TE Vwgh Erkenntnis 1999/4/14 98/04/0191

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Veröffentlicht am 14.04.1999
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Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1973 §74 Abs2;
GewO 1973 §81 Abs1;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §77;
GewO 1994 §81 Abs1;
GewO 1994 §81;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde 1.) des J D und

2.) der A D und 3.) des F S, alle in G, alle vertreten durch

P & Partner OEG, Rechtsanwälte in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 1. September 1998, Zl. 311.899/4-III/A/13/98, betreffend Verfahren gemäß § 81 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: E S in G), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem als Ersatzbescheid für den mit hg. Erkenntnis vom 26. September 1995, Zl. 93/04/0124, aufgehobenen Bescheid vom 25. Mai 1993 ergangenen Bescheid vom 1. September 1998 erteilte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten der mitbeteiligten Partei im Instanzenzug gemäß § 81 GewO 1994 auf Grund seines Ansuchens vom 6. August 1996 die Genehmigung der Änderung ihrer Betriebsanlage an einem näher bezeichneten Standort nach Maßgabe des einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildenden näher bezeichneten Planes sowie der nachfolgenden Betriebsbeschreibung und unter Einhaltung mehrerer Auflagen. Die diesem Bescheid beigegebene Betriebsbeschreibung hat folgenden Wortlaut:

"Die bestehende Betriebsanlage soll durch Hinzunahme der im Osten angrenzenden Grundstücke 185/1 und 185/2 erweitert werden. Auf dieser Erweiterungsfläche, die straßenmäßig befestigt werden soll, werden im Süden acht Standplätze für Lkw-Züge eingerichtet. Der zu dem östlichen Nachbarn nächstgelegene Lkw-Zug soll in etwa 1 m Entfernung zur Grundgrenze aufgestellt werden. Die den Altbestand betreffenden Ein- und Ausfahrten werden beibehalten, im Erweiterungsteil ist eine Ausfahrt in die W Straße vorgesehen.

Die Nutzung der neuen Abstellflächen soll in gleicher Weise erfolgen, wie sie bereits im vorliegenden Genehmigungsbescheid festgelegt ist. Auf dem Abstellplatz sollen lediglich Fahrzeuge und Transportmittel, wie zB. Leerpaletten, Steigen udgl. abgestellt werden. Es ist beabsichtigt, das gesamte Betriebsgelände mit einer Einfriedung zu versehen. Die Ausfahrt zur W Straße wird voraussichtlich mit einem Schubtor abgeschlossen werden.

Bei den zuvor angeführten Steigen handelt es sich zum Teil um Transportgebinde aus Kunststoff für Hühner, die nach den jeweiligen Transporten von Fachfirmen gereinigt werden. Eine solche Reinigung ist auf dem gegenständlichen Betriebsgelände nicht beabsichtigt.

Die Parzellen 185/1 und 185/2 werden grundbücherlich zu einer Parzelle 185/1 der EZ 1 Grundbuch G vereinigt.

Eine Absperrung der Ausfahrt durch Schubtor vom Grundstück 185/1 ist derzeit nicht vorgesehen.

Die Situierung und Anzahl der Abstellplätze geht aus dem in Ergänzung des bereits im Gutachten des Dipl.Ing. D vom 28.1.1988 erliegenden Lageplanes (Maßstab 1:500) hervor.

Die auf der Erweiterungsfläche nunmehr beantragten Standplätze sollen als zusätzliche Abstellmöglichkeiten für die insgesamt in der Betriebsanlage eingesetzten neun Lkw (davon bereits fünf lärmarm), dienen.

Die innerbetriebliche Zufahrt auf Grundstück 185/1 soll hauptsächlich über die gemeinsame Grundstücksgrenze zu 182/1 erfolgen, fallweise auch über die nördliche Aus-/Einfahrt, über welche die Abfahrt erfolgt.

