TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/11 W173 2196750-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.02.2019
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Entscheidungsdatum

11.02.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W173 2196750-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Margit MÖSLINGER-GEHMAYR als Vorsitzende und die Richterin Mag. Angela SCHIDLOF sowie den fachkundigen Laienrichter Franz GROSCHAN als Beisitzer über die Beschwerde von

XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 22.5.2018, betreffend Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe abgewiesen, dass der Grad der Behinderung des BF weiter vierzig (40) von Hundert (v.H.) beträgt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Auf Grund des Antrags von XXXX , geb. am XXXX , (in der Folge BF) im Jahr 2011 auf Ausstellung eines Behindertenpasses wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt. Nach der persönlichen Untersuchung des BF wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 40% festgestellt. Es wurden folgende Leiden berücksichtigt: 1. Gonarthrose beidseits (rechts mehr als links) (Pos.Nr. 02.05.21 - GdB 40%), 2. Colitis ulcerosa (Pos.Nr. 07.04.05 - GdB 30%) und 3. Panikattacken (Pos.Nr.g.Z. 03.05.01 - GdB 10%). Das führende Leiden 1 wurde durch die übrigen Leiden nicht erhöht, da keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorlag. Der Antrag des BF auf Ausstellung eines Behindertenpasses wurde in der Folge abgewiesen.

2. Im Jahr 2013 wurde vom BF ein weiterer Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellt. Nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens vom 11.11.2013 wurde auf Grund des festgestellten Grades der Behinderung von 40% durch die medizinische Sachverständige, Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, dem BF kein Behindertenpass ausgestellt. Dieser festgestellte Gesamtgrad der Behinderung beruhte auf folgenden Leiden: 1. Gonarthrose beidseits (Pos.Nr. 02.05.21 - GdB 40%) und 2. Colitis ulcerosa (Pos.Nr. 07.04.05 - GdB 30%), 3. Panikattacken (03.05.01 - GdB 10),

4. Degenerative Wirbelsäulenveränderungen (Pos.Nr. 02.01.01. - GdB 10%) und 5. Arterielle Hypertonie (Pos.Nr. 05.01.01. - 10%). Das führende Leiden 1 wurde durch die übrigen Leiden wegen fehlender maßgeblicher wechselseitiger Leidensbeeinflussung nicht erhöht. Es wurde von einem Dauerzustand ausgegangen.

3. Am 7.12.2017 beantragte der BF neuerlich die Ausstellung eines Behindertenpasses beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen. Als seine Leiden gab der BF die beidseitige Knie- und Hüftarthrose sowie die Wirbelsäulenarthrose an. Er leide auch an einem Fersensporn beidseits und an Colitis Ulcerosa. Der BF legte dazu medizinische Unterlagen vor. Die belangte Behörde holte ein medizinisches Sachverständigengutachten ein. Im Gutachten vom 14.4.2018 basierend auf einer persönlichen Untersuchung des BF durch die medizinische Sachverständige Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, wurde unter dem Punkt "Ergebnis der durchgeführten Begutachtung" ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. festgestellt. Das im Zuge dieser Untersuchung erstellte - in weiterer Folge zusammengefasste - Gutachten enthält auszugsweise

Folgendes: "......................

Anamnese: Hypertonie seit Jahrzehnten, Hyperlipidämie, Hyperuricämie, Colitis ulcerosa seit ca. 9 Jahren. Unter Therapie derzeit stabil. Stuhlfrequenz derzeit einmal am Tag

Derzeitige Beschwerden: Fersensporn rechts (Operation ist geplant)

Schmerzen in beiden Hüft- und Kniegelenken. Schmerzen im Bereich der gesamten Wirbelsäule. Schmerzen in den IS-Gelenken. Rechter Daumen schläft wiederholt ein. Tennisarm beidseits (derzeit Therapie)

Ich habe ständig Schmerzen - auch in der Nacht (chronische Polyarthritis wurde ausgeschlossen).

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Wiederholte ‚Spritzen' gegen die Schmerzen. Physikalische Therapie

Mesagran, Claversal, Sevikar, Venlafab, Xanor bei Bedarf, Neurofenac, Novalgin bei Bedarf,

Pantoprazol

Sozialanamnese: 56 Jahre, verheiratet, ein Kind. Pension seit 22.1.2018 (rückwirkend ab 1.11.2016). War Schlosser.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Aus dem Röntgenbefund der Lendenwirbelsäule Diagnosezentrum Stadlau vom 11.11.2016:

Aus dem Ergebnis: Spondylarthrose im unteren LWS-Abschnitt. Osteochondrosen bei vorbestehendem Morbus Scheuermann im thorakolumbalen Übergang sowie bei L5/S1. SI -Gelenksarthrose.

