Volljährigkeit ergab (Handwurzelröntgen vom 20.12.2015, Ergebnis Skelettalter XXXX Jahre.), wurde der Antragsteller einer sachverständigen Volljährigkeitsbeurteilung zugeführt, wobei als Ergebnis dessen mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.04.2016 ein spätestmögliches Geburtsdatum mit XXXX und sohin Volljährigkeit festgestellt wurde.

3. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 26.07.2017 wurde dem das Beweisergebnis hinsichtlich der Altersfeststellung zur Kenntnis gebracht. Im einzelnen führte der Antragsteller im Rahmen der Befragung sodann aus gesund zu sein, keine Kinder zu haben, nicht in ärztlicher Behandlung zustehen und keine Medikamente nehmen zu müssen. Er bekräftigte in der Provinz Balkh, in Mazar e Sharif geboren zu sein und habe er dort in dem Miethaus mit seinem Onkel mütterlicherseits und dessen Familie gelebt. Er sei bei diesem Onkel aufgewachsen. Er wisse nicht, wo sich dieser mit seiner Familie aufhalte. Seine Mutter sei krank gewesen und habe sie der Vater zur Behandlung nach Kabul gebracht. Auf dem Rückweg sei sie durch einen Autounfall ums Leben gekommen und sei er dann vom Onkel mütterlicherseits übernommen und großgezogen worden. Er habe keine Geschwister. Sein Onkel habe eine Transportfirma. Das Verhältnis zu den Angehörigen sei gut gewesen. Er verfüge über eine sechsjährige Schulbildung sowie habe er vier Jahre lang bei einem Juwelier als Goldschmied gearbeitet. Zuletzt habe er mit seinem Onkel von der Türkei aus Kontakt aufgenommen; jetzt wisse nicht wo dieser lebe. Der Onkel habe die Kosten der schlepperunterstützten Flucht in der Höhe von € 4000 bezahlt.

Im Detail gab der Antragsteller zu den Fluchtgründen sodann an wie folgt:

FLUCHTGRUND

LA: Aus welchen Gründen verließen Sie das Heimatland? Was ist alles passiert?

VP: Ich habe in Mazar-e-Sharif gemeinsam mit der Ehefrau meines Onkels einen privaten Dari-Englisch-Kurs besucht. Die Frau meines Onkels ist am Vormittag dort hingegangen und ich am Nachmittag. Eines Tages hat mir unser Lehrer ein Buch gegeben und sagte ich soll das der Ehefrau meines Onkels geben. Das Buch hatte ich in der Tasche. Ich ging mit meinem Freund in die Moschee beten. Als ich mit dem Beten fertig war, sah ich, dass meine Tasche offen ist. Als ich dort dann die Leute fragte, warum meine Tasche offen ist, wurde ich geschlagen. Mein Freund holte dann meinen Onkel. Der sprach dann mit dem Mullah. Der Mullah sagte ihm, dass in meiner Tasche "Injil"- das heilige Buch (Bibel), gefunden wurde und sagte, dass ich die christliche Religion verbreiten würde. Ich wurde dort auch mit dem Tod bedroht. Mein Onkel sagte ich soll von hier weglaufen. Ich lief dann von hier nach Hause. Circa ein oder zwei Stunden später kam mein Onkel nach Hause und sagte ich soll meine Kleidung zusammenpacken. Er ist dann mit mir mit einem Linienbus nach Kabul gefahren. So begann meine Reise.

LA: Wie lange waren Sie mit Ihrem Onkel in Kabul?

VP: Wir sind in der Nacht von Mazar-e-Sharif Richtung Kabul gefahren und kamen dort um 8 oder 9 Uhr in der Früh an. Ich wurde gleich einem Schlepper übergeben, also um 17 Uhr am gleichen Tag fuhr ich nach XXXX mit dem Schlepper.

LA: Als Ihr Lehrer Ihnen das Buch gegeben hat, wussten Sie um welches Buch es sich handelt?

VP: Nein, das Buch war in einem Plastiksack. Ich habe das Buch dann in meine Tasche gegeben.

LA: Haben Sie das Buch mit eigenen Augen gesehen?

VP: Nein.

LA: Weshalb wurde Ihre Tasche in der Moschee durchsucht?

VP: Es ist dort so, wenn man die Moschee hineinkommt, kann man seine Sachen in den Betbereich nicht mitnehmen. Ich habe meine Schuhe vorher ausgezogen und meine Tasche dort hingelegt. Da die Sicherheitslage schlecht ist, dachten die Leute vielleicht, dass in meiner Tasche Sprengstoff sein könnte. Deshalb schauten sie nach.

LA: Warum hat man Sie verdächtigt, dass Sie Sprengstoff in der Tasche tragen?

VP: Das ist jetzt in Afghanistan so, wenn irgendwo eine Tasche oder ein Sack liegt, schauen sie gleich nach, weil sie Angst vor einem Anschlag haben.

LA: Haben Sie diese Moschee regelmäßig besucht?

VP: Ja regelmäßig, es war in der Nähe unseres Kurses.

LA: Kannte man Sie dort in der Moschee?

VP: Ja, das waren Leute aus der Umgebung. Sie kannten mich. Sowohl der Kurs als auch meine Wohnadresse waren in der Nähe der Moschee.

LA: Wie gut kannten Sie Ihren Lehrer?

VP: Er war unser Lehrer, so gut kannte ich ihn.

LA: Was können Sie über diesen Lehrer sagen?

VP: Er heißt XXXX . Er hat diesen Privatkurs zu Hause betrieben, dort wo er gelebt hat. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

LA: Wie lange haben Sie diesen Englischkurs schon gemacht?

VP: Circa drei oder dreieinhalb Monate.

LA: Wie lange ging die Ehefrau Ihres Onkels dort hin?

VP: Sie hat sich nur ein paar Tage vor mir dort angemeldet.

LA: Haben Sie irgendwann bemerkt oder darüber gesprochen, dass sich die Ehefrau Ihres Onkels für das Christentum interessiert?