Eine Einschränkung der Betriebszeiten für den beantragten, zusätzlichen Abstellplatz soll nicht vorgenommen werden, es bleibt bei den bisherigen genehmigten Betriebszeiten."

Die Auflagen Nr. 5 und 6 haben folgenden Wortlaut:

"5. Zum Aufbau des erforderlichen Betriebsbremsdruckes für die Lkw-Züge ist ein Kompressor zu verwenden. Das Laufenlassen der Lkw-Motore am Stand ist verboten.

6. An der Grenze des Betriebsgrundstückes zu der Parzelle Nr. 200/23 sowie daran anschließend in einer Länge von 5 m zur Parzelle Nr. 200/22, alle KG G, ist ein Schallhindernis in der Mindesthöhe von 3 m und mit einer Mindestschalldämmung von 30 dB zu errichten."

Zur Begründung stellte der Bundesminister zunächst den Verfahrensgang, insbesondere den Inhalt der eingeholten Sachverständigengutachten dar. Im Rahmen dieser Darstellung wird u. a. die Aussage des gewerbetechnischen Amtssachverständigen im Rahmen der mündlichen Augenscheinsverhandlung vom 16. Jänner 1990 wiedergegeben, wonach die derzeit in der Höhe von 2,65 m vorhandene Schallschutzmauer zur Liegenschaft der Erst- und Zweitbeschwerdeführer auf eine Höhe von 3 m (gemessen vom Betriebsniveau) anzuheben sein werde, sodaß sich dadurch noch eine geringfügige Verminderung des Immissionswertes (2 bis 3 dB) erwarten lasse. Dies entspreche etwa der Schallpegelerhöhung, die durch das Näherrücken der LKW für die Erst- und Zweitbeschwerdeführer eintrete. Zur möglichen Abgaseinwirkung habe dieser Sachverständige ausgeführt, es habe sich schon im Verfahren der ersten Instanz das lufttechnische Gutachten der NÖ Umweltschutzanstalt eingehend mit der Frage der Abgaseinwirkung auseinandergesetzt und sei zur Erkenntnis gekommen, daß nur durch eine zeitliche Beschränkung der Standgasläufe unzulässige Abgaseinwirkungen ausgeschlossen werden könnten. Hiebei sei ein Zeitraum von 2 Minuten je Lkw errechnet worden. Aus gewerbetechnischer Sicht sei eine solche zeitliche Limitierung für einzelne Phasen des Betriebsablaufes auf Dauer weder vom Konsenswerber noch von der Behörde überprüfbar. Diese kritischen "Warmlaufphasen" dienten lediglich zum Aufbau des notwendigen Betriebsdruckes und seien gar nicht notwendig, weil der Druckbehälter der Lkw auf andere Weise mit der nötigen Druckluft (über einen externen Kompressor) versorgt werden könne. Im übrigen hätten die Nachbarn bei der Augenscheinsverhandlung drei Fotografien vom Dezember 1989 vorgelegt, auf denen die Qualmentwicklung eines am Stand laufenden Lkws ersichtlich sei. Dazu sei zu bemerken, daß es zum technischen Erfahrungsstand gehöre, daß kalte Dieselmotoren zufolge der unvollständigen Verbrennung im Motor den bekannten Dieselqualm entwickelten. Auch dieser Dieselqualm könne reduziert werden, wenn die Lkw unmittelbar nach dem Starten abfahren könnten. Auch dies setze den Einsatz eines externen Kompressors zum Druckaufbau in den Bremsanlagen der Lkw voraus. Aus der Sicht des Bestrebens der Minimierung der Luftbelastung wäre daher der Einsatz eines solchen Kompressors auch im gegenständlichen Verfahren vorzuschreiben. Zur Frage des eventuell gleichzeitigen Auftretens von Lärm- und Abgasimmissionen bei der Abfahrt von mehreren Lkw sei auszuführen, daß hinsichtlich der Erst- und Zweitbeschwerdeführer der erste Lkw den jeweils daneben stehenden so weit abschirme, daß wesentliche Immissionssteigerungen unter der Voraussetzung, daß sofort nach dem Starten abgefahren werden könne, nicht zu erwarten seien. Für den Drittbeschwerdeführer und weitere Nachbarn bringe der neue Aufstellungsplatz der Lkw keine Verschlechterung der Immissionssituation. Dies deshalb, weil im gegenständlichen Verfahrensschritt keine Erweiterung des Fuhrparkes vorgesehen sei und weil die neuen Stellplätze auf der Erweiterungsfläche weiter von der Liegenschaft des Drittbeschwerdeführers entfernt seien. Der medizinische