TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/19 W260 2207562-1

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Veröffentlicht am 19.02.2019
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Entscheidungsdatum

19.02.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W260 2207562-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Vorsitzender und die Richterin Mag. Karin GASTINGER sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 20.09.2018, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 01.06.2018 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (in der Folge "belangte Behörde") und legte dem Antrag medizinische Befunde bei.

2. Zur Überprüfung des Antrages holte die belangte Behörde ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 27.06.2018 erstatteten Gutachten vom selben Tag wurden die Leiden "Kniegelenksabnützung beidseits" und "Degenerative Wirbelsäulenveränderungen" mit einem Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 30 von Hundert (im Folgenden vH) festgestellt.

3. Mit Schreiben vom 28.06.2018 brachte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer das Ergebnis des ärztlichen Beweisverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte ihm die Möglichkeit einer Stellungnahme ein.

3.1. Mit am 18.07.2018 eingelangten Schreiben gab der Beschwerdeführer eine Stellungnahme ab, in welcher er Folgendes vorbrachte:

"Einspruch!

Wegen Ablehnung des Antrages auf einen Behindertenpass. Begründung:

1) Mein Eindruck war Frau Dr. Karner-Dangl hat kein Interesse an meinen Schmerzen. Die einzige Frage war nur wie weit ich gehen kann und ich sagte immer.

2) Keine Unterlagen über meine Arthrose und Schultergelenke, E-Card war vorhanden.

3) Schmerzen wegen Venen. Welcher Arzt schreibt einen negativen Befund über einen anderen Arzt.

4) Dr. Schweighofer sag ich brauche aufgrund der Röntgen eine Prothese, Frau Dr. Karner-Dangl sagt ich habe nur 30% Behinderung. Was stimmt?

5) Wenn man schreibt ich kann trotz meiner Funktionsbeeinträchtigung in einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem integrativen Betrieb einer Erwerbstätigkeit nachgehen, dann sehe ich das keine neutrale oder objektive Beurteilung stattgefunden hat, weil ich immerhin schon 68 Jahre bin und seit 6 Jahren in Pension."

In der Folge legte der Beschwerdeführer einen weiteren medizinischen Befund vor.

3.2. Aufgrund der Einwendungen des Beschwerdeführers und des nachgereichten Befundes ersuchte die belangte Behörde die bereits befasste orthopädische Sachverständige um ergänzende Stellungnahme. In ihrer Stellungnahme vom 19.09.2018 führte die orthopädische Sachverständige zusammengefasst aus, dass der nachgereichte Befund, der eine Kniegelenksabnützung und eine geplante Kniegelenksersatzoperation beschreibe, zu keiner Änderung der Einschätzung führe, da die Kniegelenksabnützung bereits entsprechend der funktionellen Einschränkung berücksichtigt worden sei. Die Einwände des Beschwerdeführers brächten ebenfalls keine neuen Erkenntnisse und seien auch die subjektiven Angaben im Sachverständigengutachten erfasst und berücksichtigt.

4. Mit Bescheid vom 20.09.2018 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab und stellte einen Grad der Behinderung in Höhe von 30 vH fest. Dem Bescheid wurden das eingeholte Sachverständigengutachten und die gutachterliche Stellungnahme in Kopie beigelegt.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und brachte zusammengefasst vor, es sei dieselbe Ärztin um ergänzende Stellungnahme ersucht worden, gegen deren Gutachten er in seiner Stellungnahme bereits protestiert habe. Er frage sich, ob nur ein Schema für die Ablehnung verwendet werde, wenn festgehalten werde, dass er trotz Funktionsuntüchtigkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz arbeiten könne. Würde man seine Akte durchlesen würde man sehen, dass der Beschwerdeführer 68 Jahre alt sei und seit sechs Jahren in Pension sei. Niemand habe mit ihm über seine psychischen und physischen Schmerzen bei Tag und Nacht gesprochen, sondern sei aufgrund des Gutachtens entschieden worden, das auf einer dreiminütigen Untersuchung beruht habe. Der Beschwerdeführer schloss der Beschwerde keine medizinischen Befunde an.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich der Beschwerdeführer mit dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland.

1.2. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 vH.

1.2.1. Ausmaß der Funktionseinschränkungen:

Allgemeinzustand: gut.

Ernährungszustand: gut.

