TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/25 W237 2212713-1

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Veröffentlicht am 25.02.2019
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Entscheidungsdatum

25.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §15b Abs1
AsylG 2005 §57
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a

Spruch

W237 2212713-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Martin WERNER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 21.12.2018, Zl. 830436803/181153985, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheids wird gemäß

§ 68 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß § 57 AsylG 2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, § 52 Abs. 9 iVm § 46 FPG, § 55 Abs. 1a FPG sowie § 15b Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gehört der tschetschenischen Volksgruppe an und ist Moslem. Er reiste erstmalig im April 2013 nach Österreich, wo er am 07.04.2013 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.1. In seiner Erstbefragung zu diesem Antrag führte er im Wesentlichen aus, dass er als früherer Direktor des XXXX " im Jahr 2008/2009 Probleme mit dem russischen FSB gehabt habe. Dabei sei es um wichtige Informationen im Zusammenhang mit dem Krieg in Tschetschenien und tschetschenische Freiheitskämpfer gegangen. Der FSB habe den Beschwerdeführer mehrmals aufgesucht, ihn geschlagen und misshandelt, wobei er Verletzungen davongetragen habe und sogar operiert worden sei. Seit Oktober 2012 habe er sich bei einem Freund versteckt gehalten und sich schließlich zur Ausreise entschlossen.

1.2. Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 15.01.2018 gab der Beschwerdeführer an, dass er eine schwere Operation gehabt habe, die Einvernahme jedoch stattfinden könne. Der Beschwerdeführer habe in Tschetschenien eine pädagogische Hochschule abgeschlossen, die betreffenden Zeugnisse seien in Tschetschenien. Nachgefragt, ob er noch Kontakt zu seiner Familie in Tschetschenien habe, führte der Beschwerdeführer an, dass er in unregelmäßigen Abständen mit seiner Schwester telefoniere, sie sei Ärztin.

Er sei auf Vorschlag des XXXX gewesen. Er habe diesen Mann über Verwandte im Jahr 2007 kennengelernt, der Beschwerdeführer habe ihm Vorschläge unterbreitet, wie man mit den Leuten arbeiten könne und welche Maßnahmen Jugendliche überzeugen könnten, um Änderungen herbeizuführen. Es sei dabei um Informationspolitik gegangen, der Beschwerdeführer habe alles organisiert und sei auch Kandidat für die Partei " XXXX " gewesen. Wäre er nicht aus Russland ausgereist, wäre er heute nicht mehr am Leben. Der Beschwerdeführer sei bei seinem Onkel, dem damaligen Minister für Waldwirtschaft, aufgewachsen und habe dadurch einflussreiche Kontakte gehabt.

Er habe im Zuge seines Verfahrens bereits eine CD vorgelegt, auf der zwei Interviews zu sehen seien. Einmal habe der Beschwerdeführer XXXX ein Interview mit dem XXXX geführt. In dem zweiten - nach Angaben des Beschwerdeführers nie veröffentlichten - Interview sei es um einen verwundeten Kämpfer gegangen, der sich gestellt habe. Der Beschwerdeführer habe einen Dokumentarfilm über den Kämpfer drehen wollen. Nach dem Interview sei der Beschwerdeführer aufgefordert worden, beim FSB zu erscheinen; dort habe man ihn vorgewarnt. Der interviewte Kämpfer sei verschwunden. Man habe den Beschwerdeführer zwei Mal erschießen wollen.

Auf nochmalige Nachfrage, wann und wie er bedroht worden sei, führte der Beschwerdeführer an, dass er im Jänner 2013 verhört und geschlagen worden sei. Nach der Arbeit sei sein Auto angehalten worden und er sei an einen Ort vor der Stadt gebracht worden, wo keine Menschen zu sehen gewesen seien. Beamte in schwarzen Uniformen hätten ihm gedroht und vorgeworfen, dass er mit Kämpfern in Verbindung stehe. Der Beschwerdeführer sei insgesamt 24 Stunden festgehalten worden, anschließend habe man ihn an den Rand der Stadt Grozny gebracht. Ein Mitarbeiter von Kadyrov, der ein guter Freund des Beschwerdeführers sei, habe ihm nach diesem Vorfall gesagt, es handle sich um eine ernste Angelegenheit und er könne ihm nicht helfen. Anschließend habe sich der Beschwerdeführer bis zu seiner Ausreise bei einem Freund aufgehalten.

Nur seine Schwester habe im Vorfeld von der geplanten Ausreise gewusst, seine Frau und seine Kinder würden sich aus Sicherheitsgründen in Inguschetien aufhalten. Nachgefragt, warum der Beschwerdeführer nicht auch dort hätte leben können, gab er an, dass es für seine Familie dort sicher wäre; er habe den Eindruck erwecken wollen, seine Frau und er hätten sich scheiden lassen. In Russland sei er nicht sicher, weil die Behörden überall seien und ihn überall fänden. Wenn er zurück in seine Heimat müsste, würde er spurlos verschwinden.

