Entscheidungsdatum
19.02.2019Norm
BBG §40Spruch
W260 2186536-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Vorsitzender und die Richterin Mag. Karin GASTINGER sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 12.12.2017, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin stellte am 12.06.2017 erstmals einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (in der Folge "belangte Behörde") und legte nach Aufforderung der belangten Behörde medizinische Befunde vor.
2. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin eingeholt. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 26.09.2017 erstatteten Gutachten vom 09.12.2017 wurden die Leiden "mild cognitive Impairment", "nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus", "Abnützungserscheinung am Stützapparat (Wirbelsäule, Kniegelenke), Osteopenie", "Zustand nach Entfernung eines Plattenepithelkarzinoms rechte Schläfe 04/2017", "leichter Bluthochdruck", "periphere arterielle Verschlusskrankheit", "Verlust der Gebärmutter", und ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 40 vH festgestellt.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 12.12.2017 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab und stellte einen Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH fest. Dem Bescheid wurde das eingeholte Sachverständigengutachten in Kopie beigelegt.
4. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde und brachte vor, dass ihre Beine nicht richtig bewertet worden seien. Es sei kein Stufentest oder Schemeltest gemacht worden. Sie könne ohne Hilfe keine Stufen, Randsteine oder Straßenbahnstufen benutzen. Sie habe diese Woche eine Gefäßuntersuchung bei einem Gefäßchirurgen wegen eines Venenbypasses und werde Befunde nachreichen.
5. Die belangte Behörde übermittelte mit Schreiben vom 19.02.2018 den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Vorlage, wo dieser am 20.02.2018 eingelangt ist.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Da sich die Beschwerdeführerin mit dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.
1. Feststellungen:
1.1. Die Beschwerdeführerin erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz im Inland.
1.2. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 40 vH.
1.2.1. Ausmaß der Funktionseinschränkungen:
Allgemeinzustand gut, Ernährungszustand gut,
Größe 163 cm, Gewicht 58 kg, Blutdruck 125/80
Kopf: Zähne: lückenhaft, Lesebrille, Sensorium frei, Zustand nach Tonsillektomie, der rechten Schläfe ca. 4 cm durchmessende leicht eingesunkene Narbe nach Entfernung eines Hauttumors, Nervenaustrittspunkte unauff.,
Hals: keine Einflussstauung, Schilddrüse schluckverschieblich, Lymphknoten o.B., an der rechten Halsseite flächenhafter Tumor nach
Hautentnahme für Hauttransplantation, Thorax: symmetrisch,
Herz: normal konfiguriert, Herztöne rein, keine pathologischen Geräusche,
Lunge: vesikuläres Atemgeräusch, Basen gut verschieblich, son. Klopfschall,
Wirbelsäule: Halswirbelsäule frei beweglich, Kinn-Jugulum-Abstand 2cm, seichte rechtskonvexe Skoliose der Brustwirbelsäule, Fingerbodenabstand 25cm, thorakaler Schober 30/33cm, Ott: 10/14cm, Hartspann der Lendenwirbelsäule,
Abdomen: weich, über Thoraxniveau, Hepar und Lien nicht palpabel, keine Resistenz tastbar, blande Narbe nach Appendektomie,
Nierenlager: beidseits frei,
obere Extremität: frei beweglich, Globalfunktion und grobe Kraft beidseits erhalten, Nacken- und Kreuzgriff möglich,
untere Extremität: frei beweglich, freie Beweglichkeit der Kniegelenke bei festem Bandapparat, des rechten Kniegelenkes: 33cm (links: 32,5cm), am rechten ventralen proximalen Unterschenkel längsverlaufende blande Narbe nach Weichteilverletzung, keine signifikante Involutionsatrophie der Unterschenkelmuskulatur, Umfang des rechten Unterschenkels: 31cm (links: 30cm), keine Ödeme, keine trophischen Hautstörungen, Reflex gut auslösbar, Babinski negativ, Hallux valgus beidseits links > rechts, Hammerzehe II beidseits, Zehen- und Fersengang möglich,
Gesamtmobilität-Gangbild: leicht hinkendes Gangbild, keine Gehhilfe erforderlich,
Status Psychicus: zeitlich und örtlich orientiert, ausgeglichene Stimmungslage, normale Kommunikation möglich.
1.2.2. Beurteilung der Funktionseinschränkungen:
Lfd. Nr.
Funktionseinschränkung
Pos.Nr.