VP: Nein, ich habe gar nichts bemerkt.

LA: Warum glauben Sie, weshalb der Lehrer der Ehefrau Ihres Onkels das Buch mitgegeben hat?

VP: Das weiß ich nicht, was sie miteinander hatten.

LA: War dieser Lehrer Moslem?

VP: Ja vielleicht, aber ich habe ihn danach nicht gefragt.

LA: Welcher Volksgruppe gehörte er an?

VP: Er war Sadat.

LA: Was war Ihrer Meinung nach der zuletzt ausschlaggebende Grund für Sie zu flüchten?

VP: Das was ich Ihnen gesagt habe, als wir nach Kabul unterwegs waren, sagte mir mein Onkel, dass der Mullah und die Leute in der Moschee verlangt haben, mich Ihnen zu übergeben, weil ich die christliche Religion verbreiten würde.

LA: Hatten Sie noch weitere Fluchtgründe?

VP: Nein.

LA: Was würden Sie im Falle einer Rückkehr in Ihren Heimatstaat befürchten? Was würde Sie dort erwarten?

VP: Ich habe Angst umgebracht zu werden.

LA: Hätten Sie die Möglichkeit, sich im Heimatland wo anders hinzubegeben, um sich den angegebenen Übergriffen/Problemen/Schwierigkeiten zu entziehen? bzw. haben Sie das schon erwogen / versucht - z.B. in ein anderes Gebiet bzw. bestünde diese Möglichkeit jetzt?

VP: Nein, ich hatte Angst gefunden zu werden und außerdem zu wem sollte ich woanders hingehen? Ich hätte dort keine Familie. Ich war auch ziemlich jung.

LA: Was müsste passieren, damit Sie wieder in Ihr Heimatland Afghanistan zurückkehren können?

VP: Zu wem soll ich jetzt hingehen? Ich habe dort keine Familie mehr.

LA: Hatten Sie persönlich aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit bzw. Religionszugehörigkeit Probleme in der Heimat?

VP: Ja, wir Shiiten beten mit offenen Händen. Da sagten mir in der Moschee die Leute, dass ich ein Hazara bin und sie lachten mich aus wegen meiner Art zu beten aus. Das hat mich gekränkt.

..."

4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentsheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV). Es wurde gemäß I 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Schließlich wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

5. Die belangte Behörde traf Feststellungen dergestalt, dass der Antragsteller afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara sowie schiitischen Glaubens, und volljährig sei und an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung leide. Er stamme aus Mazar e Sharif/Provinz Balkh, und habe sechs Jahre lang die Schule besucht sowie habe er vier Jahre lang bei einem Juwelier als Goldschmied gearbeitet. Im Falle einer Rückkehr würde er nicht in eine existenzielle Notlage geraten. In Österreich habe er keine Verwandten, sei hier nicht berufstätig und lebe von der Grundversorgung, besuche keinen Deutschkurs und verfüge über kein dauerndes Aufenthaltsrecht.

Eine Verfolgung betreffend Afghanistan habe nicht festgestellt werden können.

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass die erstatteten Angaben des Antragstellers nicht als glaubwürdig erachtet werden könnten.

Im Einzelnen wurde ausgeführt wie folgt:

"Im Zuge Ihrer Erstbefragung gaben Sie an, dass Sie von einigen Milizen in der Stadt beschuldigt worden seien, Christ geworden zu sein, da Sie bei einem Mann in einen Kurs gegangen seien, wo Sie Englisch und Dari gelernt hätten. Diese hätten Ihnen mit dem Umbringen gedroht. Aus Angst um Ihr Leben hätten Sie das Land verlassen.

Bei Ihrer Einvernahme am 26.07.2017 führten Sie ebenfalls an, dass Sie einen privaten Dari-Englisch-Kurs besucht hätten. Sie seien dort mit der Frau Ihres Onkels hingegangen. Eines Tages hätten Sie von Ihrem Lehrer für die Ehefrau Ihres Onkels ein Buch erhalten. Daraufhin seien Sie mit einem Freund in die Moschee beten gegangen. Nach dem Beten hätten Sie bemerkt, dass Ihre Tasche offen sei. Als Sie dort die Leute deswegen ansprachen, seien Sie geschlagen worden. Ihr Freund habe dann Ihren Onkel geholt. Dieser habe dann mit dem Mullah gesprochen und erfahren, dass in Ihrer Tasche "Injil", die Bibel gefunden worden sei. Er habe gesagt, dass Sie die christliche Religion verbreiten würden. Sie seien dort auch mit dem Tod bedroht worden. Ihr Onkel habe Ihnen zur Flucht verholfen und sei mit Ihnen dann ein oder zwei Stunden später mit einem Linienbus nach Kabul gefahren. So habe Ihre Reise begonnen.

Danach gefragt, ob Sie wussten, um welches Buch es sich handle, als Sie es von Ihrem Lehrer bekommen haben, antworteten Sie, dass das Buch in einem Plastiksack gewesen sei. Sie hätten das Buch dann in Ihre Tasche gegeben. Sie hätten das Buch nicht mit eigenen Augen gesehen (vgl. S. 8 des Einvernahmeprotokolls vom 26.07.2017). Da Sie zuvor aussagten, dass Sie gemeinsam diesen Kurs mit der Ehefrau Ihres Onkels besucht hätten, ist es äußerst unschlüssig, weshalb dieses Buch ausgerechnet für die Ehefrau Ihres Onkels bestimmt gewesen sein soll. Zumal diese sich lediglich ein paar Tage vorher dort bei diesem Lehrer angemeldet habe und Sie auch nicht wüssten, was die Frau Ihres Onkels und der Lehrer miteinander hatten (vgl. S. 8 des Einvernahmeprotokolls vom 26.07.2017).

