Entscheidungsdatum
25.02.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs3Spruch
W147 1414754-4/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Kanhäuser als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch Dr. Helmut BLUM, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28. März 2018, Zl. 831150909-180076915, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß den §§ 10 Abs. 3, 55, 58 Abs. 10 Asylgesetz 2005, § 9 BFA-VG, und §§ 46, 52 und 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. erstes Verfahren (in Rechtskraft erwachsen):
Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe, gelangte auf dem Luftwege am 19. September 2008 ohne das erforderliche Visum nach Österreich und stellte unter Vorlage seines Auslandsreisepasses und seines Führerscheins sogleich seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Am 23. September 2008 wurde er von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstmals einvernommen, wobei er angab, dass er von XXXX nach XXXX geflogen sei und von dort nach Wien. Tschetschenien habe er aus Sicherheitsgründen verlassen müssen. Er sei vor neun Jahren von zwei Männern angegriffen worden, wobei einer der beiden ums Leben gekommen sei. Dies sei passiert, als er ein Feld bewacht habe, er sei mit einem Gewehr bewaffnet gewesen. Nach dem Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen sei der Verstorbene infolge von Drogenkonsum gestorben, was dessen Angehörige jedoch nicht geglaubt und ihm dessen Tod angelastet haben, sodass er seither auf der Flucht vor diesen sei, da sie Blutrache geschworen haben und ihn töten haben wollen.
Im Zuge der Einvernahme im Zulassungsverfahren durch die Erstaufnahmestelle am Flughafen Wien XXXX am 29. September 2008 brachte der Beschwerdeführer in Anwesenheit seines Rechtsberaters auf Russisch zusammengefasst vor, gesund zu sein. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, er sei im Mai 1999 mit seinem Freund zur Arbeit in den Bezirk XXXX in Tschetschenien in die XXXX gefahren, wo sie im Geschäft die besagten Leute getroffen haben und welche von ihnen kategorisch verlangt haben, dass sie deren Rechnung für Wodka bezahlen sollen, weshalb es einen Konflikt gegeben habe, sie seien aber auseinander gegangen. Nachmittags sei sein Freund nach Hause nach XXXX gefahren und er sei allein in der Sowchose geblieben. Abends seien diese Leute in der Wohnung erschienen, sie seien betrunken und zusätzlich von einer Dosis Rauschgift beeinflusst gewesen. Als sie sich geweigert hätten wegzugehen, habe er eine Waffe, welche er zu Hause gehabt habe, geladen, um sie zu beeindrucken. Die beiden hätten jedoch ebenso Waffen gehabt, einer ein Messer und der andere eine Pistole, welche sie in den Hosentaschen gehalten haben. In seiner Waffe habe sich noch eine Platzpatrone befunden. Jedoch seien, als alles beendet gewesen sei, drei Geschoße darinnen geblieben. Es habe bei ihm ein einläufiges Jagdgewehr gegeben. Die beiden seien auf ihn zugegangen und er sei vom Gang zurückgetreten und von dort in einen Saal, von wo aus man nur mehr in den Schlafraum gelangen habe können, wo es sehr eng gewesen sei. Er habe sie gewarnt, dass er schießen würde, wenn sie wiederkämen. Einer sei zurückgekehrt und sie hätten ihn wieder angegriffen. Darauf sei ein Schuss gefallen. Mit demjenigen, welcher die Waffe gehalten habe, habe er zu raufen begonnen. Es sei ihm gelungen, sich loszureißen und auf die Straße hinauszulaufen. Die Nachbarn seien zusammengelaufen, einer hätte ihn in ein Auto gesetzt und ihn nach Hause nach XXXX gebracht. Die Miliz sei zum Vorfallsort gerufen worden, diese Person sei nach einer halben Stunde verstorben und zwar auf Grund einer Überdosis von Rauschgift, wie die spätere Untersuchung ergeben habe. Aber es seien trotzdem zwei Hülsen am Boden gelegen - nicht am Boden- sondern Kratzer am Bein, d.h. die Beine des Opfers seien von den Geschosshülsen zerkratzt gewesen, ein Bein sei getroffen gewesen. In der Hülse der Patrone sei hinten das Pulver und vorne die kleinen Kugeln. Durch zwei dieser Geschosse sei der Drogensüchtige an einem Bein getroffen worden. Auf Nachfrage wurde erklärt, dass es sich dabei offenbar um zwei Körner aus einer Schrotladung gehandelt haben müsse.
Er sei zur Miliz gerufen worden, wo er eine Aussage gemacht habe. Er sei nicht einmal festgenommen worden und es sei als Selbstverteidigung anerkannt worden, auch weil die beiden Schrotkugeln keine tödlichen Verletzungen hervorrufen haben können. Die Leute des Opfers hätten dies jedoch als nicht relevant erachtet und gesagt, dass er eine Waffe auf das Opfer gerichtet habe. Der zweite der beiden Männer, welcher 23 Jahre im Gefängnis gewesen sei, habe es als Ehrensache betrachtet, ihn zu töten. Die Verwandten des Verstorbenen seien nun in die Exekutive, in das Militär, eingetreten, die Bezeichnung wisse er nicht genau. Es habe sich ergeben, dass ein entfernter Verwandter seiner Mutter auch dort beschäftigt sei und haben sie durch diesen erfahren, dass der zweite Mann ihn aufsuchen würde. Normalerweise würde man dann verschwinden. Wo immer er sein würde, würden die Daten aus Tschetschenien aufscheinen und sie würden ihn überall finden. In den letzten Jahren habe er andauernd seinen Aufenthaltsort gewechselt und sein Vater habe ihm geraten, wegzufahren.
Über weitere Befragung gab er an, er sei im Dorf XXXX geboren, und als Wohnanschrift gab er den Rayon XXXX im Dorf XXXX an, aufgewachsen sei er im Gebiet XXXX . Mit eineinhalb Jahren sei er dorthin nach XXXX gekommen, sei dort zur Schule gegangen und habe gelernt, im Jahr 1990 seien seine Eltern nach XXXX zurückgesiedelt, er selbst sei ein halbes Jahr später, im Alter von etwa 20 Jahren dorthin übersiedelt und er habe dort insgesamt zirka fünf Jahre in einem Betrieb daneben als Wachmann bis zum Beginn des ersten Krieges gearbeitet. Nach Beginn des ersten Tschetschenienkrieges sei er Binnenflüchtling gewesen und sei wieder ein halbes Jahr in XXXX gewesen und dann wieder zurückgekehrt und habe bis zu dem Vorfall mit den Drogensüchtigen immer in XXXX gelebt. Auf Nachfrage erklärte er, ein Stück Land in der Größe von 100 ha gepachtet gehabt zu haben, fünf bis sechs Kilometer von der einer Sowchose entfernt. Als die Miliz es ihm erlaubt habe, sei er sofort nach XXXX gefahren, wo er ein halbes Jahr bis zum Beginn des zweiten Krieges gelebt habe, dann sei er für drei, vier Monate nach Tschetschenien zurückgekehrt. Als die russischen Truppen gekommen und die Blockade seines Dorfes aufgehoben hätten, sei er wieder nach XXXX zurückgekehrt. Er habe sich in der Folge in XXXX und XXXX aufgehalten. Wegen der Registrierung sei er nicht ständig in XXXX geblieben, diese hätte einen ständigen Aufenthalt nicht erlaubt bzw. wären die Daten seiner Registrierung in XXXX nach Tschetschenien geschickt worden. In XXXX habe er zwei Brüder, welche ihn mit allem nötigen versorgt hätten. Diese hießen XXXX und XXXX und leben im Dorf XXXX in ihrem Landwirtschaftsbetrieb mit 900 Hektar, sie seien seit 1973 die Eigentümer.
Zum Vorhalt, dass er nach dem Eintrag im Reisepass am XXXX geheiratet und am XXXX wieder geschieden worden sei, gab er an, er habe mit seiner Ehefrau XXXX auch bei seinen Brüdern in XXXX gelebt, diese sei dort auch registriert gewesen. Derzeit sei er mit XXXX verheiratet, seit XXXX sei er mit dieser Frau verheiratet, nur moslemisch. Er habe mit seiner Frau XXXX eine Tochter und einen Sohn und mit XXXX eine Tochter. Zuletzt habe er sich ca. drei Monate bis 13.09. dieses Jahres in XXXX aufgehalten. Seine geschiedene Frau habe in Polen einen Tschetschenen geheiratet. Seine nunmehrige Ehefrau lebe mit den beiden Kindern registriert in Tschetschenien, er habe sie zu den Brüdern nach XXXX geschickt. Auf die Frage, was sich an seiner Situation nun zugespitzt habe, brachte er vor, die beiden Männer, wovon einer ums Leben gekommen sei, seien Brüder gewesen, und sein jüngerer Bruder diene beim Militär und auch andere Verwandte. Es sei ihm über einen Verwandten seiner Mutter bekannt geworden, dass sie ihn aufsuchen wollten. Dieser habe dies seinem Vater mitgeteilt, um ihn zu warnen. Der Name des Kriminellen sei XXXX , sein Spitzname sei " XXXX ".