Aus dem Röntgenbefund der HWS und BWS, Beckenübersicht sowie linkes

Fersenbein Diagnosezentrum Stadlau vom 31.5.2017:

Aus dem Ergebnis: Deutliche Spondylosis zervikothorakalis mit brückenbildenden Spondylophyten im BWS-Bereich.

Milde rechtskonvexe Skoliose der BWS.

Beckenübersicht stehend: Coxarthrosis bilateralis Linkes Fersenbein:

Grober ventraler und dorsaler Kalkaneussporn

Aus dem Ambulanzbefund Abteilung für Innere Medizin Herz-Jesu Krankenhaus vom

7.11.2017: Anamnese

ED - Colitis ulcerosa seit 8 Jahren - TH mit Mesalaszin und Claversal - letzte Coloskopie: Colitis in Remission. Immer wieder Gelenksbeschwerden, keine Schwellungen. Schmerzen vor allem auch in der ges. LWS.

Aus dem nachgereichten MRT-Befund des ISG Diagnosezentrum Stadlau vom 10.1.2018:

Aus dem Ergebnis: Partielle Ankylose des linksseitigen ISGs ohne Zeichen einer floriden oder abgelaufenen entzündlichen Affektion. Geringfügig aktive Osteochondrose mit rechtsseitiger Betonung am lumbosakralen Übergang.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: normal, Ernährungszustand: erhöht, Größe:

189,00cm; Gewicht: 145,00kg, Blutdruck: ------

Klinischer Status - Fachstatus:

Kopf und Hals:

Pupillen mittelweit, isocor, prompt; Schleimhäute gut durchblutet; Halsvenen nicht gestaut. Schilddrüse nicht vergrößert, schluckverschieblich

Thorax: Pulmo: VA, Cor: Herztöne leise, rein, rhythmisch

Abdomen: Adipös. Organe nicht beurteilbar

Nierenlager beidseits frei

Wirbelsäule: Kein Klopfschmerz, Beweglichkeit cervical unauffällig,

FBA: Kniehöhe (erschwert durch Adipositas)

Extremitäten: Fußpulse allseits palpabel, keine Varizen, Unterschenkelödeme beidseits Die großen Gelenke der OE sind funktionell unauffällig.

UE: Hüftgelenke beidseits gering endlagig in allen Ebenen funktionell eingeschränkt. Kniegelenke: Beugung 90°

Gesamtmobilität - Gangbild: Breitbasiges sicheres Gangbild, Lagewechsel erschwert (Adipositas)

Status Psychicus: Allseits orientiert, Stimmung ausgeglichen

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB%

1

Degenerative Veränderungen des Bewegungsapparates (Wirbelsäule, Hüftgelenk, Kniegelenke) Unterer Rahmensatz bei mäßigen Funktionseinschränkungen, allerdings rezidivierenden Schmerzen. Radiologische Veränderungen nicht ausgeprägt.

02.02.02

30

2

Colitis ulcerosa Unterer Rahmensatz, da Erkrankung in Remission.

07.04.04

10

3

Hypertonie Fixer Rahmensatz.

05.01.01.

10

 

Gesamtgrad der Behinderung

 

30 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 1 wird durch Leiden 2 und Leiden 3 nicht erhöht, da das führende Leiden 1 nicht negativ beeinflusst wird.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Fersensporn erreicht keinen Grad der Behinderung (von geringer funktioneller Relevanz). Hyperuricämie erreicht keinen Grad der Behinderung.

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Leiden 1 und Leiden 4 aus dem Vorgutachten werden im neuen Leiden 1 zusammengefasst und wegen leichtgradiger Funktionseinschränkung insgesamt mit 30% Grad der Behinderung bewertet.

Leiden 2 (im Vorgutachten ebenfalls Leiden 2) wird wegen Verbesserung (Remission) um zwei Stufen geringer bewertet. Leiden 3 (im Vorgutachten Leiden 5) wird wie im Vorgutachten bewertet. Leiden 3 aus dem Vorgutachten wird nicht mehr als Leiden angegeben.

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Reduktion des Gesamtgrades der Behinderung um eine Stufe von 40% auf 30%

X Dauerzustand.

........................."

