TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/11 W200 2205869-1

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Veröffentlicht am 11.02.2019
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Entscheidungsdatum

11.02.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W200 2205869-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SCHERZ als Vorsitzende und durch den Richter Dr. KUZMINSKI sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. HALBAUER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 21.08.2018, Zl. 65854388700018, mit dem Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wie folgt abgeändert:

Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen auf Grund des in Höhe von fünfzig (50) von Hundert (vH) festgestellten Grades der Behinderung vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die beschwerdeführende Partei stellte am 20.06.2018 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses unter Anschluss eines Befundkonvolutes.

Das vom Sozialministeriumservice eingeholte nervenfachärztliche Gutachten vom 20.07.2018 ergab einen Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. und gestaltete sich wie folgt:

"Anamnese:

C8-Syndrom bei multiplen knöchernen Wurzelkompressionen im HWS-Bereich

CTS re>li

Posttraumatische Belastungsreaktion

Derzeitige Beschwerden:

Sprachbarriere. Der Antragsteller gibt an, dass er Probleme mit der rechten Hand seit 3 Jahren hätte. Diese wären über Nacht aufgetreten. Vor allem der 3.-5. Finger rechts wären taub, weiters bestehen Schmerzen dorsaler Oberarm und ulnarer Unterarm rechts. Er könne mit der rechten Hand nicht gut greifen.

Aufgrund traumatischer Kriegserlebnisse (Antragsteller stammt aus Bosnien) und dem Selbstmord seines Vaters vor 5-6 Jahren ist Herr XXXX psychisch sehr belastet.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Oleovit, Tardyferon, Amodilan, Candesarcomp, Atorvastatin, Thyrex, Sirdalud, Novalgin, Restex, Xanor, Saroten, Dulohexal

St.p. Physiotherapie 30.5.2018 - 11.6.2018

aktuell Massagen, galvanische Therapie und chiroprakt. Manöver 5x (19.7.2018 - 27.7.2018)

Sozialanamnese:

verheiratet, 2 Kinder, lebt in einer Wohnung im EG, war bis Sept/Okt 2017 Bauhelfer bei einer Leihfirma, dann arbeitslos bis März 2018, aktuell in Krankenstand beim AMS

(...)

Untersuchungsbefund: (...)

Klinischer Status - Fachstatus:

Caput: HNAP frei, kein Meningismus, HWS: Rotation schmerzhaft, Sprache soweit beurteilbar unauffällig

Hirnnerven: Pupillen rund, isocor bds., Lichtreaktion prompt und konsensuell, Lidspalten gleich weit, Bulbusmotilität in allen Ebenen frei und koordiniert, kein pathologischer Nystagmus, keine Doppelbilder, HN V und VII seitengleich innerviert, basale HN frei.

OE: Trophik, Tonus seitengleich unauffällig, VA: kein Absinken, Armbeugung- und streckung re schmerzbedingt eingeschränkt KG 4, Fingerspreizen und Faustschluß re reduziert KG 4, links prox. und dist. KG 5, Feinmotilität re beeinträchtigt, BSR, RPR mittellebhaft bds. auslösbar, TSR re nicht auslösbar, li untermittellebhaft, Knips bds. negativ, Bradydiadochokinese re, li unauffällig, FNV bds. zielsicher, keine unwillkürlichen Bewegungen.

UE: Trophik, Tonus und grobe Kraft stgl. unauffällig. PV: kein Absinken, PSR mittellebhaft bds. auslösbar, ASR bds. nicht auslösbar, Babinski bds. negativ, KHV bds. zielsicher, keine unwillkürlichen Bewegungen.

Sensibilitat: Dys- und Hypästhesie gesamter re Arm, v.a. Dig 3-5, lat. UA, dorsaler OA re

Gesamtmobilität - Gangbild:

Gangbild flüssig, unauffällig

Status Psychicus:

wach, ausreichend orientiert, Konzentration, Aufmerksamkeit altersentsprechend unauffällig, Mnestik unauffällig, Antrieb reduziert, Stimmung depressiv (Stimmung jedoch etwas gebessert, seit Massagen helfen), in Untersuchungssituation weinerlich, Affizierbarkeit im pos. Skalenbereichen eingeschränkt, Ductus kohärent und zielführend, keine produktive Symptomatik, keine suizidale Einengung

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Chronische Schmerzsyndrom bei C8-Syndrom und CTS re>li Unterer Rahmensatz, da Dauertherapie notwendig, Therapieoptionen jedoch nicht voll ausgeschöpft.