1.3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies mit Bescheid vom 08.05.2018 den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017, (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg.cit. (Spruchpunkt II.) ab, erkannte ihm einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 leg.cit. nicht zu (Spruchpunkt III.), erließ im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 3 leg.cit. iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 145/2017, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017, (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 leg.cit. fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 leg.cit. in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V.); schließlich hielt die Behörde fest, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 leg.cit. die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte die Behörde aus, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nicht in eine seine Existenz bedrohende Notlage gedrängt werde. Seine Gattin und seine Kinder würden unbehelligt in der Russischen Föderation leben. Den vagen und unkonkreten Angaben des Beschwerdeführers werde kein Glauben geschenkt. Auf die Frage, wann und wo der Beschwerdeführer persönlich bedroht worden sei, habe er selbst auf mehrmalige Nachfragen nicht konkret antworten können. Schließlich habe er äußerst oberflächlich eine vermeintliche Misshandlung durch Beamte geschildert. Man habe ihn geschlagen und ihm eine Pistole in den Mund geschoben und ihn befragt, zu welchen tschetschenischen Freiheitskämpfern er Kontakt habe. Zunächst habe er behauptet, nicht zu wissen, um welche Beamten es sich handle. Im späteren Verlauf der Einvernahme habe er hingegen beteuert, dass es sich um FSB-Beamte gehandelt habe. Trotz mehrmaliger Aufforderungen habe er keine konkreteren Schilderungen tätigen können. Im Zuge seiner Erstbefragung habe er davon gesprochen, mehrmals vom FSB aufgesucht, geschlagen und misshandelt worden zu sein und sich ab Oktober 2012 bei einem Freund versteckt zu haben, während er vor der belangten Behörde den Zeitraum Jänner 2013 genannt habe. Dem Beschwerdeführer sei die persönliche Glaubwürdigkeit daher abzusprechen. Es sei offensichtlich, dass er versuche, über ein Asylverfahren seinen Aufenthalt in Österreich zu legalisieren. Nach wie vor bestehe eine familiäre, kulturelle und sprachliche Bindung zu seinem Herkunftsstaat, sodass der Beschwerdeführer jederzeit in der Lage sei, in der Russischen Föderation wieder Fuß zu fassen. Es habe sich auch keine Gefährdung im Sinne seiner Rechte nach Art. 2 und 3 EMRK ableiten lassen. Ebenso ergäben sich keine Anhaltspunkte, die die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz rechtfertigten. In Österreich lebten keine Familienangehörigen des Beschwerdeführers, weshalb auch das Vorliegen eines schützenswerten Familienlebens zu verneinen sei. Der Beschwerdeführer beherrsche die deutsche Sprache nur sehr geringfügig und sei auf staatliche Unterstützung angewiesen. Eine durch eine Rückkehrentscheidung erfolgende Verletzung seiner Rechte nach Art. 8 EMRK sei damit nicht gegeben.

1.4. Mit Schreiben vom 09.05.2018 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Zustellersuchen an die Polizeiinspektion Zohmanngasse und übermittelte zu diesem Zweck den Bescheid vom 08.05.2018 samt Vordruck eines Zustellscheins mit integrierter Übernahmebestätigung. Dabei führte es aus, dass der Beschwerdeführer in der XXXX , lediglich als obdachlos gemeldet sei; es handle sich um keine Abgabestelle, weshalb kein Zustellversuch notwendig sei. Der Bescheid sei nur zur persönlichen Abholung im Rahmen der Erfüllung der Meldepflicht des Beschwerdeführers bereitzuhalten. Erfolge keine persönliche Zustellung, sei darüber zu berichten, inwieweit der Beschwerdeführer seiner Meldeverpflichtung nachkomme. Der Bescheid sei dementsprechend bei der Polizeidienststelle zu hinterlegen und im Fall der Nichtbehebung nach drei Wochen mit Bericht dem Bundesamt rückzumitteln.

Mit Kurzbrief vom 23.05.2018 teilte die Polizeiinspektion Zohmanngasse mit, dass die am 09.05.2018 erfolgte Verständigung über die Hinterlegung des Bescheides unbeachtet geblieben sei. Während des Bereithaltezeitraumes sei die Polizeidienststelle vom Beschwerdeführer nicht kontaktiert worden. Es bestehe keine Ortsanwesenheit, postalischer Kontakt bestehe in drei wöchigem Rhythmus. Der letzte Kontakt mit dem Beschwerdeführer habe am 27.04.2018 bestanden, weitere Erhebungen zum aktuellen Aufenthaltsort seien negativ verlaufen.

2. Der Beschwerdeführer stellte am 30.11.2018 einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2.1. Im Zuge dieser Antragstellung gab er an, dass die im vorangegangenen Verfahren genannten Fluchtgründe noch aufrecht seien. Vor ca. drei Monaten habe er erfahren, dass ein Freund von ihm, welcher beim tschetschenischen Präsidenten gearbeitet habe, von tschetschenischer Regierungsseite umgebracht worden sei. Außerdem habe er nicht gewusst, dass er im Juni 2018 einen negativen Bescheid erhalten habe; das habe er vor drei Monaten bei der Caritas erfahren. Bei seiner vorangegangenen Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl seien nicht alle Beweismittel aufgenommen worden, weshalb er sie neuerlich vorlege. Er habe bei der Einvernahme keine Möglichkeit gehabt, alles zu sagen. Es bestehe in der Russischen Föderation eine Fahndung betreffend seine Person.

2.2. Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 12.12.2018 gab der Beschwerdeführer zu seinem Gesundheitszustand befragt an, dass er im Jahr 2008 eine schwere Operation gehabt habe und seitdem immer wieder bewusstlos geworden sei; durchschnittlich sei er fünf bis zehn Minuten ohnmächtig gewesen. In Russland würden seine Gattin und seine Kinder leben; derzeit habe er keinen Kontakt, allerdings stehe er zu seiner Schwester in Kontakt und erfahre über sie, wie es seinen Verwandten gehe. Seit seiner Reise nach Österreich habe er keinen Kontakt mehr mit seiner Frau und seinen Kindern gehabt.