Auf die Rückfrage, weshalb Ihre Tasche in der Moschee durchsucht worden sei, antworteten Sie ebenfalls nur lapidar, dass man seine Sachen in die Moschee nicht mitnehmen kann. Sie hätten Ihre Schuhe vorher ausgezogen und Ihre Tasche dort hingelegt. Da die Sicherheitslage in Afghanistan schlecht sei, hätten die Leute vielleicht gedacht, dass in Ihrer Tasche Sprengstoff sein könnte. Deshalb hätten Sie nachgeschaut (vgl. S. 9 des Einvernahmeprotokolls vom 26.07.2017).

Es ist äußerst befremdlich, dass Ihre Tasche, die Sie ebenso wie Ihre Schuhe ohne Bedenken in der Moschee vor dem Beten irgendwo hingelegt haben, plötzlich ohne Ihr Wissen kontrolliert worden sei, zumal Sie weder erklären konnten, warum man Sie verdächtigt habe, dass Sie Sprengstoff in der Tasche tragen, noch passt es zu Ihrer Aussage, dass Sie regelmäßig diese Moschee besuchen und dort bekannt gewesen seien. Laut Ihren Angaben habe man Sie dort in der Moschee gekannt, denn dort seien Leute aus Ihrer Umgebung gewesen. Sowohl der Kurs als auch Ihre Wohnadresse seien in der Nähe der Moschee gewesen (vgl. S. 9 des Einvernahmeprotokolls vom 26.07.2017).

Grundsätzlich ist eine Aussage dann als glaubhaft einzustufen, wenn das Vorbringen des Asylwerbers genügend substantiiert ist und der Asylwerber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen. Zudem muss das Vorbringen in sich schlüssig und plausibel sein, was voraussetzt, dass der Asylwerber sich nicht in wesentlichen Aussagen widerspricht bzw. dass sein Vorbringen mit den Tatsachen oder der allgemeinen Lebenserfahrung übereinstimmt. Weiters muss der Asylwerber persönlich glaubwürdig sein, was z.B. nicht anzunehmen ist, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens auswechselt oder steigert.

Ihre Angaben zu Ihrer Fluchtbegründung sind widersprüchlich und unglaubwürdig. Noch in Ihrer Erstbefragung gaben Sie an von Milizen in Ihrer Stadt beschuldigt worden zu sein, dass Sie Christ geworden seien (vgl. S. 5 Ihrer Erstbefragung vom 10.12.2015). In Ihrer Einvernahme hingegen sprachen Sie davon, dass Sie in der Moschee beschuldigt worden seien, Christ geworden zu sein (vgl. S. 8 Ihres Einvernahmeprotokolls vom 26.07.2012). Davon dass Sie von Milizen in Ihrer Stadt beschuldigt worden seien, Christ geworden zu sein, sprachen Sie nicht mehr.

Aufgrund Ihrer wenig substantiierten Darstellungsweise und der entstandenen Widersprüche ist nicht glaubhaft, dass Sie aufgrund einer gegen Sie persönlich gerichteten Verfolgung bzw. Furcht vor einer solchen nach Österreich kamen. Ihre Gründe für die Ausreise mögen daher im rein privaten Bereich, nämlich der Verbesserung der Lebenssituation gelegen haben. Eine Verfolgung oder die Gefahr einer solchen, konnten Sie hiermit nicht glaubhaft geltend machen."

6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, in welcher der Antragsteller ausführt, er selbst sowie die Ehefrau des Onkels hätten in Mazar- Sharif, nicht weit von seiner Wohnadresse, in einem Privathaus einen privaten Dari-Englischkurs besucht. Der Kurs für Frauen habe am Vormittag stattgefunden, der für Männer am Nachmittag. Eines Tages habe der Sprachlehrer (namentlich genannt) den Beschwerdeführer ein in einen Plastiksack gehülltes Buch für die Frau des Onkels mitgegeben. Diesen Plastiksack habe er, ohne nachzusehen, welche Art von Buch sich darin befinde, in seine Tasche gesteckt. Danach habe er zusammen mit einem Freund die Moschee zum Gebet aufgesucht. In dieser Moschee sei der Beschwerdeführer bekannt, da die Moschee nahe seiner Wohnadresse liege und er diese regelmäßig besucht hätte. Wegen der Anschlagsgefahr gegen schiitische Einrichtungen sei es untersagt gewesen, Taschen in den Gebetsraum mitzunehmen. Daher sei die Tasche im Vorraum der Moschee verblieben. Nachdem er nach dem Gebet im Vorraum die Tasche geöffnet vorgefunden habe, habe er nachgefragt, warum seine Tasche geöffnet worden sei. Diese seine Frage habe zur Folge gehabt, dass er geschlagen worden sei. Sein ihn begleitender Freund habe deswegen seinen Onkel herbeigeholt. Der Mullah habe den Onkel informiert, dass in seiner Tasche eine Bibel gefunden worden sei und das aufgrunddessen anzunehmen sei, dass er die christliche Religion verbreite. Daraufhin sei der Beschwerdeführer an Ort und Stelle mit dem Tod bedroht worden und sei die Auslieferung des Beschwerdeführers an die "Leute der Moschee" von seinem Onkel gefordert worden. Da ihn dieser aus der gefährlichen Situation bringen habe wollen, habe sein Onkel ihn angewiesen, sofort wegzulaufen und sei er von der Moschee weg nach Hause gelaufen. Nachdem sein Onkel nach 1 bis 2 Stunden von der Moschee nach Hause zurückgekehrt sei, sei er von seinem Onkel angewiesen worden seine Kleidung zusammen zu packen. Noch am gleichen Abend habe er in Begleitung des Onkels mit einem Linienbus die nächtliche Fahrt nach Kabul angetreten und sei er dort am nächsten Tag einem Schlepper übergeben worden. Er befürchte umgebracht zu werden und habe keine familiären Anknüpfungspunkte außerhalb seiner Heimatsprovinz und vermute er, dass sein Onkel bei welchem er gelebt habe, sich nicht mehr im Heimatort aufhalte, da dieser seit Dezember 2015 telefonisch nicht mehr erreichbar sei. Hinsichtlich der aufgezeigten Widersprüche sei nicht zwingend, dass ein Widerspruch vorliege; es sei nicht ausgeschlossen, dass die vom Antragsteller genannten Milizen der Stadt nicht identisch mit den Leuten in der Moschee seien. Auch sei der belangten Behörde freigestanden nachzufragen, um welche Milizen es sich hierbei gehandelt habe. Die Unterstellung der Unglaubwürdigkeit sei sohin nicht tragfähig. Im Weiteren wurde auf die verschlechterte Sicherheitslage in der Region Mazar-e- Sharif verwiesen. Überdies habe die belangte Behörde auf die aktuelle Berichtslage hinsichtlich der anhaltenden Gefährdung von schiitischen religiösen Einrichtungen durch Anschläge sunnitischer Extremisten nicht Bezug genommen. Im weiteren habe sich die Behörde nicht im Einzelnen mit dem Vorbringen des Antragstellers zum Themenkreis der Durchsuchung seiner Tasche Ausnahme gesetzt. Das Auffinden einer Bibel in der Tasche des Beschwerdeführers rechtfertige in Afghanistan jedenfalls den Verdacht, dass dieser ein Christ sein müsse und sei dies ein todeswürdiges Verbrechen. Im Weiteren wurde auf vorliegende Berichte aus dem Jahr 2016 verwiesen wonach eine zunehmende Gewaltausübung gegen Hazara vorliege. Eine inländische Fluchtalternative bestehe nicht.