04.11.02

30

2

Posttraumatische Belastungsstörung 2 Stufen über unterem Rahmensatz, da deutlich depressive Symptome vorhanden.

03.05.01

30

Gesamtgrad der Behinderung 40 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 2 erhöht den GdB um 1 Stufe, da eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht."

Mit Bescheid des Sozialministeriumservice vom 21.08.2018 wurde der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses mangels Vorliegen der Voraussetzungen abgewiesen.

Aufgrund der dagegen erhobenen Beschwerde, welcher abermals medizinische Unterlagen angeschlossen waren, holte das BVwG ein Gutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie ein. Das Gutachten vom 27.11.2018 gestaltete sich wie folgt:

"Anamnese:

53 Jahre alter Mann, der in Begleitung seiner Tochter XXXX zur Untersuchung kommt. Er sei verheiratet mit einer Bosnierin, habe 2 Kinder, 21 Jahre alte Tochter, 19 Jahre alten Sohn. Er habe ursprünglich Schlosser gelernt, als Bauhelfer gearbeitet. Sei 4 Jahre in Bosnien im Krieg gewesen, wo er die schrecklichsten Dinge erlebt habe, die er nicht mehr loswerden könne.

Darüber kann er erst sprechen, als der Dolmetscher Herr XXXX, etwas später erscheint. Die Tochter verlässt die Praxis, weil vor der Tochter könne er all das nicht erzählen, um sie nicht zu belasten.

Traumatisierende Kriegserlebnisse:

Er habe in einer bosnischen Einheit gekämpft, gemeinsam mit einer kroatischen Einheit. Sie seien in ein Dorf gekommen, wie er heute sagt, sie seien "zu spät" gekommen. Die Salafisten seien zuvor in diesem Dorf gewesen und hätten 65 Dorfbewohner einfach wahllos alle ermordet. Alte Leute, Kinder, alle. Es sei ein Dorf gewesen, in dem zur Hälfte serbische und wr anderen Hälfte kroatische Menschen gelebt hätten. Sie hätten in jedes Haus in jedes Zimmer hineinsehen müssen Um nachzusehen, ob sie vielleicht noch Überlebende finden könnten. Aber sie hätten nur Leichen gefunden. Nur in einem Zimmer sei ihm ein kleines Mädchen, vielleicht 6 oder 7 Jahre alt, weinend entgegen gekommen mit ausgestochenen Augen und einem mit einem Messer eingeritzten Kreuz auf der Stirne. (Herr XXXX beginnt jetzt so bitterlich zu weinen, dass er eine Zeit braucht, um sich wieder zu beruhigen). Er könne dieses Bild nie mehr vergessen. Er sähe dieses kleine Mädchen immer vor sich, auch ohne, dass er die Augen schließe. Das Mädchen sei ein paar Tage danach gestorben. Er werde nie verstehen, wie "Menschen" so etwas hätten tun können. Dies sei 1994 gewesen.

Sonst sei er auch belastet, weil sein Vater an Alzheimer gelitten habe Und dieser sich 2/2012 mit seiner Pistole erschossen hätte. Er habe seinen Vater gesehen. Auch dieses Bild könne er nicht vergessen und bringe es nicht aus seiner Seele.

Seine Mutter sei 2013 an einer Thrombose gestorben, habe einen offenen Fuß gehabt und habe wegen Schmerzen geschrien. Dies höre er immer noch Und er habe ihr nicht helfen können.

Frühere Erkrankungen:

-

Beschwerden seitens der Halswirbelsäule, Dekompression und Revision C6/C7

-

Beschwerden seitens der Lendenwirbelsäule, L4/5 beidseits. Dekompression Und Fusion L4/S1 am 14.6.2016.

-

Handprobleme rechts, krampfartige Schmerzen, Schulterbeschwerden, C8-Syndrom rechts. Danach physiotherapeutische Behandlung.

-

mit 18 Jahren Meningitis, 3-4 Wochen Spitalsaufenthalt in Bosnien.

