TE Bvwg Beschluss 2019/2/20 W175 2209925-1

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Veröffentlicht am 20.02.2019
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Entscheidungsdatum

20.02.2019

Norm

AsylG 2005 §35 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W175 2209925-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Neumann als Einzelrichterin nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Addis Abeba vom 23.10.2018, GZ. Addis-Abeba-ÖB/RECHT/0032/2018, aufgrund des Vorlageantrags der XXXX geb. XXXX , StA. Somalia, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Addis Abeba vom 21.08.2018, Zl. ET-ADD-OB-SP01-0000177-2017, beschlossen:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG stattgegeben, der

bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung einer neuen Entscheidung an die Behörde zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1.1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge: BF) ist Staatsangehörige von Somalia und stellte gemeinsam mit ihrem (angeblichen) Bruder am 28.11.2017 per E-Mail und - in Erfüllung eines Verbesserungsauftrages - am 14.12.2017 unter Anschluss diverser Unterlagen (u.a Reisepass, Geburtsurkunde) bei der Österreichischen Botschaft Addis Abeba (in der Folge: ÖB Addis Abeba) einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF (AsylG). Begründend führte sie aus, das minderjährige, leibliche Kind des XXXX zu sein, der im Rahmen eines Familienverfahrens gem. § 35 AsylG zu seinem anderen Sohn XXXX , geb. XXXX , nach Österreich gekommen sei. Die BF stamme aus der ersten Ehe der Bezugsperson, die bis 2009 angedauert habe. 2017 sei ihre Mutter ums Leben gekommen.

Der Bezugsperson wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) vom 01.09.2017 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

1.2. Mit Schreiben vom 24.07.2018 teilte das BFA der ÖB Addis Abeba aufgrund der Übermittlung des Antrages gemäß § 35 Abs. 4 AsylG mit, dass die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder eines Asylberechtigten hinsichtlich der BF nicht wahrscheinlich sei. Die Angaben und Nachweise der BF zur Angehörigeneigenschaft gem. § 35 hätten keinen vollen Beweis iSd AVG erbringen können. Die BF habe nicht zum Familienkreis der ursprünglich asylberechtigen Ankerperson gehört und stelle ein Verfahren nach dem NAG den gesetzlich vorgesehenen Weg dar.

1.3. In der bezughabenden Stellungnahme vom 24.07.2018 führte das BFA näher aus, dass sämtlichen somalischen Dokumenten in Bezug auf deren Echtheit kein Glauben geschenkt werden könne und auch eine Überprüfung nicht möglich sei. Es bestünden demnach Zweifel an der Identität, des Verwandtschaftsverhältnisses und den Angaben der BF. Zudem könne keinesfalls automatisch vom Tod bzw. von einer erfolgten Zustimmung der leiblichen Mutter der BF ausgegangen werden. Auch sei aufgrund der Scheidung von einer nachhaltigen Zerrüttung der Beziehung zum Vater auszugehen und lasse diese nachträgliche Antragstellung rein ökonomische Beweggründe vermuten. Darüber hinaus habe die Bezugsperson ihren Status über ein Familienverfahren zum 17-jährigen Sohn erlangt. Über ihn als Ankerperson seien bereits 7 Personen in das Bundesgebiet zugezogen, wobei dieser die gegenständlich antragstellende Halbschwester in seinem Asylverfahren mit keinem Wort erwähnt habe. Es habe demnach auch kein Familienleben mit der BF, der Halbschwester aus erster Ehe seines Vaters bestanden. Die BF sei daher auf andere - etwa nach dem NAG oder dem FPG eröffnete - Möglichkeiten der Familienzusammenführung oder der Ausstellung entsprechender Einreisetitel zu verweisen.