Seine Fluchtgründe, die er im ersten Verfahren angegeben habe, entsprächen der Wahrheit, allerdings sei nicht alles richtig protokolliert bzw. seien einige Aussagen falsch verstanden worden. Er habe auch keine detaillierten Angaben machen können, weil er in seiner Befragung unterbrochen worden sei.

Über Vorhalt, dass bereits über seinen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz negativ abgesprochen worden und der diesbezügliche Bescheid in Rechtskraft erwachsen sei, führte der Beschwerdeführer an, dass er in seinem ersten Verfahren kaum Möglichkeit gehabt habe, seine Erlebnisse chronologisch und genau zu schildern. Zur in der Erstbefragung ins Treffen geführten Ermordung eines Freundes meinte der Beschwerdeführer, dass dies vor vier Jahren geschehen sei. Sie seien Kollegen gewesen und hätten zusammengearbeitet. Sein Freund sei gegen menschenhassende Politiker wie Kadyrov gewesen und habe in der Regierung gearbeitet, weil er die Menschen habe unterstützen wollen. Sie hätten ein Projekt geführt, im Rahmen dessen sie vielen behinderten Personen Unterstützung angeboten hätten. Die Leiche seines Freundes sei nie gefunden worden, er sei spurlos verschwunden; alle würden vermuten, dass er umgebracht worden sei. Es sei ausgeschlossen, dass er auch geflüchtet sei, weil er sechzehn Bodyguards gehabt habe, die ihn durchgehend bewacht hätten - dennoch sei er verschwunden. Eine weitere Familie sei ebenfalls spurlos verschwunden. Auf Vorhalt, der Beschwerdeführer habe in der Erstbefragung angegeben, dass gegen ihn eine Fahndung bestehe, gab er an, dass sein Name seit fünf Jahren schon im Fahndungsbericht stehe, weshalb er geflüchtet sei. Nachgefragt, warum er den Fahndungsbericht nicht schon im Vorverfahren vorgelegt habe, antwortete er, dass er damals nicht dazu befragt worden sei; er sei jedoch kurz nach seiner Ausreise in den Besitz dieses Schreibens gekommen. Nachgefragt, ob sich seit Abschluss des ersten Asylverfahrens für ihn persönlich etwas geändert habe, meinte er, dass weiterhin die gleichen Probleme bestünden. Bei einer Durchsuchung in seinem Arbeitszimmer seien mehrere Dokumente entnommen worden; unter anderem seien Filme bzw. Dokumentationen gefunden worden, die die Behörden als Provokation gesehen hätten. Er sei auch in Besitz von Videos über Folterungen gewesen. Weiters habe er Kindern und Jugendlichen, die zu Kämpfern geworden seien, geholfen, wieder ins normale Leben zurückzufinden und sich zu integrieren. Einem jungen Mann habe er konkret geholfen, weshalb nun landesweit nach dem Beschwerdeführer gesucht werde.

Zu seinem Leben in Österreich befragt führte er an, dass er sich seit fünf Jahren durchgehend im Bundesgebiet aufhalte und bereits gut Deutsche spreche; er sei Mitglied XXXX und unterstütze diese finanziell. Außerdem nehme er an verschiedenen Veranstaltungen für Klima- und Umweltschutzprojekte teil.

2.3. Mit Bescheid vom 21.12.2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. I Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 58/2018 (im Folgenden: AVG), hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I. und II.). Gemäß § 57 AsylG 2005, Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 (im Folgenden: AsylG 2005), wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 56/2018 (im Folgenden: BFA-VG), gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 (im Folgenden: FPG), erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG stellte das Bundesamt fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Russland zulässig sei (Spruchpunkt V.); zudem hielt die Behörde fest, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.). Schließlich sprach sie aus, dass gemäß § 15b Abs. 1 AsylG 2005 dem Beschwerdeführer aufgetragen wurde, ab 01.12.2018 in einem näher genannten Quartier in Traiskirchen Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt VII.).

Das Bundesamt führte begründend aus, dass über den ersten Antrag auf internationalen Schutz bereits mit Bescheid vom 08.05.2018 negativ entschieden worden sei; dieser habe dem Beschwerdeführer zwar nicht persönlich ausgefolgt werden können, sei jedoch hinterlegt worden. Das Verfahren sei am 07.06.2018 in Rechtskraft erwachsen. In diesem Verfahren seien alle bis zur Entscheidung dieses Asylverfahrens entstandenen Sachverhalte berücksichtigt worden, sodass darüber nicht mehr neuerlich zu entscheiden sei. Von der Behörde könne insgesamt kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden, weil die Aussagen des Beschwerdeführers weiterhin keinen glaubhaften Kern aufwiesen und auf sein vorheriges Vorbringen aufbauen würden. Das als Fahndungsbericht bezeichnete Dokumente sei mit 14.09.2017 datiert worden, weshalb er jenes Schreiben problemlos bereits im Vorverfahren hätte vorlegen können. Zudem könne aus dem Schreiben keine konkret gegen ihn gerichtete Bedrohung festgestellt werden. Es sei daher festzuhalten, dass seine Angaben einen unveränderten Sachverhalt darstellten, weshalb sich auch hinsichtlich der im vorherigen Verfahren getroffenen Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Russland keine Änderung ergeben habe. Die vorgebrachten Gründe, warum es ihm nun nicht mehr möglich sei, in sein Herkunftsland zurückzukehren, seien nicht geeignet, eine neue, inhaltliche Entscheidung der Behörde zu bewirken. Dem Beschwerdeführer sei im Bundesgebiet nie ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zugekommen bzw. habe er realistischerweise nicht davon ausgehen können, dass ihm ein anderweitiges Aufenthaltsrecht zukomme. Es lägen im gegenständlichen Fall auch keine Hinweise für eine tiefergehende Integration des Beschwerdeführers in die österreichische Gesellschaft vor. Sein bisheriger Aufenthalt sei auch nicht den Behörden zurechenbar. Besondere Integrationsmerkmale hätten in Österreich nicht festgestellt werden können. Zu seinem Gesundheitszustand führte das Bundesamt aus, dass der Beschwerdeführer Grundversorgungsleistungen beziehe und deshalb einen Arzt aufsuchen könne; er habe jedoch bislang keine Befunde über gesundheitliche Beschwerden vorgelegt. Auch vor einer Abschiebung werde eine Prüfung dahingehend vorgenommen, ob eine solche EMRK-widrig wäre; es sei deshalb gewährleistet, dass eine Überstellung nach Russland nicht vorgenommen werde, wenn der physische bzw. psychische Zustand des Beschwerdeführers dies nicht zuließe.