-

Lendenwirbelsäulenbeschwerden 2006, 1-12 Tage konservative Behandlung wegen der Schmerzen.

-

Hypertonie

-

Vergesslichkeit, Konzentrationsstörung, Depressivität, Ängstlichkeit, flash backs, Albträume

Vegetativ: Größe: 187 cm Gewicht: 106 kg Nikotin: 0 Alkohol: 0

Drogen: 0

Medikamentöse Therapie:

Candesartan 16/12,5 1-0-0, Duloxetin 30 und 60 mg je 1, Pregabalin 50 mg, Olanzapin 15 mg 1, Xanor 0,5 mg bei Bedarf 1, Dominal 80 mg forte 1, lbuprofen 400 mg 1

Psychotherapie habe er versucht, aber er halte es nicht aus. Dann käme alles wieder hoch und leide zu sehr. Er versuche eher, zu verdrängen.

Neurologischer Status:

Im Kopf- und im Hirnnervenbereich keine Auffälligkeiten. Keine Halbseitenzeichen.

Seitengleiche Verhältnisse bezüglich Tonus, Kraft, Sensibilität und Reflexe bis auf Dysästhesien rechter Arm und Sensibilitätsstörungen entsprechend C7/8 rechts. Kraft für Faustschluß rechts geringer als links. An den unteren Achillessehnenreflex fehlend. Keine pathologischen Reflexe. Sämtliche Koordinationsversuche regelrecht. Romberg, Unterberger, Zehen- und Fersenstand unauffällig. Gangbild unauffällig

Psychischer Status:

Bewusstseinsklar und allseits orientiert. Keine Denkstörungen. Keine psychotische Symptomatik.

Konzentration, Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit herabgesetzt. Gedankenductus regelrecht. Befindlichkeit schlecht, besonders als das Gespräch auf die Kriegserlebnisse kommt. Dann deutlich die Traumastörung. Mit flash backs und Albträumen. Kann sich nicht distanzieren. Affektlabil. Versucht im Alltag sich zu distanzieren, was nur teilweise gelingt. Versucht zu verdrängen. Daher Vermeiden von Therapie. Instabil. Nicht ins Positive zu affizieren. Aber keine Suizidalität.

Beantwortung der gestellten Fragen, die bitte dem Akt zu entnehmen sind:

1.1. Posttraumatische Belastungsstörung mit anhaltender Persönlichkeitsveränderung, Position 03.05.04, 40%. Oberer Rahmensatz und Wahl dieser Position, da zwar nicht psychisch stabil und bereits Chronifizierungstendenz, aber nicht in Therapie und auch noch keine entsprechende stationäre Therapie.

1.2. Chronisches Schmerzsyndrom bei C8-Syndrom und CTS rechts mehr als links,

Position 04.11.02, 30%. Unterer Rahmensatz, da Dauertherapie notwendig, Therapieoptionen jedoch nicht voll ausgeschöpft.

2. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 50 von Hundert.

Begründung:

Leiden 1 wird durch Leiden 2 um 1 Stufe erhöht, da wechselseitig ungünstige Leidensbeeinflussung vorliegt.

3. Ja. Durch die Hilfe des Dolmetschers konnte das Ausmaß der Traumastörung festgestellt und nachvollziehbar gemacht werden. Das Trauma durch die Erlebnisse im Bosnienkrieg von 1992 bis 1995, in dem er eingesetzt war, und auch das Trauma durch den Suizid seines Vaters bestätigen die Einstufung auf 40 % des psychischen Leidens.

4. Der Behinderte ist in Folge des Ausmaßes seiner Gebrechen zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem integrativen Betrieb geeignet.

5.(und nicht 6.) Eine ärztliche Nachuntersuchung ist nicht erforderlich."

Im gewährten Parteiengehör gab weder der Beschwerdeführer noch das Sozialministeriumservice zum übermittelten nervenfachärztlichen Gutachten eine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.: Der Beschwerdeführer erfüllt die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 50 von 100.