7. Der Antragsteller wurde ihm Wege der Justizanstalt XXXX für den 14.05.2018 vorgeladen und erschien er zum angegebenen Termin unentschuldigt nicht. Der Antragsteller wurde sodann zur anberaumten öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht für den 19.09.2018 vorgeladen und wurde im Rahmen der Ladung das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation mit Stand 29.06.2018 als Beweismittel zur Situation in Afghanistan eingeführt.

Am 19.09.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer teilnahm und der eine Dolmetscherin für die Sprachen Dari und Farsi beigezogen wurde. Das BFA verzichtete anlässlich der Beschwerdevorlage auf die Teilnahme an der Verhandlung. Der Verhandlung wohnte auch eine Vertreterin der gewillkürten Vertretung des Antragstellers bei.

Die niederschriftliche Einvernahme des Antragstellers gestaltete sich wie folgt:

"Eröffnung der Verhandlung

R: Ich verweise auf den bisherigen Akteninhalt und insbesondere auf die bisherigen Einvernahmeprotokolle.

Ich verweise auch darauf, dass der BF bereits für den 14.05.2018 vorgeladen war und er nicht erschien. Die Erhebungen haben ergeben, dass er gemäß der Anzeige vom 08.05.2018 im Verdacht stand Suchtgift an Minderjährige bzw. verkauft zu haben. Der BF wurde sodann in der JA XXXX ausfindig gemacht. Die Ladung zum heutigen Termin wurde nach Auflösung des Vertretungsverhältnisses durch den Verein Zeige mit Schreiben von 24.05.2018 rechtswirksam über die JA zugestellt.

Die anwesende Vertreterin legt eine Vollmacht vom Verein XXXX (Vollmacht wird zum Akt genommen).

RV: Zum besprochenen Akteninhalt gibt es vorab keinerlei Fragen.

R an RV: Möchten Sie zum gegenständlichen Verfahren neue Unterlagen vorlegen?

RV legt ein Konvolut zum Sachverhaltskreis der Integration. (Es werden die Kopien der Unterlagen insgesamt zum Akt genommen).

RV: Ich möchte dazu erläutern: Vorgelegt werden auch einige Fotos die den BF gemeinsam mit dem Herrn Bundespräsidenten XXXX zeigen. Näheres wäre über den BF zu erfragen.

Sowie weiters Unterlagen zum Spracherwerb sowie Schulbesuchsbestätigung und ein Referenzschreiben der Familie welche ihn betreut. Weiters verweise ich, dass das Vorgespräch ergeben hat, dass es eine österreichische Bezugsperson gibt.

BFV: Es geht dabei im wesentlichen um Kurse und Spracherwerb.

R: Ich verweise Sie nun dahin, dass es im gegenständlichen Verfahren von zentraler Bedeutung ist, wahrheitsgemäße Angaben zu machen und am Verfahren aktiv mitzuwirken.

Fall Sie etwas von der sprachlichen Mittlung her oder vom Ziel der Fragestellung nicht verstehen sollten, zeigen Sie dies sofort auf.

R: Haben Sie bisher alles verstanden?

BF: Ja.

R: Ich nehme Bezug auf die seitens der von Ihrer Vertreterin vorgelegten Fotos, welche Sie mit dem Bundespräsidenten zeigen. Was können Sie mir dazu sagen?

BF: Als wir die Übergangsklasse beendet hatten wurden wir zum Bundespräsidenten gebracht. Die Übergangsklasse wurde neu eröffnet und das war der Anlass dazu.

R: Ich nehme Bezug auf die Mitteilung, dass Sie in Haft gewesen sind. Was können Sie mir dazu berichten?

BF: Ja, ich war zwei Monate in Haft. Ich habe Haschisch geraucht, ein Freund wollte von mir auch etwas haben. Ich habe ihm auch etwas besorgt, seine Mutter hat es erfahren und gemeldet.

R: Gibt es gegen Ihre Person ein Strafverfahren, wurden Sie verurteilt?

BF: Ja. Ich war zwei Monate in Haft und habe sechs Monate bedingte Haft erhalten.

R: Ihre Angaben stellen sich vor dem Hintergrund der Anzeigelegung als wenig nachvollziehbar dar: So ist der Anzeige entnehmbar, dass Sie beobachtet wurden Cannabis an einer öffentlichen Bushaltestelle an 14 bzw. 15-Jährige Schüler weitergegeben zu haben. Weiters bestand der Verdacht, dass Sie auf dem Schulgelände Drogen zum Verkauf angeboten zu haben.

