TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/27 W215 1268275-3

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Veröffentlicht am 27.02.2019
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Entscheidungsdatum

27.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55

Spruch

W215 1268275-3/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. STARK über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.06.2018, Zahl 332372306-1748062, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkte I. bis V., VII. und VIII. wird gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG, § 57 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, und § 55 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides wie folgt lautet:

"Gemäß § 55 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."

II. Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt IX. wird insoweit stattgegeben, als die Dauer des befristeten Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 1 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, iVm § 53 Abs. 3 Z 1 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, auf zwei Jahre herabgesetzt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, reiste zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 09.05.2005 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.01.2006, Zahl 05 06.696-BAI, wurde dieser Antrag in Spruchpunkt I. gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen und in Spruchpunkt II. gemäß

§ 8 Abs. 1 AsylG 1997 die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation für zulässig erklärt. In Spruchpunkt III. wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen.

Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.01.2006, Zahl 05 06.696-BAI, erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung an den Unabhängigen Bundesasylsenat.

Mit Urteil des XXXX vom XXXX , XXXX , rechtskräftig seit XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, die unter Festsetzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, sowie zu einer Geldstrafe von 240 Tagsätzen zu je 4,00 EUR (480,00 EUR), im Nichteinbringungsfall 120 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt.

Mit Urteil des XXXX vom XXXX , XXXX , rechtskräftig seit XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt; zugleich wurde der mit Urteil vom XXXX bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe widerrufen.

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 14.06.2010, Zahl D14 268275-0/2008/12E, wurde die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.01.2006, Zahl 05 06.696-BAI, erhobene Berufung, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.05.2010, gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 AsylG 1997 und § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG als unbegründet mit der Maßgabe abgewiesen, dass Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides zu lauten hat: "Der Beschwerdeführer XXXX wird gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen."

2. Der Beschwerdeführer kam nach rechtskräftigem Abschluss seines ersten Asylverfahrens seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und verblieb illegal im Bundesgebiet. Er wurde am 07.11.2013 im Zuge einer Verkehrskontrolle angehalten und weigerte sich, seine Identität überprüfen zu lassen, woraufhin er nach den Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes festgenommen wurde und danach einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Im Zuge seiner Erstbefragung am 07.11.2013 sowie seinen niederschriftlichen Befragungen am 27.11.2013 und 11.12.2013 führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass er nach negativer Beendigung seines ersten Asylverfahrens in Österreich trotzdem hiergeblieben sei und sich mit Hilfe von Freunden am Leben erhalten habe. Im Herkunftsland werde er von der Polizei ständig wegen seines Glaubens verfolgt, der Beschwerdeführer sei jede Woche vier- bis fünfmal befragt und sogar geschlagen worden. Die Situation habe sich mittlerweile sogar verschlechtert und bei einer Rückkehr würde er einfach so verschwinden. Er könne nicht nach Hause zurückkehren.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.12.2013, Zahl 13 16.344-EAST Ost, wurde der zweite Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt II.).

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an den Asylgerichtshof. Das zwischenzeitlich neu eingerichtete und nunmehr zur Behandlung der Beschwerde zuständige Bundesverwaltungsgericht erkannte der Beschwerde mit Beschluss vom 04.06.2014, Zahl W133 1268275-2/3Z, gemäß § 17 Abs. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zu. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.06.2015, Zahl

W133 1268275-2/6E, wurde der Beschwerde gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben, da keine entschiedene Sache vorlag.

Im fortgesetzten Verfahren wurde der Beschwerdeführer am 27.04.2017 und 02.05.2018 neuerlich niederschriftlich befragt und machte Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen, Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen.

Mit gegenständlichem angefochtenem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.06.2018, Zahl 332372306-1748062, wurde in Spruchpunkt I. der zweite Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 07.11.2013 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG und in Spruchpunkt II. gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigen in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen. In Spruchpunkt III. wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. In Spruchpunkt IV. wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß

§ 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und in Spruchpunkt V. gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist. In Spruchpunkt VI. wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß

§ 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. In Spruchpunkt VII. wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht. Gemäß § 13 Absatz 2 AsylG habe der Beschwerdeführer sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 07.11.2013 verloren (Spruchpunkt VIII.). In Spruchpunkt IX. wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Gegen diesen Bescheid vom 22.06.2018, Zahl 332372306-1748062, erhob der Beschwerdeführer fristgerecht am 16.07.2018 gegenständliche Beschwerde und führte zusammengefasst aus, dass vor mehr als 13 Jahren aus seinem Heimatland geflohen sei und konkrete und nachvollziehbare Angaben zu seinen Fluchtgründen getätigt habe. Die Behörde habe sich mit seinem Vorbringen nicht entsprechend auseinandergesetzt und sei nicht auf seinen schwer beeinträchtigten Gesundheitszustand sowie sein zwischenzeitlich entstandenes schützenswertes Privatleben eingegangen.

3. Die Beschwerdevorlage vom 16.07.2018 langte am 19.07.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein, wurde aber diesmal der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung W215 zugewiesen.

Mit Teilerkenntnis vom 23.07.2018, Zahl W215 1268275-3/2Z, behob das Bundesverwaltungsgericht Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides gemäß

§ 18 Abs. 5 BFA-VG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017.

Zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde für den 15.10.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt. Es erschienen der Beschwerdeführer und sein Vertreter. Das ordnungsgemäß geladene Bundesamt für Fremdenwesen hatte sich mit Schreiben vom 27.08.2018 für die mündliche Verhandlung entschuldigt. In der Verhandlung wurden die Quellen der zur Entscheidungsfindung herangezogenen Länderinformationen dargetan. Der Beschwerdeführer verzichtete auf Einsichtnahme und Ausfolgung. Das Bundesverwaltungsgericht räumte den Verfahrensparteien vor Schluss der Verhandlung eine zweiwöchige Frist zur Abgabe von Stellungnahmen ein.

Mit Stellungnahme vom 25.10.2018 brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, dass er sehr um seine Integration bemüht und bei ihm von einer günstigen Zukunftsprognose auszugehen sei. Weiters wurden medizinische Dokumente vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1. Die Identität des Beschwerdeführers konnte auch im zweiten Asylverfahren nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, stammt aus Dagestan und ist moslemischen Glaubens. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist XXXX , er spricht darüber hinaus auch Russisch.