Amtssachverständige habe dazu ausgeführt, bei der Beurteilung von Schadstoffimmissionen auf den Menschen sei grundsätzlich zu unterscheiden zwischen einer allfälligen Beeinträchtigung des Wohlbefindens durch die sensorische Wahrnehmung der Immissionen (Geruch) und zwischen der Beeinträchtigung der Gesundheit durch die Toxizität der Schadstoffe. Sensorische Wahrnehmung und Toxizitätsschwelle seien bei geruchsbehafteten Stoffen in aller Regel nicht identisch. Die Geruchsschwelle jener Stoffe, um die es im konkreten Fall gehe (unverbrannte Kohlenwasserstoffe), liege um ein Mehrfaches unter den toxischen Grenzwerten. Was die Toxizität der im konkreten Fall emittierten Schadstoffe betreffe, so könne man sich an Grenzwerten orientieren, die den Schutz des Menschen und der Umwelt gewährleisteten, wobei die Werte nicht identisch sein müßten (dies gelte insbesondere für Stickstoffdioxid). Im Verfahren erster Instanz sei man von dem im Bundesgesetzblatt über die Vereinbarung über die Festlegung von Immissionsgrenzwerten für Luftschadstoffe und über Maßnahmen zur Verringerung der Belastung der Umwelt 1967 festgelegten Werten ausgegangen. Die dort genannten Grenzwerte schlössen nach bisherigem Wissensstand der Medizin gesundheitliche Risiken der Menschen (unabhängig vom Lebensalter) aus. Der Vergleich ergebe, daß die Gesamtimmission bei einer Warmlaufzeit von 2 Minuten jedenfalls unter diesen Grenzwerten zu liegen komme. Bei einer Warmlaufzeit von 5 Minuten würden nach diesen Berechnungen die Grenzwerte für Stickstoffdioxid überschritten werden. Zwar sei der sich dafür ergebende Wert von 0,36 mg/m3 noch knapp unter jenem Wert, der beim Menschen nach der wissenschaftlichen Literatur Beeinträchtigungen verursachen könne. Im Hinblick darauf, daß sich aber mit längerem Warmlaufenlassen auch die Wahrscheinlichkeit einer Erhöhung der mit diesem Vorgang verbundenen Geruchseinwirkungen erwarten lasse, werde aus medizinischer Sicht die vom technischen Amtssachverständigen vorgeschlagene Auflage der Füllung der Druckluftbehälter mittels Kompressor (was eine Verkürzung des Laufenlassens am Stand nach dem Start ergeben würde) befürwortet, um eine allfällige Beeinträchtigung des Wohlbefindens durch übermäßige Geruchsentwicklung hintanzuhalten. In einem ergänzenden Gutachten vom 12. Jänner 1998 habe ein weiterer gewerbetechnischer Amtssachverständiger zum Thema Abgase u. a. ausgeführt, bereits im Rahmen der Verhandlung am 16. Jänner 1990 sei vom damals beigezogenen gewerbetechnischen Sachverständigen vorgeschlagen worden, zur Verringerung der Lärmerregung und der Abgaserzeugung (Verringerung der Leerlaufzeit) die Federspeicher der Lkw-Bremsen mit einem externen Kompressor zu befüllen. Für die für die Liegenschaft der Erst- und Zweitbeschwerdeführer in Betracht zu ziehende Abgasimmission seien daher diejenigen (verbleibenden) Abgase relevant, die bei den Vorbeifahrten von Lkw an der Liegenschaft der Erst- und Zweitbeschwerdeführer ausgestoßen würden. Für den ungünstigsten Fall sei angenommen, daß alle neun Lkw innerhalb einer halben Stunde zweimal an dieser Liegenschaft (Umkehren) vorbeiführen. Dafür ergäben sich nach Abschätzungen nach dem Box-Fluß-Modell bei schwachen Windbewegungen direkt in Richtung zur fraglichen Liegenschaft Werte von unter 0,05 mgNOx pro m3 Luft an der Grundgrenze Betriebsliegenschaft/Liegenschaft der Erst- und Zweitbeschwerdeführer. Dabei sei im vorliegenden Fall NOx als Leitsubstanz anzusehen. Selbst diese deutlich unter dem anerkannten NOx-Immissionsgrenzwert liegenden Werte seien nur für diesen ungünstigsten Fall der insgesamt 18 Lkw-Vorbeifahrten nur dann zu erwarten, wenn die Windbewegungen direkt in die Richtung der Liegenschaft der Erst- und Zweitbeschwerdeführer (rechtwinkelig zur gemeinsamen Grundgrenze) aufträten. Von der Grundgrenze