Zwei seiner Brüder würden in XXXX leben, sein Bruder XXXX lebe in XXXX , drei Schwestern seien in Tschetschenien verheiratet, zwei würden in Österreich leben. Nach den Problemen seines Bruders befragt, verwies er an diesen. Auf den konkreten Vorhalt, dass dieser angegeben habe, er habe einen Bruder namens XXXX und zwei Schwestern, antwortete er, man müsse diesen fragen. Sein Bruder habe Anwälte bestellt und sei dauernd zum Leiter der Administration gefahren usw.. Er selbst habe nicht am zweiten Tschetschenienkrieg teilgenommen, auch nicht seine Brüder. Es sei ein Neffe, XXXX , mitgenommen worden, an die näheren Umstände erinnere er sich nicht. Im Fall der Rückkehr würde er getötet werden. Sein Bruder XXXX sei XXXX bei einer Operation in XXXX verstorben, die Mutter sei vor einem Jahr im September verstorben.
Nach der Zulassung zum Asylverfahren wurde er vom Bundesasylamt, Außenstelle XXXX , am 11.11.2008 einvernommen, wobei er zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen vorbrachte, es drohe ihm in seiner Heimat von diesem XXXX Gefahr. Auf den Vorhalt, dass dieser im Rahmen der Blutrache auch seine beiden in der Heimat verbliebenen Brüder angreifen könne, räumte er ein, dass dies so sein könne, aber hauptsächlich wolle dieser ihn haben. Er habe erfolglos versucht, sich in XXXX registrieren zu lassen. Er habe sich auch nicht registrieren lassen wollen, weil dann alle Daten nach Tschetschenien weitergegeben würden. Sein Bruder XXXX habe sich seines Wissens in XXXX nie abgemeldet. Im Fall der Rückkehr befürchte er getötet zu werden, im schlechteren Fall Folter. In Österreich leben sein Bruder XXXX mit seiner Familie und zwei Schwestern und deren Kinder. Seinen Lebensunterhalt bestreite er aus der Grundversorgung. Zu den ihm zur Kenntnis gebrachten Länderberichten wollte er zunächst keine Stellungnahme abgeben. Nach dem Vorhalt darüber, dass von der Unglaubwürdigkeit seines Vorbringens bzw. der Möglichkeit, sich weiter zu verstecken, ausgegangen werde, brachte er vor, es sei ihm nicht möglich gewesen, sich registrieren zu lassen, weil der Bruder von XXXX und dessen Neffe in der Exekutive arbeiten würden. Er werde nicht zurückkehren. Wegen einer Tuberkulose sei er 1986 oder 1987 16 Monate im Gebiet XXXX im Krankenhaus und 2 Monate in einem Sanatorium gewesen.
Am selben Tag wurde auch der Bruder des Beschwerdeführers, XXXX auf Russisch zum Verfahren des Beschwerdeführers als Zeuge einvernommen. Er gab an, sie seien fünf Brüder gewesen, der älteste sei bereits verstorben, sein jüngerer Bruder sei der Antragsteller. Dieser sei bis 1999 bei den Eltern wohnhaft gewesen, welche 1990 in Pension gegangen seien und nach XXXX gefahren seien. Danach bis 2003 habe der Antragsteller im Dorf XXXX gelebt, wo ein Unglück mit einem Drogensüchtigen geschehen sei. Sie seien bei ihm eingedrungen und haben ihn mit einem Messer bedroht. Der Antragsteller habe ihn mit einem Gewehr erschrecken wollen, die Leute vom Wassermelonenfeld würden leere Patronen verwenden um die Raben abzuschrecken und solche Patronen würden übrig bleiben. Der Bruder habe diese Person verletzt. Die Ärzte haben gesagt, dass es keine schwere Verletzung gewesen sei und dieser an einer Überdosis von Drogen gestorben sei. Auf die Frage, aus welchem Grund der Antragsteller dann nach XXXX übersiedelt sei, gab er an, wenn ein Mensch sterbe, dann werde die Blutrache erklärt. Der Bruder habe von 1999 bis zur Ausreise des Zeugen 2003 ständig in XXXX gelebt. Auf die Frage, wieso er selbst anlässlich seiner Antragstellung keine Angaben über den nunmehrigen Antragsteller gemacht habe, gab er an, die übrigen Brüder nicht angegeben zu haben, damit diese keine Schwierigkeiten haben. Dies sei kein Verbrechen. Der Antragsteller habe sich zuletzt alle 3 Monate in XXXX registrieren lassen müssen. Er habe jedes Mal Probleme dabei mit der Miliz gehabt. Jeder, der aus Tschetschenien komme, habe damit Probleme. Mit seiner kurzfristig ausgestellten Registrierung habe er legal in XXXX arbeiten können, er habe mit ihnen dort gelebt und gearbeitet. Dort sei dies seine private Landwirtschaft gewesen, in anderen Bezirken oder anderen Betrieben habe der Antragsteller ohne Registrierung nicht arbeiten können. Er habe seinen Anteil an seine beiden älteren Brüder verkauft, weil er habe weggehen müssen.
Am 29.01.2010 wurde der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Frau erneut beim Bundesasylamt, Außenstelle XXXX , einvernommen. Auf die Frage nach ihren Rückkehrbefürchtungen, führten sie aus, sie würden getötet werden. Bei seinem Sohn sei Hepatitis A festgestellt worden, Untersuchungen seien geplant. Der Antragsteller selbst leide an Kopfschmerzen, ansonsten sei er gesund. Alle Familienmitglieder hätten Kopfschmerzen. Er sei Mitglied der Vereinigung " XXXX " von der XXXX , wo man mit Österreichern bekannt gemacht werde, der Sohn habe einen Freund, aber es gebe im nunmehrigen Wohnort keinen Deutschkurs, er versuche selbst Deutsch zu lernen, dies sei aber schwierig. Er wolle dass sein Sohn Offizier in der österreichischen Armee werde, die Tochter wolle Ärztin werden. Er selbst wolle gerne Arbeit finden. Er ersuchte von der Übersetzung der Länderberichte betreffend die Rückkehrfragen abzusehen, weil die Familie ohnehin nicht zurückkehren werde. Er wolle nicht zurückkehren, weil man ihn töten würde, aber auch den Tötenden würde man töten, weil bei ihnen die Blutrache gelten würde, alles würde mit seinem Tod nicht beendet sein. Normalerweise ende das mit dem Ende der ganzen Sippe, weshalb sie das vermeiden und nicht zurückkehren wollten.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.07.2010, Zl. 08 08.837-BAT, wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz vom 24.09.2009 bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen, unter Spruchteil II. gem. § 8 Abs. 1 leg.cit. dieser Antrag auch bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen und unter Spruchteil III. gem. § 10 Abs. 1 leg.cit. der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.