2.4. Der Beschwerdeführer erhob gegen sämtliche Spruchpunkte des Bescheids vom 21.12.2018 fristgerecht Beschwerde. In dieser wurde das Vorbringen des Beschwerdeführers wiederholt, wonach er XXXX gewesen sei und XXXX veröffentlicht habe, die den Machthabern in Tschetschenien nicht gefallen hätten. Sein Haus sei durchsucht worden, es seien angeblich in einem Versteck am Balkon Waffen und gefälschte Ausweise gefunden worden. Einige Szenen eines Films zeigten Personen, die durch die Garde des tschetschenischen Präsidenten gefoltert worden seien. Ein Freund des Beschwerdeführers sei getötet und er selbst gefoltert worden. Zum Vorverfahren werde angeführt, dass dieses noch nicht abgeschlossen sei. Soweit für den Beschwerdeführer nachvollziehbar, sei der Bescheid der belangten Behörde vom 08.05.2018 an seine Obdachlosenadresse beim XXXX übermittelt und am 11.05.2018 hinterlegt worden. Damit sei aber keine Zustellung bewirkt worden, weil gemäß § 11 Abs. 1 letzter Satz BFA-VG eine Kontaktstelle gemäß § 19a Abs. 2 MeldeG im Verfahren vor dem Bundesamt keine Abgabestelle im Sinne des Zustellgesetzes sei. Mangels Erlassung eines Bescheids im Erstverfahren liege gar keine entschiedene Sache vor. Sollte die Übermittlung an die Obdachlosenadresse aber als Zustellung gewertet werden, bringe der Beschwerdeführer vor, dass er als Filmemacher journalistische Aufgaben übernommen habe. Aus dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl sei zu entnehmen, dass besonders Menschenrechtsaktivisten bzw. Journalisten gefährdet seien, schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen durch tschetschenische Sicherheitsorgane zu erleiden. Kritiker der bestehenden Systeme seien weiterhin repressiven Maßnahmen und Gewalt bis hin zum Tod ausgesetzt.

2.5. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte den Verfahrensakt samt Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht am 11.01.2019 vor.

3. Im Verfahrensakt liegen folgende Unterlagen auf:

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Auszug aus dem Gewerbeinformationssystem, wonach der Beschwerdeführer seit XXXX ein freies Gewerbe zur Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt, angemeldet habe;

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Willkommensschreiben der " XXXX " als Mitglied vom 02.11.2017;

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Vereinbarungsschreiben zwischen dem Beschwerdeführer und XXXX über künftige Aufträge vom 01.06.2018;

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Beglaubigte Übersetzung eines Arztbefundes aus der Russischen Föderation, wonach der Beschwerdeführer am XXXX auf einer neurochirurgischen Abteilung XXXX wegen eines Schädel-Hirn-Traumas in Behandlung gewesen sei;

-

Beglaubigte Übersetzung eines vom Beschwerdeführer vorgelegten Schreibens, nach dem am XXXX die XXXX im Zuge der Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen auf Grund eines Verdachts auf Kollaboration mit einer illegalen bewaffneten Einheit eine Hausdurchsuchung unter einer näher genannten Adresse vorgenommen habe. Im Zuge der Hausdurchsuchung seien auf dem Balkon in einem Geheimversteck ein XXXX , der dem Wohnungseigentümer XXXX - gehöre, eine XXXX , ein XXXX eines Mitarbeiters der Sicherheitskräfte, zwei XXXX , Kommunikationsmittel sowie Videokassetten gefunden worden. Zu diesem Faktum werde ermittelt. Der Beschwerdeführer werde zur Fahndung ausgeschrieben. Fahndungs- und Ermittlungsmaßnahmen würden durchgeführt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe; er bekennt sich zum muslimischen Glauben. Er wurde in Grozny geboren, beherrscht die russische und tschetschenische Sprache und besuchte in Grozny sowohl die Grundals auch eine pädagogische Hochschule. Seinen Lebensunterhalt sowie jenen seiner Familie konnte er als XXXX " sichern.

Im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers leben unter anderem seine Ehefrau, seine drei Söhne und seine Tochter. Auch seine Schwester, zu der der Beschwerdeführer in regelmäßigem Kontakt steht, lebt in der Russischen Föderation; sie ist Ärztin.