bis zum Haus der Erst- und Zweitbeschwerdeführer selbst ergebe sich noch eine weitere Reduktion der angegebenen Werte. Unverwirbeltes (direktes) Eintreffen der Schadstoffe auf der fraglichen Liegenschaft sei durch die bereits errichtete Abschirmwand an der gemeinsamen Grundgrenze hintangehalten. Zum Thema Erschütterung und Geruch habe dieser Sachverständige ausgeführt, diese Immissionsarten hätten nicht festgestellt werden können, weil der Zutritt zur Liegenschaft der Erst- und Zweitbeschwerdeführer verweigert worden sei. Zu Letzterem führte der Bundesminister aus, wie aus dem Aktenvermerk des gewerbetechnischen Sachverständigen vom 12. September 1996 hervorgehe, habe er die Zweitbeschwerdeführerin in einem Telefongespräch ersucht, auf ihrer Liegenschaft bzw. im Haus Schallpegelmessungen zu ermöglichen. Die Zweitbeschwerdeführerin habe jedoch die Vornahme von Schallpegelmessungen auf ihrem Grund bzw. in ihrem Haus nicht zugelassen. Trotz mehrmaliger Versuche des Amtssachverständigen habe der Zweitbeschwerdeführerin nicht verständlich gemacht werden können, daß es aus technischer Sicht von Nachteil sei, Schallpegelmessungen auf ihrem Grundstück bzw. in ihrem Haus abzulehnen. Zum Vorbringen des Drittbeschwerdeführers sei darauf hinzuweisen, daß die Abstellplätze der Lkw nach Hinzunahme der Nachbarflächen nicht näher zum Drittbeschwerdeführer zu liegen kämen. Nach dem ursprünglichen Genehmigungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 2. August 1992 hätten sich die Lkw-Abstellplätze unmittelbar an der B-Straße befunden, während sie im Erweiterungsteil nun 10 bis 11 m von dieser Straße abgerückt seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die mitbeteiligte Partei hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer nach ihrem gesamten Vorbringen in den aus den §§ 74 ff GewO 1994 erfließenden Nachbarrechten verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes machen sie geltend, die belangte Behörde habe außer acht gelassen, daß die mitbeteiligte Partei eine internationale Spedition betreibe, sodaß davon auszugehen sei, daß nicht nur betriebseigene, sondern auch betriebsfremde Lkw, insbesondere auch aus dem sogenannten ehemaligen Ostblock, das Betriebsgelände befahren würden. Zum Grundstück des Drittbeschwerdeführers sei eine Schallschutzwand nicht vorgesehen, woraus der Schluß gezogen werden könne, daß die Schallimmissionen auf diesem Grundstück gesundheitsgefährdend seien. Die mitbeteiligte Partei könne die projektierten Standplätze in Wahrheit auf den laut Lageplan vorgesehenen Flächen nicht errichten, weil dort nach einer Vereinbarung mit einem weiteren Nachbarn ein Grüngürtel vorgesehen sei. Ferner hätte die belangte Behörde nicht entscheiden dürfen, weil die mitbeteiligte Partei zuletzt im Frühjahr 1998 ein vereinfachtes Verfahren zur Genehmigung eines Abstellplatzes eingeleitet habe. Dabei handle es sich um den im wesentlichen selben Sachverhalt. In einem umfangreichen Vorbringen stellen die Beschwerdeführer die im Zuge des Verfahrens vorgenommenen Lärmmessungen und die daraus von den gewerbetechnischen und medizinischen Amtssachverständigen gezogenen Schlüsse als unrichtig dar. Unbekämpft lassen sie jedoch die Aussage des gewerbetechnischen Amtssachverständigen, wonach eine Schallschutzmauer mit einer Schalldämmwirkung von 16 bis 18 dB eine Schalldämmung erwarten lasse, die etwa der Schallpegelerhöhung, die durch das Näherrücken der Lkw für die Erst- und Zweitbeschwerdeführer eintrete, entspreche. Die Beschwerdeführer führen weiter aus, das Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen sei auch insofern unvollständig und unschlüssig geblieben, als die medizinische Bewertung nicht bei der Lärmimmission stehen bleiben dürfe. Es sei die Gesamtbelastung aller relevanten Schadstoffe mit bestehenden Grenz- und