Entscheidungsdatum
28.02.2019Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
W237 2161527-2/20E
BESCHLUSS
In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 11.01.2018, Zl. 171373023-751532008, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX, StA. Russische Föderation, beschließt das Bundesverwaltungsgericht durch den Richter Mag. Martin WERNER:
A)
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018, nicht rechtmäßig. Der mündlich verkündete Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 11.01.2018, Zl. 171373023/751532008, wird aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der am XXXX geborene Beschwerdeführer, ein aus Tschetschenien stammender russischer Staatsangehöriger, kam im September 2005 - damals 15-jährig - gemeinsam mit seiner Mutter und weiteren Geschwistern nach Österreich zu seinem hier bereits aufhältigen Vater. Diesem war mit Bescheid des Bundesasylamts vom 06.05.2004 Asyl gewährt worden. Über entsprechenden Asylantrag vom 20.09.2005 wurde auch dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Bundesasylamts vom 20.10.2005 gemäß § 7 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 129/2004 (im Folgenden: AsylG 1997), Asyl gewährt und gemäß § 12 AsylG 1997 festgestellt, dass dem Beschwerdeführer kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.
2. Nach mehreren strafgerichtlichen Verurteilungen wurde dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 28.10.2016 der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016, wieder aberkannt. Demzufolge wurde gemäß § 7 Abs. 4 leg.cit. festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. Unter einem wurde ausgesprochen, dass dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 leg.cit. der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt werde. Weiters wurde mit diesem Bescheid gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 leg.cit. iVm § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 25/2016, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016, erlassen. Schließlich stellte das BFA noch gemäß § 52 Abs. 9 leg.cit. fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation zulässig sei. Dieser Bescheid erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.
3. In der Folge erging der Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 29.05.2017, mit dem zunächst ausgesprochen wurde, dass dem Beschwerdeführer Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016, nicht erteilt werden. Gemäß § 10 Abs. 2 leg.cit. iVm § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 25/2016, wurde gegen den Beschwerdeführer (neuerlich) eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016, erlassen und damit gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 leg.cit. ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot verbunden. Weiters wurde auch in diesem Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 leg.cit. festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers "nach Russland" zulässig sei.
4. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 21.06.2017 als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Der Beschwerdeführer erhob gegen diese Entscheidung Revision, die der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 31.08.2017 zurückwies.
5. Am 11.12.2017 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Strafhaft einen Antrag auf internationalen Schutz.
5.1. Im Rahmen der Erstbefragung am selben Tag gab er an, dass sein Leben und jenes seines Vaters bei einer Rückkehr in die Russische Föderation in Gefahr wären. Dafür gebe es auch konkrete Hinweise; Beweise wolle er erst in einem "persönlichen Gespräch" vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorlegen.
5.2. In einer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 11.01.2018 brachte der Beschwerdeführer vor, sich im Jahr 2012 mit zwei Freunden, die später in Syrien getötet worden seien, in der Slowakei aufgehalten zu haben. Dort habe er mit diesen Fotos gemacht, auf denen er in Kampfanzügen zu sehen sei. Diese Fotos seien in die Hände des tschetschenischen Machthabers Ramzan Kadyrov geraten, der nunmehr glaube, dass der Beschwerdeführer in Syrien als Kämpfer aktiv gewesen sei, obwohl dies nicht den Tatsachen entspreche. Tschetschenische Sicherheitskräfte hätten sich mit dem Foto zur Großmutter des Beschwerdeführers begeben und gefragt, ob sie ihren Enkelsohn darauf erkenne. Seine Großmutter habe geantwortet, dass sie den Beschwerdeführer schon viele Jahre nicht gesehen habe. Bekannte hätten daraufhin seinen Bruder angerufen und ihm das Foto per SMS geschickt. Außerdem gebe es Zeugen, die bestätigten, dass der Beschwerdeführer in Wien an Demonstrationen teilgenommen habe. Die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers lebten als anerkannte Flüchtlinge in Österreich, des Weiteren sei er mit seiner Lebensgefährtin nach islamischem Recht verheiratet. Seine in Österreich begangenen Straftaten erachte er als Fehler, den er nicht mehr begehen werde. Nach seiner Haftentlassung könne er bei einer nicht näher genannten Firma zu arbeiten beginnen. Der Beschwerdeführer betrachte sich als Österreicher.