4. Gegen das dem Parteiengehör unterzogene Sachverständigengutachten vom 14.4.2018 brachte der BF mit Schreiben vom 2.5.2018 vor, dass der nunmehrige reduzierte Grad der Behinderung von 40% auf 30% darauf schließen lasse, dass Befunde abhandengekommen seien oder sich sein Kein auf wundersame Weise selbst regeneriert habe. Es seien nach fachärztlicher Meinung zwei Operationen und Knieendoprothesen notwendig. Dazu werde ein aktueller Röntgenbefund beigelegt werden. Die Colitis ulcerosa-Erkrankung sei wegen Remission nur mehr mit 10% bewertet worden. Die Reduktion des Grades der Behinderung sei für ihn unverständlich, da er im Jahr mindestens 5-8 Schübe mit einer jeweiligen Dauer von 1-3 Wochen habe. Er müsse durchgehend Mesagran 3000mg und bei einem akuten Schub zusätzlich Claversal-Zäpfchen, allenfalls noch Rektalschaum Colifoam (Cortison) konsumieren. Auf Grund der Verschlechterung seines Knieleidens habe er einen neuen Arzttermin. Das gegenständliche Untersuchungsergebnis überzeuge nicht und stehe im Widerspruch zum Gutachten der PVA, das seiner Pensionierung zugrunde liege. Im ergänzend dazu von der belangten Behörde eingeholten Aktengutachten vom 22.5.2018 führte die beigezogene medizinische Sachverständige, Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, Nachfolgendes aus:

"..................

Herr XXXX erklärt sich mit dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens

(Begutachtung erfolgte am 24.1.2018) nicht einverstanden, da bei der

Neubegutachtung Leiden 1 und Leiden 2 aus dem Vorgutachten (10/2013) rückgestuft wurden.

Aktuelle relevante Befunde werden nicht vorgelegt.

Leiden 1 (Gonarthrose beidseits, degenerative Veränderungen des Bewegungsapparates) wurde entsprechend der Funktionseinschränkung entsprechend der Einschätzungsverordnung um eine Stufe geringer bewertet.

Leiden 2 (Colitis ulcerosa) wurde ebenfalls entsprechend der Einschätzungsverordnung beurteilt. Kriterien für eine höhere Einschätzung liegen nicht vor (keine Beeinträchtigung des Allgemein- und Ernährungszustandes; keine chronischen Schleimhautveränderungen).

Eine Änderung der Einstufung beider Leiden kann daher nicht erfolgen.

........................"

5. Mit Bescheid vom 22.5.2018 wurde der Antrag des BF vom 17.12.2017 auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen. Nach Wiedergabe der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen stützte sich die belangte Behörde in der Begründung auf das eingeholte ärztliche Gutachten, das einen Bestandteil der Begründung bilde. Die Einwendungen des BF hätten zu keiner Änderung der Einschätzungen geführt. Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses würden nicht vorliegen, da ein Grad der Behinderung von 30 % festgestellt worden sei. Angeschlossen waren die eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten.

6. Mit Beschwerdeschreiben vom 26.5.2018 brachte der BF vor, bereits drei Untersuchungen zur Feststellung des Grades der Behinderung absolviert zu haben. Er bezog sich dabei auf die Untersuchungen von Dr. XXXX aus dem Jahr 2011, von Dr. Karin XXXX aus dem Jahr 2013 und auf die zuletzt durchgeführte Untersuchung 2018. Es sei sein Gonarthroseleiden im Zeitraum 2011 bis 2018 von einem ursprünglich eingeschätzten Grad der Behinderung von 40% auf 30% herabgestuft worden. Dies sei für ihn unverständlich, zumal sich sein Leiden verschlechtert habe, worauf im Gutachten nicht eingegangen werde. Es sei der Röntgenbefund vom 21.10.2016 (schwere medial betonte Gonarthrosis bilateralis, sowie Femoropatellaarthrose) unberücksichtigt geblieben. Es stehe sogar ein beidseitiger Kniegelenksersatz bevor. Er lege dazu die Vorgutachten und nochmals den Röntgenbefund vor. Die Colitis Ulcerosa-Erkrankung sei eine chronische Darmkrankheit. Es sei fraglich, ob bei Remission dieser Krankheit und seinem hohen Medikamentenkonsum der Zustand aufrechterhalten werden könne. Die darauf begründete Reduktion des Grades der Behinderung von 30% auf 10% würde von ihm nicht akzeptiert. Es würden immer wieder Schübe auftreten.

7. Nach Vorlage der Beschwerde am 28.5.2018 wurde vom Bundesverwaltungsgericht auf Grund des Vorbringens des BF in seiner Beschwerde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt. Im Gutachten von Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 20.9.2018, das auf einer persönlichen Untersuchung basierte, wurde Nachfolgendes ausgeführt:

"......................................

Anamnese:

Es bestehen unveränderte Arthrosen an beiden Kniegelenken. Es wurde eine

Prothesenimplantation beidseits empfohlen, aber Herr XXXX möchte noch zuwarten. Er erhält wiederholte Injektionen, die kurzfristige Linderung bringen.

