TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/12 W209 2168605-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.02.2019
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Entscheidungsdatum

12.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W209 2168605-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehöriger von Afghanistan, vertreten durch die Rechtsanwälte Mag. Embacher, Dr. Neugschwendtner, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.08.2017, Zl. 1089443906/151464890, betreffend Abweisung eines Antrages auf internationalen Schutz, Erlassung einer Rückkehrentscheidung, Versagung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen und Feststellung, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan zulässig ist, sowie Setzung einer Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.09.2018 zu Recht.

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste im September 2015 illegal und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte am 30.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Bei seiner Erstbefragung durch die Landespolizeidirektion Vorarlberg am 30.09.2015 gab der BF an, er sei am XXXX geboren, gehöre der Volksgruppe der Hazara an, sei muslimischen Glaubens und stamme aus der Provinz Ghazni. Zu seinem Fluchtgrund führte der BF aus, dass er sein Land aus religiösen Gründen verlassen habe. Man habe ihm angelastet, dass er eine Moschee angezündet hätte.

3. Mit Beschluss des BG Innere Stadt Wien vom 21.01.2016 wurde die Obsorge des BF dem Kinder- und Jugendhilfeträger übertragen.

4. Mit Schreiben vom 03.05.2016 teilte das Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, bezugnehmend auf die Ladung des BF zu einer Altersfeststellung am 10.05.2016 mit, dass XXXX beabsichtige, den BF zukünftig als Pflegekind bei sich aufzunehmen. Es sei Herrn

XXXX gelungen, von der Schule des BF ein Foto des Schulzeugnisses des BF aus dem letzten Schuljahr samt Altersangabe übermittelt zu bekommen. Die Fotokopie des Zeugnisses in Dari wurde samt einer Übersetzung im Zuge des Schreibens vom Magistrat vorgelegt. Aufgrund der vorgelegten Dokumente bestehe aus Sicht des Kinder- und Jugendhilfeträgers kein Zweifel an der Minderjährigkeit des BF.

5. Mit Verfahrensanordnung vom 07.07.2016 setzte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) nach vorangegangener Einholung eines fachmedizinischen Gutachtens das Geburtsdatum des BF mit dem XXXX fest. Das entsprechende Gutachten wurde von XXXX erstellt und basiert auf einer persönlichen Untersuchung des BF am 10.05.2016.

6. Mit Schreiben vom 22.07.2016 übermittelte der Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, eine Stellungnahme, die die Altersfeststellung des Gutachtens XXXX als mangelhaft und unrichtig kritisierte. Es wurde beantragt, das Gutachten dahingehend zu bewerten, dass weiterhin von der Richtigkeit des vom BF angegebenen Geburtsdatums ausgegangen werde.

7. Am 30.03.2017 übermittelte XXXX eine schriftliche Gutachtensergänzung in der umfassend auf die in der Stellungnahme des Magistrats angeführten Kritikpunkte eingegangen wurde.

8. Mit Schreiben vom 13.04.2017 ersuchte das BFA die Polizeiinspektion XXXX die "alte" Aufenthaltsberechtigungskarte des BF (mit dem Minderjährigkeitsdatum) einzuziehen, nachdem der BF sowohl vom BFA als auch vom Amt der NÖ Landesregierung, UMF-Koordinierungsstelle, mehrfach erfolglos aufgefordert worden sei, diese zurückzustellen.

9. Mit Schreiben vom 27.04.2017 übermittelte der BF, vertreten durch Mag. Embacher, Dr. Neugschwendtner, Rechtsanwälte in 1040 Wien, eine Stellungnahme betreffend die Aufforderung zur Rückgabe der "alten" Aufenthaltsberechtigungskarte. Darin wurde mitgeteilt, dass der BF aufgrund der Aufforderung des BFA aus verfahrensökonomischen Gründen und zur Vermeidung weiterer unangemessener Schritte gegenüber dem BF und seinen Pflegeeltern die ursprüngliche Verfahrenskarte zurückstellen werde. Ausdrücklich geschehe dies nur zur Vermeidung weiterer Eskalationen und nicht als Anerkenntnis der Verfahrensanordnung oder des Gutachtens.

10. Mit Beschluss des BG Innere Stadt Wien vom 12.06.2017 wurde die Obsorge des BF vom Kinder- und Jugendhilfeträger auf XXXX, geb. am XXXX, und XXXX, geb. am XXXX, übertragen. Diesem Beschluss wurde der Sachverhalt zugrunde gelegt, dass der BF am XXXX geboren sei. Das BG Wien Innere Stadt Wien führte hierzu beweiswürdigend aus, dass aufgrund des vorgelegten Zeugnisses und dessen Angaben erwiesen sei, dass der BF am XXXX geboren sei und man ihm nicht die kriminelle Energie unterstellen könne, die Fälschung eines Zeugnisses in Afghanistan zu veranlassen.