1.4. Nach einer Aufforderung zur Stellungnahme vom 25.07.2018 wurde eine solche mit Schreiben vom 01.08.2018 eingebracht. Zum von der Behörde kritisierten Fehlen eines Nachweises der Familienangehörigeneigenschaft iSd § 35 Abs. 5 AsylG wurde angeführt, dass allgemeine Zweifel nach höchstgerichtlicher Judikatur nicht ausreichen würden, um konkret eingereichten Dokumenten die Beweiskraft zu versagen. Selbst wenn die Echtheit der Dokumente angezweifelt werde, wäre dies somit für sich kein tauglicher Grund den Antrag abzuweisen, sondern wären sonstige Beweismittel zu prüfen. So habe das BFA gem. § 13 Abs. 4 BFA-VG einem Fremden, der sich in einem Verfahren nach § 35 AsylG auf ein Verwandtschaftsverhältnis berufe, welches er nicht mit unbedenklichen Unterlagen nachweisen könne, die Vornahme einer DNA Analyse zu ermöglichen. Im gegenständlichen Verfahren habe sich der Kindsvater bereits im Begleitschreiben zum Einreiseantrag vom 28.11.2017 ausdrücklich bereit erklärt, das Verwandtschaftsverhältnis zur BF mittels DNA-Gutachten nachzuweisen, sofern an diesem Zweifel bestünden und habe eine entsprechende Belehrung gem. § 13 Abs. 4 BFA-VG beantragt. Diesem Antrag sei seitens der Behörde bis dato nicht entsprochen worden. Was die beanstandete fehlende Zustimmung der obsorgeberechtigten Mutter zur Ausreise der BF anbelange, so sei diese bei einem Unfall verunglückt. Nachdem die Bezugsperson erfahren habe, dass sich die Kindesmutter der Terrormiliz Al Shabaab angeschlossen habe, sei die Ehe im Jahr 2009 geschieden worden. Da Todesfälle in Somalia nicht behördlich registriert und auch keine Sterbeurkunden ausgestellt werden würden, sei zum Beweis des Ablebens der Mutter ein Foto ihres Grabes vorgelegt worden. Selbst wenn die Zweifel der Behörde am Tod der leiblichen Mutter der BF nicht durch die Vorlage unbedenklicher Urkunden hätten zerstreut werden können, so sei glaubhaft dargelegt worden, dass sie Mitglied der Al Shabaab gewesen sei. Es wäre somit - selbst wenn sie noch am Leben wäre - von ihrer Zustimmung zur Ausreise im Sinne des Kindeswohles jedenfalls abzusehen. Nachdem es sich bei der BF um das ledige und minderjährige Kind der Bezugsperson handle und sie auch vom sog. "Kettenerstreckungsverbot" ausdrücklich ausgenommen sei, komme daher sowohl das Recht auf Einreise sowie auf die Gewährung desselben Schutzes zu. Der Verweis der Behörde auf das NAG sei hinfällig.

1.5. Mit Schreiben vom 16.08.2018 an die ÖB Addis Abeba teilte das BFA mit, dass die negative Wahrscheinlichkeitsprognose - unter Berücksichtigung der Stellungnahme - dennoch aufrecht bleibe.

1.6. Mit Bescheid vom 21.08.2018, zugestellt am selben Tag, verweigerte die ÖB Addis Abeba die Erteilung des Einreisetitels mit der bereits in der Mitteilung vom 24.07.2018 genannten Begründung.

1.7. Gegen den Bescheid richtete sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde, in welcher ausgeführt wurde, dass die bereits in der Stellungnahme angeführten Argumente aufrecht bleiben würden. Die unterlassene Auseinandersetzung mit den in der Stellungnahme vorgebrachten Argumenten, Beweismitteln und Anträgen stelle eine Verletzung des Rechts auf Parteiengehör bzw. einen Begründungsmangel dar. Wie bereits in der Stellungnahme ausführlich erläutert, entspreche die BF als leibliches minderjähriges Kind einer in Österreich asylberechtigten Bezugsperson dem Familienbegriff des § 35 Abs. 5 AsylG. Bei eventuellen Zweifeln an dieser Angehörigeneigenschaft dürfe der Antrag nicht ohne weiteres, wie hier geschehen, abgelehnt werden, sondern müsse der BF die Möglichkeit der Durchführung einer DNA-Analyse gem. § 13 Abs. 4 BFA-VG gegeben werden. Zudem seien minderjährige Kinder gem. § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 von dem sogenannten Kettenerstreckungsverbot ausgenommen, weshalb es irrelevant sei, dass die Bezugsperson selbst den Asylstatus im Rahmen eines Familienverfahrens gem. § 34 AsylG zuerkannt bekommen habe. Auch der Hinweis auf das NAG erscheine im vorliegenden Fall irrelevant und gehe somit ins Leere.

1.8. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 23.10.2018 wies die ÖB Addis Abeba die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab.

Diesbezüglich wurde Folgendes ausgeführt: Ungeachtet des Umstandes, dass es möglich sei, jegliches Dokument mit jedem nur erdenklichen Inhalt, auch entgegen den wahren Tatsachen, im Herkunftsstaat der BF auch widerrechtlich zu erlangen, könne im gegenständlichen Einzelfall keineswegs davon ausgegangen werden, dass das behauptete Familienverhältnis als erwiesen anzunehmen sei, sodass eine Statusgewährung nicht wahrscheinlich sei. Die Bezugsperson habe ihren Status selbst über ein Familienverfahren zum Sohn XXXX erlangt. Es habe kein Beweis dafür vorgelegt werden können, dass die BF tatsächlich das leibliche Kind aus erster Ehe der Bezugsperson mit der angeblich verstorbenen, geschiedenen Frau sei. Über die Ankerperson seien bereits 7 Personen in das Bundesgebiet zugezogen. Die Ankerperson habe die gegenständlich antragstellende Halbschwester mit keinem Wort in ihrem Asylverfahren erwähnt und es habe daher auch kein Familienleben mit ihr bestanden. Ebenso wenig könne automatisch vom Tod bzw. von einer erfolgten Zustimmung der leiblichen Mutter ausgegangen werden. Auch sei aufgrund der Scheidung von einer nachhaltigen Zerrüttung der Beziehung zum Vater auszugehen. Soweit in der Beschwerde auf die Notwendigkeit einer DNA-Analyse verwiesen werde, sei festzuhalten, dass das Ergebnis einer solchen Untersuchung die fehlenden Beweise nicht ersetzen würde.