In der Begründung des Bescheides wurden zunächst die oben bereits im wesentlichen Inhalt wiedergegebenen Einvernahmen dargestellt und anschließend Feststellungen zu Tschetschenien getroffen. Beweiswürdigend wurde insbesondere ausgeführt, dass seine Identität feststehe und er seine Kindheit in XXXX verbracht habe, dann ab 1990 in XXXX und ab 1999 wieder ständig in XXXX bei seinen Brüdern gelebt habe, welche dort einen landwirtschaftlichen Betrieb besäßen. Sein Fluchtvorbringen sei nicht glaubwürdig, weil er den Ort des Vorfalles, bei welchem ein Drogensüchtiger gestorben sei, anlässlich der Einvernahme gegenüber seinen Angaben bei der Ersteinvernahme verlegt habe, nämlich vom Feld in Wohnräumlichkeiten. Auch sei der geschilderte Vorfall unwahrscheinlich, weil nicht vorstellbar sei, dass zwei durch Alkohol und Drogen schwer beeinträchtigte Männer ihre Waffen so zurückhaltend einsetzen würden. Abgesehen davon stelle sich die Frage, wie er die Waffen in den Hosentaschen als Messer und Pistole habe erkennen können. Auch seien die Schilderungen über die verwendete Munition in seinem Gewehr schwer verständlich gewesen, was verwunderlich sei, weil er den Eindruck vermittelt habe, sich mit Jagdwaffen auszukennen. Zunächst habe er erklärt, Platzpatronen haben sich im Gewehr befunden, anschließend, dass trotzdem zwei Hülsen am Boden gelegen seien und er dies gleich abgeändert habe, indem er gemeint habe, nicht am Boden, sondern Kratzer am Bein. Auf Nachfrage habe er erklärt, dass die Beine des Opfers mit Geschoßhülsen zerkratzt worden seien. In weiterer Folge habe er als Erklärung angegeben, der Drogensüchtige sei von zwei Körnern aus einer Schrotladung ins Bein getroffen worden. Letztlich könne jedoch dahingestellt bleiben, ob es 1999 tatsächlich zu dem besagten Vorfall gekommen sei, weil dem Beschwerdeführer jedenfalls gegenwärtig keine Verfolgung in der Heimat drohe, da er sich nach seinen Angaben nach diesem Vorfall nach XXXX zu seinen Brüdern begeben habe und sich zu Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges wieder nach Tschetschenien zu seinen Eltern nach XXXX begeben habe und nach drei, vier Monaten nach Aufhebung der Blockade sich wieder nach XXXX begeben habe, er jedoch keine Angaben über eine befürchtete Verfolgung durch den Bruder des Verstorbenen gemacht habe. Bei der Einvernahme am 29.09.2008 habe er bezüglich seines Aufenthaltsortes von 1999 bis zur Ausreise angegeben, sich abwechselnd in XXXX und XXXX aufgehalten zu haben und dies damit begründet, dass die erforderliche Registrierung einen ständigen Aufenthalt im Gebiet von XXXX nicht erlaubt habe. Diese Angaben stünden jedoch im Widerspruch zu den Angaben seines Bruders XXXX bei dessen Befragung am 11.11.2008, wonach er ständig bei seinen Brüdern in XXXX gelebt habe. Dabei habe dieser auch angegeben, dass der Beschwerdeführer aus Angst vor Blutrache von Tschetschenen nach XXXX übersiedelt sei. Nach den Angaben seines Bruders habe der Beschwerdeführer dort ständig Probleme wegen der letztlich alle drei Monate zu erneuernden Registrierung gehabt.
Rechtlich wurde zu Spruchteil I. insbesondere ausgeführt, dass sein Vorbringen als nicht glaubwürdig erachtet worden sei und er selbst dann über eine zumutbare Rückzugsmöglichkeit auf dem Landgut seiner Brüder im Gebiet von XXXX verfüge, da er immerhin schon seit 1999 dort unbehelligt gelebt habe. Da auch keinem Familienmitglied der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei, lägen die Voraussetzungen im Familienverfahren nicht vor.
Zu Spruchteil II. wurde insbesondere dargelegt, dass der Beschwerdeführer keine Gefährdungslage habe glaubhaft machen können und dass sich aus seinen Angaben und den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens keine exzeptionellen Umstände ergeben hätten, welche die Außerlandesschaffung in Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen lassen würden. Da auch keinem anderen Familienmitglied der Status des Subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei, komme dies auch im Rahmen des Familienverfahrens nicht in Betracht.
Zu Spruchteil III. wurde - nach Darlegung der bezughabenden Rechtslage und Judikatur - festgehalten, dass er mit seiner Lebensgefährtin und seinen beiden Kindern in Österreich lebe. Soweit seine Familie ebenfalls von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen sei, liege kein Eingriff in das Familienleben im Sinne des Art.8 EMRK vor. In Bezug auf seine sonstigen Verwandten in Österreich liege in Anbetracht der Umstände (kein gemeinsamer Haushalt oder gleichzuhaltendes Naheverhältnis oder finanzielle Abhängigkeit) kein schützenswertes Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK vor. Zu seinem Privatleben wurde ausgeführt, dass er sich seit September 2008 nach illegaler Einreise in Österreich aufhalte und könne daraus noch keine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden, zumal sich der bisherige Aufenthalt aus einem Asylantrag ergebe und ihm habe klar sein müssen, dass dieser im Fall der Ablehnung des Antrages nur ein vorübergehender sein werde. Er bestreite seinen Lebensunterhalt aus der Grundversorgung und gehe keiner Beschäftigung nach, spreche nur ganz wenig Deutsch, besondere soziale Kontakte seien nicht hervorgekommen. Nach einer Gesamtabwägung ergebe sich, dass die Ausweisung gerechtfertigt sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an den Asylgerichtshof, worin er sich gegen die Beweiswürdigung wandte. Es sei seine Aufgabe gewesen, die gepachteten Felder mit einer Flinte zu bewachen, welche mit Papier gestopften Patronen geladen gewesen sei. Er habe nicht ausdrücken wollen, dass der Vorfall im Freien auf den Feldern stattgefunden habe. Es sei reine Spekulation, dass von Alkohol und Drogen beeinträchtigte Personen mit gezogenen Waffen auf den Beschwerdeführer losgegangen seien. Die Waffen in den Hosentaschen seien an den Griffen erkennbar gewesen. Hinsichtlich der Patrone sei es für den Beschwerdeführer schwierig gewesen, zu erklären, welche es gewesen sei, da er zum Verscheuchen der Vögel keine normalen Schrotpatronen verwendet habe, sondern die Schrotladung aus der Patrone entfernt worden sei und nur die Metallhülse mit Papier verwendet worden sei, daher auch die Beschreibung als Platzpatrone. Zu den Ausführungen der Behörde, dass eine Verfolgung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen sei, werde angemerkt, dass er damit gerechnet habe, getötet zu werden, allerdings sei für ihn die Pflicht gegenüber seinen Eltern wichtiger gewesen. Bezüglich der Registrierung habe der Bruder des Beschwerdeführers ebenfalls angegeben, dass dieser bei der Registrierung immer wieder Probleme gehabt habe bzw. deute dessen Antwort darauf hin, dass er zuletzt keine mehr besessen habe. Bezüglich der Angaben seines Bruders über den Aufenthalt des Beschwerdeführers ab 1999 in XXXX wurde vorgebracht, dass dieser auf entsprechenden Vorhalt auch angeben hätte können, dass sich der Beschwerdeführer monateweise immer wieder in XXXX aufgehalten habe und es wurde die erneute Befragung seines Bruders XXXX als Zeuge beantragt. Zwar richte sich die Blutrache nach der tschetschenischen Tradition normalerweise nicht gegen Frauen und Kinder, jedoch befürchte seine Lebensgefährtin trotzdem, dass sich die Familie des 1999 Verstorbenen an den Kindern des Beschwerdeführers rächen würde. Der Umstand, dass er in den letzten 9 Jahren nicht Opfer der Blutrache geworden sei, lasse keineswegs die Schlussfolgerung zu, dass es nicht glaubhaft sei, dass er aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgungshandlungen sein Herkunftsland verlassen habe müssen. Wie der Beschwerdeführer nachvollziehbar geschildert habe, würden zwischenzeitig der jüngere Bruder und der Neffe des 1999 Verstorbenen bei der tschetschenischen Exekutive arbeiten und haben deswegen bessere Möglichkeiten, sich an dem Beschwerdeführer zu rächen als noch vor einigen Jahren. Auch habe der Beschwerdeführer darauf verwiesen, dass sich die Kadyrov-Leute überall leicht registrieren lassen können und auch Zugriff auf die Daten von Personen in der ganzen russischen Föderation haben. Vor dem Hintergrund der Länderinformationen erscheine dies keineswegs unplausibel. Da zwischenzeitlich mehrere Mitglieder der Familie, welche dem Beschwerdeführer Blutrache erklärt habe, bei den staatlichen tschetschenischen Strukturen arbeiten und er eine konkrete Warnung erhalten habe, könne nicht zulässigerweise davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer in der Russischen Föderation eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehe, da seine Gegner in staatlichen Strukturen arbeiten. Als Mitglieder der Exekutive sei es den Kadyrovzy einfach möglich, dem Beschwerdeführer fälschlicherweise ein strafrechtliches Delikt zu unterstellen. Bei einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der Länderberichte zur Russischen Föderation habe die Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz daher nicht abweisen dürfen bzw. ihm zumindest den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen müssen. Die Ausweisung des Beschwerdeführers sei wegen Verletzung von Art. 3 EMRK rechtswidrig.