Klinischer Status - Fachstatus:

Wirbelsäule - Beweglichkeit:

HWS: Kinn-Jugulum Abstand: 2 cm, alle übrigen Ebenen: endlagig eingeschränkt.

BWS: gerade.

LWS: Seitneigen nach links bis 35° möglich, nach rechts bis 35° möglich.

FBA: 10 cm.

Obere Extremitäten: Rechtshänder.

Rechts: Schultergelenk: Abduktion bis 150° möglich, blande Narben,

Ellenbogengelenk: frei, Handgelenk: frei, Finger: o.B.

Links: Schultergelenk: Abduktion bis 150° möglich, blande Narben,

Ellenbogengelenk: frei, Handgelenk: frei, Finger: o.B.

Kraft- und Faustschluss: bds. frei. Kreuz- und Nackengriff: bds. möglich.

Untere Extremitäten:

Rechts: Hüftgelenk: S 0-0-150, F 60-0-50, R 50-0-40.

Kniegelenk: S 0-0-110, kein Erguß, bandstabil, blande Narben.

OSG: frei.

Links: Hüftgelenk: S 0-0-150, F 60-0-50, R 50-0-40.

Kniegelenk: S 0-5-110, kein Erguß, bandstabil, blande Narben.

OSG: frei.

Varicen: keine.

Füße: bds. Spreizfuß.

Zehen- und Fersenstand: bds. möglich.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Gangbild: Hinken links mehr als rechts.

Gehbehelf: keiner.

Status Psychicus:

Allseits orientiert, Gedankengang geordnet, nachvollziehbar, erreicht das Ziel, Mnestik unauffällig, Stimmung ausgeglichen, Antrieb im Normbereich, Affekt stabil, gute Affizierbarkeit in beiden Skalenbereichen.

1.2.2. Beurteilung der Funktionseinschränkungen:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Pos.Nr.

GdB %

1

Kniegelenksabnützung beidseits Oberer Rahmensatz, da auch eine Gangbildstörung vorliegt

02.05.19

30

2

Degenerative Wirbelsäulenveränderungen Oberer Rahmensatz, da funktionelle Einschränkung in mehreren Segmenten

02.01.01

20

Gesamtgrad der Behinderung 30 vH

 

 

 

Das Leiden 1 wird durch das Leiden 2 nicht erhöht, da dieses keine maßgebliche funktionelle Zusatzrelevanz aufweist.

1.3. Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses langte am 01.06.2018 bei der belangten Behörde ein.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1. und 1.3.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Zu 1.2) Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:

Das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie vom 27.06.2018, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, ist schlüssig und nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Darin wird auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die Gutachterin setzt sich darin auch mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen auseinander. Die getroffenen Einschätzungen entsprechen unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Aufgrund der Einwendungen in der Stellungnahme vom 18.07.2018 und dem vorgelegten Befund des Landeskrankenhauses Scheibbs vom 04.09.2018 holte die belangte Behörde am 19.09.2018 eine ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen ein. Darin führte sie schlüssig aus, dass die in dem Befund beschriebene Kniegelenksarthrose bereits entsprechend der funktionellen Einschränkung im Gutachten berücksichtigt und mit einem Grad der Behinderung von 30 vH eingeschätzt wurde. Eine höhere Einschränkung konnte aufgrund der in der Statuserhebung überprüften Funktionen nicht festgestellt werden. Insoweit der Beschwerdeführer vorbringt, seine Schmerzen seien nicht berücksichtigt worden, so sind diese durchaus in der Einstufung mitumfasst.

In der Anamnese des Sachverständigengutachtens vom 27.06.2018 erwähnte der Beschwerdeführer, dass bei ihm vor sieben bis acht Jahren eine Arthroskopie beider Schultergelenke vorgenommen wurde. Da der Beschwerdeführer dazu jedoch keine medizinischen Befunde vorlegen konnte, ist ein allfälliges Leiden der Schultergelenke nicht objektiviert und kann nicht eingeschätzt werden. Die Einwendungen in seiner Stellungnahme sind daher, mangels vorgelegten Befunden, nicht geeignet, eine Änderung der Beurteilung zu bewirken. Dasselbe gilt für die Einwendungen betreffend die Schmerzen nach Venenoperation an den Beinen.