1.2.: Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:

Neurologischer Status:

Seitengleiche Verhältnisse bezüglich Tonus, Kraft, Sensibilität Und Reflexe bis auf Dysästhesien rechter Arm und Sensibilitätsstörungen entsprechend C7/8 rechts. Kraft für Faustschluß rechts geringer als links. An den unteren Achillessehnenreflex fehlend. Keine pathologischen Reflexe. Sämtliche Koordinationsversuche regelrecht. Romberg, Unterberger, Zehen- und Fersenstand unauffällig. Gangbild unauffällig

Psychischer Status:

Bewusstseinsklar und allseits orientiert. Keine Denkstörungen. Keine psychotische Symptomatik.

Konzentration, Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit herabgesetzt. Gedankenductus regelrecht. Befindlichkeit schlecht, besonders als das Gespräch auf die Kriegserlebnisse kommt. Dann deutlich die Traumastörung. Mit flash backs und Albträumen. Kann sich nicht distanzieren. Affektlabil. Versucht im Alltag sich zu distanzieren, was nur teilweise gelingt. Versucht zu verdrängen. Daher Vermeiden von Therapie. Instabil. Nicht ins Positive zu affizieren. Aber keine Suizidalität.

1.3.: Beurteilung der Funktionseinschränkungen:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Posttraumatische Belastungsstörung mit anhaltender Persönlichkeitsstörung 2 Stufen über unterem Rahmensatz, da deutlich depressive Symptome vorhanden.

03.05.04

40

2

Chronische Schmerzsyndrom bei C8-Syndrom und CTS rechts mehr als links Unterer Rahmensatz, da Dauertherapie notwendig, Therapieoptionen jedoch nicht voll ausgeschöpft.

04.11.02

30

Der Gesamtgrad

der Behinderung beträgt 50 %.

Das Leiden 1 wird durch Leiden 2 um eine Stufe erhöht, da eine wechselseitige ungünstige Leidensbeeinflussung vorliegt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:

Das vom BVwG eingeholte nervenfachärztliche Sachverständigengutachten vom 27.11.2018 ist schlüssig und nachvollziehbar, es weist keine Widersprüche auf. Die darin festgestellte Änderung verglichen zu dem vom Sozialministeriumservice eingeholten Gutachten vom 20.07.2018 beschreibt die Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie dahingehend, dass durch Beiziehung eines Dolmetschers zur Begutachtung, das Ausmaß der Traumastörung nachvollziehbar festgehalten werden konnte. Das Trauma durch die Erlebnisse im Bosnienkrieg von 1992 bis 1995, in dem er eingesetzt war und auch das Trauma durch den Suizid seines Vaters bestätigen die Einstufung in Höhe von 40% des psychischen Leidens. Darüber hinaus führte die befasste Sachverständige glaubhaft aus, dass der Zustand des Beschwerdeführers psychisch nicht stabil ist und bereits eine Chronifizierungstendenz objektiviert werden konnte.

Zudem gab die befasste Sachverständige nachvollziehbar an, dass das Leiden 1 durch das Leiden 2 um eine Stufe erhöht wird, da eine wechselseitige ungünstige Leidensbeeinflussung vorliegt.

Der Inhalt des Gutachtens wurde im Rahmen des Parteiengehörs von den Parteien unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Zu A)

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören. (§ 40 Abs. 1 BBG)

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt. (§ 41 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpass hat den Vor- und Familiennamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen (§ 42 Abs. 1 BBG).

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).

In den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 % festgestellt. Festgehalten wurde, dass sich in der Gesamtbeurteilung somit eine Erhöhung des Behinderungsgrades der beschwerdeführenden Partei ergibt. Das angeführte Sachverständigengutachten ist schlüssig und nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen.

Da ein Grad der Behinderung von 50 vH festgestellt wurde und dieser Feststellung im Rahmen des Parteiengehörs nicht widersprochen wurde, war spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. (§ 24 Abs. 1 VwGVG)

Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist. (§ 24 Abs. 2 Z.1 VwGVG)

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der bei der beschwerdeführenden Partei festgestellten Gesundheitsschädigungen.

Zur Klärung des Sachverhaltes war vom BVwG ein nervenfachärztliches Sachverständigengutachten eingeholt worden. In diesem Gutachten wurde der Zustand des Beschwerdeführers im Detail dargelegt.

Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurde das Sachverständigengutachten als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt, dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit der beschwerdeführenden Partei mündlich zu erörtern gewesen wäre und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W200.2205869.1.00

Zuletzt aktualisiert am

15.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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