11. Am 21.06.2017 übermittelte die rechtliche Vertretung des BF eine weitere Stellungnahme. Darin wird die Ablehnung des Gutachters XXXX beantragt, da aufgrund dessen Gutachtens Umstände vorlägen, die dessen Unbefangenheit und Sachkunde in Zweifel stellen würden. In diesem Zusammenhang wurde die Zweitmeinung zum Gutachten XXXX eines Facharztes für Kinder- und Jugendheilkunde sowie ein Gutachten aus dem Fachgebiet der Radiologie vorgelegt. Darüber hinaus wurde der Stellungnahme ein Konvolut an Integrationsunterlagen und Empfehlungsschreiben für den BF angehängt.

12. Am 23.06.2017 wurde der BF vom BFA im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari, seiner rechtlichen Vertretung und der Vertrauensperson XXXX einvernommen. Der BF gab dabei an, er habe im Dorf XXXX in Ghazni gelebt und von 2008 bis 2014 die Schule besucht. Für die Reise habe er 900 Euro ausgegeben. In Österreich sei er Mitglied im Volleyballverein XXXX und spiele in der Landesliga. Er sei Hazara, wolle sich aber auf keine Religion festlegen. Er glaube an Gott. Er werde als Moslem gesehen, sei aber nicht strenggläubig, weil er nicht bete und faste. Er sei im Herbst 2000 in der Provinz Ghazni geboren und habe sieben Jahre die Grundschule besucht. Nach dem Tod seines Vaters habe er begonnen als Tagelöhner zu arbeiten. Er habe sechs Monate in Griechenland und fünf Monate im Iran gelebt. Afghanistan habe er Ende des Frühjahres 2014 verlassen. Seine Mutter habe ihm gesagt, dass er im Herbst jenes Jahre 14 Jahre alt werde, ein genaues Geburtsdatum habe ihm seine Mutter nicht nennen können, da sie weder schreiben noch lesen könne. Auf Vorhalt, warum er in der Erstbefragung exakt den XXXX als Geburtsdatum angegeben habe, gab der BF an, dass der Dolmetscher dies nach den Angaben des BF ausgerechnet habe. Er habe mit ca. sieben Jahren begonnen in die Schule zu gehen, dass sei 2008 gewesen. Sieben Jahre sei er in der Schule gewesen. Als er die Schule beendet habe, sei er noch keine 14 Jahre alt gewesen. Die Schule habe er 2014 beendet, aber er sei nicht bis Ende 2014 in der Schule gewesen. Nach dem Vorfall habe er keine andere Wahl gehabt, als die Schule zu verlassen. Er sei über einen Freund zu dem vorgelegten Schulzeugnis gelangt. Dieser sei in die Schule gegangen und habe es ihm über Facebook geschickt. Dieser Freund besitze ein Taxi und sei Taxifahrer. Der BF habe diese Person, die man nicht wirklich Freund nennen könne, aber sie lebe in der Umgebung, gebeten, ihm das Zeugnis zukommen zu lassen. Der Taxifahrer sei zu den Lehrern des BF gegangen und habe das Zeugnis fotografiert und dem BF geschickt. Der BF könne sich nicht erinnern, wie er an das Zeugnis gekommen sei, seine Vertrauensperson wisse das. Der BF korrigierte sich darauf, dass er damit meine, dass er nur kein genaues Datum diesbezüglich nennen könne, es sei vor ca. neun Monaten gewesen.

Ab dem Alter von zwölf Jahren sei er Tagelöhner gewesen und habe Ziegel hergestellt. Im Sommer 2014 habe er auch in Nimroz in einem Hotel als Hilfsarbeiter gearbeitet und Geschirr gewaschen. Seiner Familie gehe es gut und er habe vor eineinhalb Monaten zuletzt telefonisch Kontakt gehabt. Sein Vater sei 2013 bei einem Autounfall gestorben. In Afghanistan sei er nie in eine Moschee gegangen.