Der Zustand der Wirbelsäule und der Hüftgelenke hat sich nicht verändert.

Seitens der Colitis werden 5-6 Schübe/Jahr angegeben. 2016 wurde die Medikation umgestellt. Die Medikation wurde erhöht. Im Schub sind 10-15 Stuhlgänge am Vormittag zu verzeichnen. Dabei sind auch Blut und Schleim dabei. Im Intervall ist der Stuhl unauffällig und es sind 1-2 Stuhlgänge/Tag.

Er wird in der Colitis- Ambulanz des SMZ Donauspital betreut. Anfang des Jahres war die letzte Kontrolle. Die Kontrollen erfolgen in halbjährlichem Intervall. Der letzte Schub war vor 2-3 Monaten.

Der Blutdruck ist medikamentös gut eingestellt.

Diagnosen: Degenerative Veränderungen Wirbelsäule, Knie- und Hüftgelenke, colitis ulcerosa, Hypertonie

Medikamente: Diclovit, Simvastatin, Sevicar, Pantoprazol, Allopurinol, Venlafab, Mesagran, bei Bed. Colifoam, Claversal, Novalgin

Allgemeinmedizinisch relevante Befunde:

-

Diagnosezentrum Stadlau, 21.10.16 (Abl.7): Befund Kniegelenke bds:

gegenüber Voruntersuchung vom 17.7.13 deutliche Befundprogression, Ergebnis: schwere, medial betonte Gonarthrosis bilateralis, sowie Femoropatellararthrose

-

Herz Jesu KH, Abt.f.lnnere Medizin, Ambulanzbefund, 7.11.17(Abl.8): Colitis ulcerosa seit 8 Jahren, Th.mit Mesalaszin und Claversal; letzte Coloskopie: Colitis in Remission, immer

wieder Gelenksbeschwerden, keine Schwellungen, Schmerzen va. In ges.LWS, Abklärung hinsichtlich CED assoziierter SpA

-

Information zur Operationsvorbereitung, 11.10.17 (Abl.9): Termin zur ambulanten Operationsvorbereitung, 23.2.18

-

Diagnosezentrum Stadlau, Befund, 31.5.17 (Abl.10): RÖ HWS, LWS:

deutl. Spondylosis cervicothoracalis mit brückenbildenden Spondylophyten im BWS-Bereich, milde re-konvexe Skoliose der BWS; Beckenübersicht: kein Beckenschiefstand, Coxarthrosis bilateralis sowie Os ad acetabulum links; li.Fersenbein: grober ventraler und dorsaler Kalkaneussporn

-Dr.F.Pinteritis (FA f. Radiologie), Befund, 24.1.17 (Abl.11): MRT Achillessehne rechts: deutl. Tendinopathie der Achillessehne im Ansatzbereich am Calcaneus mit Partialruptur, knöchernem Ödem

-

Diagnosezentrum Stadlau, Befund, 11.11.16 (Abl.12): LWS:

Befundprogredienz gegenüber Voruntersuchung 2013 insbesondere betreffend Spondylarthrose im unteren LWS-Bereich, Osteochondrosen bei vorbestehendem MB Scheuermann im thorakolumbalen Übergang sowie L5/S1

-Diagnosezentrum Stadlau, Befund, 21.10.16 (Abl.13): Knie beidseits:

schwere medial betonte Gonarthrosis bilateralis sowie Femoropatellararthrose

Sozialanamnese: Schlosser, verheiratet, 1 Kind

Status: Allgemeinzustand: unauffällig, Größe: 189 cm, Gewicht: 145kg , RR: 130/180

Status (Kopf/Fußschema) - Fachstatus:

Atmung: reguläre Atemfrequenz in Ruhe

Lymphknotenstatus: keine vergrößerten Lymphknoten tastbar Schädel:

Augen: Pupillen isokor, Brillenträger Zähne: saniert Halsorgane:

Arterien: bds. tastbar, Venen: nicht gestaut, Schilddrüse:

schluckverschieblich, Thorax: symmetrisch,

Lunge: sonorer Klopfschall, vesikuläre Atmung

Herz: Herztöne rein, rhythmisch

Abdomen: unter Thoraxniveau, geringer Druckschmerz gesamtes Abdomen, keine Resistenzen, Peristaltik unauffällig,

Wirbelsäule: nicht klopfempfindlich, lSG bds.frei,

HWS: frei beweglich, Seitneigen; Rumpf: symmetrisch frei,

Finger-Boden-Versuch: -20 cm,

Zehenspitzen-, Fersen- und Einbeinstand bds. durchführbar;