Der Beschwerdeführer beherrscht die deutsche Sprache auf alltagstauglichem Niveau, Deutschzertifikate oder Teilnahmebestätigungen von Deutschkursen wurden nicht vorgelegt. Er ist Mitglied einer politischen Partei in Österreich und hat in Österreich seit XXXX die Berechtigung zur Ausübung des Gewerbes zur Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt. Den überwiegenden Zeitraum seines Aufenthalts im Bundesgebiet war er als obdachlos gemeldet.

Der Beschwerdeführer erlitt im Jahr 2008 ein Schädel-Hirn-Trauma, weshalb er am Kopf operiert wurde; seither leidet er unter gelegentlichen Ohnmachtsanfällen. Er war diesbezüglich auch einmal bei einem österreichischen Arzt. Akute schwerwiegende physische oder psychische Erkrankungen liegen nicht vor.

Er ist strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zu den asylrechtlichen Verfahren des Beschwerdeführers:

Der Ablauf der Verfahrensgänge im Detail sowie der Inhalt der in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung zum vorangegangen Antrag auf internationalen Schutz werden so festgestellt, wie sie unter Pkt. I. der vorliegenden Entscheidung wiedergegeben sind.

Der Beschwerdeführer verließ die Russische Föderation im April 2013 und stellte am 07.04.2013 in Österreich seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.05.2018 abgewiesen wurde; unter einem wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen.

Der Beschwerdeführer war von 01.09.2017 bis 16.10.2018 beim XXXX als obdachlos gemeldet. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl übermittelte den gegenständlichen Bescheid am 09.05.2018 der Polizeiinspektion Zohmanngasse 10, 1100 Wien, samt Zustellschein und Vorabdruck betreffend die Verständigung über die Hinterlegung eines Schriftstückes mit der Aufforderung, den Bescheid zur persönlichen Abholung durch den Beschwerdeführer bereitzuhalten. Die Polizei hinterließ noch am selben Tag an der genannten Adresse des Beschwerdeführers die schriftliche Verständigung, dass der angefochtene Bescheid bis 22.05.2018 bei der Polizeiinspektion Zohmanngasse hinterlegt sei und diese Hinterlegung als Zustellung gelte. Der Beschwerdeführer holte in weiterer Folge den hinterlegten Bescheid nicht ab, der daraufhin mit entsprechender Mitteilung am 23.05.2015 dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl rückübermittelt wurde.

Am 30.11.2018 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz.

1.3. Die allgemeine Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers, speziell in Tschetschenien, hat sich in Bezug auf die bereits im ersten Asylverfahren behandelten Aspekte nicht geändert. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Tschetschenien Drohungen oder Gewalthandlungen von staatlicher oder privater Seite zu erwarten hätte. Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass er in eine seine Existenz bedrohende Notlage geriete.

In diesem Zusammenhang wird betreffend die maßgebliche Situation in der Russischen Föderation, insbesondere in Tschetschenien, festgestellt:

Politische Lage

Die Russische Föderation hat ca. 143 Millionen Einwohner (CIA 12.7.2018, vgl. GIZ 7.2018c). Russland ist eine Präsidialdemokratie mit föderativem Staatsaufbau. Der Präsident verfügt über weit reichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik (GIZ 7.2018a, vgl. EASO 3.2017). Er ernennt auf Vorschlag der Staatsduma den Vorsitzenden der Regierung, die stellvertretenden Vorsitzenden und die Minister und entlässt sie (GIZ 7.2018a). Wladimir Putin ist im März 2018, bei der Präsidentschaftswahl im Amt mit 76,7% bestätigt worden. Die Wahlbeteiligung lag der Nachrichtenagentur TASS zufolge bei knapp 67% und erfüllte damit nicht ganz die Erwartungen der Präsidialadministration (Standard.at 19.3.2018). Putins wohl ärgster Widersacher Alexej Nawalny durfte nicht bei der Wahl kandidieren. Er war zuvor in einem von vielen als politisch motivierten Prozess verurteilt worden und rief daraufhin zum Boykott der Abstimmung auf, um die Wahlbeteiligung zu drücken (Presse.at 19.3.2018). Oppositionelle Politiker und die Wahlbeobachtergruppe Golos hatten mehr als 2.400 Verstöße gezählt, darunter mehrfach abgegebene Stimmen und die Behinderung von Wahlbeobachtern. Wähler waren demnach auch massiv unter Druck gesetzt worden, um an der Wahl teilzunehmen. Auch die Wahlkommission wies auf mutmaßliche Manipulationen hin (Tagesschau.de 19.3.2018, FH 1.2018). Putin kann dem Ergebnis zufolge nach 18 Jahren an der Staatsspitze weitere sechs Jahre das Land führen. Gemäß der Verfassung darf er nach dem Ende seiner sechsjährigen Amtszeit nicht erneut antreten, da es eine Beschränkung auf zwei aufeinander folgende Amtszeiten gibt (Tagesschau.de 19.3.2018, vgl. OSCE/ODIHR 18.3.2018).

