TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/11 W201 2208601-1

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Veröffentlicht am 11.02.2019
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Entscheidungsdatum

11.02.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W201 2208601-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Angela Schidlof als Vorsitzende und die Richterin Dr. Margit Möslinger-Gehmayr sowie den fachkundigen Laienrichter Franz Groschan als Beisitzer im Beschwerdeverfahren des XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 24.07.2018, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und die Beschwerdevorentscheidung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 24.07.2018 wird aufgehoben.

II. Herrn XXXX ist auf Grund des festgestellten Grades der Behinderung in der Höhe von 50 (fünfzig) von Hundert (vH) ein Behindertenpass auszustellen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Am 07.03.2018 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Ein Konvolut von Unterlagen zu seinen Leiden war dem Antrag angeschlossen.

2. Am 19.06.2018 erfolgte die Untersuchung des Beschwerdeführers durch einen Facharzt für Neurologie. Das Sachverständigengutachten enthält auszugsweise:

"Anamnese:

VGA 23.8.17: 30%. Seit 2011 besteht eine progrediente Schwächer proximal betont , es wurde die Diagnose einer Gliedergürtel Muskeldystrophie gestellt ,die Symptomatik sei progredient, er könne schlechter gehen .

Derzeitige Beschwerden:

Schwäche in den OE und UE, Gangstörung

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Gliedergürtel Muskeldystrophie oberer Rahmensatz, da OE und UE betroffen.

04.07.01

40

Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: Seit dem VGA Progredienz der motorischen Ausfälle

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Progredienz der Grunderkrankung.

Dauerzustand."

3. Mit Bescheid vom 24.07.2018 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab. Begründet wurde die Abweisung mit dem Ergebnis des ärztlichen Begutachtungsverfahrens, welches einen Grad der Behinderung von 40% ergeben habe.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Die Feststellung des Sachverständigen, dass ihm der Zehenstand rechts erschwert möglich sei, sei unrichtig. Vielmehr könne er sich überhaupt nicht auf die Zehen stellen. Ein Befund betreffend den bei ihm vorliegenden teilweise vollständigen Muskelfaserarchitekturverlust, den er vorgelegt habe, sei vom Sachverständigen ignoriert worden.

5. Am 30.10.2018 legte die belangte Behörde den Beschwerdeakt an das Bundesverwaltungsgericht vor.

6. Mit Schreiben vom 17.11.2018 beauftragte das BVwG eine Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie mit der Erstellung eines Gutachtens.

Dieses enthält auszugsweise folgendes:

"Im Rahmen des hierorts anhängigen Beschwerdeverfahrens wird gemäß § 14 BVwGG um

Erstellung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens der Fachrichtung Neurologie/Psychiatrie mittels persönlicher Untersuchung anhand der beiliegenden Vorschreibung ersucht.

-Sachverständigengutachten vom 23.8.2017, Aktenblatt (AB) 7-9, 30 von Hundert. +Bescheid vom 25.8.2017, AB 10-11, Abweisung des Antrags zur Ausstellung eines Behindertenpasses.

+Nachfolgegutachten vom 19.6.2018, AB 37-39, 40 0/0.

-Stellungnahme vom 21.8.2018, AB 46, keine Änderung der Einschätzung.

+Beschwerde, eingebracht am 30.7.2018

Untersuchungstag: Dienstag, 11.12.2018

Zeitpunkt: 14 Uhr 50 bis 15 Uhr 20 Ausweis: Führerschein

Anamnese:

78 Jahre alter Mann, der alleine zur Untersuchung in meine Praxis kommt. Er habe die HTL für Hochbau absolviert, habe eigentlich Maschinenbauingenieur studieren wollen, aber da der Vater schon eine Firma gehabt habe, habe er diese Firma übernommen. Sie seien 3 Brüder gewesen, bis 1981 habe er diese Firma alleine geführt, dann zu zweit. Es sei eine Baufirma gewesen. Der dritte Bruder sei Architekt gewesen. Mittlerweile sei er aber schon in Pension.

....

Frühere Erkrankungen:

-

1991 Bandscheibenvorfälle L5/S1 mit Lähmung des rechten Beins, konservative

Behandlung.

-

2012 neuerliche Beschwerden seitens der Bandscheiben.

-

Knochenmarksödem rechte und linke Hüfte, konservative Therapie

-

Bruch des rechten Schienbeins, operative Versorgung

-

Seit 2011 zunehmende Schwäche im Bereich der unteren Extremitäten, die sich dann als Muskeldystrophie herausgestellt hat.

-

2011 auch Husten, Durchuntersuchung: Lungenfacharzt: keine Ursache, Herzstation:

keine Ursache, HNO: wegen leiser Stimme: keine Ursache. Dann erst neurologische

Untersuchung und Diagnose: Muskeldystrophie.

Vegetativ: Größe: 191 cm Gewicht: 90 kg Nikotin: 0 Alkohol: ab und zu Drogen: 0

Medikamentöse Therapie: Vitamin D3, Coenzym

Neurologischer Status:

Im Kopf- und im Hirnnervenbereich keine Auffälligkeiten. Keine Halbseitenzeichen.

Seitengleiche Verhältnisse bezüglich Tonus, Kraft, Sensibilität und Reflexe an den oberen

Extremitäten. Diskrete Schwäche für Beugen der Arme im Ellbogen.

Aber an den unteren:

Patellarsehnenreflexe beidseits schwach Achillessehnenreflex fehlend. Heben der

Oberschenkel schwächer, Kraftgrad 4. Keine pathologischen Reflexe.

Sämtliche

Koordinationsversuche regelrecht. Romberg möglich. Unterberger wegen Unsicherheit nicht möglich. Zehenstand rechts nur schwer möglich. Fersenstand unauffällig. Das Aufsteigen auf einen Schemel, ca. 20 cm hoch, gelingt nur mit Anhalten und mit großer Unsicherheit. Alleine nicht. Gehen mit Stock in der rechten Hand mühsam und unsicher.

Psychischer Status:

Bewusstseinsklar und allseits orientiert. Keine Denkstörungen. Keine psychotische Symptomatik.

Konzentration, Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit regelrecht. Gedankenductus regelrecht.

Befindlichkeit ausreichend stabil. Ausreichend zu affizieren. Keine Suizidalität.

Zusammenfassung und Beurteilung:

Beschwerdeführer leidet an einer progredienten Gliedergürteldystrophie

Beantwortung der gestellten Fragen:

1. Auf Grund der Beschwerde und den dazu vorgelegten Befund kommt es im Vergleich zum Gutachten von Herr Dr. Schneider vom 19.6.2018 sowie zu der Ergänzung vom 21.8.2018 und

24.7.2018 zu einer abweichenden Bewertung und Beurteilung des Gesamtgrades der

Behinderung für die Gesundheitsschädigung nah der Einschätzungsverordnung.

2. Gliedergürteldystrophie Position 04.07.02 50%

Unterer Rahmensatz, da gesicherte Diagnose mit Progredienz, aber noch mit Hilfsmittel mobil.

3. Eine ärztliche Nachuntersuchung ist nicht erforderlich.

4. Der Gesamtgrad der Behinderung ist ab Antragstellung anzunehmen."

7. Mit Schreiben vom 07.11.2018 teilte das BVwG dem Beschwerdeführer das Ergebnis der Beweisaufnahme mit und räumte ihm die Möglichkeit ein, binnen zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben. Der Beschwerdeführer erklärte telefonisch, mit dem Gutachten einverstanden zu sein (siehe AV vom 21.01.2019).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz in Österreich.

1.2. Der Beschwerdeführer erfüllt nach Einholung eines ergänzenden Sachverständigengutachtens mit einem Grad der Behinderung von 50% die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses.

1.3. Der Grad der Behinderung ist ab dem Tag der Antragstellung (05.03.2018) anzunehmen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und dem ergänzenden fachärztlichen Gutachten.

Das zusätzlich eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten vom 11.12.2018 ist schlüssig und nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß, welche der Beschwerdeführer in der Beschwerde geltend gemacht hat, ausführlich eingegangen und auch sämtliche vorgelegten Befunde miteinbezogen.

Demnach ergibt sich eine Änderung des Grades der Behinderung auf 50%, da im Neuen Gutachten eine Gliedergürteldystrophie mit einem Grad der Behinderung von 50% festgestellt wurde.

Das Sachverständigengutachten vom 11.12.2018 wird in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. In der gegenständlichen Sachverhaltskonstellation liegen die Voraussetzungen für eine meritorische Entscheidung vor (Vgl. VwGH vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063; VwGH vom 10.09.2014, Zl. Ra 2014/08/0005).

Zu den Spruchpunkten A) I. und II.

Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Auf den Beschwerdefall bezogen:

Der Beschwerdeführer hat eine Beschwerde gegen den durch die belangte Behörde festgestellten Grad der Behinderung von 40% eingebracht.

Im ergänzend eingeholten Sachverständigengutachten vom 11.123.2018 wurde festgestellt, dass der Grad der Behinderung nunmehr mit 50% festzusetzen ist.

Das eingeholte Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und dem Beschwerdeführer der Behindertenpass zuzuerkennen.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Zur Klärung des Sachverhaltes wurde ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wie bereits oben ausgeführt wurde, wurde dieses als nachvollziehbar und schlüssig erachtet. Der Sachverhalt ist darüber hinaus geklärt und daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Zudem wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung (vgl. VwGH vom 24.04.2014, Zl. Ra 2014/01/0010; VwGH vom 24.03.2014, Zl. Ro 2014/01/0011) zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W201.2208601.1.00

Zuletzt aktualisiert am

15.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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