Der Beschwerdeführer reiste im Jahr 2005 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 09.05.2005 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.01.2006, Zahl 05 06.696-BAI, abgewiesen wurde. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit rechtskräftigem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 14.06.2010, Zahl D14 268275-0/2008/12E, abgewiesen.

Der Beschwerdeführer verblieb illegal im Bundesgebiet und stellte erst, nachdem er bei einer Verkehrskontrolle zufällig aufgegriffen worden war, am 07.11.2013 einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.12.2013, Zahl

13 16.344-EAST Ost, zurückgewiesen wurde. Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.06.2015, Zahl W133 1268275-2/6E, gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben. Im fortgesetzten Verfahren wurde der zweit Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.06.2018, Zahl 332372306-1748062, in Spruchpunkt I. hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß

§ 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG und in Spruchpunkt II. gemäß § 8 Abs. 1 iVm

§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigen in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen. In Spruchpunkt III. wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. In Spruchpunkt IV. wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und in Spruchpunkt V. gemäß

§ 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist. In Spruchpunkt VI. wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. In Spruchpunkt VII. wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht. Gemäß § 13 Absatz 2 AsylG habe der Beschwerdeführer sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 07.11.2013 verloren (Spruchpunkt VIII.). In Spruchpunkt IX. wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Mit Teilerkenntnis vom 23.07.2018, Zahl W215 1268275-3/2Z, behob das Bundesverwaltungsgericht Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides gemäß

§ 18 Abs. 5 BFA-VG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017.

2. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in der Russischen Föderation von der Polizei aufgrund seines Glaubens einer Verfolgung ausgesetzt war oder sein wird.

3. Der Beschwerdeführer leidet an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten oder schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass er nicht transportfähig oder akut stationär behandlungsbedürftig wäre. Der Beschwerdeführer hat in seinem Herkunftsland im Rahmen der staatlich finanzierten obligatorischen Krankenversicherung Zugang zu kostenfreier medizinischer Versorgung.

Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig, verfügt über Schulbildung und Berufserfahrung und beherrscht sowohl XXXX als auch Russisch. Er hat den Beruf eines XXXX erlernt und XXXX bis zu seiner Ausreise als selbständiger Unternehmer mit XXXX . Der Beschwerdeführer lebte in Dagestan an mehreren Orten, so etwa in XXXX , XXXX , XXXX und XXXX . Er hat in Dagestan Bekannte, mit denen er in Kontakt steht.

4. Der zwei Mal vorbestrafte Beschwerdeführer lebt seit 2005 in Österreich und blieb auch nach der vorangegangenen rechtskräftig negativen Entscheidung trotz Ausreiseverpflichtung illegal im Bundesgebiet. Er verfügte nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens und musste sich somit seines unsicheren Aufenthaltes bewusst sein.

Der Beschwerdeführer wurde erstmals mit Urteil des XXXX vom XXXX , XXXX , rechtskräftig seit XXXX , wegen gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, die unter Festsetzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, sowie zu einer Geldstrafe von 240 Tagsätzen zu je 4,00 EUR (480,00 EUR), im Nichteinbringungsfall 120 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt. Mit Urteil des XXXX vom XXXX , XXXX , rechtskräftig seit XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt; zugleich wurde der mit Urteil vom XXXX bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe widerrufen.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine verwandtschaftlichen Bezugspunkte und auch sonst keine nennenswerten Anknüpfungspunkte sozialer oder wirtschaftlicher Natur. Allfällige Freundschaften sind zu einem Zeitpunkt entstanden, als sich der Beschwerdeführer seines unsicheren Aufenthaltes bewusst gewesen sein musste. Der Beschwerdeführer war in Österreich nie berufstätig und bestreitet seinen Lebensunterhalt in Österreich nicht eigenständig. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung legte er eine Einstellungszusage der XXXX vor, wonach er mit einer Arbeitsberechtigung als Hilfsarbeiter bei der XXXX beginnen könnte. Der Beschwerdeführer absolvierte am XXXX eine A2-Deutschprüfung und zeigte in der mündlichen Verhandlung, dass er die meisten an ihn gestellten Fragen versteht, aber nicht fließend Deutsch sprechen kann.

5. Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wird festgestellt:

Politische Lage

Die Russische Föderation hatte im Juli 2018 mehr als 142 Millionen Einwohner und ist schätzungsweis ca. 1, 8 Mal so groß wie die die U.S.A. (CIA Factbook 08.02.2019 abgefragt am 18.02.2019).

Die Russische Föderation ist eine föderale Republik mit präsidialem Regierungssystem. Am 12.06.1991 erklärte sie ihre staatliche Souveränität. Die Verfassung der Russischen Föderation wurde am 12.12.1993 verabschiedet. Das russische Parlament besteht aus zwei Kammern, der Staatsduma (Volksvertretung) und dem Föderationsrat (Vertretung der Föderationssubjekte). Der Staatspräsident der Russischen Föderation verfügt über sehr weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Seine Amtszeit beträgt sechs Jahre. Amtsinhaber ist seit dem 07.05.2012 Wladimir Putin. Er wurde am 18.03.2018 mit offiziell 76,69% der Stimmen wiedergewählt. Es handelt sich um seine vierte Amtszeit als Staatspräsident. Der bisherige Ministerpräsident Dmitri Medwedjew, Staatspräsident 2008-2012, übernahm am 08.05.2018 erneut das Amt des Ministerpräsidenten (AA Innenpolitik 14.02.2019, abgefragt am 19.02.2019).

Russland ist formal eine Föderation aus 83 Föderationssubjekten. Die im Zuge der völkerrechtswidrigen Annexion erfolgte Eingliederung der ukrainischen Krim und der Stadt Sewastopol als Föderationssubjekte Nr. 84 und 85 in den russischen Staatsverband ist international nicht anerkannt. Die Föderationssubjekte genießen unterschiedliche Autonomiegrade und werden unterschiedlich bezeichnet (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Regionen, Gebiete, Föderale Städte). Die Föderationssubjekte verfügen jeweils über eine eigene Legislative und Exekutive. In der Praxis unterstehen die Regionen aber finanziell und politisch dem föderalen Zentrum. Ihre Gouverneure werden gewählt, aber auch (kommissarisch) durch den Kreml bestimmt. Der Föderationsrat ist als obere Parlamentskammer das Verfassungsorgan, das die Föderationssubjekte auf föderaler Ebene vertritt. Er besteht (einschließlich der vier Vertreter aus den völkerrechtswidrig annektierten Föderationssubjekten Krim und Sewastopol) aus bis zu 187 Mitgliedern (derzeit 169 Mitglieder). Jedes Föderationssubjekt entsendet zwei Vertreter in den Föderationsrat, je einen aus der Exekutive und der Legislative. Der Staatspräsident kann ferner bis zu 17 weitere Senatoren ernennen. Der im September 2000 durch Präsidialdekret geschaffene Staatsrat der Russischen Föderation tagt unter Leitung des Präsidenten und gibt als ausschließlich beratendes Gremium Empfehlungen zu aktuellen politischen Fragen und zu Gesetzesprojekten. Er besteht aus den Gouverneuren der Regionen, den Vorsitzenden von Staatsduma und Föderationsrat sowie den Fraktionsvorsitzenden der in der Staatsduma vertretenen Parteien (AA Innenpolitik 14.02.2019, abgefragt am 19.02.2019).

Die siebte Parlamentswahl in Russland hat am 18.09.2016 stattgefunden. Gewählt wurden die 450 Abgeordneten der russischen Duma. Die Duma-Wahlen wurden vom Dezember auf den September 2016 vorverschoben. Kritiker bemerkten, diese Verschiebung diene der Nichtbeachtung des Wahlkampfs während der Sommerferien sowie dem Erreichen einer geringeren Wahlbeteiligung. Insgesamt waren 14 Parteien angetreten, unter ihnen die oppositionellen Parteien Jabloko und Partei der Volksfreiheit (PARNAS). Die Wahlbeteiligung lag bei 47,8 Prozent. Die meisten Stimmen bei der Wahl, die auch auf der Halbinsel Krim abgehalten wurde, erhielt die von Ministerpräsident Dmitri Medwedew geführte Regierungspartei "Einiges Russland" mit gut 54 Prozent. Nach Angaben der Wahlkommission landete die Kommunistische Partei mit 13,5 Prozent auf Platz zwei, gefolgt von der nationalkonservativen LDPR mit 13,2 Prozent. Die nationalistische Partei "Gerechtes Russland" erhielt 6 Prozent. Diese vier Parteien waren auch bislang schon in der Duma vertreten und stimmten in allen wesentlichen Fragen mit der Mehrheit. Den außerparlamentarischen Oppositionsparteien gelang es nicht die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden. In der Duma verschiebt sich die Macht zugunsten der Regierungspartei "Einiges Russland". Die Partei erreicht im Parlament mit 343 Sitzen deutlich die Zweidrittelmehrheit, die ihr nun Verfassungsänderungen ermöglicht. Die russischen Wahlbeobachter von der NRO Golos berichteten auch in diesem Jahr über viele Verstöße gegen das Wahlrecht (LIP Geschichte und Staat Februar 2019, abgefragt am 19.02.2019).

(CIA, Central Intelligence Agency, The World Factbook, Russia, last update 08.02.2019, abgefragt am 18.02.2019, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html

AA, Auswärtiges Amt, Russische Föderation, Innenpolitik, Stand 14.02.2019, abgefragt am 19.02.2019, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederation-node/-/201710

Geschichte und Staat, letzte Aktualisierung Februar 2019, abgefragt am 19.02.2019, https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat)

Dagestan

Dagestan ist mit ungefähr drei Millionen Einwohnern die größte kaukasische Teilrepublik und wegen seiner Lage am Kaspischen Meer für Russland strategisch wichtig. In der Republik leben drei Dutzend autochthone Nationalitäten, wodurch Dagestan das ethnisch vielfältigste Gebiet des Kaukasus ist (Accord 19.12.2018). Im Unterschied zu den faktisch mono-ethnischen Republiken Tschetschenien und Inguschetien setzt sich die Bevölkerung Dagestans aus einer Vielzahl von Ethnien zusammen. In der Republik gibt es 60 verschiedene Nationalitäten, einschließlich der Vertreter der 30 alteingesessenen Ethnien. Alle sprechen unterschiedliche Sprachen. Dieser Umstand legt die Vielzahl der in Dagestan wirkenden Kräfte fest, begründet die Notwendigkeit eines Interessenausgleichs bei der Lösung entstehender Konflikte und stellt ein Hindernis für eine starke autoritäre Zentralmacht in der Republik dar. Allerdings findet dieser "Interessenausgleich" traditionellerweise nicht auf dem rechtlichen Wege statt, was in Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Clans münden kann (IOM 06.2014).

Dagestan ist hinsichtlich persönlicher Freiheiten bessergestellt als Tschetschenien, bleibt allerdings eine der ärmsten Regionen Russlands, in der die Sicherheitslage zwar angespannt ist, sich in jüngerer Zeit aber verbessert hat. War die weit überwiegende Anzahl von Gewaltopfern bei Auseinandersetzungen zwischen "Aufständischen" und Sicherheitskräften in den Jahren 2015 und 2016 in Dagestan zu verzeichnen, hat die Gewalt in den letzten Jahren abgenommen (AA 21.05.2018). Gründe für den Rückgang der Gewalt sind die konsequente Politik der Repression radikaler Elemente und das rigide Vorgehen der Sicherheitskräfte, aber auch die Abwanderung islamistischer Kämpfer in die Kampfgebiete in Syrien und in den Irak (ÖB Moskau 12.2017).