BF: Ich habe das Suchtgift an zwei Personen weitergegeben.

R: Wo sind Sie geboren und aufgewachsen?

BF: Ich bin in Mazer - e- Sharif geboren und aufgewachsen.

R: Über welche Schulbildung verfügen Sie?

BF: Ich bin sechs Jahre in Afghanistan zur Schule gegangen.

R: Haben Sie eine Berufsausbildung genossen?

BF: Ich habe in Afghanistan sechs Jahre in einem Schmuckgeschäft gearbeitet.

R: Haben Sie in Ö verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte?

BF: Eine Familie nicht, aber gute Freunde der Familie die mich als Freund sehen. Es handelt sich dabei um türkischstämmige Personen.

R: In welcher Sprache unterhalten Sie sich mit den Familienangehörigen welche Sie aufgenommen haben?

BF: Auf Deutsch.

R: Haben Sie noch Familie in Afghanistan?

BF: Nein, meine Familie ist gestorben.

R: Berichten Sie darüber bei wem Sie das letzte Mal vor Ihrer Ausreise gelebt bzw. gewohnt haben.

R: Als ich ganz klein war, war meine Mutter sehr krank. Mein Vater wollte sie nach Kabul bringen um sie behandeln zu lassen. Auf dem Weg dorthin sind sie bei einem Unfall ums Leben gekommen. Ich bin dann bei meinem Onkel aufgewachsen. Geschwister habe ich keine.

R: Wann war das, als Sie beim Bundespräsidenten haben?

BF: Das war vor sechs, sieben Monaten. Während der laufenden Schulzeit haben sie uns zum Bundespräsidenten gebracht um über das Projekt zu reden.

R: Zu welcher Volksgruppe gehören Sie?

BF: Hazara.

R: Können Sie nun in ein, zwei Sätzen wiederholen warum Sie Afghanistan verlassen haben?

BF: Kurz gesagt, konnte ich nicht mehr in Afghanistan leben. Wenn ich geblieben wäre, wäre ich getötet worden.

R: Aus welchem Grund?

BF: Ich habe in Afghanistan einen englischen Kurs besucht. Der Englischlehrer hat mir eine Bibel gegeben. Eines Tages bin ich nach dem Kurs in die Moschee gegangen. Nach dem Gebet habe ich die Moschee verlassen und die Dorfältesten haben in einem Plastiksack wo ich meine Bibel versteckte, diese Bibel gefunden.

R: Erzählen Sie mir nun die Geschichte von Anfang an, wie sind Sie in den Besitz der Bibel gelangt.

BF: In der Nähe von zu Hause gab es einen Kurs in einem Haus, dort besuchte ich den Sprachkurs. Die Frau von meinem Onkel hat auch diesen Kurs mit mir zusammen besucht, wobei sie an diesem Tag den Kurs nicht besuchte. Nach dem Kurs bin ich in die Moschee gegangen, habe gebeten. Nach dem Gebet bin ich rausgegangen und dort standen die Dorfältesten. Dann haben die Dorfältesten gesagt, ich bringe etwas Schlechtes über das Dorf.

R: Berichten Sie nun Schritt für Schritt über diesen Kursbesuch und in weiterer Folge über den Besuch der Moschee, sodass ich mir ein Bild über den Ablauf machen kann. Erzählen Sie nicht nur ich bin in die Moschee gegangen, sondern ein genaues Ablaufbild.

BF: Ich bin von zu Hause in den Kurs gegangen. Ich habe Unterricht erhalten, Dari und Englisch. Es war ein Haus von dem Kurslehrer. Ich habe dort ganz normal gelernt. Nach dem Kurs hat mein Lehrer gesagt, nimm dieses Buch. Das Buch hat sich in einem Plastiksackerl befunden und der Lehrer hat gesagt, ich soll es mit nach Hause zu meinem Onkel nehmen, ich wusste nicht was darin war. Nach dem Kurs bin ich mit dem Plastiksackerl in Richtung Moschee gegangen. Die Moschee war in unmittelbarer Nähe vom Haus meines Onkels. Ich bin aber in die Moschee gegangen und habe das Plastiksackerl beim Eingang neben die Moschee gelegt. Es war ein schwarzes Plastiksackerl.

R: Was haben Sie vorher gemacht, bevor Sie in die Moschee gegangen sind?

BF: Ich habe die Gebetswaschung durchgeführt. Nach meinem Gebet bin ich hinausgekommen und dort haben die Dorfältesten gewartet.

R: Wissen Sie noch den Namen des Englischlehrers?

BF: XXXX .

R: Zu welcher Volksgruppe gehört er?

BF: Er ist Sayed und diese Volksgruppe gehört zu den Hazara.

R: Meiner Informationslage nach fühlen sich die Angehörigen der Sayed oder der Sadat genealogisch auf dem Propheten Mohammed zurück und glauben von sich selbst, dass sie über den Angehörigen der anderen Volksgruppen zu sein, andern falls behaupten sie eine arabische Herkunft zu haben und vermeinen sie daher näher am Propheten zu stehen und die reine Lehre zu haben. Können Sie das bestätigen?

BF: Ich kann das nicht bestätigen, weil ich die Volksgruppenzugehörigkeit selbst nicht genau kenne.

R: Gemäß der allgemeinen Logik und der Kenntnis der Gepflogenheiten erscheint es mir wenig wahrscheinlich, dass ein Angehöriger der funktionalen Gruppe der Sayet bzw. Sadat sich einerseits für das Christentum interessiert und andererseits im Besitz einer Bibel ist und diese sogar weitergibt oder sich damit selbst in den Verdacht bringt in Afghanistan christliche Missionierung zu betreiben. Was sagen Sie dazu?

BF: Ich weiß es nicht, der Lehrer hat mir einfach dieses Sackerl gegeben und mir gesagt, ich soll es an die Frau von meinem Onkel geben. Was zwischen den beiden vorgefallen ist bzw. welche Beziehung sie hatten, das weiß ich nicht.