Der Asylgerichtshof beraumte eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung für den 11.05.2012 an und räumte gleichzeitig das Parteiengehör zu Feststellungen zur Lage in Tschetschenien und zur IFA von Tschetschenen in Russland (Stand: Februar 2012) mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme zu diesen Länderfeststellungen bis längstens in der mündlichen Beschwerdeverhandlung ein. Während das Bundesasylamt sich für die Nichtteilnahme an der Verhandlung entschuldigte und auch keine Stellungnahme zu den vorgehaltenen Länderfeststellungen erstattete, erschienen der Beschwerdeführer, seine Lebensgefährtin und sein Bruder XXXX (als Zeuge) zur Verhandlung.
Eingangs der Verhandlung legte der Beschwerdeführer eine Meldebestätigung, eine Deutschkursbestätigung, Schulbesuchsbestätigungen für die Kinder und zwei Empfehlungsschreiben für die Familie vor, weiters Artikel betreffend die Blutrache in Tschetschenien. Schließlich wurde von den Beschwerdeführern im Rahmen der Verhandlung die Beigebung eines Rechtsberaters beantragt.
Über Befragung des Vorsitzenden Richters gab der Zeuge an, ab der Geburt bis 1971 in XXXX in Tschetschenien gelebt zu haben, dann sei er nach XXXX in das Dorf XXXX gezogen, wo er bis zu seiner Ausreise im Dezember 2003 gelebt habe. Manchmal sei er auch für Wochen oder maximal zwei Monate in Tschetschenien gewesen. In XXXX sei er unbefristet gemeldet gewesen. Er habe dort eine eigene Landwirtschaft besessen und Ackerbau und Viehzucht betrieben. Der Beschwerdeführer habe bis 1999 bei den Eltern in Tschetschenien gelebt und zwar in XXXX . Nach einem Vorfall im Mai 1999 sei er zu ihm nach XXXX gezogen und habe bis zur Ausreise im Jahr XXXX dort gelebt, er selbst sei damals aber schon in Österreich gewesen. Nach dem Beginn des zweiten Krieges sei sein Bruder zu den Eltern zurückgekehrt und Anfang 2000 sei er wieder zurück nach XXXX gekommen, er glaube, dieser sei zwei bis drei Monate in Tschetschenien gewesen. Manchmal sei der Beschwerdeführer auch bei Freunden und Verwandten in XXXX gewesen. Dies sei unterschiedlich lang gewesen, er glaube, dass er nur ein bis zwei Wochen dort gewesen sei, vielleicht auch länger. Es sei sehr schwierig gewesen, sich in XXXX anmelden zu lassen, aber er selbst habe den Beschwerdeführer einmal für drei Monate angemeldet. Er sei nur einmal für drei Monate angemeldet gewesen, er habe das verlängern sollen, aber es habe immer wieder Schwierigkeiten gegeben und man habe Geld zahlen müssen. Außer diesen Problemen hätte sein Bruder keine Probleme in XXXX gehabt. Sie hätten immer in Angst gelebt, wenn ein Auto gekommen sei. Es würden nach wie vor zwei Brüder in XXXX leben. Diese haben, soweit er wisse, bislang noch keine Probleme und würden nach wie vor die erwähnte Landwirtschaft betreiben. Seinen Bruder in Österreich besuche er manchmal, wenn die Kinder Ferien haben, würden sie zu ihnen kommen. Tatsächlich seien sie über Skype immer in Verbindung und telefonieren auch. Ein bis zweimal monatlich besuchen sie einander. Manchmal, wenn sie zu ihrer Schwester nach Linz fahren, besuchen sie auch diese. Er benötige die Hilfe seines Bruders nicht, aber dieser brauche seine psychische Unterstützung, dieser sei der jüngste Bruder. Befragt, ob er noch ein Vorbringen zum Asylverfahren des Beschwerdeführers erstatten wolle, brachte er vor, er wolle noch 5 Minuten über diesen Vorfall etwas sagen. Er sei nicht dabei gewesen, er sei in XXXX gewesen. Sein Bruder habe ihm davon erzählt und danach sei er bei Verwandten in Tschetschenien gewesen. Er wolle sagen, dass sein Bruder, wenn dieser Vorfall nicht gewesen wäre, als jüngster Sohn bei den Eltern in Tschetschenien bleiben würde, wie es Sitte sei. Sie haben sich immer große Sorgen um ihn gemacht und deswegen sei dieser ausgereist. Er habe ein eigenes Haus und eine Landwirtschaft besessen und keine wirtschaftlichen Gründe für eine Ausreise. Heute werde über das zukünftige Leben seines Bruders entschieden, er bat, dass man seinen Bruder für sich selbst sprechen lasse und dies auch detailliert protokolliere. Falls es Verständigungsprobleme gebe, könne man jederzeit ihn oder seinen Bruder fragen.
Anschließend wurde der Beschwerdeführer einvernommen, dieser hielt sein bisheriges Vorbringen aufrecht und führte aus, dass einiges falsch übersetzt worden sei und er beschuldige nicht den Dolmetscher, weil dieser schlecht Russisch gesprochen habe. Dieser habe auch für seinen Bruder gedolmetscht und habe vieles nicht verstanden und er habe einmal etwas zeichnen müssen. Befragt, ob er etwas Konkretes, das nicht richtig übersetzt worden sei, nennen könne, brachte er vor, er werde darauf im Zuge der Befragung eingehen. Er sei Tschetschene und Moslem und in XXXX in Tschetschenien geboren. Im Alter von einem Jahr seien sie nach XXXX und zwar in das Dorf XXXX gezogen und dort sei er bis zum Jahr 1990 gewesen. Dann seien sie zurück nach Tschetschenien nach XXXX gezogen, wo er bis zum Frühling 1999 gelebt habe und während des ersten Krieges habe er drei bis vier Monate wieder in XXXX verbracht, bis sich die Situation etwas beruhigt habe. Dann sei er im Frühling 1999 wieder nach XXXX . Nach Beginn des zweiten Krieges sei er wieder nach Tschetschenien zurückgekehrt und sei Anfang 2000 wieder nach XXXX gefahren und dort bis zur Ausreise geblieben. In XXXX hätte er keine Propiska gehabt. Sein Bruder habe ihm gesagt, dass er ihn einmal angemeldet habe, er habe davon nichts gewusst, er selbst sei nicht beim Meldeamt gewesen. Befragt, ob er gar nicht versucht habe, eine Anmeldung in XXXX zu bekommen, antwortete er, nein, er habe es versucht. Sein Bruder XXXX habe das alles gemacht. Er sei auch in XXXX gewesen, dies sei nur 7 Kilometer entfernt gewesen, sei seien an der Grenze gewesen. Er habe sich überall aufgehalten innerhalb der 9 Jahre, er sei bei seinen Verwandten, Bekannten und Freunden gewesen. Immer bei seinen Brüdern zu leben sei unmöglich gewesen. Wenn man sich an einem Ort aufhalte, könne man leicht gefunden oder gefangen werden. Er habe 8 Jahre die Mittelschule besucht, aber keine weitere Ausbildung erhalten. Seinen Lebensunterhalt habe er durch Arbeit bestritten, in letzter Zeit haben ihn seine Brüder unterstützt. Er habe auch in der Landwirtschaft gearbeitet. Als er bei seinen Freunden und Bekannten gewesen sei, habe er auch dort gearbeitet. Er habe diverse Arbeiten gemacht. Offiziell habe er nirgends arbeiten können.