Zu seinem Fluchtgrund führte der BF im Wesentlichen aus, dass sein Vater zwei Drohungen der Taliban erhalten habe, da der BF nicht in die Moschee habe gehen wollen und privaten Englischunterricht genommen habe. Alte Menschen hätten zum BF gesagt, dass er kein Moslem sei und den Glauben verloren habe, da er Englische lernen wolle. Nachdem sein Vater gestorben sei, habe der BF arbeiten müssen. Auf dem Heimweg von der Arbeit sei er mit einem Freund aufgrund des Regens in die Moschee gegangen, um sich dort abzutrocknen. Sie seien in die Moschee gegangen, hätten sich dort ausgezogen und ihre nassen Kleider auf die Heizung der Moschee gelegt. Dann hätten sich beide unter eine Decke gelegt und seien eingeschlafen. Nach einigen Minuten habe der BF etwas Verbranntes gerochen und sei aufgewacht. Die Decke und der Teppich hätten gebrannt. Es sei ihm nicht möglich gewesen seinen Freund mit nach draußen zu nehmen. Neben der Moschee lebe ein Mann, der sich um die Moschee kümmere. Der BF habe diesem zugerufen, dass die Moschee brenne. Dieser habe daraufhin durch ein Mikrofon gerufen "XXXX hat die Moschee in Brand gesteckt". Der BF sei sofort zu seiner Mutter gegangen. Da der BF zuvor bereits zwei Drohbriefe der Taliban erhalten habe, habe ihm seine Mutter gesagt, dass er keine Chance habe, zu überleben. Die Dorfbewohner hätten den Brand in der Moschee gelöscht und sich auf dem Weg zum Haus des BF gemacht. Er habe von seiner Mutter Geld erhalten und sei mit einem Taxi geflohen.

In seiner Schule hätten ca. 400 Buben Unterricht bekommen. Mathematik, Dari, Geographie, Geschichte, Zeichen, Sport, Biologie, Physik und Englisch seien die Unterrichtsfächer gewesen. Am Religionsunterricht habe er nicht teilgenommen und einfach so eine Note bekommen. Seine Mitschüler hätten im Gegensatz zu ihm keinen privaten Englischunterricht bekommen. Er sei von einem Dolmetscher, der für die Amerikaner gearbeitet habe, unterrichtet worden. Dieser Dolmetscher habe nur den BF unterrichtet. Das habe 2011 begonnen und ca. ein bis eineinhalb Jahre gedauert. Der Unterricht sei gratis gewesen. Auf Vorhalt, wie der BF in Religion benotet werden habe können, nachdem er den Religionsunterricht nicht besucht habe, gab der BF an, die Lehrer hätten sich bei der Benotung an den anderen Fächern orientiert. Der offizielle Englischunterricht der Schule sei den Taliban egal gewesen. Nur der Privatunterricht des BF habe sie gestört, da der Lehrer ein Dolmetscher der Amerikaner gewesen sei und sie Angst gehabt hätten, dass auch er einmal für die Amerikaner arbeiten könnte. Die Drohungen der Taliban seien ca. 2012 an den Mullah der Moschee gerichtet und von diesem an den Vater des BF weitergeleitet worden. Er könne nun nicht mehr in Afghanistan leben, man werde ihn umbringen, da er im Ausland gewesen sei. Es sei noch gefährlicher, wenn sie erfahren würden, dass er in Europa gewesen sei.

13. Am 30.06.2017 und 07.07.2017 übermittelte die rechtliche Vertretung zwei Stellungnahmen, die unter anderem das Schulzeugnis des BF in Kopie, Empfehlungsschreiben aus dessen schulischem und privatem Umfeld sowie Ausführungen zur Sicherheitslage in Afghanistan beinhalteten.

14. Am 28.07.2017 wurde dem BFA von XXXX eine weitere schriftliche Gutachtensergänzung hinsichtlich der vom BF vorgelegten "Zweitmeinung zur Altersangabe" von Dr. XXXX übermittelt.

15. Mit beschwerdegegenständlichem Bescheid vom 02.08.2017, Zl. 1089443906/151464890, wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab und verband diese Entscheidung in Spruchpunkt III. gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-VG mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt und es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise des BF binnen 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gesetzt (Spruchpunkt IV.).

In der Begründung des Bescheides traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in Afghanistan. Es habe lediglich den Angaben des BF zu seiner Herkunft Glauben geschenkt werde können, weil der BF hier keine widersprüchlichen Angaben gemacht habe und es keinen Grund gebe, dem BF hierbei nicht zu glauben. Der BF sei als Person vollkommen unglaubwürdig, das vorgelegte Zeugnis sei gefälscht, die Altersangaben des BF seien unglaubwürdig und auch dessen Fluchtvorbringen sei in höchstem Maße vage, widersprüchlich und in keiner Weise plausibel. Dem BF sei im Falle einer Rückkehr die innerstaatliche Fluchtalternative Kabul zumutbar.