R: Was ist Ihr Onkel von Beruf?

BF: Er hat eine Baufirma.

R: Wie war das Verhältnis zwischen Ihrem Onkel und Ihrer Tante?

BF: Es war eigentlich gut.

R: Wie lange haben Sie diesen Englischkurs besucht?

BF: Drei bis dreieinhalb Monate.

R auf Englisch: What Kind of Basic Information did they teach you?

BF mit großen Augen: Ich habe das nicht verstanden. So intensiv haben wir das nicht gelernt, sondern haben wir nur Buchstaben gelernt?

R: Können Sie etwas auf Englisch sagen?

BF: Was soll ich sagen?

R: Irgendetwas.

BF: Pencil, Table.

R: Können Sie keine Sätze bilden?

BF: Mein Kopf funktioniert nicht.

R: Zurück zur Moschee: Da waren diese Dorfältesten, wie ist es konkret weitergegangen, geben Sie mir Einblick in die Geschehnisse.

BF: Ich bin hinausgegangen und das erste was sie mich gefragt haben war, ob mir diese Tasche gehört, ich habe das bejaht. Man hat mir vorgeworfen, dass ich den Kindern eine andere Religion nahebringe.

R: Hat man Sie konkret bedroht?

BF: Ja, sie haben mich zusammen geschlagen. Ein junger Mann ist schnell nach Hause gelaufen und hat meinen Onkel geholt, welcher mich schnell weggebracht hat. Bevor er mich weggebracht hat, haben die Dorfältesten gesagt, was ich ihren Kindern beibringe. Dann hat mich mein Onkel zu einem Mann gebracht, welcher mich nach Kabul brachte.

R: Sind Sie an jenem Tag vom Englisch Kurs alleine in die Moschee gegangen?

BF: Ja.

R: Waren Sie mit Ihrer Tante gemeinsam in diesem Englischkurs?

BF: Ja, ich bin jeden Tag mit ihr gemeinsam gegangen. Nur an jenem Tag war sie nicht mit. Waren gemeinsam ca. 15 Personen in einem Kurs, männliche und weibliche Kursteilnehmer zusammen in einem Raum.

R: Ich halte Ihnen nun Ihre Aussage vor dem BFA vom 26.07.2017 vor.

Verlesen wird Aktenseite AS 121

„Fluchtgrund"

R: Was sagen Sie dazu?

BF: Anfangs des Kurses sind wir getrennt gegangen und danach gemeinsam. Ich habe damals gesagt, dass ich alleine in die Moschee gegangen bin. Die Dolmetscherin war eine Paschtunin und hat nicht Farsi gekonnt.

R: Sprechen Sie Dari oder Farsi?

BF: Das ist dasselbe, Dari ist nur ein Dialekt.

R: Haben Sie den Dolmetsch bei der Ersteinvernahme bei der Polizei gut verstanden?

BF: Ja, dieser konnte Dari.

R: Ist Ihnen klar, dass Ihnen das Protokoll beim BFA wortwörtlich rückübersetzt wurde und haben Sie Seite für Seite die Richtigkeit mit Ihrer Unterschrift bestätigt. Ist das Ihnen Ihre Unterschrift? R zeigt auf die jeweilige Unterfertigung?

BF: Ja.

R: Ich kenne die Dolmetscherin die damals übersetzt hat persönlich aus Verhandlungen und spricht sie Dari.

R: Wissen Sie noch was Sie in Ihrer Ersteinvernahme zu Ihren Fluchtgründen angegeben haben?

BF: Ja ich erinnere mich.

R: Zurück zu der Bedrohungslage: Sie wurden also Ihrer heutigen Darstellung nach von den Dorfältesten bedroht und haben auf Anraten des Onkels unmittelbar danach Ihre Herkunft Region nach Kabul verlassen.

BF: Ich bin in der Nacht losgefahren und war in der Früh in Kabul.

R: Sie wurden also vor Ihrer Ausreise bedroht? Ist das so und ist das abschließend?

BF: Ja, sie haben mich bedroht und auch gesagt, dass sie mich umbringen. Mein Onkel hat mich gerettet.

R: Ich lese Ihnen nun vor, was Sie in Ihrer Ersteinvernahme zu Ihren Fluchtgründen gesagt haben und haben Sie auch diese Angaben bzw. deren Richtigkeit mit Ihrer Unterschrift bekräftigt. Verlesen wird AS 19.

BF: Damit meinte ich Personen die eine besondere Kraft, eine höhere Position haben.

R: Hat es zwischen Ihren Onkel und irgendwelchen anderen Personen, beispielsweise den Dorfältesten einen Kontakt gegeben?

BF: Die großen Männer und die Dorfältesten haben mich geschlagen bis mein Onkel gekommen ist und gefragt hat was los ist. Dann haben die Männer gesagt was ich gemacht habe, daraufhin hat mein Onkel gesagt, dass er mit ihnen reden würde.

R: Hat er dann mit ihnen geredet?

BF: Sie haben ein bisschen miteinander geredet und dann brachte mich mein Onkel zu seinem Freund von ihm.

R: Habe ich Sie jetzt richtig verstanden: Ihr Onkel hat Sie von der Moschee abgeholt?

BF: Ja.

R: Am selben Abend hat Sie Ihr Onkel in einen Bus geschickt und nach Kabul?

BF: Ich bin mit einem Freund meines Onkels nach Kabul gereist. Sie wissen das Afghanistan ein islamischer Staat ist und das wird dort nicht geduldet. Ich beziehe mich auch auf ein Mädchen welches auch beschuldigt wurde, sie wurde verbrannt.

R: Ist Ihnen eigentlich klar, dass Sie vor dem BFA ausgesagt haben, Ihr Onkel sei gemeinsam mit einem Linienbus mit Ihnen nach Kabul gefahren?

BF: Nein ich bin mit einem Freund meines Onkels gefahren.