Richtwerten in Beziehung zu setzen. Es gebe nur eine angenäherte Abschätzung der NOx-Immissionen als Zusatzbelastung. Die Vorbelastung der NO2-Konzentrationen am Standort sei weder dargestellt noch geschätzt worden. Ohne Beantwortung dieser Frage könne nicht gesagt werden, ob es bezüglich Stickoxiden noch einen Immissionsspielraum gebe. Der medizinische Amtssachverständige habe es zur Gänze unterlassen, Erschütterungen und mögliche Interferenzen zu behandeln. Wenn eine Betriebsanlage nur mit Auflagen genehmigt werden könne, die eine Beeinträchtigung der Lebensumstände der Nachbarn darstellten, gelte der Grundsatz, daß Auflagen nur mit der geringstmöglichen Beeinträchtigung bzw. Belastung der Nachbarn erteilt werden könnten. Die vorgeschriebene Schallschutzmauer schränke die Lebensqualität der Beschwerdeführer in allen Punkten einschneidend ein. Diese Schallschutzmauer erscheine aus der Sicht der belangten Behörde nur dann notwendig, wenn die Lkw 1 m an der gemeinsamen Grenze aufgestellt werden sollten. Aus der Sicht der mitbeteiligten Partei bestehe aber keine Notwendigkeit bei praktisch gleichbleibender Anzahl der Lkw, die Betriebsfläche zu erweitern. Die gegenständliche Mauer erfülle nicht den Zweck des Schallschutzes, im Gegenteil, durch die Vorbeifahrten der Lkw-Züge und durch den sonstigen Straßenlärm entstehe ein permanenter Widerhall auf dem Grundstück der Erst- und Zweitbeschwerdeführer. Durch die Auflage einer Schallschutzwand würden die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid rechtswidrig verpflichtet, die Durchfeuchtung des Mauerwerkes ihres Wohnhauses, die Verhinderung des gewöhnlichen Lichteinfalles auf ihr Wohngebäude und ihre Grünfläche und den Widerhall, den die Mauer erzeuge, zu dulden sowie die Gefahr hinzunehmen, daß die Mauer wegen statischer Bedenklichkeit umstürzen könnte. Der Bescheid sei daher auch aus diesen Gründen rechtswidrig. Es sei gesetzlich unzulässig, der mitbeteiligten Partei zu erlauben, ihre Lkw-Züge 1 m neben dem Wohngebäude der Beschwerdeführer abzustellen und vorbeifahren zu lassen, "da diesbezüglich auch die Abstände einzuhalten wären und wie bereits ausgeführt eine Notwendigkeit für diese Maßnahme nicht besteht". Die Unterinstanzen hätten es auch unterlassen, den Umfang des Rechtsbestandes bewilligender Bescheide festzustellen. Die bisherige Abstellfläche mit Reparaturwerkstätte sei jedenfalls baubehördlich nicht genehmigt. Die Änderung der Betriebsanlage könne nur bewilligt werden, wenn der zu ändernde Rechtsbestand zuvor festgestellt werde. Die mitbeteiligte Partei verfüge auf ihrem Grundstück, auf dem auch die Reparaturwerkstätte stehe, über 2500 m2, auf welchen sie den zusätzlichen Lkw abstellen könnte. Die Verlegung der Abstellfläche nach Osten bis auf 1 m zum Wohnhaus der Beschwerdeführer sei nicht nur nicht betriebsnotwendig, sondern stelle einen Rechtsmißbrauch dar, durch den die Beschwerdeführer in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt würden. Die Betriebsbeschreibung beinhalte ein internationales Speditionsgewerbe. Der von der belangten Behörde als bestehend angenommene bisherige Betriebsanlagengenehmigungsbescheid erlaube der mitbeteiligten Partei nur die Genehmigung zur Abstellung von betriebseigenen Lkw. Der Spruch des angefochtenen Bescheides beschränke die mitbeteiligte Partei nicht auf die Verwendung von betriebseigenen Lkw auf ihrem Grundstück, sodaß auch aus der Sicht der belangten Behörde der angefochtene Bescheid, weil er den Umfang des ursprünglichen Bescheides überschreite, mit Rechtswidrigkeit belastet sei. Die von der mitbeteiligten Partei selbst eingebrachte Betriebsbeschreibung stehe in unauslöslichem Widerspruch zum Inhalt eines Speditionsgewerbes, welches zwingend die Verwendung von völlig fremden Lkw-Zügen auf dem Betriebsgrundstück nach sich ziehe.

Gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1994 ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71 a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1994 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 leg. cit. auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

Gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 bedarf, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage soweit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat, ergibt sich aus dieser Bestimmung, daß Gegenstand eines Genehmigungsverfahrens nach § 81 GewO 1994 primär nur die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage, nicht jedoch schlechterdings die geänderte Betriebsanlage insgesamt zu sein hat. Nur dann, wenn die geplante Änderung auch zu einer Änderung der von der Altanlage ausgehenden Emissionen in einem die im § 74 Abs. 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen beeinträchtigenden Maße führen kann, hat die Genehmigung nach § 81 Abs. 1 leg. cit. auch die bereits genehmigte Anlage zu erfassen (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1998, Zl. 98/04/0095).

Im vorliegenden Fall ergibt sich nun aus den auf das diesbezüglich unbekämpft gebliebene Gutachten des gewerbetechnischen Amtssachverständigen gestützten Feststellungen der belangten Behörde, daß schon auf Grund der Schutzwirkung einer Schallschutzmauer mit einer Schalldämmwirkung vom 16 bis 18 dB durch das den Gegenstand der vorliegenden Änderungsgenehmigung bildende Heranrücken der Lkw eine Erhöhung der Lärmimmissionen auf der Liegenschaft der Erst- und Zweitbeschwerdeführer nicht zu erwarten ist. Umsomehr gilt dies bei Beachtung der unter Punkt 6. des angefochtenen Bescheides vorgeschriebenen Auflage einer Schallschutzmauer mit einer Mindestschalldämmung von 30 dB. Für die Liegenschaft des Drittbeschwerdeführers wiederum ergibt sich aus den ebenfalls unbestritten gebliebenen Feststellungen der belangten Behörde, daß durch die Verlegung des Lkw-Abstellplatzes eine Erhöhung der Lärmimmissionen deshalb nicht zu erwarten sei, weil sich die Entfernung zwischen dieser Liegenschaft und dem Abstellplatz der Lkw nicht nur nicht verringert, sondern sogar vergrößert.