16. Gegen den Bescheid vom 24.07.2017 erhob der BF durch seinen Rechtsvertreter mit Schreiben vom 17.08.2017 in vollem Umfang Beschwerde. Darin wurde ausgeführt, dass die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung einseitig, unschlüssig und in mehrfacher Weise darauf abzielend sei, die Angaben des BF zu dessen Nachteil auszulegen. Die Bedenken der Behörde hinsichtlich des vorgelegten Zeugnisses seien nicht schlüssig. Auch sei nicht nachvollziehbar, warum die belangte Behörde das vom BF vorgelegte Gutachten betreffend das Alter des BF als nicht beweiskräftig ansehe und nicht auf die Bedenken gegen das Gutachten des von der belangten Behörde bestellten Sachverständigen und dessen Überschreitung seines Arbeitsauftrags und die damit verbundene Befangenheit eingegangen sei. Bei objektiver Würdigung hätte die belangte Behörde die Furcht des BF vor Verfolgung durch die Dorfbewohner als asylrelevant feststellen müssen. Auch habe die Behörde nicht geprüft, ob der BF aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara Gruppenverfolgung ausgesetzt sei. Die Lage in Ghazni sei volatil und die innerstaatliche Fluchtalternative Kabul sei dem BF ohne soziale und familiäre Anknüpfungspunkte nicht zumutbar. Dem BF sei der Status des Asylberechtigten und allenfalls der Status des subsidiär Schutzberechtigen zuzuerkennen. Auch führe der BF ein schützenswertes Familienleben im Hinblick auf Art. 8 EMRK. Der BF lebe seit einem Jahr bei seinen Pflegeeltern, denen die Obsorge übertragen worden sei. Es sei daher von einem de-facto Familienleben zwischen dem BF und seinen Pflegeeltern auszugehen, weshalb mit der Rückkehrentscheidung auch ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Familienlebens des BF und seiner Eltern verbunden sei. Zum Beweise dafür wurde die zeugenschaftliche Einvernahme der Pflegeeltern beantragt. Auch hinsichtlich der Integration des BF würden dessen berücksichtigungswürdigende Interessen an einem Verbleib in Österreich überwiegen, weswegen dem BF (zumindest) ein Aufenthaltstitel zu gewähren sei.

17. Am 09.11.2017 langte eine Beschwerdeergänzung der rechtlichen Vertretung des BF ein, mit der ein Konvolut von Empfehlungsschreiben und diversen Unterlagen übermittelt wurde, welche die fortgeschrittene Integration des BF darlegen sollen.

18. Mit Urkundenvorlage vom 11.04.2018 legte der BF neben weiteren Integrationsunterlagen, darunter eine Unterstützungserklärung des XXXX Bürgermeisters, auch eine Garantieerklärung des XXXX und der XXXX vor, der zufolge das Ehepaar XXXX zeitlich unbegrenzt für den BF eine Wohnmöglichkeit, die Bezahlung von Krankenversicherungsbeiträgen, die Unterhaltskosten inklusive Taschengeld, Lernunterstützung und Hilfe bei der Vermittlung von Ausbildungsplätzen, die Vermittlung von Rechten und Pflichten in Österreich, die Beratung und Unterstützung in rechtlichen, sozialen und kulturellen Fragen, die Ausbildung und Weiterbildung sowie die Vorbereitung und Unterstützung bei der Arbeitssuche garantiere. Gleichzeitig wurde mitgeteilt, dass der BF am 04.08.2017 von der staatlichen Grundversorgung abgemeldet worden sei und seither weder das Ehepaar XXXX noch der BF staatliche Unterstützungen erhalten würden. Für sämtliche Kosten komme das Ehepaar XXXX aus privaten Mitteln auf.

19. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 21.09.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari durch, in welcher der BF ausführlich zu seinen Fluchtgründen sowie zu seiner Integration in Österreich befragt wurde. Im Zuge der Verhandlung wurden auch die beantragten Zeugen

XXXX und XXXX zum Leben des BF in Österreich befragt.

20. Über Anordnung des erkennenden Richters in der mündlichen Verhandlung legte die rechtliche Vertretung des BF mit Urkundenvorlage und Stellungnahme vom 06.11.2018 eine afghanische Schulbesuchsbestätigung vor und teilte mit, dass diese bestätige, dass der BF von 2008 bis 2014 die Schule in XXXX besucht habe und am Ende des Schuljahres 2013/2014 13 Jahre alt gewesen sei. Weiters wurde in der Stellungnahme auf die volatile Lage in der Provinz Ghazni und die gegenwärtige Sicherheitslage in Afghanistan verwiesen. Zum Nachweis der tiefen Verbundenheit des BF mit der in Afghanistan abgelehnten westlichen Lebensweise sowie seiner vollständigen Integration wurde eine für den BF ausgestellte Kurskarte der Tanzschule XXXX vorgelegt.