5.3. Mit dem im Anschluss an diese Einvernahme mündlich verkündeten Bescheid vom 11.01.2018 hob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017, den faktischen Abschiebeschutz auf. Nach Wiedergabe des Verfahrensgangs und Feststellung der strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers führte das Bundesamt aus, dass der Beschwerdeführer zwar neue Fluchtgründe vorgebracht habe, diese allerdings nicht glaubhaft seien. Es liege ein "Folgeantrag" vor, das "Vorverfahren" des Beschwerdeführers sei in Rechtskraft erwachsen. Die gegen ihn ausgesprochene Rückkehrentscheidung sei aufrecht, zumal der Beschwerdeführer das Bundesgebiet seither nicht verlassen habe. Der Beschwerdeführer verfüge über kein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet und sein Antrag auf internationalen Schutz sei voraussichtlich zurückzuweisen, weil das Vorbringen jeglicher entscheidungsrelevanter asyl- bzw. refoulementrelevanter Sachverhalte entbehre. Auch die allgemeine Lage in der Russischen Föderation habe sich nicht entscheidungswesentlich geändert. Bereits im "Vorverfahren" sei festgestellt worden, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr oder Abschiebung in seinen Herkunftsstaat keine Verletzung seiner Integrität drohe. Weder hätten sich nunmehr die allgemeine Lage, noch sein körperlicher Zustand entscheidungswesentlich geändert. Dies treffe auch auf seine persönlichen Verhältnisse zu, weshalb keine Gefahr einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 2, 3 oder 8 EMRK zu erkennen seien. Es lägen somit "alle Voraussetzungen für eine Aufhebung des Abschiebeschutzes vor".
5.4. Das Bundesamt legte die Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes vor. Die Akten langten am 15.01.2018 bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichts ein.
5.5. Mit Beschluss vom 19.01.2018 stellte das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 12a Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 fest, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes nicht rechtmäßig sei, und hob den mündlich verkündeten Bescheid vom 11.01.2018 auf. Begründend führte es aus, dass gegenständlich kein Folgeantrag im Sinne § 12a Abs. 1 AsylG 2005 vorliege, weil der Beschwerdeführer vor seinem Antrag vom 11.12.2017 noch nie einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Der einzige asylrechtliche Antrag des Beschwerdeführers sei sein Asylantrag nach dem Asylgesetz 1997 vom 20.09.2005 gewesen, dem mit Bescheid des Bundesasylamts vom 20.10.2005 Folge gegeben worden sei. Die Folgeantragsdefinition sei im vorliegenden Fall damit nicht erfüllt. Die Revision zu dieser Frage wurde zugelassen.
5.6. Aus Anlass der dagegen durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erhobenen Amtsrevision hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 23.01.2019 den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.01.2018 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf. Es herrsche eine Kontinuität und ein inhaltlicher Gleichklang der hier fraglichen Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 und des Asylgesetzes 2005; der Prüfungsgegenstand sei als ident anzusehen. Angesichts dessen könne der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts, von einem Folgeantrag könne immer nur dann gesprochen werden, wenn auch schon der frühere Antrag nach dem Asylgesetz 2005 gestellt worden sei, nicht gefolgt werden.
Der Verwaltungsgerichtshof legte die Verfahrensakten dem Bundesverwaltungsgericht am 13.02.2019 vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zum Verfahrensgang:
Der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang wird festgestellt. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf bislang keine Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 11.12.2017.
1.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
1.2.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation und gehört der tschetschenischen Volksgruppe an. Seine Identität steht fest.
1.2.2. Seit Ende seines 16. Lebensjahres lebte er mit seinen Eltern und Geschwistern als anerkannter Flüchtling in Österreich, besuchte hier die Schule und war als Security beruflich tätig.
1.2.3. Im Bundesgebiet beging der Beschwerdeführer wiederholt mehrere Straftaten:
Mit Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom XXXX wurde der Beschwerdeführer gemäß § 107 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwei Monaten verurteilt, welche unter Setzung einer Probezeit im Ausmaß von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Das Landesgericht Klagenfurt verurteilte den Beschwerdeführer erneut am XXXX gemäß § 223 Abs. 2, § 224 und § 229 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von fünf Monaten, welche unter Setzung einer Probezeit im Ausmaß von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Weiters wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom XXXXgemäß § 218 Abs. 1 Z 1 StGB und § 202 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwölf Monaten verurteilt, wovon ein Teil von neun Monaten unter Setzung einer Probezeit im Ausmaß von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Schließlich verurteilte das Landesgericht für Strafsachen Wien den Beschwerdeführer am XXXX wegen des Verbrechens gemäß § 15 iVm §§ 127, 131 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren.