Das Vorbringen, die Untersuchung habe nur drei Minuten gedauert und die Sachverständige habe kein Interesse an seinen Schmerzen gezeigt, wird anhand der Ergebnisse der Statuserhebung widerlegt, worin detailliert und ausführlich Wirbelsäule, obere und untere Extremitäten, Gangbild und Mobilität sowie psychischer Status überprüft wurden und unter dem Punkt "Derzeitige Beschwerden" die Schilderungen des Beschwerdeführers hauptsächlich die Schmerzen in den Kniegelenken, Armen und Beinen betreffen detailliert aufgenommen wurden. Darüber hinaus ist im Sachverständigengutachten die Dauer der Untersuchung von 08:15 bis 08:30 Uhr vermerkt. Es findet sich kein Anhaltspunkt im Gutachten bzw. im gesamten Verwaltungsakt auf ein mögliches mangelndes Interesse bzw. eine unprofessionelle Untersuchung durch die Sachverständige und hat auch der Beschwerdeführer nicht objektiviert darlegen können, dass die Begutachtung unsachlich gewesen sei oder mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen in Widerspruch stehe. Insofern geht auch das Vorbringen, wonach die ergänzende Stellungnahme trotz der Einwände des Beschwerdeführers gegen die Gutachterin erneut von derselben Ärztin vorgenommen worden sei, ins Leere.

Die im vorgefertigten Formular mit "ja" angekreuzte Feststellung "Die Antragstellerin/Der Antragsteller kann trotz ihrer/seiner Funktionsbeeinträchtigungen mit Wahrscheinlichkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem integrativen Betrieb (allenfalls unter Zuhilfenahme von Unterstützungsstrukturen) einer Erwerbstätigkeit nachgehen" ist für das vorliegende Verfahren nicht von Relevanz und bezieht sich auf Verfahren nach dem Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG), für welche die gleichen Formularblätter vorgesehen sind wie in Verfahren nach dem BBG. Dass die Frage der Arbeitsfähigkeit des 68-jährigen Beschwerdeführers im Verfahren nach dem BBG nicht relevant ist, ist zwar richtig, jedoch hat die Verwendung der gleichen Formularblätter in sämtlichen Sachverständigengutachten nach dem BBG und BEinstG keinen Einfluss auf die Richtigkeit und Sachlichkeit der tatsächlich erhobenen und für die Ermittlung des Grades der Behinderung relevanten Untersuchungsergebnisse.

Der Beschwerdeführer legte im Rahmen der Beschwerde keine Befunde vor, die geeignet wären, eine andere Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen herbeizuführen bzw. eine zwischenzeitig eingetretene Verschlechterung der Leidenszustände zu belegen und allenfalls zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen.

Er ist daher den Ausführungen der medizinischen Sachverständigen nicht und damit insbesondere auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachtens. Das seitens der belangten Behörde eingeholte orthopädische Sachverständigengutachten vom 27.06.2018 und die ergänzende gutachterliche Stellungnahme vom 19.09.2018 werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur Entscheidung in der Sache

3.1. Zur Entscheidung in der Sache

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(§ 40 Abs. 1 BBG)

Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist. (§ 40 Abs. 2 BBG)

Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.

Zuständige Stelle ist:

-

Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

-

Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

-

In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

(§ 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988)

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(§ 41 Abs. 1 BBG)

§ 1, § 41 Abs. 1 und 2, § 55 Abs. 4 und 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 treten mit 1. September 2010 in Kraft. (§ 54 Abs. 12 BBG auszugsweise)

Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung, BGBl. II. Nr. 261/2010 idgF BGBl II. Nr. 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:

"Behinderung

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

-

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-

zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

..."

Zunächst ist rechtlich festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war, was im Verfahren auch unbestritten geblieben ist.

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)

Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt, werden der gegenständlichen Entscheidung das seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie vom 27.06.2018, basierend auf einer persönlichen Untersuchung am selben Tag, sowie die ergänzende Stellungnahme vom 19.09.2018 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers aktuell 30 vH beträgt.

Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, ist das Beschwerdevorbringen insgesamt nicht geeignet darzutun, dass der in Höhe von 30 vH festgestellte Grad der Behinderung nicht dem tatsächlichen Leidensausmaß des Beschwerdeführers entspricht.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 vH sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 vH ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

3.2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Im gegenständlichen Fall wurde der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung eingeschätzt. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des seitens der belangten Behörde eingeholten, nicht substantiell bestrittenen Sachverständigengutachtens geklärt. In der vorliegenden Beschwerde wurden ausschließlich Rechtsfragen aufgeworfen, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W260.2207562.1.00

Zuletzt aktualisiert am

15.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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