21. Mit Schreiben vom 18.12.2018 wurde der BF informiert, dass das Bundesverwaltungsgericht beabsichtige, die Einholung eines Sachverständigengutachtens des nichtamtlichen Sachverständigen Dr. Sarajuddin RASULY aus dem Fachgebiet Länderkunde, Afghanistan, zur Verifizierung des Fluchtvorbringens des BF sowie der vorgelegten Dokumente zu beauftragen. Dem BF wurde eine Frist von zwei Wochen gewährt, um gegen die Bestellung Einwände vorzubringen.

22. Mit Schreiben vom 02.01.2019 teilte der BF mit, dass keine Einwände gegen die Bestellung des Sachverständigen bestünden. Dem Schreiben wurde über Ersuchen des erkennenden Richters eine Skizze des Ortsteils XXXX, in welchem der BF gelebt haben soll, angehängt.

23. Mit Beschluss vom 08.01.2019 wurde Dr. Sarajuddin RASULY zum Sachverständigen im gegenständlichen Verfahren bestellt.

24. Am 08.01.2019 wurde von Dr. Sarajuddin RASULY ein - auf seinen Nachforschungen in Afghanistan beruhendes - Gutachten übermittelt. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF wie von ihm vorgebracht aus dem Dorf XXXX stamme. Vom Dorfvorsteher sei mitgeteilt worden, dass der BF nicht den Namen XXXX getragen habe, sondern als XXXX, Sohn des XXXX, bekannt gewesen sei. Befragungen im Dorf hätten ergeben, dass niemand im Dorf unter dem Nachnamen XXXX bekannt gewesen sei. Der BF habe einen Bruder mit dem Namen Moalem (Lehrer) XXXX, dieser sei in der Bubenschule von XXXX Lehrer. Nach Informationen aus seinem Dorf müsste der BF zum gegenwärtigen Zeitpunkt ca. 21 Jahre alt sein. Der Vater des BF sei nicht tot. Die Angaben des BF, wonach im Jahr 2014 die XXXX-Moschee in Feuer geraten wäre, würden den Tatsachen entsprechen. Tatsächlich sei die Moschee jedoch infolge einer Gasexplosion in Brand geraten und habe niemand im Dorf dadurch Schäden erlitten. Die Angaben des BF, dass er von der Bevölkerung beschuldigt worden sei, die Moschee in Brand gesteckt zu haben, würden nicht den Tatsachen entsprechen. Der Bevölkerung und der Behörde sei die Brandursache klar gewesen und der Brand sei niemandem angelastet worden. Da sich die Taliban zum vom BF angegebenen Zeitpunkt nicht in Hazara-Wohngebieten im Distrikt Jaghuri aufgehalten hätten, könne der BF daher auch nicht wegen Nichtbetens oder einem Englischkurs von ihnen bedroht worden sein. Zur derzeitigen Sicherheitslage sei auszuführen, dass es im Distrikt Jaghuri, welcher von den Hazara regiert würde, im November 2018 zu Angriffen der Taliban gekommen sei. Das Dorf des BF läge in einer dieser Konfliktzonen. Hinsichtlich der Authentizität des vorgelegten Schulzeugnisses wird ausgeführt, dass dieses nicht mit den Tatsachen in Afghanistan übereinstimme und als unecht zu bezeichnen sei. Die Echtheit der Kopie sei von den Lehrern der Schule in XXXX nicht bestätigt worden. Es falle auf, dass das vorgelegte Zeugnis ein Foto und das Alter des BF beinhalte. Mitarbeiter des Sachverständigen hätten Schulnachrichten aus verschiedenen Provinzen gesammelt und dabei festgestellt, dass diese zwei Eintragungen allen anderen Schulnachrichten fehlen würden. In authentischen afghanischen Schulnachrichten würden keine Fotos angeheftet und das Alter der Schüler nicht eingetragen.

25. Das am 08.01.2019 übermittelte Gutachten wurde dem BF am selben Tag übermittelt und dem BF eine zweiwöchige Frist zur Stellungnahme aufgetragen.

26. Mit Schreiben vom 23.01.2019 nahm der BF zum oben angeführten Sachverständigengutachten Stellung und teilte zusammengefasst mit, dass das eingeholte Sachverständigengutachten in mehreren auch entscheidungswesentlichen Punkten unrichtig sei, weshalb beantragt werde, seine Stellungnahme dem Sachverständigen zur Äußerung zu übermitteln und dem BF eine Frist von zwei Monaten für die Erstellung eines Privatgutachtens einzuräumen, um das Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene zu entkräften.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der BF gibt an XXXX zu heißen. Die Identität des BF steht mangels Vorlage unbedenklicher Dokumente nicht fest. Soweit er im vorliegenden Erkenntnis namentlich genannt wird, dient dies lediglich seiner Identifizierung als Verfahrenspartei, nicht jedoch einer Vorfragebeurteilung im Sinn des § 38 AVG.