1.9. Mit Schreiben vom 05.11.2018 langte bei der ÖB Addis Abeba ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG ein. Zur Begründung wurde auf die Beschwerde vom 13.09.2018 sowie die Stellungnahme vom 01.08.2018 verwiesen.

1.10. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt am 22.11.2018 übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Behebung des Bescheides und Zurückverweisung:

Die maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005 idgF lauten:

Familienverfahren im Inland

§ 34 (1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind.

Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

§ 35 (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) idgF lauten:

Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.

Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG2005

§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.

§ 28 Abs. 1 bis 3 VwGVG lautet wie folgt:

"§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist."

§ 13 Abs. 4 BFA-VG lautet:

(4) Gelingt es einem Fremden nicht, ein behauptetes Verwandtschaftsverhältnis, auf das er sich in einem Verfahren vor dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht oder in einem Verfahren gemäß § 35 AsylG 2005 beruft, durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen, so hat ihm das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht auf sein Verlangen und auf seine Kosten die Vornahme einer DNA-Analyse zu ermöglichen. Der Fremde ist über diese Möglichkeit zu belehren. Das mangelnde Verlangen des Fremden auf Vornahme einer DNA-Analyse ist keine Weigerung des Fremden, an der Klärung des Sachverhaltes mitzuwirken. Im weiteren Verfahren darf nur die Information über das Verwandtschaftsverhältnis verarbeitet werden; allenfalls darüber hinaus gehende Daten sind zu löschen. Das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht hat dem Fremden die Kosten der DNA-Analyse auf Antrag zu erstatten, wenn das behauptete Verwandtschaftsverhältnis durch das auf der DNA-Analyse beruhende Gutachten festgestellt wurde und sich der Fremde im Bundesgebiet aufhält.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152 uvam).

Mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012, wurde in § 9 Abs. 3 FPG jedoch für Fremde (ohne Unterschied) die Möglichkeit geschaffen, gegen ablehnende Entscheidungen der österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten Beschwerde an das BVwG zu erheben; dies gilt auch für die Ablehnung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005. Das Gesetz sieht nun ein geschlossenes Rechtsschutzsystem vor, in dem das Zusammenwirken zweier Behörden (der unmittelbaren Bundesverwaltung), wie es in § 35 Abs. 4 AsylG 2005 angeordnet wird, vor einem gemeinsamen, zuständigen Verwaltungsgericht, nämlich dem BVwG, angefochten und dort überprüft werden kann. Dabei steht es dem BVwG offen, auch die Einschätzung des BFA über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen, was voraussetzt, dass das BFA seine Mitteilung auch entsprechend begründet und dem Antragsteller Gelegenheit geboten wird, davon Kenntnis zu erlangen und dazu Stellung nehmen zu können. Wird dieses Parteiengehör nicht gewährt, könnte einem bestreitenden Vorbringen des Antragstellers in der Beschwerde an das BVwG gegen eine abweisende Entscheidung in Bezug auf den Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 das Neuerungsverbot nach § 11a Abs. 2 FPG nicht entgegen gehalten werden (vgl. auch VwGH vom 04.08.2016, Ra 2016/21/0083 bis 0086-12).

Der VfGH hat in seiner jüngeren Rechtsprechung bereits wiederholt gefordert, im Visaverfahren nach § 35 AsylG 2005 auch die Einhaltung des Art. 8 EMRK zu berücksichtigen und sicherzustellen (vgl. insbesondere auch VfGH vom 6. Juni 2014, B 369/2013, und vom 23. November 2015, E 1510- 1511/2015-15).

Im vorliegenden Fall ist zunächst festzuhalten, dass weder in der Mitteilung des BFA noch im Bescheid der ÖB Addis Abeba begründet wird, warum es sich bei der BF nicht um das minderjährige Kind der Bezugsperson handeln solle. Im Wesentlichen wurde lediglich festgehalten, dass die Familienangehörigeneigenschaft der BF nicht habe glaubhaft nachgewiesen werden können, ohne das behauptete Abstammungsverhältnis der BF zur Bezugsperson näher zu behandeln. Schon aus diesem Grund leidet die Entscheidung an einem relevanten Feststellungs- und Begründungsmangel. Darüber hinaus wurde kritisiert, dass die Zustimmung der obsorgeberechtigten Mutter nicht vorliegen würde und weiter ausgeführt, dass die Einreise der BF allenfalls nur über die Bestimmungen des NAG möglich sei, da sie nicht zum Familienkreis der ursprünglichen Ankerperson gehöre.