Mit Rücksicht auf die oben dargestellte Rechtslage kann schon aus diesem Sachverhalt die Genehmigungsfähigkeit der in Rede stehenden Änderung der gegenständlichen Betriebsanlage unter dem Gesichtspunkt Lärm abgeleitet werden, ohne daß es eines Eingehens auf die absolute Höhe dieser Lärmimmissionen bedarf. Die Beschwerdeführer können daher auch mit ihrem gegen die Richtigkeit der diesbezüglichen Ausführungen der von der belangten Behörde beigezogenen Sachverständigen eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht dartun.

Soweit die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vorbringen, aus der dem angefochtenen Bescheid angeschlossenen Betriebsbeschreibung ergebe sich keine Beschränkung der Benützung der in Rede stehenden Abstellplätze nur durch betriebseigene Kraftfahrzeuge, sind sie auf den zweiten Absatz dieser Betriebsbeschreibung zu verweisen, wonach die Nutzung der neuen Abstellflächen in gleicher Weise erfolgen soll, wie sie bereits im zugrunde liegenden Genehmigungsbescheid festgelegt ist. In diesem aber ist, wie die Beschwerdeführer selbst einräumen, lediglich ein Abstellen betriebseigener Kraftfahrzeuge vorgesehen. Es erübrigt sich daher, auch auf das Vorbringen in der Beschwerde über ein allfälliges Befahren der in Rede stehenden Betriebsanlage durch betriebsfremde Lkw einzugehen, weil derartiges - unabhängig von der Art des von der mitbeteiligten Partei betriebenen Gewerbes - von der erteilten Genehmigung nicht umfaßt wäre.

Dem Beschwerdevorbringen, die projektgemäße Errichtung des erweiterten Abstellplatzes sei wegen einer privatrechtlichen Vereinbarung mit einem Nachbarn nicht möglich, ist mit dem Hinweis zu begegnen, daß es sich beim Verfahren nach § 81 GewO 1994 ebenso wie bei jenem nach § 77 leg. cit. um ein Verfahren handelt, in dem die Genehmigungsfähigkeit des vom Konsenswerber vorgelegten Projektes lediglich unter dem Gesichtspunkt öffentlich-rechtlicher Interessen zu prüfen ist. Ob der Errichtung des Projektes gegebenenfalls privatrechtliche Rechtsverhältnisse entgegenstehen, ist in diesem Verfahren nicht zu prüfen.

Warum die Beschwerdeführer meinen, die belangte Behörde hätte über den vorliegenden Antrag der mitbeteiligten Partei deshalb nicht entscheiden dürfen, weil diese im Frühjahr 1998 einen im wesentlichen denselben Sachverhalt betreffenden Antrag zur Genehmigung eines Abstellplatzes eingebracht habe, ist mangels näherer Ausführungen nicht erkennbar. Die bloße Einbringung eines gleichartigen Antrages macht die Erledigung eines früher gestellten Antrages nicht unzulässig, soweit in der Einbringung des neuen Antrages nicht eine Zurückziehung des früheren Antrages zu erblicken ist. Daß dies im vorliegenden Fall zutreffe, wird weder in der Beschwerde vorgebracht noch ist dies für den Verwaltungsgerichtshof aus der ihm vorliegenden Aktenlage erkennbar.