Der BF ist am XXXX geboren.

Der BF spricht Dari.

Der BF stammt aus dem Dorf XXXX im Distrikt Jaghuri in der afghanischen Provinz Ghazni.

Der BF gehört der Volksgruppe der Hazara an.

Der BF ist gesund.

Der BF hat in XXXX die Schule besucht und in Afghanistan zuletzt als Hilfsarbeiter gearbeitet.

Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Mit Beschluss des BG Innere Stadt Wien vom 12.06.2017 wurde die Obsorge des BF vom Kinder- und Jugendhilfeträger auf XXXX, geb. am XXXX, und XXXX, geb. am XXXX, übertragen. Diesem Beschluss wurde der Sachverhalt zugrunde gelegt, dass der BF am XXXX geboren sei.

Die Familie XXXX betreut den BF seit Anfang 2016, wo der BF seit September 2016 auch wohnt.

Am 30.03.2017 gab das Ehepaar XXXX eine notariell beglaubigte Garantieerklärung ab, der zufolge zeitlich unbegrenzt für den BF eine Wohnmöglichkeit, die Bezahlung von Krankenversicherungsbeiträgen, die Unterhaltskosten inklusive Taschengeld, Lernunterstützung und Hilfe bei der Vermittlung von Ausbildungsplätzen, die Vermittlung von Rechten und Pflichten in Österreich, die Beratung und Unterstützung in rechtlichen, sozialen und kulturellen Fragen, die Ausbildung und Weiterbildung sowie die Vorbereitung und Unterstützung bei der Arbeitssuche garantiert werde.

Am 04.08.2017 wurde der BF von der Grundversorgung abgemeldet. Seither kommen für sämtliche Kosten das Ehepaar XXXX aus privaten Mitteln auf.

Seit 04.09.2017 ist der BF ordentlicher Schüler der Oberstufe des XXXX Gymnasiums.

Der BF hat die neunte Schulstufe im Schuljahr 2017/2018 am XXXX Gymnasium mit einem Notenschnitt von 2,83 abgeschlossen, war jedoch aufgrund zweier Nichtgenügend in den Fächern Englisch und Deutsch nicht zum Aufstieg in die nächste Klasse berechtigt.

Der BF spricht bereits gut Deutsch.

Im Zuge des Verfahrens wurden zahlreiche Empfehlungsschreiben für den BF vorgelegt.

Der BF ist Mitglied im Volleyballverein Sportunion XXXX.

Der BF ist Mitglied im Verein "XXXX hilft".

Der BF möchte in Österreich Pharmazie studieren und Apotheker werden.

1.2 Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der BF ist in Afghanistan keiner persönlichen und konkreten Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung ausgesetzt.

Insbesondere konnte der BF nicht glaubhaft machen, dass er in Afghanistan aus religiösen Gründen verfolgt wird und man ihm vor seiner Ausreise angelastet habe, eine Moschee angezündet zu haben.

Des Weiteren konnte der BF auch nicht glaubhaft machen, dass ihm in Afghanistan eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung durch die Taliban droht.

1.3 Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

KI vom 08.01.2019, Anschlag in Kabul und Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Politische Lage

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015).

Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.9.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.9.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen. Über die genaue Gestalt und Institutionalisierung des Postens des CEO muss noch eine loya jirga [Anm.: größte nationale Versammlung zur Klärung von wichtigen politischen bzw. verfassungsrelevanten Fragen] entscheiden (AAN 13.2.2015; vgl. AAN o. D.), doch die Einberufung einer loya jirga hängt von der Abhaltung von Wahlen ab (CRS 13.12.2017).

Die afghanische Innenpolitik war daraufhin von langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Regierungslagern unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah geprägt. Kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 wurden schließlich alle Ministerämter besetzt (AA 9.2016).

Parlament und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus dem Unterhaus, auch wolesi jirga, "Kammer des Volkes", genannt, und dem Oberhaus, meshrano jirga auch "Ältestenrat" oder "Senat" genannt. Das Unterhaus hat 250 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz im Unterhaus reserviert (AAN 22.1.2017; vgl. USDOS 20.4.2018, USDOS 15.8.2017, CRS 13.12.2017, Casolino 2011). Die Mitglieder des Unterhauses haben ein Mandat von fünf Jahren (Casolino 2011). Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von ca. 25% im Unterhaus (AAN 22.1.2017).