Die BF wurde nicht über bestehende, konkrete Zweifel an ihrem Abstammungsverhältnis zur Bezugsperson informiert, obwohl sie sich ausdrücklich dazu bereiterklärte, allfällige Zweifel im Rahmen einer DNA-Analyse auszuräumen. Bevor ein Antrag gemäß § 35 AsylG 2005 aufgrund von Zweifeln an einem Verwandtschaftsverhältnis abgewiesen wird, hat jedenfalls gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG eine organisatorische Hilfestellung zur Beibringung des DNA-Nachweises und die entsprechende Belehrung zu erfolgen (arg: "hat ihm (...) zu ermöglichen"; "ist (...) zu belehren"; vgl. VwGH vom 22.02.2018, Ra 2017/18/0131). Im vorliegenden Fall, in dem sich die BF bzw. die von ihr genannte Bezugsperson bereits im Begleitschreiben zum Einreiseantrag vom 28.11.2017 ausdrücklich bereit erklärte, das Verwandtschaftsverhältnis mittels DNA-Gutachten nachzuweisen, sofern an diesem Zweifel bestünden, und eine entsprechende Belehrung gem. § 13 Abs. 4 BFA-VG beantragte, kann dieses Ersuchen nur so verstanden werden, dass die BF um eine behördliche organisatorische Hilfestellung im oben wiedergegebenen Sinn, somit eine Anleitung betreffend der Modalitäten der Durchführung einer DNA-Analyse (u.a. Ort, Zeit und Kosten; vgl. VwGH vom 22.02.2018, Ra 2017/18/0131) ersuchte.

Aus dem vorgelegten Verfahrensakt ist nicht ersichtlich, dass der BF eine derartige organisatorische Hilfestellung gewährt wurde. So wurde in der Beschwerdevorentscheidung sogar die Ansicht vertreten, dass eine DNA-Analyse im vorliegenden Fall nicht relevant wäre, zumal eine solche die fehlenden Beweise nicht ersetzen könne. Entgegen dieser Ansicht ist jedoch auszuführen, dass die BF - sollte eine DNA-Analyse positiv ausfallen - als minderjähriges Kind der Bezugsperson jedenfalls Familienangehörige nach § 35 Abs. 5 AsylG wäre (da sie gem. § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 auch nicht dem "Kettenerstreckungsverbot" unterliegt), weshalb der DNA-Analyse (bzw. Belehrung/organisatorischen Hilfestellung) nicht die Relevanz abgesprochen werden kann. Insoweit liegt ein Verstoß gegen die Regelung des § 13 Abs. 4 BFA-VG vor.

Die Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren - unter Berücksichtigung der neuesten höchstgerichtlichen Judikatur (vgl. VwGH vom 22.02.2018, Ra 2017/18/0131 und vom 26.03.2018, Ra 2017/18/0112) - eine entsprechende Belehrung gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG durchzuführen und der BF Gelegenheit zur Vornahme einer solchen DNA-Analyse zu geben haben.

Gemäß der zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 22.02.2018, Ra 2017/18/0131 "verweist § 13 Abs. 4 BFA-VG (nunmehr) ausdrücklich auch auf Verfahren gemäß § 35 AsylG 2005; wie sich aus den angeführten Materialien ergibt, wurde durch diesen Einschub ein Redaktionsversehen beseitigt. Es kann daher kein Zweifel daran bestehen, dass im Rahmen des Verfahrens nach § 35 AsylG 2005 die Spezialnorm des § 13 Abs. 4 BFA-VG anzuwenden ist, und zwar im Fall von Zweifeln an einem Abstammungsverhältnis nicht nur durch das BFA und das BVwG, sondern auch durch die österreichische Vertretungsbehörde."

Das Bundesverwaltungsgericht weist noch auf die Spezifika und die verfahrensrechtlichen Einschränkungen (siehe § 11a FPG) des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens hin, weshalb die Durchführung der notwendigen Ermittlungen zum Verwandtschaftsverhältnis zwischen der BF und der Bezugsperson nicht im Interesse der Effizienz, Raschheit und Kostenersparnis durch dieses selbst durchgeführt werden können.

Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war dieser Beschluss ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu treffen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den obigen Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Einreisetitel, Ermittlungspflicht,
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W175.2209925.1.00

Zuletzt aktualisiert am

16.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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