Extremitäten: Obere Extremitäten: Grobe Kraft: seitengleich,

Faustschluss: beidseits komplett, Strecken, Spitzgriff und Fingerspreizen Dig V rechts eingeschränkt bei Dupuytren weitere Finger bds frei , Gelenke äußerlich unauffällig , Dig V Strecken endlagig eingeschränkt, alle weiteren Gelenke frei beweglich,

Sensibilität: beidseits gleich, Schürzen-und Nackengriff beidseits durchführbar, Keine signifikante Umfangdifferenz, Narbenbildungen:

blande Narbe nach Dupuytren, OP li. Hand

Untere Extremitäten: Aktives Heben bds. frei; Hüftgelenke:

Beweglichkeit beidseits nicht eingeschränkt; Kniegelenke: Beugen bds 100°, re. endlagiges Streckdefizit, li. Strecken frei, bds bandstabil, keine Schwellung, kein Druckschmerz; Sprunggelenke:

beidseits ohne Einschränkung; Knie anheben beidseits über 20cm möglich: ja; Kraft: grobe Kraft beidseits vorhanden; grob neurologisch unauffällig, keine trophischen Störungen,

Beschwielung: seitengleich typisch

Gesamtmobilität - Gangbild: Trägt bequeme Sandalen; Aufstehen aus dem Sitzen mit Aufstützen, An-Ausziehen selbständig im Stehen möglich, Transfer Untersuchungsliege selbständig, wohnt in einem Einfamilienhaus mit 5 Stufen im Eingangsbereich und mit Keller, Stiegen Steigen mit Anhalten, je nach Tagesverfassung aufwärts im Wechselschritt, abwärts oft im Nachstellschritt, im Alltag selbständig; Gangbild frei, sicher, harmonisches Gangbild

Status Psychicus: orientiert, Gedächtnis, Auffassung und Aufmerksamkeit unauffällig, Stimmung herabgesetzt

Stellungnahme:

1.: ob sich eine Änderung zum GdB nach der Einschätzungsverordnung ergibt. Wenn ja:

1.2: Bewertung und Begründung des GdB für die einzelnen Gesundheitsschädigungen nach der EVO:

Nach durchgeführter Untersuchung und unter Berücksichtigung der Befunde und der Vorgutachten ergeben sich Änderungen der Funktionseinschränkungen.

1. Degenerative Veränderungen des Stütz- und 02.02.02 GdB 40%

Bewegungsapparates

Oberer Rahmensatz bei schwerwiegenden Veränderungen an den Kniegelenken mit Funktionseinschränkungen und Schmerzen unter laufender konservativer Therapie;

Veränderungen an Wirbelsäule, Hüftgelenke, Achillessehne und Zustand nach

Dupuytren-Operation links werden mitberücksichtigt

2. Colitis ulcerosa 07.04.05 GdB 30%

Unterer Rahmensatz, da ohne Erfordernis von Operationen unter laufender medikamentöser Therapie

3. Hypertonie 05.01.01 GdB 10%

Fixer Rahmensatz

1.3.: Neueinschätzung und -begründung des Gesamt-GdB:

Nach Untersuchung und nochmaliger Prüfung des Akteninhaltes kann der GdB von Gelenksleiden, Colitis- Leiden und Bluthochdruckleiden gemäß dem Vorgutachten von 11.11.2013 eingestuft werden.

Der Gesamtgrad der Behinderung erreicht 40%.

Leiden 1 wird durch Leiden 2 und 3 nicht erhöht, da analog zu den Vorgutachten keine wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht.

1.4.: Feststellung, ob bzw. wann eine Nachuntersuchung erforderlich ist

Es liegt ein Dauerzustand vor. Allgemeinmedizinischerseits ist keine Nachuntersuchung erforderlich.

1.5.: Feststellung, ab wann der Gesamtgrad der Behinderung anzunehmen ist

Nach Untersuchung und Prüfung des Akteninhaltes kann ein GdB von 40% entsprechend dem Vorgutachten vom 11.11.2013 ab 2010 bestätigt werden.

......................................"