Das Oberhaus umfasst 102 Sitze (IPU 27.2.2018). Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für behinderte Personen bestimmt. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 20.4.2018; vgl. USDOS 15.8.2017).

Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z. T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leider die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 5.2018).

Die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen konnten wegen ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden. Daher bleibt das bestehende Parlament weiterhin im Amt (AA 9.2016; vgl. CRS 12.1.2017). Im September 2016 wurde das neue Wahlgesetz verabschiedet und Anfang April 2018 wurde von der unabhängigen Wahlkommission (IEC) der 20. Oktober 2018 als neuer Wahltermin festgelegt. Gleichzeitig sollen auch die Distriktwahlen stattfinden (AAN 12.4.2018; vgl. AAN 22.1.2017, AAN 18.12.2016).

Parteien

Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 15.8.2017). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (AE o. D.). Der Terminus "Partei" umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich, die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).

Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf strukturelle Elemente (wie z.B. das Fehlen eines Parteienfinanzierungsgesetzes) zurückzuführen sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange, werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9.2016). Ein hoher Grad an Fragmentierung sowie eine Ausrichtung auf Führungspersönlichkeiten sind charakteristische Merkmale der afghanischen Parteienlandschaft (AAN 6.5.2018).

Mit Stand Mai 2018 waren 74 Parteien beim Justizministerium (MoJ) registriert (AAN 6.5.2018).

Parteienlandschaft und Opposition

Nach zweijährigen Verhandlungen unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.1.2017), das letzterer Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtete sich die Gruppe, alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.9.2016). Das Abkommen beinhaltete unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für den historischen Anführer der Hezb-e-Islami, Gulbuddin Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, internationale Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.1.2017). Tatsächlich wurde dieser im Februar 2017 von der Sanktionsliste des UN-Sicherheitsrates gestrichen (AAN 3.5.2017). Am 4.5.2017 kehrte Hekmatyar nach Kabul zurück (AAN 4.5.2017). Die Rückkehr Hekmatyars führte u.a. zu parteiinternen Spannungen, da nicht alle Fraktionen innerhalb der Hezb-e Islami mit der aus dem Friedensabkommen von 2016 erwachsenen Verpflichtung sich unter Hekmatyars Führung wiederzuvereinigen, einverstanden sind (AAN 25.11.2017; vgl. Tolonews 19.12.2017, AAN 6.5.2018). Der innerparteiliche Konflikt dauert weiter an (Tolonews 14.3.2018).

Ende Juni 2017 gründeten Vertreter der Jamiat-e Islami-Partei unter Salahuddin Rabbani und Atta Muhammad Noor, der Jombesh-e Melli-ye Islami-Partei unter Abdul Rashid Dostum und der Hezb-e Wahdat-e Mardom-Partei unter Mardom Muhammad Mohaqeq die semi-oppositionelle "Coalition for the Salvation of Afghanistan", auch "Ankara Coalition" genannt. Diese Koalition besteht aus drei großen politischen Parteien mit starker ethnischer Unterstützung (jeweils Tadschiken, Usbeken und Hazara) (AB 18.11.2017; vgl. AAN 6.5.2018).

Unterstützer des weiterhin politisch tätigen ehemaligen Präsidenten Hamid Karzai gründeten im Oktober 2017 eine neue politische Bewegung, die Mehwar-e Mardom-e Afghanistan (The People's Axis of Afghanistan), unter der inoffiziellen Führung von Rahmatullah Nabil, des ehemaligen Chefs des afghanischen Geheimdienstes (NDS). Später distanzierten sich die Mitglieder der Bewegung von den politischen Ansichten Hamid Karzais (AAN 6.5.2018; vgl. AAN 11.10.2017).

Anwarul Haq Ahadi, der langjährige Anführer der Afghan Mellat, eine der ältesten Parteien Afghanistans, verbündete sich mit der ehemaligen Mujahedin-Partei Harakat-e Enqilab-e Eslami-e Afghanistan. Gemeinsam nehmen diese beiden Parteien am New National Front of Afghanistan teil (NNF), eine der kritischsten Oppositionsgruppierungen in Afghanistan (AAN 6.5.2018; vgl. AB 29.5.2017).

Eine weitere Oppositionspartei ist die Hezb-e Kongara-ya Melli-ye Afghanistan (The National Congress Party of Afghanistan) unter der Führung von Abdul Latif Pedram (AB 15.1.2016; vgl. AB 29.5.2017).