Politisch habe er sich nicht betätigt. Nahe Verwandte seien aktive Kämpfer gewesen, seine Cousins zweiten Grades seien getötet worden. Sein Bruder habe nicht gekämpft. Den tschetschenischen Widerstand habe er nur psychisch unterstützt. Aufgefordert, den Vorfall aus 1999 zu schildern, brachte er vor, dieser hätte sich im Mai 1999 im Bezirk XXXX in einer Sowchose ereignet. Er sei in einem Geschäft gewesen. Es seien zwei betrunkene Brüder, welche auch unter Drogeneinfluss gestanden seien, gekommen und haben ihn aufgefordert, den Wodka zu bezahlen. Sie seien dort in Streit geraten, haben aber einander nicht geschlagen. Am Abend, als er zu Hause gewesen sei, wegen seiner Arbeit habe er dort in der Sowchose eine Wohnung gemietet, seien sie eingedrungen. Er habe ein Jagdgewehr zu Hause gehabt. Er habe diese Waffe verwendet, um Vögel zu erschrecken. Diese sei nicht mit Schrotkugeln, sondern mit Papier und Sprengstoff gefüllt gewesen. Es seien aber in der Waffe noch Schrotkugeln enthalten gewesen. Er habe sie beide gewarnt. Er sei in einem engen Vorzimmer gewesen, er sei zurückgetreten. Sie seien auf ihn losgegangen. Er habe dann geschossen. Später in der Verhandlung habe er erfahren, dass er einen der beiden am Fuß getroffen habe. Der ältere der beiden Brüder habe eine Pistole, der andere ein Messer gehabt, sie habe die Hand in der Tasche gehabt. Er wisse sicher, dass der jüngere Bruder, der das Messer bei sich habe, die Hand auch dort gehabt habe, wo das Messer gewesen sei. Auf den Vorhalt, dass er vor dem Bundesasylamt nicht davon gesprochen habe, dass es sich um zwei Brüder gehandelt habe, sondern nur davon, dass der ältere der beiden ein Schwerkrimineller gewesen sei, welcher schon 23 Jahre im Gefängnis gesessen sei, brachte er vor, dies sei so übersetzt worden, er habe immer vom älteren Bruder gesprochen, welcher die Blutrache ausgesprochen habe. Auf die Frage, welche Verletzungen diese Personen davongetragen haben, gab er an, er habe gehört, dass er seinen Fuß verletzt habe. Er habe das nicht gesehen, er habe das nur gehört. Dieser Mann sei an diesem Tag in der Nacht gestorben. Er sei nicht dort gewesen, er wisse nicht, ob sie ihn in ein Spital gebracht haben oder nur in die medizinische Station in der Sowchose. Es seien auch Polizeibeamte dort gewesen. Nach dem medizinischen Gutachten sei dieser wegen einer Überdosis Drogen gestorben. Eine Woche lang habe es Ermittlungen gegeben und danach nicht mehr. Es sei entschieden worden, dass er an seinem Tod unschuldig sei. Die Verletzung sei nicht lebensbedrohlich gewesen. Das medizinische Gutachten habe bewiesen, dass dieser an einer Überdosis von Drogen gestorben sei und zu ihm ins Haus eingedrungen sei. Das Strafverfahren gegen ihn sei eingestellt worden, schriftliche Unterlagen habe er keine.
Zum Vorhalt, dass er bei der Erstbefragung angegeben habe, dass der Vorfall passiert sei, als er ein Feld bewacht habe, heute habe er davon gesprochen, dass das bei ihm ihn der Wohnung passiert sei, führte er aus, er habe damals erzählt, was er dort in der Sowchose gemacht habe, dass er im Feld gearbeitet habe, aber dieser Vorfall sei nicht direkt am Feld passiert. Der älteste Bruder, welcher auch bei dem Vorfall mit gewesen sei, habe das nicht auf sich beruhen lassen. Sie haben mehrmals die älteren Männer zu ihm geschickt, um ihn zu überreden. Dies haben sie bis jetzt nicht erreicht. Es sei zur formellen Ausrufung der Blutrache gekommen, aber sie haben die Blutrache nicht angenommen. Auf den Vorhalt, wieso er über die Ausrufung der Blutrache und die Versöhnungsversuche beim Bundesasylamt nichts erzählt habe, gab er an, er sei darüber nicht befragt worden. Über Vorhalt der beisitzenden Richterin, dass das heiße, dass er diese wichtige Sache von sich alleine aus nicht vorgebracht habe, sondern gewartet habe, dass man ihn zu diesem Thema konkret befrage, brachte er vor, er habe damals vieles erzählt. Er habe gesagt, dass es unmöglich gewesen sei, dort weiter zu leben und sei er deswegen geflüchtet. Befragt, ob es dann in der Folge zu konkreten Bedrohungen seiner Person oder seiner Familie gekommen sei, gab er an, dass natürlich eine Bedrohung für sie bestehe. Auch sein Sohn wachse heran. Wenn er sich irgendwo in Russland aufhalte, werde er zu seinen Eltern irgendwann zurückkehren und deswegen haben ihn sein Vater und seine Brüder weggeschickt. Zum Vorhalt der besitzenden Richterin, dass ihn seine Eltern nun auch vermissen würden, gab er an, wenn er das entscheiden könne und wenn es für ihn möglich wäre, würde er schon heute zu seinen Eltern zurückkehren. Sie würden ihn leicht finden, wenn er sich irgendwo in Russland anmelden würde. Auf die Frage, ob er in XXXX irgendwelche konkreten Probleme mit der Familie des Getöteten gehabt habe, gab er an, sie seien nicht dort gewesen, sie seien nicht gekommen. Soweit er wisse, aber er könne das nicht behaupten. Aber es sei kein Problem für sie, sie könnten auch 700 Kilometer fahren. Probleme mit staatlichen Organen in der Russischen Föderation verneinte er. Als unmittelbaren Anlass für seine Ausreise gab er die Blutrache an.
Er habe im Jahr XXXX im Dorf, wo seine Schwester lebe, alle Unterlagen abgegeben, seine Schwester habe ihm dann ein Visum nach XXXX organisiert. Er sei nach XXXX geflogen und habe dort zwei Tage verbracht und dann Flugtickets gekauft. Bei der Zwischenlandung in Wien sei er ausgestiegen, der Flug sei bis XXXX gebucht gewesen. Zur Frage, warum er nicht mit seiner Frau und den Kinder gereist sei, gab er an, er habe nicht die finanzielle Möglichkeit gehabt, sie mitzunehmen und er habe nicht gewusst, was ihn in XXXX erwarte. Es sei ein fremdes Land für ihn gewesen, er habe nicht gewusst, dass es dort Tschetschenen gebe, aber er habe dort Tschetschenen getroffen. Er könne sich erinnern, dass Frau XXXX seine erste Frau sei, wann sie geheiratet haben wisse er nicht. An das Datum könne er sich nicht erinnern. In der Zwischenzeit sei er von ihr geschieden gewesen. Dies sei nach der Eheschließung mit der zweiten Frau gewesen. Er sei sich nicht sicher, er sei im Jahr 2003 oder 2005, dazwischen mit der zweiten Frau verheiratet. Er habe keinen direkten Kontakt, sondern sie schicke Fotos seiner Tochter übers Internet. Seine Tochter lebe jetzt in Polen, seine erste Frau habe er dann wieder geheiratet. Im Herkunftsstaat leben noch seine Brüder in XXXX , seine Mutter sei gestorben, sein Vater lebe in XXXX in Tschetschenien, seine drei Schwestern ebenfalls. Er selbst nehme keinen Kontakt mit ihnen auf, wenn seine Frau Kontakt mit ihnen aufnehme, rede er auch mit ihnen. Mit den Brüdern habe er nur selten Kontakt, er rede eher mit seinem Vater und ganz selten mit seinen Schwestern. Auf die Frage, ob er von seinen Verwandten irgendetwas gehört habe, was ihn persönlich betreffe, gab er an, er sei bis heute ein großes Problem für seine Verwandten. Auf die Frage, ob sein Vater oder seine Brüder irgendwie bedroht worden seien, gab er an, sie haben bis jetzt keinen getötet, aber er wisse nicht, was passieren könnte, wenn sie ihn nicht fänden. In Österreich befinde sich sein älterer Bruder XXXX und zwei Schwestern. Die ältere Schwester XXXX lebe in XXXX , die jüngere sei in XXXX daheim. Mit seinen Geschwistern in Österreich telefoniere er, wenn sie die Möglichkeit haben, kommen sie zu ihnen. XXXX besuche sie und ihre Schwestern. Befragt, ob er dauernd die Hilfe seines Bruders benötige, gab er an, das sei sein Bruder und er unterstütze ihn immer und er mache alles Mögliche für sie. Tschetschenen unterstützen einander, auch wenn sie keine Geschwister seien. In Österreich habe er einen Asylantrag gestellt und warte auf eine Entscheidung. Kurz nach seiner Ausreise habe es ein Projekt von der XXXX mit der Bezeichnung " XXXX " gegeben, es sei jedem Asylwerber eine Person, welche gut Deutsch spreche zur Verfügung gestellt. In seinem Fall sei dies eine Russin gewesen und daraus sei nichts geworden. Er habe auch einen Deutschkurs besucht und er habe noch um einen weiteren Deutschkurs angesucht, sie haben gesagt, dass es derzeit keine Möglichkeit gebe. Er spreche schon ein bisschen Deutsch. Aufgefordert, seinen Tagesablauf auf Deutsch zu schildern, gab er an, "Gewöhnlich ich viel schlafen, später spazieren und fertig". Bei irgendwelchen Vereinen sei er nicht tätig. Er habe einen österreichischen Nachbarn und einen Deutschen, welcher in Österreich lebe, von diesem stammen die Empfehlungsschreiben. Die Eltern vom XXXX haben das Schreiben auch unterschrieben. Er habe keine psychischen Probleme, sein einziges Problem seien Kopfschmerzen. Er sei untersucht worden, es sei nichts gefunden worden. Auf die Frage, was geschehe, wenn er in die Russische Föderation zurückkehren müsste, brachte er vor, er habe keine Angst, dass er getötet würde, aber dass er gefoltert werde von der Familie des Getöteten. Abschließend brachte er vor, dass er nicht ausgereist wäre, wenn er zu Hause keine Probleme gehabt hätte. Seine Familie hätte ihn auch nicht ausreisen lassen, weil er der jüngste Sohn sei und seine Eltern hätte versorgen sollen.