Der Beschwerdeführer hat seine Strafhaft mittlerweile verbüßt und lebt derzeit (seit Anfang des Jahres 2019) in XXXX Wien.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte sowie festgestellte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesasylamts und des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl sowie der den Beschwerdeführer betreffenden Gerichtsakten. Der Verfahrensgang bis zur Antragstellung vom 11.12.2017 wurde auch im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 31.08.2017, Ra 2017/21/0127, in der angeführten Form dargelegt. Dass das Bundesamt bis dato keine Entscheidung über den Antrag vom 11.12.2017 traf, ergibt sich aus einem aktuellen Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister.
2.2. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Die Identität und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers konnten anhand seiner Angaben in den bisherigen Verfahren sowie der im (ersten) Verwaltungsakt aufliegenden Kopie seiner russischen Dokumente festgestellt werden. Die Feststellungen zu seinem Leben bis zum letztmaligen Haftantritt waren nach seinen diesbezüglich unbedenklichen Angaben zu treffen. Seine strafgerichtlichen Verurteilungen ergeben sich aus den in den Verfahrensakten aufliegenden Kopien der ihn betreffenden Urteile der angeführten Strafgerichte und wurden bereits im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.06.2017 sowie im Beschluss vom 19.01.2018 festgestellt. Dass der Beschwerdeführer nach Verbüßung seiner Strafhaft seit Anfang dieses Jahres in XXXX Wien wohnt, ist einem aktuellen Auszug aus dem zentralen Melderegister zu entnehmen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Mit mündlich verkündetem Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 11.01.2018 wurde dem Beschwerdeführer der faktische Abschiebeschutz, der ihm seit der Stellung seines Antrags auf internationalen Schutz am 11.12.2017 zukam, gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aberkannt.
Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 legte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Verwaltungsakten am 15.01.2018 dem Bundesverwaltungsgericht vor, was als "Beschwerde an das Bundeverwaltungsgericht" gilt (aufgrund dieser gesetzlich normierten Beschwerdefiktion wird die in Rede stehende Person, die am 11.12.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte, in der vorliegenden Entscheidung auch als "Beschwerdeführer" bezeichnet). Das Bundesverwaltungsgericht hatte die Entscheidung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 11.01.2018 gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen, was mit Beschluss vom 19.01.2018, mit welchem die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes mangels Vorliegens eines Folgeantrags für nicht rechtmäßig befunden wurde, erfolgte.
Nach der Aufhebung des Beschlusses vom 19.01.2018 durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.01.2019 ist seitens des Bundesverwaltungsgerichts eine neuerliche Entscheidung zu treffen und die Entscheidungsfrist des § 22 Abs. 3 BFA-VG wieder offen. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes ist mit Beschluss zu entscheiden (vgl. § 22 Abs. 10 letzter Satz AsylG 2005).
3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen (in der Sache) lauten:
Der faktische Abschiebeschutz in Zusammenhang mit Anträgen auf internationalen Schutz ist in den §§ 12 und 12a AsylG 2005 normiert:
"Faktischer Abschiebeschutz
§ 12. (1) Ein Fremder, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, kann, außer in den Fällen des § 12a, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder nach einer Einstellung bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 24 Abs. 2 nicht mehr zulässig ist, weder zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden (faktischer Abschiebeschutz); § 32 bleibt unberührt. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet ist zulässig. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt. § 16 Abs. 4 BFA-VG gilt.
(2) Der Aufenthalt eines Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und dem kein Aufenthaltsrecht zukommt, ist für die Dauer des Zulassungsverfahrens vor dem Bundesamt lediglich im Gebiet der Bezirksverwaltungsbehörde, in dem sich sein Aufenthaltsort im Sinne des § 15 Abs. 1 Z 4 befindet, zulässig. Darüber hinaus ist sein Aufenthalt im gesamten Bundesgebiet zulässig, wenn und solange dies
1. zur Erfüllung von gesetzlichen Pflichten notwendig ist;
2. notwendig ist, um Ladungen von Gerichten, Staatsanwaltschaften und Verwaltungsbehörden Folge zu leisten oder
3. für die Inanspruchnahme einer medizinischen Versorgung und Behandlung notwendig ist.