Die Verfassung wurde per Referendum am 12.12.1993 mit 58,4% der Stimmen angenommen. Sie garantiert die Menschen- und Bürgerrechte. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist zwar in der Verfassung verankert, jedoch verfügt der Präsident über eine Machtfülle, die ihn weitgehend unabhängig regieren lässt. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, trägt die Verantwortung für die Innen- und Außenpolitik und kann die Gesetzentwürfe des Parlaments blockieren. Die Regierung ist dem Präsidenten untergeordnet, der den Premierminister mit Zustimmung der Staatsduma ernennt. Das Parlament - Staatsduma und Föderationsrat - ist in seinem Einfluss stark beschränkt. Der Föderationsrat ist als "obere Parlamentskammer" das Verfassungsorgan, das die Föderationssubjekte auf föderaler Ebene vertritt. Er besteht aus 178 Abgeordneten: Jedes Föderationssubjekt entsendet je einen Vertreter aus der Exekutive und Legislative in den Föderationsrat. Die Staatsduma mit 450 Sitzen wird für vier Jahre nach dem Verhältniswahlrecht auf der Basis von Parteilisten gewählt. Es gibt eine Siebenprozentklausel. Wichtige Parteien sind die regierungsnahen Einiges Russland (Jedinaja Rossija) mit 1,9 Millionen Mitgliedern und Gerechtes Russland (Spravedlivaja Rossija) mit 400.000 Mitgliedern. Die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF) mit 150.000 Mitgliedern, die die Nachfolgepartei der früheren KP ist. Die Liberaldemokratische Partei (LDPR) mit 185.000 Mitgliedern, die populistisch und nationalistisch ausgerichtet ist, die Wachstumspartei (Partija Rosta), die sich zum Neoliberalismus bekennt; Jabloko, eine demokratisch-liberale Partei mit 55.000 Mitgliedern, die Patrioten Russlands (Patrioty Rossii), linkszentristisch, mit 85.000 Mitgliedern, die Partei der Volksfreiheit (PARNAS) und die demokratisch-liberale Partei mit 58.000 Mitgliedern (GIZ 7.2018a). Die Zusammensetzung der Staatsduma nach Parteimitgliedschaft gliedert sich wie folgt: Einiges Russland (339 Sitze), Kommunistische Partei Russlands (42 Sitze), Liberaldemokratische Partei Russlands (40 Sitze), Gerechtes Russland (23 Sitze), Vaterland-Partei (1 Sitz), Bürgerplattform (1 Sitz) (AA 5.2018b).

Russland ist eine Föderation, die aus 85 Föderationssubjekten (einschließlich der international umstrittenen Einordnung der Republik Krim und der Stadt föderalen Ranges, Sewastopol) mit unterschiedlichem Autonomiegrad besteht. Die Föderationssubjekte (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Gebiete, Regionen und Föderale Städte) verfügen über jeweils eine eigene Legislative und Exekutive (GIZ 7.2018a, vgl. AA 5.2018b). Die Gouverneure der Föderationssubjekte werden auf Vorschlag der jeweils stärksten Fraktion der regionalen Parlamente vom Staatspräsidenten ernannt. Dabei wählt der Präsident aus einer Liste dreier vorgeschlagener Kandidaten den Gouverneur aus (GIZ 7.2018a).

Es wurden acht Föderationskreise (Nordwestrussland, Zentralrussland, Südrussland, Nordkaukasus, Wolga, Ural, Sibirien, Ferner Osten) geschaffen, denen jeweils ein Bevollmächtigter des Präsidenten vorsteht. Der Staatsrat der Gouverneure tagt unter Leitung des Präsidenten und gibt der Exekutive Empfehlungen zu aktuellen politischen Fragen und zu Gesetzesprojekten. Nach der Eingliederung der Republik Krim und der Stadt Sewastopol in die Russische Föderation wurde am 21.3.2014 der neunte Föderationskreis Krim gegründet. Die konsequente Rezentralisierung der Staatsverwaltung führt seit 2000 zu politischer und wirtschaftlicher Abhängigkeit der Regionen vom Zentrum. Diese Tendenzen wurden bei der Abschaffung der Direktwahl der Gouverneure in den Regionen und der erneuten Unterordnung der regionalen und kommunalen Machtorgane unter das föderale Zentrum ("exekutive Machtvertikale") deutlich (GIZ 7.2018a).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (5.2018b): Russische Föderation - Außen- und Europapolitik,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederation-node/russischefoederation/201534, Zugriff 1.8.2018

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CIA - Central Intelligence Agency (12.7.2018): The World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html, Zugriff 1.8.2018

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EASO - European Asylum Support Office (3.2017): COI-Report Russian Federation - State Actors of Protection, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1489999668_easocoi-russia-state-actors-of-protection.pdf, Zugriff 1.8.2018

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FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2017 - Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1428824.html, Zugriff 1.8.2018

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2018a): Russland, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat/#c17836, Zugriff 1.8.2018

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2018c): Russland, Gesellschaft, https://www.liportal.de/russland/gesellschaft/, Zugriff 1.8.2018

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OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights (18.3.2018): Russian Federation Presidential Election Observation Mission Final Report,

https://www.osce.org/odihr/elections/383577?download=true, Zugriff 29.8.2018

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Presse.at (19.3.2018): Putin: "Das russische Volk schließt sich um Machtzentrum zusammen",

https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5391213/Putin_Das-russische-Volk-schliesst-sich-um-Machtzentrum-zusammen, Zugriff 1.8.2018

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Standard.at (19.3.2018): Putin sichert sich vierte Amtszeit als Russlands Präsident,

https://derstandard.at/2000076383332/Putin-sichert-sich-vierte-Amtszeit-als-Praesident, Zugriff 1.8.2018