Die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers brachte vor, ihr bisheriges Vorbringen aufrecht erhalten zu wollen und alles erzählt zu haben, was sie zu erzählen gehabt habe. Sie sei Tschetschenien und Moslemin und in XXXX in Tschetschenien geboren und habe dort gelebt. Aber in den Schulferien sei sie zu ihrem Mann nach XXXX gefahren. Als sie in XXXX bei ihrem Schwager gewesen sei, sei ihr Mann auch manchmal zu ihm gekommen, er habe nicht immer dort bleiben können. Sie habe ihren Mann im Jahr XXXX geheiratet und sie haben bis heute nicht standesamtlich geheiratet. Sie seien nach dem muslimischen Recht verheiratet gewesen, sie könne sich nicht erinnern, wann sie geschieden worden seien. Auf die Frage, seit wann sie wieder verheiratet seien, gab sie an, sie wisse es nicht, sie könne sich nicht erinnern. Sie habe 11 Jahre die Mittelschule besucht und keine weitere Ausbildung erhalten, sie sei Hausfrau. Sie selbst habe nicht gearbeitet, weil sie die meiste Zeit bei ihren Schwiegereltern gewesen sei. Ihre Schwiegermutter sei bettlägerig gewesen, die Verwandten haben sie unterstützt. Die Frage, ob nahe Verwandte Kämpfer gewesen seien, verneinte sie und gab an, sie habe keine Geschwister, nur Eltern. Sie habe Cousins, aber die haben nicht gekämpft. Sie sei das einzige Kind. Sie habe tschetschenische Kämpfer nicht unterstützt, sie habe ihre kranke Schwiegermutter und ihre kranke Mutter, welche einen Kopftumor gehabt habe, gepflegt. Sie selbst habe nie Problem mit staatlichen Behördenorganen oder Militärangehörigen gehabt, sie sei immer zu Hause gewesen. Sie habe auch keine Probleme mit Privatpersonen gehabt. Über die Probleme ihres Mannes habe sie nur gehört, da sie immer mit ihren Schwiegereltern gelebt und diese gepflegt habe. Sie sei nur manchmal zu ihrem Mann gefahren. Auf die Frage, ob sie selbst oder die Kinder in irgendeiner Weise bedroht worden seien, gab sie an, sie haben Angst gehabt, die Kinder hinauszulassen. Sie habe die Kinder in die Schule begleitet und sie abgeholt. Sie habe Angst, dass die anderen Kinder, welche mit ihnen spielen, mit ihnen etwas über Blutrache sprechen würden, und sie haben sie bedroht, dass sie sie umbringen würden. Ihre Eltern haben gesagt, wenn ihr etwas passieren würde, dann wären sie dafür verantwortlich. Auf die Frage, ob es irgendwelche konkreten Bedrohungen gegen sie und ihre Kinder gegeben habe, bejahte sie dies und gab an, sie haben sie bedroht, dass sie sich rächen würde. Auf den Vorhalt, dass dies höchst ungewöhnlich sei, weil sich die Blutrache gewöhnlich nicht gegen Kinder und Frauen richte, gab sie an, es sei bei ihnen nicht so. In Tschetschenien sei es nicht so wie in Österreich. Es würden mehrere von der Familie getötet. Sie meine, der Täter sei geflüchtet. Wenn ihr Sohn älter sei, wird der Sohn des Ermordeten ihren Sohn töten. Als unmittelbaren Anlass für die Ausreise gab sie an, sie habe Angst um das Leben ihrer Kinder gehabt und sie habe die Kinder nicht spielen lassen können und habe sie immer in die Schule begleiten müssen. Sie haben sie nicht in Ruhe gelassen und haben sie immer wieder bedroht. Ihr Mann sei früher ausgereist, sie sei nachgekommen. Auf die Frage, wieso sie nicht gemeinsam ausgereist seien, gab sie an, es habe finanzielle Probleme gegeben. Ihre Eltern seien alt und sie würden nur eine Rente beziehen. Ihr Mann habe sich 2.000.- Dollar ausgeborgt und so sei er ausgereist. Sie haben deswegen nicht gemeinsam ausreisen können. Zur Frage, warum sie eigentlich nicht mit ihrem Mann nach XXXX gezogen sei, brachte sie vor, sie habe keine Wohnmöglichkeit dort gehabt und sie habe auch ihre Schwiegereltern die ganze Zeit betreuen müssen. Sie habe noch Verwandte in Tschetschenien, die Brüder ihres Mannes leben in Russland. Ihre Eltern leben in Tschetschenien. Sie habe Kontakt mit ihren Eltern, sie telefoniere mit ihnen, sie seien schon ziemlich alt. Ihre Mutter sei krank, sie sei operiert worden, ein Gehirntumor sei entfernt worden. Sie sei ihren Kindern zuliebe nach Österreich gekommen, weil ihr Mann auch in Österreich gewesen sei und sie würde gerne mit ihrer Familie in Österreich bleiben und sie wünsche für ihre Kinder eine gute Zukunft. Sie habe keinen Deutschkurs besucht, weil es diese Möglichkeit nicht gegeben habe. Sie lerne mit ihren Kindern nach der Schule Deutsch. Sie lasse ihre Kinder nicht alleine zu Hause. Ihre Kinder besuchen die Schule. Sie besuchen die Schule gerne und würden sich freuen, dass sie in Österreich seien. Sie seien glücklich in Österreich. Der beste Freund ihres Sohnes sei ein Österreicher. Er lebe im gleichen Haus. Zur Frage, ob sie bei irgendwelchen Vereinen seien, gab sie an, dass sie, wenn sie die finanzielle Möglichkeit hätten, etwas für die Kinder organisieren würden. Aber sie leben privat und das Geld reiche dafür nicht. Ihre Tochter habe ständig Kopfschmerzen, ihr Sohn sei in XXXX operiert worden, sonst haben sie keine gesundheitlichen oder psychischen Probleme. Aus Angst um das Leben ihres Mannes und ihrer Kinder wolle sie nicht zurück, sie wolle in Österreich bleiben.
Sodann wurden den Verfahrensparteien gemäß § 45 Abs. 3 AVG ergänzend Dokumente (eine Analyse der Staatendokumentation Adat-Blutrache in Tschetschenien, eine ACCORD Anfragebeantwortung sowie ein Bericht des Danish Immigration Service zur Blutrache in Tschetschenien zur Kenntnis gebracht und eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme von zwei Wochen eingeräumt.
Mit Schreiben vom 21.05.2012 ersuchte der Beschwerdeführer um Verlängerung der Frist zur Abgabe einer Stellungnahme, weil es ihm noch nicht möglich gewesen sei, Kontakt mit einer Rechtsberatung aufzunehmen.
Am 22.06.2012 langte ein handschriftliches Schreiben des Beschwerdeführers ein, in dem er im Wesentlichen vorbrachte, er habe nichts zu ergänzen. Er sei ein Gegner der Blutrache, es gebe allgemeinstaatliche Gesetze.
Über entsprechenden Antrag wurde mit Verfahrensanordnung von 06.08.2012 ein Rechtsberater bestellt. Von diesem ist trotz Zuwarten keine Äußerung eingelangt.
Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 30.08.2012, GZ. D3 414754-1/2010/11E, wurde die Beschwerde gemäß §§ 3, 8, 10 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
Beweiswürdigend wurde hinsichtlich Spruchpunkt I. ausgeführt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen zwar relativ umfangreich sei, jedoch nicht gleichbleibend, widersprüchlich und auch nicht plausibel nachvollziehbar, sodass der Asylgerichtshof auch vor dem Hintergrund der Länderberichte davon ausgehe, dass dieses Vorbringen nicht glaubwürdig sei:
So habe der Beschwerdeführer am 29.09.2008 anlässlich der Einvernahme vor dem Bundesasylamt vorgebracht "...als sie sich geweigert hätten wegzugehen, hätte er eine Waffe, welche er zu Hause gehabt habe, geladen, um sie zu beeindrucken. Die beiden hätten jedoch ebenso Waffen gehabt, einer ein Messer und der andere eine Pistole, welche sie in den Hosentaschen gehalten hätten. In seiner Waffe hätte sich noch eine Platzpatrone befunden. Jedoch seien als alles beendet gewesen sei, drei Geschosse darinnen geblieben. Es habe bei ihm ein einläufiges Jagdgewehr gegeben. Die beiden seien auf ihn zugegangen und er sei vom Gang zurückgetreten.....Er habe sie gewarnt, dass er schießen würde, wenn sie wiederkämen. Einer sei zurückgekehrt und sie hätten ihn angegriffen. Darauf sei ein Schuss gefallen. Mit demjenigen, welcher die Waffe gehalten habe, hätte er zu raufen begonnen....Aber es seien trotzdem zwei Hülsen am Boden gelegen - nicht am Boden - sondern Kratzer am Bein, dh die Beine des Opfers seien von den Geschosshülsen zerkratzt gewesen, ein Bein sei getroffen gewesen. In der Hülse der Patrone sei hinten das Pulver und vorne die kleinen Kugeln. Durch zwei dieser Geschosse sei der Drogensüchtige an einem Bein getroffen worden. Auf Nachfrage wurde erklärt, dass es sich dabei offenbar um zwei Körner aus einer Schrotladung gehandelt habe müsse. ...Er sei nicht einmal festgenommen worden und es sei als Selbstverteidigung anerkannt worden, auch weil die beiden Schrotkugeln keine tödlichen Verletzungen hervorrufen hätten können..."
Diese Schilderung sei ungenau, auch widersprüchlich und nicht plausibel nachvollziehbar. So sei zunächst von drei Geschossen später von Geschosshülsen und danach von zwei Schrotkugeln die Rede, zunächst sei die Rede von beiden Beinen gewesen, später habe er angegeben, dass derjenige nur an einem Bein getroffen worden sei. Widersprüchlich seien auch seine Angaben darüber, dass die Waffe mit einer Platzpatrone geladen gewesen sei, einer der Angreifer jedoch durch Schrotkörner verletzt worden sei. Abwechselnd sei von zwei bewaffneten Männern und dann davon die Rede, dass er mit demjenigen, der die Waffe gehalten habe, zu raufen begonnen habe, weshalb auch seitens des Asylgerichtshofes nicht von der Glaubwürdigkeit dieses Vorbringens ausgegangen werde. Sein Vorbringen, dass es Probleme mit dem Dolmetscher gegeben habe, sei nicht nachvollziehbar, da er trotz entsprechender Belehrung nach wortwörtlicher Rückübersetzung der Niederschrift keine Berichtigungen oder Richtigstellungen vorgenommen habe.
Zudem habe er diesen Vorfall vor dem Asylgerichtshof derart geschildert, dass "...er ein Jagdgewehr zu Hause gehabt habe. Er habe diese Waffe verwendet, um Vögel zu erschrecken. Diese sei nicht mit Schrotkugeln, sondern mit Papier und Sprengstoff gefüllt gewesen. Es seien aber in der Waffe noch Schrotkugeln enthalten gewesen. Er habe sie gewarnt. Sie seien auf ihn losgegangen. Er habe dann geschossen. Später in der Verhandlung habe er erfahren, dass er einen der beiden am Fuß getroffen habe. Der ältere der beiden Brüder habe eine Pistole, der andere ein Messer gehabt, sie hätten die Hand in der Tasche gehabt. Er wisse sicher, dass der jüngere Bruder, der das Messer bei sich hatte, die Hand auch dort gehabt habe, wo das Messer gewesen sei...er habe nur gehört, dass er seinen Fuß verletzt habe. Er hätte das nicht gesehen, er habe das nur gehört."
Auch diese äußerst kurze Darstellung des Vorfalles sei nicht widerspruchsfrei, da er zunächst vorgebracht habe, die Waffe sei nicht mit Schrotkugeln geladen gewesen, sondern mit Papier und Sprengstoff, um im nächsten Satz vorzubringen, es seien aber in der Waffe noch Schrotkugeln enthalten gewesen. Abweichend von seinen Angaben vor dem Bundesasylamt habe er auch vorgebracht dass es sich bei den beiden Angreifern um Brüder gehandelt habe und auch sonst sei seine Schilderung des Vorfalles nicht gleich wie vor dem Bundesasylamt gewesen, da er vor dem Asylgerichtshof vorgebracht habe, er habe nur gehört, dass er einen Angreifer am Bein verletzt habe.
In seinem erstmaligen Vorbringen vor dem Asylgerichtshof, dass es zu einer formellen Ausrufung der Blutrache gekommen sei, er aber die Blutrache nicht angenommen habe, sei einerseits eine Steigerung seines Vorbringens enthalten und stehe andererseits der Nachsatz, dass sie diese nicht angenommen haben, im völligen Widerspruch zu seinem bisherigen Fluchtvorbringen.
Abgesehen davon sei vor dem Hintergrund der oa. Länderfeststellungen nicht plausibel nachvollziehbar, dass die beiden Brüder des Beschwerdeführers in XXXX im Gebiet von XXXX bei tatsächlichem Vorliegen einer Blutrache ohne Probleme leben können, der Beschwerdeführer jedoch nicht.
Insgesamt sei daher auch nach Auffassung des erkennenden Senates des Asylgerichtshofes nicht von der Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers auszugehen.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit und zu den persönlichen Daten des Beschwerdeführers basieren auf dem vorgelegten Reisepass und seinen diesbezüglich nachvollziehbaren Angaben bzw. Sprachkenntnissen im Zusammenhalt mit den Angaben seiner Lebensgefährtin und denen seines Bruders XXXX . Eine allfällige aktuelle Behandlung sei nicht vorgebracht oder durch ärztliche Atteste belegt worden, die vorgebrachten Kopfschmerzen werden der Entscheidung zu Grunde gelegt. Die Feststellung darüber, dass seine beiden Brüder nach wie vor in XXXX im Gebiet von XXXX leben, basiere auf den Angaben seines Bruder XXXX . Seine Unbescholtenheit ergebe sich aus der Einsichtnahme in den Strafregisterauszug, seine Lebensumstände in Österreich aus seinen diesbezüglichen Angaben beim Asylgerichtshof.
Rechtlich wurde hinsichtlich Spruchpunkt I. ausgeführt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen der vorstehenden Beweiswürdigung als unglaubwürdig erachtet worden sei, sodass die Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nicht gegeben seien. Es erscheine als nicht glaubwürdig, dass tatsächlich eine Blutrache gegen den Beschwerdeführer (bzw. seine Familie) vorliege, da - abgesehen von Widersprüchen und Unplausibilitäten in seinem Vorbringen- seine beiden Brüder offenbar ohne Probleme offiziell gemeldet im Gebiet von XXXX im Dorf XXXX leben und dort eine große Landwirtschaft betreiben. Unter Bedachtnahme auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer ebenfalls dort aufgewachsen sei und vor seiner Ausreise auch wieder mehrere Jahre (auch angemeldet) dort aufhältig gewesen sei, dort gearbeitet hat bzw. auch von seinen Brüdern unterstützt worden sei, erachte es der Asylgerichtshof als möglich und zumutbar, dass der Beschwerdeführer sich dort wieder niederlasse.
Auch aus dem Umstand, dass seinem Bruder XXXX Asyl zuerkannt worden sei, lasse sich für den Beschwerdeführer keine aktuelle asylrelevante Verfolgung ableiten, weil der Beschwerdeführer selbst nicht politisch tätig gewesen sei, weder gekämpft noch Kämpfer unterstützt habe, außerdem auch keine derartige Verfolgung oder Gefahr einer Verfolgung geltend gemacht habe und sich überdies ebenso wie seine beiden anderen Brüder wieder nach XXXX ins Dorf XXXX begeben könne.