Auch wurde die linksorientierte Hezb-e-Watan-Partei (The Fatherland Party) wieder ins Leben gerufen, mit der Absicht, ein wichtiges Segment der ehemaligen linken Kräfte in Afghanistan zusammenzubringen (AAN 6.5.2018; vgl. AAN 21.8.2017).

Friedens- und Versöhnungsprozess

Am 28. Februar 2018 machte Afghanistans Präsident Ashraf Ghani den Taliban ein Friedensangebot (NYT 11.3.2018; vgl. TS 28.2.2018). Die Annahme des Angebots durch die Taliban würde, so Ghani, diesen verschiedene Garantien gewähren, wie eine Amnestie, die Anerkennung der Taliban-Bewegung als politische Partei, eine Abänderung der Verfassung und die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Anführer (TD 7.3.2018). Quellen zufolge wird die Annahme bzw. Ablehnung des Angebots derzeit in den Rängen der Taliban diskutiert (Tolonews 16.4.2018; vgl. Tolonews 11.4.2018). Anfang 2018 fanden zwei Friedenskonferenzen zur Sicherheitslage in Afghanistan statt: die zweite Runde des Kabuler Prozesses [Anm.: von der afghanischen Regierung ins Leben gerufene Friedenskonferenz mit internationaler Beteiligung] und die Friedenskonferenz in Taschkent (TD 24.3.2018; vgl. TD 7.3.2018, NZZ 28.2.2018). Anfang April rief Staatspräsident Ghani die Taliban dazu auf, sich für die Parlamentswahlen im Oktober 2018 als politische Gruppierung registrieren zu lassen, was von diesen jedoch abgelehnt wurde (Tolonews 16.4.2018). Ende April 2018 kam es in diesem Zusammenhang zu Angriffen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich des IS, aber auch der Taliban) auf mit der Wahlregistrierung betraute Behörden in verschiedenen Provinzen (vgl. Kapitel 3. "Sicherheitslage").

Am 19.5.2018 erklärten die Taliban, sie würden keine Mitglieder afghanischer Sicherheitskräfte mehr angreifen, wenn diese ihre Truppen verlassen würden, und gewährten ihnen somit eine "Amnestie". In ihrer Stellungnahme erklärten die Aufständischen, dass das Ziel ihrer Frühlingsoffensive Amerika und ihre Alliierten seien (AJ 19.5.2018).

Am 7.6.2018 verkündete Präsident Ashraf Ghani einen Waffenstillstand mit den Taliban für den Zeitraum 12.6.2018 - 20.6.2018. Die Erklärung erfolgte, nachdem sich am 4.6.2018 über 2.000 Religionsgelehrte aus ganz Afghanistan in Kabul versammelt hatten und eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aussprachen (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 7.6.2018, RFL/RL 5.6.2018). Durch die Fatwa wurden Selbstmordanschläge für ungesetzlich (nach islamischem Recht, Anm.) erklärt und die Taliban dazu aufgerufen, den Friedensprozess zu unterstützen (Reuters 5.6.2018). Die Taliban selbst gingen am 9.6.2018 auf das Angebot ein und erklärten einen Waffenstillstand von drei Tagen (die ersten drei Tage des Eid-Fests, Anm.). Der Waffenstillstand würde sich jedoch nicht auf die ausländischen Sicherheitskräfte beziehen; auch würden sich die Taliban im Falle eines militärischen Angriffs verteidigen (HDN 10.6.2018; vgl. TH 10.6.2018, Tolonews 9.6.2018).

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

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(Darstellung Staatendokumentation beruhend auf den INSO-Zahlen aus den Jahren 2015, 2016, 2017).

Im Vergleich folgt ein monatlicher Überblick der sicherheitsrelevanten Vorfälle für die Jahre 2016, 2017 und 2018 in Afghanistan (INSO o.D.)

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(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO o.D.)

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

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Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UNGASC 15.3.2016, UNGASC 9.3.2017, UNGASC 27.2.2018)

Es folgt ein Jahresvergleich der sicherheitsrelevanten Vorfälle, die von der UN und der NGO INSO in den Jahren 2015, 2016 und 2017 registriert wurden:

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(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO (o.D.), UN GASC 15.3.2016, UNGASC 9.3.2017, UNGASC 27.2.2018)

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht.Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

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Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

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Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).

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Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)

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Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).

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Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).

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Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).

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Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vgl. APN 30.4.2018b, Focus 30.4.2018, IM 30.4.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.4.2018; vgl. Tolonews 30.4.2018b).

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Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).

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Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

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Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).

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Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018, TG 24.1.2018).

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Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vgl. DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

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Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 6.6.2017; vgl. AJ 31.5.2017, BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 7.6.2017).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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