R: Bei der angeführten Dolmetscherin handelt es sich um eine der versiertesten Dolmetscherin und ist sie schon seit 20 Jahren als Dolmetscherin tätig.

BF: Ich habe auch damals der Dolmetscherin gesagt, dass mein Onkel mich zu einem Freund gebracht und ich mit diesem nach Kabul gefahren bin.

R an RV: Haben Sie Fragen an den BF?

RV: Nein.

R: Dann gehen wir zur allgemeinen Lage zu Afghanistan über:

R: Ich führe nun als Beweismittel in das Verfahren ein das umfangreiche LIB der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung 29.06.2018 sowie weiters die neuesten Guidelines des UNHCR zu Afghanistan sowie die neueste Expertise von Mag. Karl Mahringer vom 30.08.2018 zum Themenkreis der Lebensgrundlagen in Afghanistan.

R an RV: Zu den nunmehr zitierten Beweismitteln gebe ich Ihnen eine zweiwöchige Frist zur Stellungnahme.

R: In den genannten Dokumenten finden sich eine Reihe von größtenteils sehr fundierte Informationen zur Situation in Afghanistan und werden diese Unterlagen vor dem Hintergrund des Vorbringens die zentrale Erkenntnisquelle bilden.

BF: Ich bin in Afghanistan aufgewachsen und möchte dazu sagen: Es werden Attentate durchgeführt. Ich kann nicht mehr in Afghanistan leben, wenn ich zurückgehe werde ich getötet.

R: Haben Sie zum Onkel Kontakt seit Sie in Österreich sind?

BF: Ich habe in der Türkei zu ihm Kontakt gehabt und er hat mir gesagt, dass er nicht mehr in Afghanistan ist, nach Indien gehen will. Die Leute haben ihn auch bedroht.

R: Haben Sie bestimmte konkrete Schritte zur Integration unternommen? Abgesehen von den liebenswerten Schritten zum Erwerb der deutschen Sprache?

BF: Ich gehe trainieren ins XXXX .

R: Erzählen Sie etwas über ihre Freundin, die haben Sie vorhin in einem Halbsatz erwähnt.

BF: Sie ist österreichische Staatsbürgerin und hat türkische Wurzeln.

R: Sind Sie grundsätzlich arbeitsfähig?

BF: Ich möchte gerne beim Billa arbeiten, damit ich nicht von der Sozialhilfe leben muss.

R: Sind Sie gesund?

BF: Ja.

Ende der Einvernahme.

Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung wurden mehrere schriftliche Unterlagen zur Integrationsbemühung des Antragstellers vorgelegt.

8. Mit Schriftsatz vom 3.10.2018 nahm der Antragsteller im Wege seiner Vertretung zur Allgemeinsituation in Afghanistan Stellung.

9. Mit Schriftsatz vom 03.10.2018 nahm der Antragsteller durch seine Vertretung Stellung und führte insbesondere ins Treffen, dass mittlerweile Kabul landesweit die meisten zivilen Opfer zu verzeichnen habe und einer der gefährlichsten Orte für Zivilisten in Afghanistan sei. Die Sichtweise, wonach die Hauptstadt unter der Kontrolle der amerikanischen Regierung sei, entspreche schon lange nicht mehr der Realität; dies mit einem Verweis auf eine Kurzinformation vom 25.09.2017. Mit Verweis auf das aktuelle Länderinformationsblatt wurde ausgeführt, dass die Anschläge durch Taliban und den IS in Kabul stark zugenommen hätten. Des Weiteren verwies der Antragsteller auf mehrere Medienberichte aus dem Jahr 2018, die auf die Verschlechterung der Sicherheitslage in Kabul hinweisen. Zur Situation von Hazara und Schiiten in Afghanistan wurde ausgeführt, dass diese serienartig Opfer gezielter Angriffe seien und die von den Hazara erzielten Fortschritte beispielsweise überdurchschnittliche Bildung, ursächlich für Ressentiments der anderen Volksgruppen gegen sie seien. Die Mehrheit der Binnenflüchtlinge, sowie auch die Rückkehrer aus dem Ausland würden in Flüchtlingslagern, angemieteten Unterkünften oder bei Gastfamilien leben und seien die Bedingungen prekär. Berichten zufolge würden mehr als 80% der Betroffenen Nahrungsmittelhilfe benötigen und seien sie auf humanitäre Hilfe angewiesen. Von den 2,1 Millionen Personen, die in informellen Siedlungen leben würden, seien 44% Rückkehrer. Die schwierige Lage sei auch nunmehr in dem gesamtaktualisierten Länderinformationsblatt bestätigt. Die UNO schätze, dass derzeit rund 900.000 Afghanen unter unmenschlichen Bedingungen in Camps verbringen würden. Mehr als hunderttausende afghanische Binnenflüchtlinge und Rückkehrer aus Pakistan würden derzeit unter freiem Himmel, in Zelten oder in improvisierten Unterkünften leben. Umso mehr seien Rückkehrer auf den Rückhalt eines zuverlässigen sozialen bzw. familiären Netzwerks angewiesen. Der Mangel an Netzwerken stelle eine der größten Herausforderungen dar. Unter Hinweis auf den Bericht von Friederike Stahlmann wurde ausgeführt, dass die Annahme, dass zumindest alleinstehende junge Männer und kinderlose Paare ihr Überleben aus eigener Kraft sichern könnten, derzeit in Frage gestellt sei. Selbst wer vom Land in die Städte fliehe und dort keine Angehörigen habe, die in der Lage und bereit seien, Arbeit und Wohnraum zu bieten, habe auf dieser Grundlage keine Chance mehr, sich oder seine Familie zu ernähren. Dies treffe umso mehr diejenigen, die aus langjährigem Exil zurückkehren würden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger Staatsangehöriger Afghanistans und führt den von ihm im Verfahren angegebenen Namen. Er ist Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Dari. Der Antragsteller ist in Mazar-e Sharif/Afghanistan geboren und genoss dort eine sechsjährige Schulbildung. Der antragsteller verfügt über Berufserfahrung im Goldschmiedgewerbe.