Was das politische Klima betrifft, gilt die Republik Dagestan im Vergleich zu Tschetschenien noch als relativ liberal. Die Zivilgesellschaft ist hier stärker vertreten als in Tschetschenien. Ebenso existiert - anders als in der Nachbarrepublik - zumindest eine begrenzte Pressefreiheit. Die ethnische Diversität stützt ein gewisses Maß an politischem Pluralismus und steht autokratischen Herrschaftsverhältnissen entgegen. Im Jahr 2006 wurde Muchu Alijew vom Kreml als Präsident an die Spitze der Republik gesetzt. 2013 wurde er von Magomedsalam Magomedow ersetzt. Magomedow war vor allem mit Korruption und Vetternwirtschaft konfrontiert, die auch sein Vorgänger nicht lösen konnte. Anfang 2013 ersetzte der Kreml Magomedow durch Ramzan Abdulatipow, den in Moskau wohl bekanntesten Dagestaner. Abdulatipow galt dort als Experte für interethnische Beziehungen und religiöse Konflikte im Nordkaukasus. Abdulatipows Kampf gegen Korruption und Nepotismus führte zwar zum Austausch von Personal, doch die Strukturen, die dem Problem zugrunde liegen, wurden kaum angetastet. Es war auch nicht zu erwarten, dass sich ein Phänomen wie das Clan- und Seilschaftsprinzip, das für Dagestan so grundlegende gesellschaftlich-politische Bedeutung hat, ohne weiteres würde überwinden lassen. Dieses Prinzip wird nicht nur durch ethnische, sondern auch durch viele andere Zuordnungs- und Gemeinschaftskriterien bestimmt und prägt Politik wie Geschäftsleben der Republik auf entscheidende Weise. Zudem blieb der Kampf gegen den bewaffneten Untergrund oberste Priorität, was reformpolitische Programme in den Hintergrund rückte. Dabei zeugt die Praxis der Anti-Terror-Operationen in der Ära Abdulatipow von einer deutlichen Stärkung der "Siloviki", das heißt des Sicherheitspersonals. Zur Bekämpfung der Rebellen setzt der Sicherheitsapparat alte Methoden ein. Wie in Tschetschenien werden die Häuser von Verwandten der Untergrundkämpfer gesprengt, und verhaftete "Terrorverdächtige" können kaum ein faires Gerichtsverfahren erwarten. Auf Beschwerden von Bürgern über Willkür und Straflosigkeit der Sicherheitskräfte reagierte Abdulatipow mit dem Argument, Dagestan müsse sich "reinigen", was ein hohes Maß an Geduld erfordere (SWP 04.2015). Im Herbst 2017 setzte Präsident Putin ein neues Republiksoberhaupt ein. Mit dem Fraktionsvorsitzenden der Staatspartei Einiges Russland in der Staatsduma und ehemaligen hohen Polizeifunktionär Wladimir Wassiljew schreckte der Kreml die lokalen Eliten auf. Wassiljew ist keiner von ihnen, er war mit Blick auf das zuvor behutsam gepflegte Gleichgewicht der Ethnien wie eine Faust aufs Auge. Der Kreml hatte länger schon damit begonnen, ortsfremde Funktionäre in die Regionen zu entsenden. Im Nordkaukasus hatte er davon Abstand genommen. Immerhin dürfte Wassiljew für ethnische Fragen ein gewisses Gespür mitbringen. Er ist selbst halb Kasache, halb Russe. Wassiljew ist das Gegenmodell zu Kadyrows ungestümer Selbstherrlichkeit. Er ist ein altgedienter Funktionär und einer, der durch den Zugriff Moskaus auf Dagestan - und nicht in Abgrenzung von der Zentralmacht - Ordnung, Sicherheit und wirtschaftliche Prosperität herstellen soll. Mit Wassiljew tritt jemand mit wirklich direktem Draht zur Zentralmacht im Nordkaukasus auf. Das könnte ihn, zumindest für einige Zeit, zum starken Mann in der ganzen Region machen. Dafür allerdings benötigt er genauso die Akzeptanz der Einheimischen (NZZ 12.02.2018).

Als besonders bedeutsam erwies sich die Ablösung des Gouverneurs von Dagestan im Oktober 2017. Putins Wahl zum amtierenden Gouverneur war Wladimir Vasilijew, der Chef der Fraktion des Vereinigten Russland in der Staatsduma und ein ehemaliger Polizeigeneral. Vasilijew Ernennung markiert die erste Ära in der postsowjetischen Geschichte Russlands, in welcher Dagestan von einer Person, die nicht aus der Republik stammt, geleitet wird. Dagestan ist ein komplizierter Vielvölkerstaat, der durch Aufstände und Korruption vor Ort beeinträchtigt ist. In der Vergangenheit hat Moskau in der Regel versucht, sich auf Einheimische zu verlassen, um die widerspenstige Republik zu regieren. Die Ernennung von Vasilijew schien den Wunsch des Kremls zu signalisieren, die aktuellen Verhältnisse zu ändern und die Region nach zentralen Regeln zugänglicher zu machen (FH 11.04.2018)

Anfang 2018 wurden in der Hauptstadt Dagestans, Machatschkala, der damalige Regierungschef [Abdussamad Gamidow], zwei seiner Stellvertreter und ein kurz vorher abgesetzter Minister von föderalen Kräften verhaftet und nach Moskau gebracht. Ihnen wird vorgeworfen, sie hätten eine organisierte kriminelle Gruppierung gebildet zur Ausbeutung der wirtschaftlich abgeschlagenen und am stärksten von allen russischen Regionen am Tropf des Zentralstaats hängenden Nordkaukasus-Republik. Kurz vorher waren bereits der Bürgermeister von Machatschkala und der Stadtarchitekt festgenommen worden (NZZ 12.02.2018).

(Accord, Sicherheitslage in Dagestan, Zeitachse von Angriffen, 19.12.2018,

https://www.ecoi.net/de/laender/russische-foederation/themendossiers/sicherheitslage-in-dagestan-zeitachse-von-angriffen

IOM, International Organisation of Migration, Länderinformationsblatt Russische Föderation), Juni 2014

ÖB, Österreichische Botschaft Moskau, Asylländerbericht Russische Föderation, Dezember 2017

SWP, Stiftung Wissenschaft und Politik, Dagestan, Russlands schwierigste Teilrepublik, April 2015, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2015_S08_hlb_isaeva.pdf

FH, Freedom House, Nations in Transit 2018, 11.04.2018, https://freedomhouse.org/report/nations-transit/2018/russia

AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand April 2018, 21.05.2018

NZZ, Neue Zürcher Zeitung, Durchgreifen in Dagestan: Moskau räumt im Nordkaukasus auf, 12.02.2018,

https://www.nzz.ch/international/moskau-raeumt-im-nordkaukasus-auf-ld.1356351)

Sicherheitslage

Aufgrund verschiedenster Terroranschläge wird zu erhöhter Vorsicht und Wachsamkeit vor allem in öffentlichen Verkehrsmitteln und bei größeren Menschenansammlungen geraten. Konflikte im Nordkaukasus können in der gesamten Russischen Föderation zu Attentaten führen. Es sollte nur wenig Bargeld mitgeführt und Wertgegenstände nicht offen zur Schau gestellt werden. Nachtlokale sollten wegen Überfallsgefahr nur in Begleitung oder in Gruppen verlassen werden. Fernreisen mit dem Zug können unsicher sein. Bei Taxifahrten in den Nachtstunden wird empfohlen, vor dem Einsteigen demonstrativ das Kennzeichen aufzuschreiben und anschließend einen Anruf zu tätigen. Bei Überfällen sollte wegen der möglichen Verwendung von Schusswaffen jeglicher Widerstand vermieden werden (BMEIA 19.02.2019).

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, zu Anschlägen kommen. Todesopfer forderte zuletzt ein Terroranschlag in der Metro von St. Petersburg im April 2017. Die russischen Behörden halten ihre Warnung vor Anschlägen aufrecht und rufen weiterhin zu besonderer Vorsicht auf. Die generelle Empfehlung, besondere Aufmerksamkeit und Vorsicht insbesondere bei Menschenansammlungen und bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel (insbesondere Metro, Bus) walten zu lassen, gilt unverändert. Wie auch in anderen Großstädten kann es in Bars und Clubs russischer Großstädte zu Straftaten kommen. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund wird Wachsamkeit bei der Wahl eines Taxis bzw. die Nutzung registrierter Taxiunternehmen empfohlen. In den touristischen Zentren russischer Städte sowie in größeren Menschenansammlungen (z.B. in der Metro) kommt es darüber hinaus zu Taschendiebstahl, sodass auch hier besondere Achtsamkeit empfohlen wird (AA Reise- und Sicherheitshinweise 19.02.2019).

(BMEIA, Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten Reiseinformation Russische Föderation, Sicherheit und Kriminalität, unverändert gültig seit 16.10.2018, Stand 19.02.2019,

https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/russische-foederation

AA, Auswärtiges Amt, Russische Föderation, Reise- und Sicherheitshinweise, unverändert gültig seit 15.01.2019, Stand 19.02.2019,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederation-node/russischefoederationsicherheit/201536)

Nordkaukasus

Ein von Tschetschenien ausgehendes erhöhtes Gefährdungspotential ist im gesamten Nordkaukasus (Regionen Krasnodar und Stawropol, Republiken Adygeja, Karatschai-Tscherkessien, Nordossetien) gegeben (BMEIA 19.02.2019).

Menschenrechtsorganisationen sehen übereinstimmend bestimmte Teile des Nordkaukasus als den regionalen Schwerpunkt der Menschenrechtsverletzungen in Russland. Hintergrund sind die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und islamistischen Extremisten in der Republik Dagestan, daneben auch in Tschetschenien, Inguschetien und Kabardino-Balkarien. Der westliche Nordkaukasus ist hiervon praktisch nicht mehr betroffen. Auch in den genannten Regionen sind die Zahlen der Getöteten und Verletzten nach Angaben der NRO "Kawkaski Usel" nach 2013 stark zurückgegangen (Olympiade Sotschi). 2016 nahmen die Opferzahlen in Tschetschenien (Verletzte) und in Inguschetien (Verletze und Tote) jedoch wieder zu. Die Opfer der Gewalt sind ganz überwiegend "Aufständische" und Sicherheitskräfte (AA 21.05.2018).

Das Kaukasus-Emirat, das seit 2007 den islamistischen Untergrundkampf im Nordkaukasus koordiniert, ist seit Ende 2014 durch das Überlaufen einiger Feldkommandeure zum sogenannten IS von Spaltungstendenzen erschüttert und geschwächt. Der IS verstärkte 2015 seine russischsprachige Propaganda in Internet-Foren wie Furat Media, ohne dass die Behörden laut Novaya Gazeta diesem Treiben große Aufmerksamkeit widmeten. Am 23. Juni 2015 rief der IS-Sprecher Muhammad al-Adnani ein ‚Wilajat Kavkaz', eine Provinz Kaukasus, als Teil des IS-Kalifats aus. Es war ein propagandistischer Akt, der nicht bedeutet, dass der IS in dieser Region militärisch präsent ist oder sie gar kontrolliert, der aber den zunehmenden Einfluss dieser Terrormiliz auf die islamistische Szene im Nordkaukasus symbolisiert. Zuvor hatten mehr und mehr ideologische und militärische Führer des Kaukasus Emirats dem ‚Kalifen' Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen und sich von al-Qaida abgewandt. Damit bestätigte sich im islamistischen Untergrund im Nordkaukasus ein Trend, dem zuvor schon Dschihad-Netzwerke in Nordafrika, Jemen, Pakistan und Afghanistan gefolgt waren (SWP 10.2015). Das rigide Vorgehen der Sicherheitskräfte, aber auch die Abwanderung islamistischer Kämpfer in die Kampfgebiete in Syrien und in den Irak haben dazu geführt, dass die Gewalt im Nordkaukasus in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen ist. Innerhalb der extremistischen Gruppierungen verschoben sich in den vergangenen Jahren die Sympathien zur regionalen Zweigstelle des sogenannten IS, die mittlerweile das Kaukasus-Emirat praktisch vollständig verdrängt haben soll. Dabei sorgt nicht nur Propaganda und Rekrutierung des IS im Nordkaukasus für Besorgnis der Sicherheitskräfte. So wurden Mitte Dezember 2017 im Nordkaukasus mehrere Kämpfer getötet, die laut Angaben des Anti-Terrorismuskomitees dem sogenannten IS zuzurechnen waren (ÖB Moskau 12.2017). Offiziell kämpfen bis zu 800 erwachsene Tschetschenen für die Terrormiliz IS. Die Dunkelziffer dürfte höher sein (DW 25.01.2018).

Es gibt nach wie vor gewaltsame Konflikte im Nordkaukasus angetrieben von Dschihad-Gruppierungen, interethnischen Konflikten, persönlicher und auf Clanstrukturen beruhender Blutrache und Exzesse durch Sicherheitskräfte (USDOS 20.04.2018).

Die Menschenrechtsorganisation Memorial beschreibt in ihrem Bericht über den Nordkaukasus vom Sommer 2016 eindrücklich, dass die Sicherheitslage für gewöhnliche Bürger zwar stabil ist, Aufständische einerseits und Kritiker der bestehenden Systeme sowie Meinungs- und Menschenrechtsaktivisten andererseits weiterhin repressiven Maßnahmen und Gewalt bis hin zum Tod ausgesetzt sind (AA 21.05.2018).

Im dritten Quartal 2018 gab es nach Angaben von Caucasian Knot im Nordkaukasus 24 Opfer des bewaffneten Konfliktes, 16 davon wurden getötet und 08 verwundet (Caucasian Knot 07.12.2018). Im vierten Quartal 2018 gab es nach Angaben von Caucasian Knot im Nordkaukasus 21 Opfer des bewaffneten Konfliktes, 16 davon wurden getötet und 05 verwundet (Caucasian Knot 31.01.2019).

Im Jänner 2019 gab es nach Angaben von Caucasian Knot im Nordkaukasus 15 Opfer des bewaffneten Konfliktes, 09 davon wurden getötet und 06 verwundet (Caucasian Knot 13.02.2019).

(BMEIA, Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten Reiseinformation Russische Föderation, Sicherheit und Kriminalität, unverändert gültig seit 16.10.2018, Stand 19.02.2019,

https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/russische-foederation

ÖB, Österreichische Botschaft Moskau, Asylländerbericht Russische Föderation, Dezember 2017

USDOS, United States Department of State, Country Report on Human Rights Practices 2017, Russische Föderation, 20.04.2018, https://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/2017/eur/277211.htm

SWP, Stiftung Wissenschaft und Politik, Reaktionen auf den Islamischen Staat (ISIS) in Russland und Nachbarländern, 10.2015, http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2015A85_hlb.pdf

AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand April 2018, 21.05.2018

Caucasian Knot, Statistik zu Konfliktopfern im Nordkaukasus, drittes Quartal 2018, 07.12.2018,

http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/45433/

DW, Deutsche Welle, Tschetschenien: "Wir sind beim IS beliebt", 25.01.2018,

https://www.dw.com/de/tschetschenien-wir-sind-beim-is-beliebt/a-42302520

31.01.2019, Caucasian Knot, Statistik zu Konfliktopfern im Nordkaukasus, viertes Quartal 2018, 31.01.2019, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/46005/

Caucasian Knot, Statistik zu Konfliktopfern im Nordkaukasus Jänner 2019, 13.02.2019, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/46149)

Dagestan

Bei Reisen in den Föderalbezirk Nordkaukasus sowie angrenzende Regionen wird auf die erhöhte Sicherheitsgefährdung hingewiesen. In Inguschetien, Tschetschenien und Dagestan besteht aufgrund von möglichen Anschlägen mit terroristischem Hintergrund, bewaffneten Auseinandersetzungen und Entführungsfällen ein höheres Sicherheitsrisiko als in anderen russischen Landesteilen (AA Reise- und Sicherheitshinweise 19.02.2019).

Die russische Teilrepublik Dagestan im Nordkaukasus gilt seit einigen Jahren als Brutstätte von Terrorismus. Mehr als 1.000 Kämpfer aus dem Land sollen sich dem Islamischen Staat in Syrien und im Irak angeschlossen haben. Terroristen aus Dagestan sind auch in anderen Teilen Russlands und im Ausland aktiv. Viele Radikale aus Dagestan sind außerdem in den Nahen Osten ausgereist. In den Jahren 2013 und 2014 brachen ganze salafistische Familien dorthin auf. Die russischen Behörden halfen den Radikalen damals sogar bei der Ausreise. Vor den Olympischen Spielen in Sotschi wollte Russland möglichst viele Gefährder loswerden. Nach Angaben der Sicherheitsbehörden Dagestans Anfang 2017 kämpften etwa 1.200 Männer aus Dagestan in den Reihen der Terrormiliz Islamischer Staat in Syrien und im Irak. Mittlerweile werden Radikale, die sich terroristischen Organisationen im Ausland anschließen wollen, von den russischen Behörden an der Ausreise gehindert und festgenommen, was die Terrorgefahr in Dagestan erhöht (Deutschlandfunk 28.06.2017). Den russischen Sicherheitskräften werden schwere Menschenrechtsverletzungen bei der Durchführung der Anti-Terror-Operationen in Dagestan vorgeworfen. Das teils brutale Vorgehen der Sicherheitsdienste gekoppelt mit der noch immer instabilen sozialwirtschaftlichen Lage in Dagestan schafft wiederum weiteren Nährboden für die Radikalisierung innerhalb der dortigen Bevölkerung. So werden von den Sicherheitskräften mitunter auch Imame verhaftet, die dem Salafismus anhängen sollen. Aus der Perspektive der Sicherheitsdienste sollen ihre Moscheen als Rekrutierungsstätten für IS-Anhänger dienen, für einen Teil der muslimischen Bevölkerung stellen diese Maßnahmen jedoch ungebührliche Schikanen dar. Relativ häufig kommt es zu Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Extremisten. Letztere gehörten bis vor kurzem primär zum 2007 gegründeten sogenannten Kaukasus-Emirat, bekundeten jedoch vermehrt ihre Loyalität gegenüber dem sog. IS. Die Anhänger des Emirats beanspruchen, den "wahren Islam" in der Region zu vertreten, während die Vertreter des sog. "traditionellen" Islams als korrupt angesehen werden und im Verdacht stehen, der Regierung in Moskau bzw. ihren Repräsentanten in der Region Untertan zu sein. Einige Angriffe auf Polizisten bzw. Polizeieinrichtungen wurden unter dem Deckmantel des IS ausgeführt; im Dezember 2015 bekannte sich der sog. IS zu einem Anschlag auf eine historische Festung in Derbent. Inwieweit der IS nach der territorialen Niederlage im Nahen Osten entsprechende Ressourcen verschieben wird, um im Nordkaukasus weitere terroristische Umtriebe zu entfalten oder die regionale Zweigstelle weiterhin zu Propagandazwecken nutzen wird, um seinen globalen Einfluss zu unterstreichen, wird von den russischen Sicherheitskräften genau verfolgt werden (ÖB Moskau 12.2017).

Dagestan ist hinsichtlich persönlicher Freiheiten besser gestellt als Tschetschenien, bleibt allerdings eine der ärmsten Regionen Russlands, in der die Sicherheitslage zwar angespannt ist, sich in jüngerer Zeit aber verbessert hat: War die weit überwiegende Anzahl von Gewaltopfern bei Auseinandersetzungen zwischen "Aufständischen" und Sicherheitskräften in den Jahren 2015 und 2016 in Dagestan zu verzeichnen, hat die Gewalt in den letzten zwei Jahren abgenommen (Rückgang von 824 Terroropfern in 2011 auf 55 in 2017, davon sechs Zivilisten). Mit der Bekämpfung des islamistischen Untergrunds gehen zahlreiche Menschenrechtsverletzungen durch lokale und föderale Sicherheitsbehörden einher, darunter Entführungen und spurloses Verschwinden. Von dem Vorgehen der Sicherheitsbehörden wegen Verdachts auf Extremismus sind nicht nur Menschenrechtsorganisationen, sondern auch NROs im sozialen/humanitären Bereich betroffen (AA 21.05.2018).

Laut der dagestanischen Regierung sind 108 Personen seit 2014 aus Syrien und dem Irak nach Dagestan zurückgekehrt, wobei gegen 86 strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet wurden. Im Gegensatz zu Tschetschenien gibt es keinen "sicheren Korridor" für Frauen, die aus Syrien zurückkehren. In den letzten Jahren ist es mit der Weiterentwicklung des Aufstands in Dagestan wieder zu einem Anstieg der Gewalt gekommen, wenn auch mit weniger Opfern als während des Höhepunkts des Konflikts 2011. Allerdings hat sich die Art des Aufstands verändert. Das Netzwerk von oftmals recht großen und kampferprobten Gruppen wurde von kleinen, verstreuten, im Verborgenen agierenden Gruppen oder "Schläferzellen", die häufig nur aus einigen wenigen Rekruten bestehen, abgelöst. Laut einem von ICG zitierten Strafverteidiger werde in Gefängnissen intensiv rekrutiert (Accord 19.12.2018).

Im dritten Quartal 2018 gab es nach Angaben von Caucasian Knot in Dagestan elf Opfer des bewaffneten Konfliktes, acht davon wurden getötet und drei verwundet (Caucasian Knot 07.12.2018). Im vierten Quartal 2018 gab es nach Angaben von Caucasian Knot in Dagestan neun Opfer des bewaffneten Konfliktes, drei davon wurden getötet und sechs verwundet (Caucasian Knot 31.01.2019).

Im Jänner 2019 gab es nach Angaben von Caucasian Knot in Dagestan drei Opfer des bewaffneten Konfliktes, drei bewaffnete Widerstandskämpfer wurden getötet (Caucasian Knot 13.02.2019).

(Caucasian Knot, Statistik zu Konfliktopfern im Nordkaukasus, drittes Quartal 2018, 07.12.2018, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/45433/

AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand April 2018, 21.05.2018

Accord, Sicherheitslage in Dagestan, Zeitachse von Angriffen, 19.12.2018,

https://www.ecoi.net/de/laender/russische-foederation/themendossiers/sicherheitslage-in-dagestan-zeitachse-von-angriffen

ÖB, Österreichische Botschaft Moskau, Asylländerbericht Russische Föderation, Dezember 2017

Caucasian Knot, Statistik zu Konfliktopfern im Nordkaukasus, viertes Quartal 2018, 31.01.2019,

http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/46005/

Deutschlandfunk, Anti-Terrorkampf in Dagestan. Russische Methoden, 28.06.2017,

https://www.deutschlandfunk.de/anti-terrorkampf-in-dagestan-russische-methoden.724.de.html?dram:article_id=389824

Caucasian Knot, Statistik zu Konfliktopfern im Nordkaukasus Jänner 2019, 13.02.2019, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/46149

AA, Auswärtiges Amt, Russische Föderation, Reise- und Sicherheitshinweise, unverändert gültig seit 15.01.2019, Stand 19.02.2019,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederation-node/russischefoederationsicherheit/201536)

Justiz

Höchste Rechtsinstanz in Russland ist der Oberste Gerichtshof, daneben gibt es einen Obersten Schiedsgerichtshof. Die Richter dieser Gerichte werden durch den Föderationsrat auf Empfehlung des Präsidenten ernannt. 2003 haben Schwurgerichte ihre Arbeit aufgenommen (LIP Geschichte und Staat Februar 2019, abgefragt am 19.02.2019).

Im Grundrechtsteil der Verfassung ist die Gleichheit aller vor Gesetz und Gericht festgelegt. Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Nationalität, Sprache, Herkunft und Vermögenslage dürfen nicht zu diskriminierender Ungleichbehandlung führen (Art. 19 Abs. 2). Für Strafverfahren gegen Militärangehörige sind Militärgerichte zuständig, die seit 1999 formal in die zivile Gerichtsbarkeit eingegliedert sind (AA 21.05.2018).

Das Gesetz sieht das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren vor, aber die Einmischung der Exekutive in die Justiz und die Korruption in der Justiz untergraben dieses Recht (USDOS 20.04.2018).

Immer wieder legen einzelne Strafprozesse in Russland den Schluss nahe, dass sachfremde Gründe hinter der Strafverfolgung stehen. Am 23.08.2017 wurde bspw. der international tätige und renommierte Theater- und Filmregisseur Kirill Serebrennikow von einem Moskauer Gericht unter Hausarrest gestellt. Es ist nicht auszuschließen, dass das Vorgehen durch dessen kritische Haltung zum russischen Staat motiviert sein könnte. Auch Verfahren gegen hochrangige Beamte wie den ehemaligen Wirtschaftsminister Uljukajew wegen Korruptionsvorwürfen werden oft als Ausdruck von Machtkämpfen verstanden (AA 21.05.2018).

Das Gesetz verlangt, dass Verwandte von Terroristen für die Kosten, welche durch Angriffe verursacht werden, aufkommen, was von Menschenrechtsanwälten als Kollektivbestrafung kritisiert wird (USDOS 20.04.2018).

Im Juli 2015 entschied das russische Verfassungsgericht, dass Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Konfliktfall an der russischen Verfassung zu messen seien. Justiz- und Gerichtswesen unterliegen häufig der Einflussnahme durch die Exekutive und Interessengruppen (AA 21.05.2018).

Das Gesetz verlangt die gerichtliche Genehmigung von Haftbefehlen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen und Inhaftierungen. Die Beamten erfüllen diese Anforderungen in der Regel, obwohl Bestechung oder politischer Druck manchmal den Prozess der Erlangung gerichtlicher Haftbefehle unterwanderten (USDOS 20.04.2018).

Bemerkenswert ist die extrem hohe Verurteilungsquote im Strafprozess. Die Strafen in der Russischen Föderation sind generell erheblich höher als für vergleichbare Delikte in Deutschland, besonders im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität. Die Strafverfolgungsorder Strafzumessungspraxis unterscheidet dabei nicht nach Merkmalen wie ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder Nationalität. Für zu lebenslanger Haft Verurteilte bzw. bei entsprechend umgewandelter Todesstrafe besteht bei guter Führung die Möglichkeit einer Freilassung frühestens nach 25 Jahren. Auch eine Begnadigung durch den Präsidenten ist möglich (AA 21.05.2018).