Es liege nach Ansicht des erkennenden Senates bei ihm aufgrund seiner persönlichen Umstände zudem eine zumutbare inländische Fluchtalternative vor. XXXX stelle für den Beschwerdeführer ein konkretes risikofreies Gebiet dar und sei durch die Abwesenheit des Verfolgers sowie Stabilität und Sicherheit von Dauer gekennzeichnet. Allein in dem Umstand, dass bei der Anmeldung in XXXX allenfalls Geld zu bezahlen sei, könne noch keine asylrelevante Verfolgung erblickt werden. Das in Rede stehende Gebiet sei jedenfalls auch auf legalem Wege erreichbar und sei ein Leben dort auch ohne unzumutbare Härten möglich, zumal der Beschwerdeführer dort auch bereits im Rahmen der "Schattenwirtschaft" gearbeitet habe und eine derartige Tätigkeit auch nach der Judikatur des Deutschen Bundesverwaltungsgerichtshofes, wie es in den obigen Länderfeststellungen verzeichnet sei, durchaus zumutbar sei. Wie weiters aus den obigen Länderfeststellungen ersichtlich sei, könne nicht davon ausgegangen werden, dass die tschetschenischen Behörden Unterstützer oder Familienmitglieder anderer einzelner Kämpfer auf dem gesamten Territorium der Russischen Föderation suchen. In XXXX im Dorf XXXX leben offiziell zwei Brüder des Beschwerdeführers und betreiben dort eine große Landwirtschaft, sodass von einem gesicherten wirtschaftlichen Hintergrund ausgegangen werden könne.
Die Beschwerde zu Spruchteil I. sei daher auch wegen des Vorliegens einer zumutbaren inländischen Fluchtalternative abzuweisen.
Hinsichtlich Spruchpunkt II. wurde ausgeführt, dass im gegenständlichen Fall die vorgebrachte Bedrohung iSd § 8 Abs. 1 AsylG 2005 schon deshalb nicht vorliege, weil der Beschwerdeführer eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft machen habe können. Im Hinblick auf die gegebenen Umstände könne ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erkannt werden. Nach den Feststellungen herrsche in Tschetschenien derzeit keine Bürgerkriegssituation mehr und drohe auch nicht jedem, der in diesen Staat abgeschoben werde (automatisch) eine Gefahr für Leib und Leben in einem Maße, die eine Abschiebung im Lichte des Art. 3 EMRK von vorn herein als unzulässig erscheinen würde (vgl. auch AsylGH v. 03.06.2009, Zl. D3 307975-1/2008/20E, AsylGH v. 26.05.2009, Zl. D3 266048-2/2008/11E, AsylGH v. 03.06.2009, Zl. D11 265-0/2008/4E, AsylGH v. 21.10.2008, Zl. C5 251069-0/2008/25E u.a.). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei die im Lichte des § 8 zu beurteilende Bedrohungssituation nach § 57 Fremdengesetz (nunmehr § 50 FPG) durch ein konkretes, personenbezogenes, glaubwürdiges und mit allfälligen Bescheinigungsmitteln untermauertes Vorbringen darzutun. Auf die konkrete Frage des vorsitzenden Richters in der Beschwerdeverhandlung, was mit ihm geschehen würde, wenn er in die Russische Föderation zurückkehren würde, behauptete er, dass für ihn Lebensgefahr bestehe und dass er befürchte dort entweder getötet oder gefoltert zu werden. Dies sei jedoch nicht plausibel nachvollziehbar, da das Vorliegen einer Blutrache als nicht glaubwürdig erachtetet worden sei, und widerspreche auch den obigen Ausführungen über das Vorliegen einer inländischen Fluchtalternative.
Bei dem Beschwerdeführer handle es sich um einen jungen und im Wesentlichen gesunden arbeitsfähigen Mann, der auch im Herkunftsland schon in Bereichen gearbeitet habe. Vor seiner Ausreise sei er in XXXX in der Landwirtschaft tätig gewesen und habe auch sonst diverse Arbeiten verrichtet. Er verfüge in XXXX über zwei Brüder, welche eine große Landwirtschaft betreiben, sodass er jedenfalls bei seiner Ankunft dort mit einer entsprechenden Unterstützung rechnen könne. Es sei daher anzunehmen, dass er auch bei einer Rückkehr nach XXXX , dort allenfalls auch durch Gelegenheitsarbeiten das zum Überleben notwendige Existenzminimum erwirtschaften könne und seien daher keine Umstände hervorgekommen, die dafür sprechen würden, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in die Russische Föderation in eine derart ausweglose Lage geraten würde, die in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK fallen würde.
Zu den vorgebrachten Kopfschmerzen sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer nicht angegeben habe, in Behandlung zu stehen. Im Übrigen sei grundsätzlich eine Behandlung von Kopfschmerzen nach den vorstehenden Länderfeststellungen auch im Herkunftsland möglich.
Die Ausweisung des Beschwerdeführers stelle keinen ungerechtfertigten Eingriff in sein Recht auf Privat- und Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK dar.
Das Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 30.08.2012 erwuchs in weiterer Folge in Rechtskraft.
2. Zweites Verfahren (in Rechtskraft erwachsen):
Am 07.08.2013 wurden der Beschwerdeführer und seine Familie gemäß der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates von der Bundesrepublik Deutschland nach Österreich rücküberstellt.
Der Beschwerdeführer stellte am 09.08.2013 seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz ("Folgeantrag") und wurde dazu am selben Tag von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Er gab an, Österreich nach Abschluss des ersten Asylverfahrens verlassen zu haben, da er einen negativen Bescheid erhalten habe und ihm und seiner Familie mitgeteilt worden sei, binnen zwei Wochen Österreich zu verlassen. Sie seien am 10.01.2013 mit dem Zug nach Deutschland gefahren, wo sie einen Asylantrag gestellt haben. Am 07.08.2013 seien sie von den deutschen Behörden nach Österreich abgeschoben worden.
Er stelle neuerlich einen Asylantrag, weil er nicht in seine Heimat zurückkehren könne. Seine ersten Fluchtgründe seien nach wie vor aufrecht. Sein Rechtsanwalt in Deutschland habe einige Fehler im österreichischen Asylverfahren gefunden und ihm mitgeteilt, dass in Österreich sein Verfahren neu geprüft werden müsse. Dies habe er ihm am 20.03.2013 oder 20.04.2013 mitgeteilt. Er habe von diesem Rechtsanwalt auch eine "Beschwerde" für die deutschen Behörden erhalten und er habe ihm mitgeteilt, dass die österreichischen Behörden diese Beschwerde ebenfalls prüfen sollen.
Im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat fürchte der Beschwerdeführer gefoltert und getötet zu werden.
Mit Schreiben des Bundesasylamtes vom 19.08.2013 wurden dem Beschwerdeführer aktuelle Länderberichte zur Lage in der Russischen Föderation im Allgemeinen und Tschetschenien im Besonderen übermittelt und Gelegenheit gegeben, bis zum 04.09.2013 dazu schriftlich Stellung zu beziehen.
Mit Verfahrensanordnung des Bundesasylamtes gemäß § 29 Abs. 3 AsylG 2005 bzw. § 15a AsylG 2005 iVm § 63 Abs. 2 AVG vom 22.08.2013 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da entschiedene Sache im Sinnes des § 68 AVG vorliege.
Der Beschwerdeführer wurde am 22.08.2013 vom Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle XXXX , im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die russische Sprache niederschriftlich einvernommen und gab an, dass er sich psychisch und physisch in der Lage sehe, Angaben zu seinem Asylverfahren zu machen.
Derzeit befinde sich der Beschwerdeführer in einem "Abschiebelager" in Österreich. Er sei derzeit nicht in der Grundversorgung. Er sei nicht berufstätig und auch nie gewesen. Er habe Deutschkurse besucht und spreche ein wenig Deutsch. Ein Österreich leben ein Bruder sowie zwei Schwestern des Beschwerdeführers. Neffen und Nichten leben auch hier. Ein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis zu diesen bestehe nicht. Die Ehefrau und zwei Kinder des Beschwerdeführers leben auch in Österreich.
Im Herkunftsstaat leben der Vater, drei Schwestern sowie zwei Brüder des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer stelle neuerlich einen Asylantrag, weil man ihn von Deutschland nach Österreich zurückgebrac