Die vom Antragsteller im Verfahren ins Treffen geführten Umstände bzw. Ereignisse - aufgrund derer er seiner Darstellung nach das Herkunftsland verlassen habe - konnten nicht als hinlänglich gesicherter Sachverhalt positiv festgestellt und der Entscheidung zugrunde gelegt werden.

Der Antragsteller leidet unter keinerlei psychischen oder physischen Beeinträchtigungen.

Der Beschwerdeführer stellte am 10.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Der Antragsteller besucht aktuell eine schulische Übergangsklasse sowie nahm er an einem Deutschkurs, Niveau A2, teil. Der Antragsteller ist vorbestraft.

Zu den geltend gemachten Fluchtgründen wird vom erkennenden Gericht folgendes festgehalten:

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer ohne Hinzutreten weiterer wesentlicher individueller Merkmale mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine gegen ihn gerichtete Verfolgung oder Bedrohung durch staatliche Organe oder (von staatlichen Organen geduldet) durch Private, sei es vor dem Hintergrund seiner ethnischen Zugehörigkeit (Hazara), seiner Religion (schiitischer Islam), Nationalität (Afghanistan), Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung zu erwarten hätte.

So kann nicht festgestellt werden, dass der Antragsteller mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in seiner Herkunftsregion Balkh, in concreto Mazar-e Sharif oder auch in anderen Großstädten wie etwa Herat oder Kabul einer wahrscheinlichen Verfolgung ausgesetzt wäre.

Der Beschwerdeführer ist jung, arbeitsfähig, gesund und steht nicht wegen schwerwiegender Krankheitsbilder in ärztlicher Behandlung.

Der Antragsteller hat eine sechsjährige Schulbildung genossen, sowie arbeitete er vier Jahre lang bei einem Juwelier als Goldschmied.

Der Antragsteller verfügt im Herkunftsstaat über familiäre Bindungen in Form seines Onkels, sowie dessen Familie.

Dem Antragsteller ist es trotz aktuell nicht nachweisbarer Anknüpfungspunkte in seiner mutmaßlichen Herkunftsregion Balkh einerseits zumutbar und für ihn möglich dorthin zurückzukehren oder sich allenfalls in Herat oder Kabul niederzulassen.

Er ist mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates und einer der in Afghanistan gesprochenen Sprache (Dari) vertraut. Er ist in einem afghanischen Familienverband aufgewachsen und hat eine (staatliche) Schule besucht. Er kann lesen und schreiben. Der Antragsteller hat einerseits in Mazar-e Sharif gelebt und dort auch seinen Lebensunterhalt durch die Ausführung einer Erwerbstätigkeit bestritten, verfügt dort maßgeblich wahrscheinlich über familiäre Anknüpfungspunkte und ist es ihm auch durchaus zumutbar, allenfalls in der auch in Herat oder Kabul, wo er mutmaßlich über keine familiären Bindungen verfügt, sich angesichts seines guten Gesundheitszustandes, seiner Arbeitsfähigkeit und seiner Berufserfahrung eine Existenz aufbauen und diese - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten zu sichern, wobei er seine Berufserfahrung als Goldschmied nutzen könnte. Mit dem Leben in einer Großstadt ist der Beschwerdeführer insoweit vertraut, als er bis zu seiner Ausreise in der Großstadt Mazar-e-Sharif gewohnt hat. Der Beschwerdeführer konnte auch bisher durch Erwerbstätigkeit für sich sorgen. Ihm wäre daher auch der Aufbau einer Existenzgrundlage in Mazar-e Sharif oder Herat möglich. Der Beschwerdeführer ist in der Lage, in Mazar-e Sharif oder Herat eine einfache Unterkunft zu finden. Der Beschwerdeführer hat zudem die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen.

Im Ergebnis ist aufgrund der bisherigen Berufserfahrung von einer Selbsterhaltungsfähigkeit des Beschwerdeführers auszugehen.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer lebt in Österreich alleine. Seine Bindung zu Afghanistan ist insbesondere unter dem Aspekt seiner Sozialisierung in einem afghanischen Familienverband, des langjährigen Aufenthalts in einem muslimisch geprägten Land, seiner Muttersprache Dari und der daraus abgeleiteten Verbundenheit mit der afghanischen Kultur - deutlich intensiver als jene zu Österreich.

Der Beschwerdeführer wird im Rahmen der Grundversorgung versorgt. Er ist in Österreich nicht legal beschäftigt.

Zur Lage in Afghanistan wird zentral nachstehende Quellen zugrunde gelegt:

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan vom 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 29.06.2018,

UNHCR- Guidelines 2018

Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation

Afghanistan in der Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018:

"...

3. Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

...

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

...

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

...

Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 1.1.2009-31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registriert die UNAMA

2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).

Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nicht-ziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.4.2018).

...

Zu den regierungsfreundlichen Kräften zählten: ANDSF, Internationale Truppen, regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen sowie nicht näher identifizierte regierungsfreundliche Kräfte. Für das Jahr 2017 wurden 2.108 zivile Opfer (745 Tote und 1.363 Verletzte) regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben, dies deutet einen Rückgang von 23% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (2.731 zivile Opfer, 905 Tote und 1.826 Verletzte) an (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018). Insgesamt waren regierungsfreundliche Kräfte für 20% aller zivilen Opfer verantwortlich. Hauptursache (53%) waren Bodenkonfrontation zwischen ihnen und regierungsfeindlichen Elementen - diesen fielen 1.120 Zivilist/innen (274 Tote und 846 Verletzte) zum Opfer; ein Rückgang von 37% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (UNAMA 2.2018). Luftangriffe wurden zahlenmäßig als zweite Ursache für zivile Opfer registriert (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018); diese waren für 6% ziviler Opfer verantwortlich - hierbei war im Gegensatz zum Vorjahreswert eine Zunahme v

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten