TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/11 W201 2166920-1

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Veröffentlicht am 11.02.2019
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Entscheidungsdatum

11.02.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W201 2166920-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Angela Schidlof als Vorsitzende und die Richterin Dr. Margit Möslinger-Gehmayr sowie den fachkundigen Laienrichter Franz Groschan als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX.1970, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 09.06.2017, OB: XXXX, betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Am 29.03.2017 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Dem Antrag waren medizinische Unterlagen angeschlossen.

2. Am 01.06.2017 erfolgte die Untersuchung der Beschwerdeführerin durch eine Fachärztin für Orthopädie. Das Sachverständigengutachten enthält auszugsweise:

"Anamnese:

2009 DP L4/L5

2010 Fusion L5/S1 mit Diskusinterponat, 2012 Fusion im Segment L4-S1

05.02.2016 Hüft-TEP links

Derzeitige Beschwerden:

"Schmerzen habe ich in Wirbelsäule und Hüfte, derzeit habe ich einen Ganzkörperschmerz, eine rheumatologische Abklärung wird derzeit durchgeführt. Das linke Bein ist immer wieder geschwollen, Sympathicusast wurde durchtrennt, daher der Beinumfang links vermehrt, das linke Bein fühlt sich heiß an, ein Gefühl der Schwere. Lähmungen hatte ich vor der 1. Operation mit Vorfußheberschwäche, diesbezüglich keine Beschwerden mehr. Keine Gefühlstörungen, Harn und Stuhl sind in Ordnung."

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Medikamente: Ibuprofen bei Bedarf, ein paar Mal pro Woche

Allergie:0

Nikotin:0

Laufende Therapie bei Hausarzt Dr. XXXX, 1090Wien

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Röntgen gesamte Wirbelsäule, beide Füße vom 17. 3. 2017 (Status post anteriorer und dorsaler Fusion im Segment L4-S1 mit Diskusinterponaten. Inzipiente Osteochondrose. Geringe Hallux valgus Fehlstellung beidseits)

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: gut, 47 a

Ernährungszustand: gut

Größe: 170,00 cm Gewicht: 80,00 kg Blutdruck: 110/80

Klinischer Status - Fachstatus:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.

Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.

Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.

Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.

Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.

Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist möglich.

Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse.

Beinlänge ident.

Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.

Hüftgelenk links: Narbe nach HTEP, kein Stauchungsschmerz, kein Rotationsschmerz Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften S bds. 0/120, IR/AR 30/0/30, Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich. Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, BWS etwas abgeflacht, sonst regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet.

Mäßig Hartspann. Klopfschmerz über der mittleren BWS und LWS, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei. Narbe LWS median

Aktive Beweglichkeit:

HWS: in allen Ebenen frei beweglich

BWS/LWS: FBA: 25 cm, in allen Ebenen 1/3 eingeschränkt beweglich

Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen, das Gangbild hinkfrei und unauffällig.

Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.

Status Psychicus:

Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Zustand nach Fusion L4 bis S1 Unterer Rahmensatz, da geringgradig eingeschränkte Beweglichkeit ohne neurologisches Defizit.

02.01.02

30

2

Hüfttotalendoprothese rechts Unterer Rahmensatz, da gute Beweglichkeit und kein Hinweis für Lockerung.

02.05.07

10

Gesamtgrad der Behinderung 30 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 1 wird durch Leiden 2 nicht erhöht, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken vorliegt.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

keine

Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Es liegen keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vor, welche die selbstständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken.

Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein

Tabelle kann nicht abgebildet werden

Begründung:

Hüfttotalendoprothese links, Fusion L4 bis S1 "

3. Mit Bescheid vom 09.06.2017 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab und stellte fest, dass der Grad der Behinderung 30% betrage.

Begründet wurde die Abweisung mit dem Ergebnis des ärztlichen Begutachtungsverfahrens, welches einen Grad der Behinderung von 30% ergeben habe.

4. Gegen den Bescheid der belangten Behörde erhob die Beschwerdeführerin am 07.07.2017 Beschwerde. Sie führte aus, sie leide an mehreren Beschwerden. An einer Hüftgelenksendoprothese links, Varusgonarthrose, Femoropatellagelenksarthrose und Coxarthrose rechts, einer Streckhaltung der Halswirbelsäule mit paradoxer Kyphose C2 bis C6, linkskonvexe Rotationskomponente der BWS, Steckhaltung der LWS, Status post anteriorer und dorsaler Fusion im Segment L4 bis S1 mit Diskusinterponaten, Bandscheibenraumverschmälerungen S4 bis C6, TH3 bis TH8 und L3 bis S1, vermehrter Sklerosierung der Intervertebralgelenke und Kostotransversalgelenke, Kantenzuschärfung am Atlantodentalgelenk, Baastrupphänomen L1 bis L3, inzipienter Osteochondrose C4 bis C6, TH3 bis TH8 und L3 bis S1, sowie einem kleinen dorsalen Fersensporn beidseits.

Dadurch sei das Gehen für Sie beschwerlich, besonders nachdem sie gesessen habe, benötige sie Zeit, um wieder gleichmäßig gehen zu können. Insbesondere nachts habe sie beim Liegen Schmerzen wodurch der Schlaf gestört sei. Durch die Schmerzmedikation habe sie auch Magenschmerzen und könne kaum Lasten tragen. All diese Tatsachen seien von der Sachverständigen nicht bewertet bzw. übersehen worden. Aus den oben genannten Leiden ergebe sich eine Behinderung von mindestens 50 %. Das Sachverständigengutachten sei unvollständig und unrichtig. Es übersehe völlig, dass die Hüftendoprothese aufgrund der vorliegenden und von der Behörde völlig übersehenen und daher nicht berücksichtigten Wirbelsäulenproblematik, die für sich bereits einen eigenständigen Behinderungsprozentsatz bewirke, notwendig geworden sei. Darüber hinaus sei im Gutachten "Hüfttotalendoprothese rechts" zu lesen, während es sich, wie alle Befunde belegten, um eine Hüftprothese links handle. Im Gutachten sei überdies nicht berücksichtigt worden, dass auch die rechte Hüfte beeinträchtigt sei. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass der Einbeinstand und die Hocke im Gutachten zwar angeführt worden seien, die Beschwerdeführerin aber dazu nicht aufgefordert worden sei und dies auch nicht gemacht habe.

5. Mit Schreiben vom 08.08.2017 übermittelte die belangte Behörde den Beschwerdeakt an das Bundesverwaltungsgericht.

6. Das Bundesverwaltungsgericht holte ein ergänzendes Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie ein.

Das Gutachten vom 18.09.2018 lautet wie folgt:

"Das Gutachten stützt sich auf:

2.1) Vorhandene medizinische Unterlagen

2.2) Persönliche Angaben der zu Untersuchenden

2.3) Eingehende persönliche Untersuchung am 18.09.2018

Persönliche Angaben der zu Untersuchenden

Allgemeine Krankenvorgeschichte:

Bezüglich Vorgeschichte siehe Vorgutachten vom 01.06.2017

Zwischenanamnese:

unauffällig

Subjektive Beschwerden:

Ich habe ständig Schmerzen an der Wirbelsäule und am gesamten

Bewegungsapparat. In der Früh bin ich komplett steif. Wenn ich aufstehe, kann ich kaum gehen. Ich kann nicht schwer tragen. Ich kann nicht lange gehen, nicht lange sitzen.

Medikamente: Seractil, Zymbalta, Magenschutz, Statine,

Laufende Therapie: regelmäßig Physiotherapie Hilfsmittel: keine

Mitgebrachter Befund vom KH Stockerau vom 07.08.2018 beschreibt V.a. undifferenzierte Spondylarthritis, unspezifische Polyarthralgien und Verdacht einer sekundären Fibromyalgie.

Eigene Untersuchung am 18.09.2018

Größe: 170 cm Gewicht 82 kg

Allgemeiner Eindruck:

Kommt in Schlapfen zur Untersuchung, das Gangbild ist symmetrisch, hinkfrei, sicher. Das Aus- und Ankleiden wird im Stehen durchgeführt. Klagsam,

Allgemeinzustand: altersentsprechend Ernährungszustand: normal

Caput/Collum: unauffällig

Thorax: symmetrisch, elastisch

Abdomen: klinisch unauffällig, kein Druckschmerz

Obere Extremitäten:

Rechtshänder. Symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Benützungszeichen sind seitengleich. Die Hände sind vom äußeren Aspekt her unauffällig. Es besteht keine auffällige Rötung oder Schwellung. Gaenslen Test. beidseits pos.

An der rechten Schulter ist das Eckgelenk etwas prominent, druckschmerzhaft. Auch

Druckschmerz über beiden Rinnen der langen Bizepssehne.

Übrige Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Beweglichkeit:

Schultern S 30-0-170 beidseits, F 170-0-50 beidseits, beim Nackengriff reicht rechts die Daumenkuppe bis C6, links bis C6, beim Kreuzgriff reicht rechts die Daumenkuppe bis TH 11, links THI 1, Ellbogen, Vorderarmdrehung, Handgelenke, Daumen und

Langfinger sind seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar, der Faustschluss ist komplett.

Untere Extremitäten:

Der Barfußgang ist symmetrisch und hinkfrei, Zehenballengang beidseits problemlos, Fersengang beidseits etwas eingeschränkt, Einbeinstand ist möglich, die tiefe Hocke ist endlagig eingeschränkt. Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse. Beinlänge links - 0,5cm, Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Fußsohlenbeschwielung ist seitengleich ausgebildet, das Fußgewölbe ist erhalten.

Die Sprunggelenke sind jeweils bandfest und unauffällig. Die Achillessehnen sind im Verlauf homogen, nicht verdickt nicht gerötet. Geringgradiger Hallux valgus rechts mehr als links.

Die Kniegelenke sind jeweils ergussfrei und bandfest. Lokal Druckschmerz am inneren Gelenkspalt.

An der linken Hüfte unauffällige Narbe nach Totalendoprothese. Kein Rüttel-Stauchungs- oder Endlagenschmerz.

Beweglichkeit:

Hüften S 0-0-120 beidseits, R (S 900) rechts 20-0-30, links 20-0-20, Knie S 0-0-135 beidseits, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Wirbelsäule

Im Lot. Brustkyphose und Lendenlordose sind jeweils etwas abgeflacht. Über der Lendenwirbelsäule besteht ein ca. 1 1 .cm lange blasse Narbe. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet. Kein Hartspann. Klopfschmerz über der unteren Lendenwirbelsäule. ISG sind beidseits druckschmerzhaft.

Beweglichkeit:

Halswirbelsäule: allseits endlagig eingeschränkt

Brustwirbelsäule/Lendenwirbelsäule: FBA 30, Seitwärtsneigen und Rotation je 1/3 eingeschränkt.

Beantwortung der Fragen:

ad 1)

Die Einwendungen wird ein Röntgenbefund wiedergegeben. Hierbei handelt es sich um einen Befund und nicht um eine Diagnose. Die Einwendungen hinsichtlich der

Seite der Hüftprothese sind berechtigt, die Prothese ist linksseitig implantiert, wie dies auch im Befund des Vorgutachtens beschrieben ist. In den Diagnosen ist die falsche Seite eingeführt.

Die im Röntgenbefund beschriebenen degenerativen Veränderungen an Kniegelenken und der rechten Hüfte das altersentsprechend zu werten. Entsprechend dem klinischen Status ergibt sich daraus kein einschätzungsrelevantes Leiden.

Der klinische Status im Vorgutachten ist genau und korrekt und bestätigt sich irn heute erhobenen klinischen Status.

Die Diagnosen im mitgebrachten Befund vom KH Stockerau vom 07.08.2013 sin in den beiden Leiden im GA vom 01.06.2017 berücksichtigt.

Unter Berücksichtigung der vorliegenden Befunde und des heute erhobenen klinischen Status ergibt sich keine geänderte Einschätzung im Vergleich zum

Vorgutachten."

7. Das Gutachten wurde der Beschwerdeführerin im Rahmen des Parteiengehörs zugemittelt und ihr Gelegenheit gegeben eine Stellungnahme abzugeben. Die Beschwerdeführerin gab keine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz in Österreich. Sie stellte einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.

1.2. Aufgrund der vorliegenden Sachverständigengutachtens ergibt sich ein Grad der Behinderung von 30%. Der Sachverständige berücksichtigte die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Befunde. Die Beschwerdeführerin leidet an degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule. Darüber hinaus wurde ihr eine Hüfttotalendoprothese links implantiert. Weitere degenerative Veränderungen an den Kniegelenken und der rechten Hüfte sind altersentsprechend. Aus diesen Veränderungen ergibt sich kein Einschätzungsrelevantes Leiden. Das Gangbild ist hinkfrei und unauffällig, dass An-und Auskleiden wird von der Beschwerdeführerin selbstständig im Sitzen durchgeführt.

1.3. Die Beschwerdeführerin erfüllt mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 30% die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und den durch die belangte Behörde sowie das Bundesverwaltungsgericht eingeholten fachärztlichen Gutachten.

Die übereinstimmenden ärztlichen Sachverständigengutachten sind schlüssig und nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Im Rahmen des durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholten Gutachtens wurde die Feststellung im Erstgutachten, dass der Beschwerdeführerin eine Hüftendoprothese rechts implantiert worden sei insofern berichtigt, als diese Hüftendoprothese links implantiert wurde.

Dem Gutachten ist zu entnehmen, dass alle vorgelegten Befunde bei der Feststellung des Grades der Behinderung berücksichtigt wurden.

Das durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten wurde der Beschwerdeführerin im Rahmen des Parteiengehörs zugemittelt und ihr die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Die Beschwerdeführerin ist dem Sachverständigengutachten nicht entgegengetreten, sie hat keine Stellungnahme abgegeben.

Das genannte Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

Wie bereits dem Erstgutachte zu entnehmen ist, kam die Beschwerdeführerin zur Untersuchung selbstständig gehend mit Halbschuhen, das Gangbild stellte sich als hinkfrei und unauffällig dar. Es war ihr möglich, dass Aus-bzw. Ankleiden selbstständig im Sitzen durchzuführen. Die im vorgelegten Röntgenbefund beschriebenen degenerativen Veränderungen an den Kniegelenken und der rechten Hüfte sind als altersentsprechend zu werten. Aus diesen veränderiung3en ergibt sich kein einschätzungsrelevantes Leiden. Die von der Beschwerdeführerin in der Beschwerde beschriebenen Leidenszustände wie Schmerzen im Liegen sowie Magenschmerzen sind befundmäßig nicht belegt und können daher auch im Rahmen der Einschätzungsverordnung nicht berücksichtigt werden.

Im Übrigen wurde das Beschwerdevorbringen in dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Gutachten berücksichtigt und im Detail behandelt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. In der gegenständlichen Sachverhaltskonstellation liegen die Voraussetzungen für eine meritorische Entscheidung vor (Vgl. VwGH vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063; VwGH vom 10.09.2014, Zl. Ra 2014/08/0005).

Zu Spruchpunkt A)

Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hierfür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Auf den Fall bezogen:

Gegenstand des angefochtenen Bescheides vom 09.06.2017 war die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Begründet wurde die Abweisung durch die belangte Behörde mit dem festgestellten Grad der Behinderung von 30 %, womit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt seien.

Aus dem Sachverständigengutachten geht hervor, dass als führendes Leiden degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit einem GdB von 30% festgelegt wurden. Leiden 2 stellt die Implantation einer Hüfttotalendoprothese links mit 10% dar. Eine Erhöhung des führenden Leidens durch ungünstiges Zusammenwirken wurde nicht festgestellt.

Wie oben unter dem Pkt. Beweiswürdigung dargelegt, waren die Einwendungen der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde nicht geeignet, den Grad der Behinderung zu verändern, da die von ihr genannten Leiden in den eingeholten Gutachten Berücksichtigung gefunden haben. Die Beschwerdeführerin hat auch im Rahmen des Parteiengehörs zu dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Gutachten keine Stellungnahme abgegeben.

Das eingeholte Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Behindertenpasses liegen daher nicht vor und es war spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Im gegenständlichen Fall sind maßgebend für die Entscheidung die Art und das Ausmaß der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Gesundheitsschädigungen und der daraus resultierende Gesamtgrad der Behinderung. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wie bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Im Übrigen wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren nicht beantragt.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung (vgl. VwGH vom 24.04.2014, Zl. Ra 2014/01/0010; VwGH vom 24.03.2014, Zl. Ro 2014/01/0011) zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W201.2166920.1.00

Zuletzt aktualisiert am

15.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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