8. Das vom Bundesverwaltungsgericht ergänzend eingeholte Gutachten vom 20.9.2018 von Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, wurde dem Parteiengehör unterzogen. Der BF brachte neuerlich vor, dass sich sein Knieleiden in den letzten Jahren verschlechtert habe, was unberücksichtigt geblieben sei. Auf Grund dieser Verschlechterung habe er einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellt. Der BF bezog sich nochmals auf die im Jahr 2013 und 2018 eingeholten Sachverständigengutachten, aus denen sich ergebe, dass der Grad der Behinderung beim Knieleiden von 40% auf 30% und bei der Colitis Ulcerosa-Erkrankung von 30% auf 10% reduziert worden sei. Danach hätte sich sein Knieleiden regeneriert und sein Darmleiden sei schon fast ausgeheilt. Seine Leiden hätten sich jedoch verschlechtert. Auf Grund des nunmehrigen Gutachtens erlange die degenerativen Veränderungen des Bewegungsapparates 40% und die Colitis Ulcerosa-Erkrankung einen Grad der Behinderung von 30%. Die Arthrosen in den beiden Kniegelenken wurden als unverändert eingestuft. Dies entspreche jedoch nicht den Gegebenheiten. Neuerlich verwies der BF dazu auf den Röntgenbefund vom 21.10.2016. Wie sich aus den darin enthaltenen Ausführungen des Diagnosezentrums Stadlau ergebe, liege gegenüber der Voruntersuchung vom 17.7.2013 eine deutliche Befundprogression vor. Es sei eine schwere, medial betonte Gonarthrosis bilateralis sowie eine Femoropatellararthrose diagnostiziert worden. Auf Grund seiner Gesundheitsbeeinträchtigungen sei er bereits seit zwei Jahren in Invaliditätspension. Er benötige den Behindertenpass, da er große Schwierigkeiten habe, bei Parkplätzen auszusteigen. Lange Fußwege in das Schwimmbad, dem Parkplatz, zum Krankenhaus schaffe er fast nicht mehr.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Auf Grund des Antrages des BF auf Ausstellung eines Behindertenpasses im Jahr 2011 wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt. Im Gutachten vom 20.5.2011 ermittelt die beigezogene medizinische Sachverständige einen Gesamtgrad der Behinderung von 40%. Darin wurde das Leiden 1 in Form eines beidseitigen Gonarthroseleiden (rechts mehr als links) mit der Position 02.05.21 mit dem fixen Rahmensatz und einem Grad der Behinderung von 40% eingestuft. Die Colitis ulcerosa-Erkrankung des BF (Leiden 2) wurde mit der Position 07.04.05 und einem Grad der Behinderung von 30% eingeschätzt. Die Einstufung des Leidens 3 (Panikattacken) erfolgte auf Basis der Pos.Nr. g.Z. 03.05.01 mit einem Grad der Behinderung von 10%. Da keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung zwischen dem führenden Leiden 1 und den übrigen Leiden bestand, wurde dieses nicht erhöht. Ein Behindertenpass wurde dem BF auf Grund des ermittelten Gesamtgrades der Behinderung nicht ausgestellt.

1.2.In einem weiteren medizinischen Sachverständigengutachten 11.11.2013, das auf Grund des neuerlichen Antrags auf Ausstellung eines Behindertenpasses des BF eingeholt wurde, wurde ebenfalls ein Gesamtgrad der Behinderung von 40% ermittelt. Dieser beruhte auf dem Leiden 1 (Gonarthrose beidseits), das unter die Pos.Nr. 02.05.21 subsumiert wurde und einen Grad der Behinderung von 40% mit dem fixen Rahmensatz ergab. Das Leiden 2 (Colitis ulcerosa) wurde wegen dem weitgehend stabilen Zustand unter konservativer Therapie unter die Pos.Nr. 07.04.05. mit einem Grad der Behinderung von 30% eingestuft. Für die Panikattacken (Leiden 3) wurde die Pos.Nr. 03.05.01. mit einem Grad der Behinderung von 10% herangezogen. Die degenerativen Wirbelsäulenveränderungen kamen auf einen Grad der Behinderung von 10% (Pos.Nr. 02.01.01.). Die arterielle Hypertonie zog einen Grad der Behinderung von 10% mit der Einstufung unter der Pos.Nr. 05.01.01 nach sich. Das führende Leiden 1 wurde durch die übrigen Leiden nicht erhöht, da keine bzw. eine maßgebliche wechselseitige Leidensbeeinflussung vorlag. Mangels Erfüllung der Voraussetzung wurde dem BF mit einem ermittelten Grad der Behinderung von 40% kein Behindertenpass ausgestellt.

1.3. Auf Grund des weiteren Antrages des BF vom 7.12.2017 zur Ausstellung eines Behindertenpasses erfolgte eine persönliche Untersuchung des BF durch die medizinische Sachverständige, Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin. Das Zuge der persönlichen Untersuchung des BF erstellt oben wiedergegebene Gutachten vom 14.4.2018 wurde basierend auf der Einschätzungsverordnung erstellt. Der Gesamtgrad der Behinderung wurde mit 30.v.H ermittelt. Dieser ergab sich aus folgenden Leiden: 1. Degenerative Veränderungen des Bewegungsapparates unter Berücksichtigung der Wirbelsäule, der Hüft- und Kniegelenke (Pos.Nr. 02.02.02 - 30% GdB), 2. Colitis ulcerosa (Pos.Nr. 07.04.04 - 10% GdB) und 3. Hypertonie (Pos.Nr. 05.01.01 - 10% GdB). Das führende Leiden 1 wurde durch die Leiden 2 und 3 mangels negativer Beeinflussung nicht erhöht. Diese Gesundheitsbeeinträchtigungen wurden als Dauerzustand gewertet. Die auf Grund der Einwendungen des BF eingeholte, oben wiedergegebene Gutachtensergänzung ergab für den Gesamtgrad der Behinderung des BF keine Änderung, sodass der Antrag des BF vom 7.12.2017 auf Ausstellung eines Behindertenpasses mit Bescheid vom 22.5.2018 abgewiesen wurde. Dagegen erhob der BF Beschwerde.

1.4. Das Bundesverwaltungsgericht holte ein weiteres, oben wiedergegebenes medizinisches Sachverständigengutachten ein. Nach einer persönlichen Untersuchung des BF ermittelte die beigezogene medizinische Sachverständige, Dr. XXXX einen Gesamtgrad der Behinderung von 40%. Die degenerativen Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates des BF wurden unter der Pos.Nr. 02.02.02 mit dem oberen Rahmensatz und einem Grad der Behinderung von 40% eingestuft. Die Gutachterin berücksichtigte die schwerwiegenden Veränderungen an den Kniegelenken mit Funktionseinschränkungen und Schmerzen bei laufender konservativer Therapie sowie die Veränderungen an der Wirbelsäule, dem Hüftgelenk, der Achillessehne und dem Zustand nach der Dupuytren-Operation links. Die Colitis Ulcerosa-Erkrankung des BF wurde mit dem unteren Rahmensatz mangels Operationserfordernis bei laufender medikamentöser Therapie unter der Pos.Nr. 07.04.05 mit einem Grad der Behinderung von 30% bewertete. Das Hypertonieleiden des BF mit dem fixen Rahmensatz kam mit der Pos.Nr. 05.01.01 auf einen Grad der Behinderung von 10%. Der Grad der Behinderung des führenden Leidens (1) wurde durch die übrigen Leiden nicht erhöht, da es an einer wechselseitigen Leidensbeeinflussung fehlte. Es lag ein Dauerzustand vor.

1.5. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt beim BF 40 v.H. Der BF erfüllt daher die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht.

2. Beweiswürdigung

Es wird auf das oben wiedergegebene vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte schlüssige Sachverständigengutachten vom 20.9.2018 (Dr. XXXX ) verwiesen. Im genannten Gutachten - basierend auf einer vorhergehenden persönlichen Untersuchung des BF - wird auf die Art der Leiden des BF und deren Ausmaß ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die Gutachterin setzte sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden des BF auseinander.

Diese schlüssigen Einschätzungen finden auch Deckung in dem von der Gutachterin erhobenen Status des BF im Rahmen der persönlichen Untersuchung des BF durch Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin. Sie stützte sich bei der Einschätzung des führenden Leidens des BF nachvollziehbar auf die in der Einschätzungsverordnung unter dem Punkt 02.02. "Generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates" geführte Pos.Nr. 02.02.02 basierend auf dem oberen Rahmensatz mit einem GdB von 40%. Die Gutachterin hat im genannten Gutachter auch den von BF zitierten Befund vom 21.10.2016 berücksichtigt. Sie zieht auch auf Grund der schwerwiegenden Veränderungen an den Kniegelenken mit Funktionseinschränkungen und Schmerzen unter laufender konservativer Therapie - anders als die von der belangten Behörde herangezogene Gutachterin im Gutachten vom 14.4.2018 bei dem Leiden

1 - nicht den unteren Rahmensatz, sondern den oberen Rahmensatz

dieser Position heran. Diese Einstufung steht auch mit dem bei der persönlichen Untersuchung des BF von der Gutachterin Dr. XXXX erhobenen Status des BF zu seinen unteren Extremitäten, die der BF nicht in Zweifel zog, im Einklang. Die Beugung der Kniegelenke ist beidseits 100° möglich. Es besteht nur rechts ein endlagiges Streckdefizit, während links das Strecken frei möglich ist. Bei den Knien besteht auch eine beidseitige Bandstabilität. Es fehlt an einer Schwellung und an einem Druckschmerz. Wie der BF selbst bei der persönlichen Untersuchung - von ihm unbestritten - angab, zieht er es vor, von der empfohlenen, beidseitigen Prothesenimplantation bei den Kniegelenken abzusehen und zur kurzfristigen Schmerzlinderung Injektionen zu erhalten. Dies spricht auch für die Einstufung mit dem oberen Rahmensatz unter die Position 02.02.02 (mit funktionellen Auswirkungen mittleren Grades). Für eine Einstufung unter die Position 02.02.03 (mit funktionellen Auswirkungen fortgeschrittenen Grades), für die selbst für den unteren Rahmensatz (50%) dauernde erhebliche Funktionseinschränkungen, eine therapeutische schwer beeinflussbare Krankheitsaktivität und die Notwendigkeit einer über mindestens 6 Monate andauernden Therapie erforderlich sind, fehlt es beim BF an den Voraussetzungen. Er hat auch offensichtlich erst nach einer Untersuchung im Jahr 2013 eine Notwendigkeit zur Untersuchung der Knie im Jahr 2016 gesehen. Für die Notwendigkeit einer über mindestens 6 Monate dauernden Therapie hat der BF jedenfalls keine Befunde vorgelegt, die eine solche Notwendigkeit belegen würden. Sein von der Gutachterin bei der persönlichen Untersuchung vom BF unbestritten gebliebenes Gangbild ist auch frei sicher und harmonisch.

Zum Beschwerdevorbringen zur Darmerkrankung des BF zog die Gutachterin Dr. XXXX nachvollziehbar den unteren Rahmensatz der Position 07.04.05. mit einem Grad der Behinderung von 30% heran. Für eine höhere Einstufung der Colitis Ulcerosa-Erkrankung unter den oberen Rahmensatz der Position 07.04.05. wäre auch das Vorliegen einer mittelschweren Beeinträchtigung des Allgemein- und Ernährungszustandes erforderlich. Davon kann jedoch bei einem unauffälligen Allgemeinzustand des BF, der bei der persönlichen Untersuchung durch die Sachverständige Dr. XXXX , der vom BF unwidersprochen blieb, festgestellt wurde, jedoch nicht ausgegangen werden. Für das Fehlen einer mittelschweren Beeinträchtigung des Ernährungszustandes des BF spricht auch sein Gewicht von 145kag bei einer Körpergröße von 189cm, das bei der persönlichen Untersuchung des BF durch die Sachverständige Dr. XXXX erhoben wurde.

Der BF ist auch dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten vom 20.9.2018, das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholt wurde und das dem Parteiengehör unterzogen wurde, nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten (vgl. VwGH 17.2.2017, Ra 2017/11/0008, 27.06.2000, 2000/11/0093). Vielmehr hat der BF von einer Stellungnahme abgesehen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. In der gegenständlichen Sachverhaltskonstellation liegen die Voraussetzungen für eine meritorische Entscheidung vor (Vgl. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063; VwGH 10.09.2014, Ra 2014/08/0005).

3.1.Zu Spruchpunkt A)

3.1.1.Rechtsgrundlagen:

Gemäß § 1 Abs. 2 Bundesbehindertengesetz, BGBl Nr. 283/1990, idgF (BBG) ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG). Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).

Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

3.1.2. Schlussfolgerungen

Die beigezogenen medizinischen Sachverständigen haben die Einschätzung des Grades der Behinderung auf Basis der Einschätzungsverordnung, BGBl II Nr. 261/2010 idgF, vorgenommen. Dieser Maßstab ist für die Einschätzung des Grades der Behinderung heranzuziehen und in den gesetzlichen Bestimmungen (§ 41 Abs. 1BBG) verankert.

Aufgrund der Einwendungen in der Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein medizinisches Sachverständigengutachten aus dem Bereich der Allgemeinmedizin eingeholt. Darin setzte sich die ärztliche Sachverständige Dr. Karin Tschare-Fehr eingehend aus medizinischer Sicht mit dem Vorbringen des BF zu seinen Leiden auseinander. Das eingeholte Sachverständigengutachten vom 20.9.2018, auf das sich das Bundesverwaltungsgericht stützt, steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung bzw. Feststellungen nicht in Zweifel zu ziehen. Das Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

Es steht dem BF, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch frei, das im Auftrag der Behörde bzw. des Bundesverwaltungsgerichtes erstellte Gutachten, durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen des BF ein Ausmaß von 40% erreichen und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vorliegen (vgl VwGH 27.5.2014, Ro 2014/11/0041; 21.9.2010, 2007/11/0228), war spruchgemäß zu entscheiden.

3.1.3.Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Im gegenständlichen Fall ist für die Entscheidung maßgebend, ob die dauernden Gesundheitsschädigungen des BF ein Ausmaß erreichen, welches für die Ausstellung eines Behindertenpasses erforderlich ist. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wie bereits oben ausgeführt wurde, wurde dieses als nachvollziehbar und schlüssig erachtet. Der Sachverhalt ist darüber hinaus geklärt und daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

3.2.Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W173.2196750.1.00

Zuletzt aktualisiert am

15.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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