GdB %
1
mild cognitive Impairment
03.03.01
40
2
nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus
09.02.01
30
3
Abnützungserscheinungen am Stützapparat (Wirbelsäule, Kniegelenke), Osteopenie
02.02.01
20
4
Zustand nach Entfernung eines Plattenepithelkarzinoms rechte Schläfe 04/2017
13.01.01
10
5
Leichter Bluthochdruck
05.01.01
10
6
Periphere arterielle Verschlusskrankheit
05.03.01
10
7
Verlust der Gebärmutter
08.03.02
10
Gesamtgrad der Behinderung 40 vH
Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H., da Leiden Nr. 2) bis 7) nicht weiter erhöhen, weil kein maßgebliches ungünstiges funktionelles Zusammenwirken besteht.
1.3. Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses langte am 12.06.2017 bei der belangten Behörde ein.
2. Beweiswürdigung:
Zu 1.1. und 1.3.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.
Zu 1.2) Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:
Das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 09.12.2017, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 26.09.2017 ist schlüssig und nachvollziehbar, es weist keine Widersprüche auf. Es wird auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Außerdem setzt sich der Gutachter mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussung und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen auseinander. Die getroffenen Einschätzungen entsprechen unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen.
Die Beschwerdeführerin macht in der Beschwerde geltend, ihre Beine seien im Gutachten nicht richtig bewertet worden. Es sei kein Stufentest oder Schemeltest durchgeführt worden. Sie könne ohne Hilfe keine Stufen, Randsteine oder Straßenbahnstufen benutzen. Insoweit die Beschwerdeführerin mit diesem Vorbringen die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel geltend machen will, ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin diese Zusatzeintragung bzw. den Ausweis gemäß § 29b StVO nicht beantragt hat. Die belangte Behörde hat daher darüber nicht abgesprochen und ist diese Frage somit auch nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht. Da mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 40 vH kein Anspruch auf die Ausstellung eines Behindertenpasses besteht, ist auch die Vornahme allfälliger Zusatzeintragungen und in weiterer Folge die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO nicht möglich. Diesbezüglich ist auch die Beurteilung, ob die Beschwerdeführerin in der Lage ist Stufen zu steigen, nicht von Relevanz für das gegenständliche Verfahren. Der Vollständigkeit halber ist jedoch festzuhalten, dass sich der Gutachter im Sachverständigengutachten vom 09.12.2017 sehr wohl mit dem Zustand des Bewegungsapparates der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt hat. "Abnützungserscheinungen am Stützapparat (Wirbelsäule, Kniegelenke), Osteopenie" sind als Leiden Nr. 3, Pos. Nr. 02.02.01, mit einem Grad der Behinderung von 20 vH gewertet. Begründend wurde ausgeführt, dass der obere Rahmensatz herangezogen wird, da eine geringe Funktionsstörung der Wirbelsäule, jedoch keine signifikante Funktionsstörung der Extremitäten fassbar ist.
Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen der Beschwerde keine aktuellen Befunde vor, die geeignet wären, eine andere Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen herbeizuführen bzw. die geeignet wären, eine zwischenzeitig eingetretene Verschlechterung der Leidenszustände zu belegen und die allenfalls zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen könnten. Sie brachte im Rahmen der Beschwerde auch nicht vor, dass die festgestellten Leiden bzw. der Gesamtgrad der Behinderung zu niedrig eingestuft wurden.
Die Beschwerdeführerin ist daher den Ausführungen des medizinischen Sachverständigen nicht und damit insbesondere auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es der Antragstellerin, so sie der Auffassung ist, dass ihre Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen ihrer Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachtens. Dieses seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten vom 09.12.2017 wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
3.1. Zur Entscheidung in der Sache:
Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)
Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist. (§ 40 Abs. 2 BBG)
Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,
1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,
2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.
Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.
Zuständige Stelle ist:
-
Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).
-
Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.
-
In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.
(§ 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988)
Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
§ 1, § 41 Abs. 1 und 2, § 55 Abs. 4 und 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 treten mit 1. September 2010 in Kraft. (§ 54 Abs. 12 BBG auszugsweise)
Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung, BGBl. II. Nr. 261/2010 idgF BGBl II. Nr. 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:
"Behinderung
§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Grad der Behinderung
§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.
(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.
Gesamtgrad der Behinderung
§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn
-
sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
-
zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.
Grundlage der Einschätzung
§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.
(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.
..."
Zunächst ist rechtlich festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war, was im Verfahren auch unbestritten geblieben ist.
Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)
Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)
Die Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung hat bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen nicht im Wege der Addition der einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen zu erfolgen, sondern es ist bei Zusammentreffen mehrerer Leiden zunächst von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für welche der höchste Wert festgestellt wurde, und dann ist zu prüfen, ob und inwieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Funktionsbeeinträchtigungen eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung gerechtfertigt ist (vgl. den eindeutigen Wortlaut des § 3 der Einschätzungsverordnung, sowie die auf diese Rechtslage übertragbare Rechtsprechung, VwGH 17.07.2009, 2007/11/0088; 22.01.2013, 2011/11/0209 mwN).
Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 09.12.2017, basierend auf einer persönlichen Untersuchung am 26.09.2017, zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin aktuell 40 vH beträgt.
Das führende Leiden ist als Leiden 1 "mild cognitive Impairment" gemäß Positionsnummer 03.03.01 zu Recht mit dem oberen Rahmensatz von 40 vH, da "MMSE <24", eingestuft.
Der Sachverständige hat den nicht insulinpflichtigen Diabetes mellitus als Leiden 2 nachvollziehbar gemäß Positionsnummer 09.02.01 mit dem oberen Rahmensatz von 30 vH eingestuft, da mit milder oraler Medikation eine befriedigende Stoffwechsellage erzielt werden kann, jedoch bereits Sekundärschäden (diabetische Polyneuropathie) fassbar sind.
Leiden 3 sind Abnützungserscheinung am Stützapparat (Wirbelsäule, Kniegelenke), Osteopenie, die gemäß Positionsnummer 02.02.01 mit einem Grad der Behinderung von 20 vH eingestuft wurden. Der Sachverständige legt zu Recht dar, dass der obere Rahmensatz herangezogen wurde, da bei der Beschwerdeführerin geringe Funktionsstörungen der Wirbelsäule, jedoch keine signifikanten Funktionsstörungen der Extremitäten fassbar sind.
Der Zustand nach Entfernung eines Plattenepithelkarzinoms, rechte Schläfe 04/2017, wurde als Leiden 4 unter der Positionsnummer 13.01.01 zu Recht mit einem Grad der Behinderung von 10 vH eingestuft und dieser untere Rahmensatz deshalb herangezogen, weil das Karzinom im Gesunden entfernt wurde und kein Therapieerfordernis besteht.
Leiden 5, den leichten Bluthochdruck der Beschwerdeführerin, hat der Sachverständige nachvollziehbar gemäß Positionsnummer 05.01.01 mit dem fixen Rahmensatz von 10 vH gewertet. Ein fixer Rahmensatz wurde auch für Leiden 6, die periphere arterielle Verschlußkrankheit, Positionsnummer 05.03.01, mit einem Grad der Behinderung von 10 vH herangezogen, da die Krankheit befunddokumentiert ist, jedoch keine signifikante Klinik besteht.
Für Leiden 7, den Verlust der Gebärmutter, Positionsnummer 08.03.02, liegt ebenfalls ein fixer Rahmensatz in Höhe von 10 vH vor.
Als Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung wird ausgeführt, dass das führende Leiden unter der laufenden Nr. 1) durch die Gesundheitsschädigungen unter den laufenden Nr. 2) bis 7) nicht erhöht wird, da kein maßgebliches ungünstiges funktionelles Zusammenwirken besteht.
Diese Bewertung des Gesamtgrades der Behinderung steht im Einklang mit den oben genannten rechtlich relevanten Vorgaben der Einschätzungsverordnung.
Der Sachverständige hat auch nachvollziehbar dargelegt, weshalb weitere beantragte bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierte Gesundheitsschädigungen keinen Grad der Behinderung erreichen. So stellt der erhöhte Blutfett- und Harnsäurespiegel zwar einen Risikofaktor dar, erreicht jedoch keinen Grad der Behinderung. Die geringgradige Carotisstenose ohne Operationsindikation und ohne signifikante Klinik erreicht keinen Grad der Behinderung. Der Vitamin D Mangel kann durch Substitutionstherapie kompensiert werden und erreicht ebenfalls keinen Grad der Behinderung.
Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, ist das Beschwerdevorbringen insgesamt nicht geeignet darzutun, dass der in Höhe von 40 vH festgestellte Grad der Behinderung nicht dem tatsächlichen Leidensausmaß der Beschwerdeführerin entspricht.
Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 vH sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 vH ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.
Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.
3.2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Im gegenständlichen Fall wurde der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung eingeschätzt. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des eingeholten und nicht substantiell bestrittenen Sachverständigengutachtens geklärt.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W260.2186536.1.00Zuletzt aktualisiert am
15.04.2019