Repressionen Dritter, die sich gezielt gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe richten, äußern sich hauptsächlich in homophoben, fremden feindlichen oder antisemitischen Straftaten, die von Seiten des Staates nur in einer Minderheit der Fälle zufriedenstellend verfolgt und aufgeklärt werden (AA 21.05.2018).

Unabhängige Prozessbeobachter berichteten, dass in Strafprozessen und Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten systematisch gegen das Recht auf ein faires Verfahren verstoßen wurde. Dies betraf auch Fälle, in denen es um gewaltfreien Protest ging. Die meisten Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten stützten sich auf äußerst umstrittene Polizeiberichte

als einziges Beweismaterial. Die Prozesse endeten mit hohen Geld- und langen Haftstrafen. Oft waren die Verfahren sehr kurz; nach den Protesten am 26.03.2017 verhandelte das für den Moskauer Bezirk Twerskoi zuständige Gericht 476 Fälle an 17 Prozesstagen (AI 22.02.2018).

(USDOS, United States Department of State, Country Report on Human Rights Practices 2017, Russische Föderation, 20.04.2018, https://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/2017/eur/277211.htm

AI, Amnesty International, Report 2017/18, The State of the World's Human Rights, Russian Federation, 22.02.2018, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/russland

AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand April 2018, 21.05.2018

Geschichte und Staat, letzte Aktualisierung Februar 2019, abgefragt am 19.02.2019, https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat)

Dagestan

Menschenrechtsorganisationen berichten glaubwürdig über Strafprozesse auf der Grundlage fingierten Materials gegen angebliche Terroristen aus dem Nordkaukasus, insbesondere Tschetschenien und Dagestan, die aufgrund von z.T. unter Folter erlangten Geständnissen oder gefälschten Beweisen zu hohen Haftstrafen verurteilt worden seien. Auch unabhängig von politisch oder ökonomisch motivierten Strafprozessen begünstigt ein Wetteifern zwischen Strafverfolgungsbehörden um hohe Verurteilungsquoten die Anwendung illegaler Methoden zum Erhalt von "Geständnissen" (AA 21.05.2018).

Der traditionelle Rechtspluralismus, d. h. das Neben- und Miteinander von russischem Recht, Gewohnheitsrecht (adat) und Scharia-Recht, hat sich bis heute erhalten. Mit der Ausbreitung des Salafismus im traditionell sufistisch geprägten Dagestan in den 90er Jahren nahm auch die Einrichtung von Sharia-Gerichten zu. Grund für die zunehmende und inzwischen weit verbreitete Akzeptanz des Scharia-Rechts war bzw. ist u. a. das dysfunktionale und korrupte staatliche Justizwesen, das in hohem Maße durch Ämterkauf und Bestechung geprägt ist. Die verschiedenen Rechtssphären durchdringen sich durchaus: staatliche Rechtsschutzorgane und Scharia-Gerichte agieren nicht losgelöst voneinander, sondern nehmen aufeinander Bezug. Zu den Sitten und Gebräuchen des adat, die bis heute im immer noch durch die traditionellen Clan-Strukturen geprägten Dagestan befolgt werden, gehört auch die Blutrache. Zwar geht die Regionalregierung dagegen vor, doch sind nicht alle Clans bereit, auf das Institut der Blutrache zu verzichten. Ob jemand durch einen Bluträcher bedroht wird, ist öffentlich bekannt und daher im Einzelfall ermittelbar (AA 21.05.2018).

(AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand April 2018, 21.05.2018)

Sicherheitsbehörden

Das Innenministerium, der Föderale Sicherheitsdienst (FSB), die Generalstaatsanwaltschaft und die Nationalgarde sind auf allen Regierungsebenen für den Gesetzesvollzug zuständig. Der FSB ist mit Fragen der Sicherheit, Kampf gegen Spionage und Terrorismusbekämpfung betraut, aber auch mit der Bekämpfung organisierter Kriminalität und Korruption. Die nationale Polizei untersteht dem Innenministerium und ist in föderale, regionale und lokale Einheiten unterteilt. 2016 gründete Präsident Putin die russische Bundesnationalgarde unter der Kontrolle des Präsidenten. Die Nationalgarde sichert zusammen mit dem Grenzschutz und dem FSB die Grenzen, administriert Waffenkontrolle, bekämpft Terrorismus und organisierte Kriminalität, schützt die öffentliche Ordnung und überwacht wichtige staatliche Einrichtungen. Die Nationalgarde beteiligt sich, in Koordination mit dem Verteidigungsministerium, an der bewaffneten Verteidigung des Landes (USDOS 20.04.2018).

Nach dem Gesetz können die Behörden einen Verdächtigen bis zu 48 Stunden ohne gerichtliche Genehmigung festnehmen und festnehmen, sofern es Beweise für ein Verbrechen oder einen Zeugen gibt; Ansonsten ist ein Haftbefehl erforderlich. Das Gesetz verlangt gerichtliche Genehmigung von Haftbefehlen, Fahndungen, Beschlagnahmen und Festnahmen. Behördenvertreter respektieren grundsätzlich diese Voraussetzungen, allerdings unterbinden Bestechungen oder politischer Druck manchmal die Einhaltung des Verfahrens zur Erlangung eines gerichtlichen Haftbefehls. Verhaftete müssen von der Polizei über ihre Rechte aufgeklärt werden und die Polizei muss die Gründe für die Festnahme dokumentieren. Der Verhaftete muss innerhalb von 24 Stunden befragt werden, davor hat er das Recht, für zwei Stunden einen Anwalt zu treffen. Im Allgemeinen werden die rechtlichen Einschränkungen betreffend Inhaftierungen eingehalten, mit Ausnahme des Nordkaukasus (USDOS 20.04.2018).

Nach überzeugenden Angaben von Menschenrechtsorganisationen werden insbesondere sozial Schwache und Obdachlose, Betrunkene, Ausländer und Personen "fremdländischen" Aussehens oft Opfer von Misshandlungen durch Mitarbeiter der Polizei und der Untersuchungsbehörden. Nur ein geringer Teil der Täter wird disziplinarisch oder strafrechtlich verfolgt. Die im Februar 2011 in Kraft getretene Polizeireform hat bislang nicht

zu spürbaren Verbesserungen in diesem Bereich geführt (AA 21.05.2018).

Konflikte zwischen Regierungstruppen, Aufständischen, islamischen Militanten und K

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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