Nach Abschluss des Zulassungsverfahrens vor dem Bundesamt ist der Aufenthalt des Fremden, solange ihm faktischer Abschiebeschutz zukommt, im gesamten Bundesgebiet zulässig.
(3) Der Aufenthalt gemäß Abs. 1 und 2 stellt kein Aufenthaltsrecht gemäß § 13 dar.
Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen
§ 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn
1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,
2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,
3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und
4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.
(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,
2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(3) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gemäß Abs. 2 binnen achtzehn Tagen vor einem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn zum Antragszeitpunkt
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,
2. der Fremde über den Abschiebetermin zuvor nachweislich informiert worden ist und
3. darüber hinaus
a) sich der Fremde in Schub-, Straf- oder Untersuchungshaft befindet;
b) gegen den Fremden ein gelinderes Mittel (§ 77 FPG) angewandt wird, oder
c) der Fremde nach einer Festnahme gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 BFA-VG iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG angehalten wird.
Liegt eine der Voraussetzungen der Z 1 bis 3 nicht vor, ist gemäß Abs. 2 vorzugehen. Für die Berechnung der achtzehntägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht.
(4) In den Fällen des Abs. 3 hat das Bundesamt dem Fremden den faktischen Abschiebeschutz in Ausnahmefällen zuzuerkennen, wenn der Folgeantrag nicht zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn
1. der Fremde anlässlich der Befragung oder Einvernahme (§ 19) glaubhaft macht, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen konnte oder
2. sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hat.
Über das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu entscheiden. Wurde der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, hat sich die Prüfung des faktischen Abschiebeschutzes auf das Vorliegen der Voraussetzung der Z 2 zu beschränken. Für die Berechnung der zweitägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht. Die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes steht einer weiteren Verfahrensführung gemäß Abs. 2 nicht entgegen.
(5) Abweichend von §§ 17 Abs. 4 und 29 Abs. 1 beginnt das Zulassungsverfahren in den Fällen des Abs. 1 und 3 bereits mit der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz.
(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, Ausweisungen gemäß § 66 FPG und Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt wurden."
3.3. Der mündlich verkündete Bescheid vom 11.01.2018 kann zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt aus zwei Gründen keinen Bestand (mehr) haben:
3.3.1. Zum einen lässt sich nach Verstreichen einer Dauer von über einem Jahr seit der letzten Einvernahme mit dem Beschwerdeführer ohne eine neuerliche Befragung zu Aspekten seines im Bundesgebiet entfalteten Privat- und Familienlebens keine Beurteilung mehr dahingehend treffen, ob seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eine reale Gefahr einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 8 EMRK darstellen würde (§ 12a Abs. 2 Z 3 AsylG 2005). So konnten - im Gegensatz zum hg. Beschluss vom 19.01.2018 - in der vorliegenden Entscheidung keine Feststellungen mehr zu seinem Privatleben in Österreich getroffen werden, zumal er seine Strafhaft Ende des Jahres 2018 verbüßte und seit Anfang 2019 in Wien privat wohnhaft ist. Insbesondere vermochte das Bundesverwaltungsgericht mangels zeitnaher eigener Angaben des Beschwerdeführers auch seinen aktuellen Familienstand nicht festzustellen; so sprach er in seiner (letztmaligen) Einvernahme vom 11.01.2018 davon, eine Lebensgefährtin zu haben - ob diese Beziehung noch besteht oder daraus allenfalls weitere für sein Privat- und/oder Familienleben maßgebliche Umstände entstanden, ist zum Entscheidungszeitpunkt ohne eine neuerliche Befragung des Beschwerdeführers nicht beurteilbar. Da das Verfahren über die Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes - zumindest grundsätzlich (vgl. VwGH 19.12.2017, Ra 2017/18/0451, 0452) - gemäß § 22 Abs. 1 zweiter Satz BFA-VG ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden ist, wird der Beschwerdeführer im weiteren Verfahren über seinen Antrag auf internationalen Schutz vom 11.12.2017 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl neuerdings zu befragen sein.
3.3.2. § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 stellt als Tatbestandsvoraussetzung für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes weiters darauf ab, dass der Antrag auf internationalen Schutz voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang ausgesprochen, dass in Gesamtschau der die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes normierenden (Verfahrens-)Bestimmungen damit nur gemeint sein könne, dass bereits bei einer Grobprüfung des Antrags dessen (spätere) Zurückweisung mangels entscheidungswesentlicher Änderung des Sachverhalts auf der Hand liegen müsse. Nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, berechtige daher zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005. Es müsse sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann könne auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolge, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen rechtskräftigen Vorentscheidung zu verhindern (vgl. VwGH 12.12.2018, Ra 2018/19/0010).
3.3.2.1. Dass der Mangel einer entscheidungswesentlichen Änderung des Sachverhalts seit Rechtskraft des Aberkennungsbescheids des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 28.10.2016 - mit diesem wurde letztmalig materiell über die Sache (Asyl und subsidiärer Schutz) abgesprochen, weshalb er den "Vergleichsbescheid" darstellt (vgl. VwGH 15.03.2010, 2006/01/0316) - geradezu auf der Hand liegen würde, kann im vorliegenden Fall jedoch nicht gesagt werden:
3.3.2.2. Der Beschwerdeführer begründete seinen Antrag vom 11.12.2017 damit, dass er sich im Jahr 2012 mit zwei Freunden, die später in Syrien getötet worden seien, in der Slowakei aufgehalten und dort Fotos in Kampfanzügen angefertigt habe. Diese Fotos seien in die Hände des tschetschenischen Machthabers Ramzan Kadyrov geraten, der nunmehr glaube, dass der Beschwerdeführer in Syrien als Kämpfer aktiv gewesen sei, obwohl dies nicht den Tatsachen entspreche. Tschetschenische Sicherheitskräfte hätten sich mit dem Foto zur Großmutter des Beschwerdeführers begeben und gefragt, ob sie ihren Enkelsohn darauf erkenne. Seine Großmutter habe daraufhin geantwortet, dass sie den Beschwerdeführer schon viele Jahre nicht gesehen habe. Außerdem gebe es Zeugen, die bestätigten, dass der Beschwerdeführer in Wien an Demonstrationen teilgenommen habe.
Dieses Vorbringen wurde zumindest nach der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Aktenlage seitens des Beschwerdeführers bislang noch nicht erstattet. Es handelt sich auch nicht um ein Vorbringen, das sich zur Gänze auf Zeitpunkte vor der Rechtskraft des Aberkennungsbescheids vom 28.10.2016 beziehen würde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vermochte im zu überprüfenden Bescheid vom 11.01.2018 die Angaben des Beschwerdeführers selbst bloß - ohne nähere Begründung - als "nicht glaubhaft" zu beurteilen, ohne damit aufzuzeigen, dass durch dieses Vorbringen keine neue Sache im Sinne der maßgeblichen Judikatur dargetan werden würde (zur Darstellung der Rechtsprechungsgrundsätze zum Vorliegen einer "entschiedenen Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG vgl. für viele BVwG 28.09.2018, W237 2191786-2, Pkt. II.3.2.1.).
3.3.2.3. Auf Grundlage der dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Verwaltungsakten kann daher das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 im Sinne der aufgezeigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht bejaht werden.
3.4. Der mündlich verkündete Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 11.01.2018 ist daher aufzuheben.
4. Lediglich ergänzend hält das Bundesverwaltungsgericht fest, dass im vorliegenden Fall kein Grund ersichtlich ist, warum das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl über den Antrag auf internationalen Schutz vom 11.12.2017 bis zum Entscheidungszeitpunkt keine Entscheidung - weder zurückweisend noch inhaltlich - traf. Eine solche hätte nach Erlassung des hg. Beschlusses vom 19.01.2018 jedenfalls erfolgen können, woran auch das beim Verwaltungsgerichtshof sodann anhängige Revisionsverfahren nichts geändert hätte; durch eine Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz hätte sich schließlich auch der nunmehrige Beschluss über die (neuerliche) Behebung des mündlich verkündeten Bescheids vom 11.01.2018 erübrigt.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Judikatur wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Bescheid, faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung nicht rechtmäßig,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W237.2161527.2.00Zuletzt aktualisiert am
16.04.2019