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Tagesschau.de (19.3.2018): Klarer Sieg für Putin, https://www.tagesschau.de/ausland/russland-wahl-putin-101.html, Zugriff 1.8.2018

Tschetschenien

Die Tschetschenische Republik ist eine der 22 Republiken der Russischen Föderation. Die Fläche beträgt 15.647 km2 (Rüdisser 11.2012) und laut offizieller Bevölkerungsstatistik der Russischen Föderation zum 1.1.2018 beläuft sich die Einwohnerzahl Tschetscheniens auf 1,4 Millionen (GKS 25.1.2018), wobei die offiziellen Angaben von unabhängigen Medien infrage gestellt werden. Laut Aussagen des Republiksoberhauptes Ramzan Kadyrow sollen rund 600.000 TschetschenInnen außerhalb der Region leben, die eine Hälfte davon in der Russischen Föderation, die andere Hälfte im Ausland. Experten zufolge hat die Hälfte Tschetschenien während der Kriege nach dem Zerfall der Sowjetunion verlassen, bei der anderen Hälfte handle es sich um Siedlungsgebiete außerhalb Tschetscheniens, die bereits vor über einem Jahrhundert entstanden seien, teilweise durch Migration aus dem Russischen in das Osmanische Reich, und zwar über Anatolien bis in den arabischen Raum (ÖB Moskau 12.2017). In Bezug auf Fläche und Einwohnerzahl ist Tschetschenien somit mit der Steiermark vergleichbar. Etwa die Hälfte des tschetschenischen Territoriums besteht aus Ebenen im Norden und Zentrum der Republik.

Heutzutage ist die Republik eine nahezu monoethnische: 95,3% der Bewohner/innen Tschetscheniens gaben [bei der letzten Volkszählung] 2010 an, ethnische Tschetschenen/innen zu sein. Der Anteil ethnischer Russen/innen an der Gesamtbevölkerung liegt bei 1,9%. Rund 1% sind ethnische Kumyk/innen, des Weiteren leben einige Awar/innen, Nogaier/innen, Tabasar/innen, Türk/innen, Inguschet/innen und Tatar/innen in der Republik (Rüdisser 11.2012).

In Tschetschenien gilt Ramzan Kadyrow als Garant Moskaus für Stabilität. Mit Duldung der russischen Staatsführung hat er in der Republik ein autoritäres Herrschaftssystem geschaffen, das vollkommen auf seine eigene Person ausgerichtet ist und weitgehend außerhalb des föderalen Rechtsrahmens funktioniert (ÖB Moskau 12.2017, vgl. AA 21.5.2018). So musste im Mai 2016 der Vorsitzende des Obersten Gerichts Tschetscheniens nach Kritik von Kadyrow zurücktreten, obwohl die Ernennung/Entlassung der Richter grundsätzlich in föderale Kompetenz fällt. Fraglich bleibt auch die föderale Kontrolle über die tschetschenischen Sicherheitskräfte, deren faktische Loyalität vorrangig dem Oberhaupt der Republik gilt. Im Juni 2016 beschloss das tschetschenische Parlament die vorzeitige Selbstauflösung, um vorgezogene Neuwahlen parallel zu den Wahlen zum Oberhaupt der Republik durchzuführen. Bei den Wahlen vom 18.9.2016 lag die Wahlbeteiligung in Tschetschenien weit über dem landesweiten Durchschnitt. Kadyrow wurde laut offiziellen Angaben bei hoher Wahlbeteiligung mit überwältigender Mehrheit für eine weitere Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Unabhängige Medien berichteten über Unregelmäßigen bei den Wahlen, in deren Vorfeld Human Rights Watch über massive Druckausübung auf Kritiker des derzeitigen Machthabers berichtet hatte. Das tschetschenische Oberhaupt bekundet immer wieder seine absolute Loyalität gegenüber dem Kreml (ÖB Moskau 12.2017). Vertreter russischer und internationaler NGOs berichten immer wieder von Gewalt und Menschenrechtsverletzungen, einem Klima der Angst und Einschüchterung (AA 21.5.2018). Gegen vermeintliche Extremisten und deren Angehörige, aber auch gegen politische Gegner, wird rigoros vorgegangen. Anfang 2016 sorgte Kadyrow landesweit für Aufregung, als er die liberale Opposition in Moskau als Staatsfeinde bezeichnete, die danach trachteten, Russland zu zerstören. Nachdem er dafür von Menschenrechtsaktivisten sowie von Vertretern des präsidentiellen Menschenrechtsrats scharf kritisiert worden war, wurde in Grozny eine Massendemonstration zur Unterstützung Kadyrows organisiert (ÖB Moskau 12.2017).

Während der mittlerweile über zehn Jahre dauernden Herrschaft des amtierenden Republikführers Ramzan Kadyrow gestaltete sich Tschetscheniens Verhältnis zur Russischen Föderation ambivalent. Einerseits ist Kadyrow bemüht, die Zugehörigkeit der Republik zu Russland mit Nachdruck zu bekunden, tschetschenischen Nationalismus mit russischem Patriotismus zu verbinden, Russlands Präsidenten in der tschetschenischen Hauptstadt Grozny als Staatsikone auszustellen und sich als "Fußsoldat Putins" zu präsentieren. Andererseits hat er das Föderationssubjekt Tschetschenien so weit in einen Privatstaat verwandelt, dass in der Umgebung des russischen Präsidenten die Frage gestellt wird, inwieweit sich die von Wladimir Putin ausgebaute föderale Machtvertikale dorthin erstreckt. Zu Kadyrows Eigenmächtigkeit gehört auch eine Außenpolitik, die sich vor allem an den Mittleren Osten und die gesamte islamische Welt richtet. Kein anderer regionaler Führer beansprucht eine vergleichbare, über sein eigenes Verwaltungsgebiet und die Grenzen Russlands hinausreichende Rolle. Kadyrow inszeniert Tschetschenien als Anwalt eines russländischen Vielvölker-Zusammenhalts, ist aber längst zum "inneren Ausland" Russlands geworden. Deutlichster Ausdruck dieser Entwicklung ist ein eigener Rechtszustand, in dem islamische und gewohnheitsrechtliche Regelungssysteme sowie die Willkür des Republikführers in Widerspruch zur Gesetzgebung Russlands geraten (SWP 3.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (21.5.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation

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GKS - Staatliches Statistikamt (25.1.2018): Bevölkerungsverteilung zum 1.1.2018,

http://www.gks.ru/free_doc/new_site/population/demo/PrPopul2018.xlsx, Zugriff 1.8.2018

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ÖB Moskau (12.2017): Asylländerbericht Russische Föderation

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Rüdisser, V. (11.2012): Russische Föderation/Tschetschenische Republik. In: Länderinformation n°15, Österreichischer Integrationsfonds,

http://www.integrationsfonds.at/themen/publikationen/oeif-laenderinformation/, Zugriff 1.8.2018

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SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (3.2018): Tschetscheniens Stellung in der Russischen Föderation. Ramsan Kadyrows Privatstaat und Wladimir Putins föderale Machtvertikale, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2018S01_hlb.pdf, Zugriff 1.8.2018

Sicherheitslage

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, zu Anschlägen kommen. Todesopfer forderte zuletzt ein Terroranschlag in der Metro von St. Petersburg im April 2017. Die russischen Behörden halten ihre Warnung vor Anschlägen aufrecht und rufen weiterhin zu besonderer Vorsicht auf (AA 28.8.2018a, vgl. BMeiA 28.8.2018, GIZ 6.2018d). Trotz verschärfter Sicherheitsmaßnahmen kann das Risiko von Terrorakten nicht ausgeschlossen werden. Die russischen Sicherheitsbehörden weisen vor allem auf eine erhöhte Gefährdung durch Anschläge gegen öffentliche Einrichtungen und größere Menschenansammlungen hin (Untergrundbahn, Bahnhöfe und Züge, Flughäfen etc.) (EDA 28.8.2018).

Russland tritt als Protagonist internationaler Terrorismusbekämpfung auf und begründet damit seinen Militäreinsatz in Syrien. Vom Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 bis ins Jahr 2013 sah es sich mit 75 größeren Terroranschlägen auf seinem Staatsgebiet konfrontiert, die Hunderten Zivilisten das Leben kosteten. Verantwortlich dafür war eine über Tschetschenien hinausgehende Aufstandsbewegung im Nordkaukasus. Gewaltzwischenfälle am Südrand der Russischen Föderation gingen 2014 um 46% und 2015 um weitere 51% zurück. Auch im Global Terrorism Index, der die Einwirkung des Terrorismus je nach Land misst, spiegelt sich diese Entwicklung wider. Demnach stand Russland 2011 noch an neunter Stelle hinter mittelöstlichen, afrikanischen und südasiatischen Staaten, weit vor jedem westlichen Land. Im Jahr 2016 rangierte es dagegen nur noch auf Platz 30 hinter Frankreich (Platz 29), aber vor Großbritannien (Platz 34) und den USA (Platz 36). Nach der Militärintervention in Syrien Ende September 2015 erklärte der sogenannte Islamische Staat (IS) Russland den Dschihad und übernahm die Verantwortung für den Abschuss eines russischen Passagierflugzeugs über dem Sinai mit 224 Todesopfern. Seitdem ist der Kampf gegen die Terrormiliz zu einer Parole russischer Außen- und Sicherheitspolitik geworden, auch wenn der russische Militäreinsatz in Syrien gewiss nicht nur von diesem Ziel bestimmt ist, sondern die Großmachtrolle Russlands im Mittleren Osten stärken soll. Moskau appelliert beim Thema Terrorbekämpfung an die internationale Kooperation (SWP 4.2017).

Eine weitere Tätergruppe rückt in Russland ins Zentrum der Medienaufmerksamkeit, nämlich Islamisten aus Zentralasien. Die Zahl der Zentralasiaten, die beim sogenannten IS kämpfen, wird auf einige tausend geschätzt (Deutschlandfunk 28.6.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (28.8.2018a): Russische Föderation: Reise- und Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/russischefoederationsicherheit/201536#content_0, Zugriff 28.8.2018

-

BmeiA (28.8.2018): Reiseinformation Russische Föderation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/russische-foederation/, Zugriff 28.8.2018

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Deutschlandfunk (28.6.2017): Anti-Terrorkampf in Dagestan. Russische Methoden,

https://www.deutschlandfunk.de/anti-terrorkampf-in-dagestan-russische-methoden.724.de.html?dram:article_id=389824, Zugriff 29.8.2018

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EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (28.8.2018): Reisehinweise für Russland, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/russland/reisehinweise-fuerrussland.html, Zugriff 28.8.2018

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (6.2018d): Russland, Alltag,

https://www.liportal.de/russland/alltag/#c18170, Zugriff 28.8.2018

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SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Russland und der Nordkaukasus im Umfeld des globalen Jihadismus, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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