Als aktenwidrig erweist sich das Beschwerdevorbringen, der von der belangten Behörde beigezogene medizinische Amtssachverständige habe die Vorbelastung der NOx-Immissionen weder dargestellt noch sonst geschätzt. Tatsächlich hat bereits der von der Behörde erster Instanz in der mündlichen Augenscheinsverhandlung vom 11. Februar 1988 beigezogene Amtssachverständige für Luftreinhaltung Aussagen über die Vorbelastung mit den in Betracht kommenden Luftschadstoffen getroffen und diese in Beziehung zu den entsprechenden aus der geänderten Betriebsanlage zu erwartenden Immissionen gesetzt. Darauf aufbauend hat der von der belangten Behörde zur mündlichen Verhandlung vom 16. Jänner 1990 beigezogene medizinische Amtssachverständige unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Gesamtimmissionen ausgeführt, daß selbst bei einer Warmlaufzeit der Lkw von 2 Minuten die Immissionen an Luftschadstoffen auf der Liegenschaft der Erst- und Zweitbeschwerdeführer jedenfalls unter den von ihm dargestellten Grenzwerten zu liegen komme.

Mit ihrem die Unterlassung der Prüfung von "Erschütterungen und möglichen Interferenzen" durch den medizinischen Amtssachverständigen betreffenden Vorbringen vermögen die Beschwerdeführer schon deshalb eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun, weil gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG nicht jede Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof zu führen hat, sondern nur eine solche, bei deren Vermeidung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Ist diese Relevanz des Verfahrensmangels nicht offenkundig, ist es Sache des Beschwerdeführers, sie in seiner Beschwerde darzulegen. Das ist im vorliegenden Fall nicht geschehen, da die Beschwerdeführer das tatsächliche Auftreten derartiger Immissionen nicht behaupten.

Nach § 81 in Verbindung mit § 77 GewO 1994 ist Voraussetzung der Genehmigungsfähigkeit die Erwartung, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1994 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 GewO 1994 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden. Ob das zur Genehmigung eingereichte Projekt unter dem Gesichtspunkt innerbetrieblicher Erfordernisse zweckmäßig oder notwendig ist, ist hingegen nicht Gegenstand eines derartigen Genehmigungsverfahrens.

Mit ihrem gegen die Zulässigkeit der Errichtung der mit dem angefochtenen Bescheid vorgeschriebenen Schallschutzmauer gerichteten Vorbringen machen die Beschwerdeführer Rechte geltend, deren Schutz der Baubehörde im Rahmen des baubehördlichen Genehmigungsverfahrens obliegt. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat, ist aber die Vereinbarkeit von nach der Bestimmung des § 77 Abs. 1 GewO 1994 vorgeschriebenen baulichen Maßnahmen mit baurechtlichen Vorschriften im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nach § 77 bzw. § 81 GewO 1994 nicht zu prüfen (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1983, Slg. N. F. Nr. 11.188/A).

Schließlich ist es - abgesehen davon, daß dem angefochtenen Bescheid ein derartiger normativer Abspruch gar nicht unterstellt werden kann, weil der 1 m-Abstand laut Betriebsbeschreibung nicht zum Wohnhaus der Erst- und Zweitbeschwerdeführer, sondern zur Grundgrenze zu messen ist -, für den Verwaltungsgerichtshof mangels näherer Begründung nicht erkennbar, warum die Beschwerdeführer meinen, es sei (grundsätzlich) gesetzlich unzulässig, der mitbeteiligten Partei zu erlauben, ihre Lkw-Züge 1 m neben ihrem Wohngebäude abzustellen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, zumal sich aus der Beschwerde nicht einmal ansatzweise ergibt, welcher Sachverhalt einer Erörterung in der mündlichen Verhandlung bedürfte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 14. April 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998040191.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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