TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/28 W154 2215128-1

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Veröffentlicht am 28.02.2019
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Entscheidungsdatum

28.02.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35

Spruch

W154 2215128-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA Nigeria, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.02.2019 zur Zl. 467399206 - 190171346/BMI-BFA_WIEN_RD, sowie die Anhaltung in Schubhaft seit 18.02.2019 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Gleichzeitig wird die Anhaltung in Schubhaft seit 18.02.2019 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

III. Der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

IV. Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG iVm VwGAufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters den Verfahrensaufwand in Höhe von 736,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

V. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit dem oben im Spruch angeführten Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde über den Beschwerdeführer (in Folge: BF) gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) iVm. § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der Bescheid wurde dem BF persönlich am 18.02.2019 zugestellt.

Am 26.02.2019 langte die Schubhaftbeschwerde des BF beim Bundesverwaltungsgericht ein. Darin wurde beantragt auszusprechen, dass die Anordnung der Schubhaft und die bisherige Anhaltung in rechtswidriger Weise erfolgt sei, und auszusprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft nicht vorliegen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen sowie der belangten Behörde die Kosten im gesetzlichen Ausmaß aufzuerlegen.

Die Rechtswidrigkeit der Verhängung der Schubhaft wurde im Wesentlichen damit begründet, dass Fluchtgefahr im Fall des BF nicht gegeben sei, zumal der BF in Österreich sozial stark verankert sei und zusammen mit seiner Lebensgefährtin und den gemeinsamen Kindern an einem gemeinsamen Wohnsitz leben würde. Er werde von seiner Lebensgefährtin finanziell versorgt und bringe sich in der Kinderbetreuung ein. Er bringe die Kinder jeden Tag in den Kindergarten, weshalb Fluchtgefahr schon aus jenem Grund nicht gegeben sei. Des Weiteren macht die Beschwerde Unverhältnismäßigkeit der Haft und die Nicht-Anwendung eines gelinderen Mittels geltend.

Auf Ersuchen der zuständigen Gerichtsabteilung wurden dem Bundesverwaltungsgericht in Folge vom BFA die Verwaltungsakten übermittelt und eine Stellungnahme erstattet. Darin führte die belangte Behörde wie folgt aus:

"Seit 18.07.2018 besteht gegen Herrn XXXX( BF) eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung. Am 23.10.2018 wurde ein Antrag gem. § 55 AsylG rechtskräftig gem. § 58 Abs. 10 AsylG zurückgewiesen. Der BF verblieb illegal im Bundesgebiet und ist der verpflichtenden Ausreise nicht nachgekommen.

Am 11.10.2018 wurde mittels Aktenvermerk festgestellt( Seite 129), dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig ist. Es konnte die Abschiebung für den 18.10.2018 organisiert werden und wurde ein Festnahmeauftrag gem. §34 Abs. 3 Ziffer 3 BFA-VG erlassen.

Am 16.10.2018 stellte der rechtsfreundliche Vertreter einen Antrag auf Aufhebung der Schubhaft.

Am 17.10.2018 wurde durch den VfGH die aufschiebende Wirkung im Verfahren INT. zuerkannt. Der BF wurde aus der Haft entlassen.

Am 27.11.2018 wurde die Beschwerde vor dem VfGH abgelehnt.

Es konnte nunmehr eine neuerliche Abschiebung für den 30.01.2019 organisiert werden.

Am 28.01.2019 wurde versucht den BF an der Wohnadresse in Wien 12, XXXX festzunehmen. Der BF konnte nicht vorgefunden werden und gab die Lebensgefährtin Frau XXXX an, dass der BF mit dem Zug weggefahren sein soll und vermutlich die nächsten zwei oder drei Wochen nicht nach Hause kommen wird.

Die Abschiebung musste storniert werden und wurde ein Festnahmeauftrag ausgeschrieben.

Gleichzeitig wurde auch die amtliche Abmeldung eingeleitet.

Am 18.02.2019 um 11:15 Uhr wurde der BF an der Adresse in Wien 7, XXXX( XXXX) angetroffen. Die einschreitenden Beamten der PI Stiftgasse nahmen den BF nach den Bestimmungen des BFA-VG fest und wurde der BF in das PAZ HG eingeliefert.

Am 18.02.2019 um 15:31 Uhr wurde der BF niederschriftlich einvernommen.

Am 18.02.2019 um 16:42 Uhr wurde der Schubbescheid dem BF persönlich zugestellt.

Am 21.02.2019 wurde der BF neuerlich einvernommen.

Am 25.02.2019 wurde ein Ansuchen gestellt, um die Obsorge der beiden minderjährigen Kinder des BF abklären zu lassen.

Es ist eine Einzelabschiebung nach Nigeria beabsichtigt.

Am 26.02.2019 um 13:31 Uhr langte die Schubhaftbeschwerde ein.

Der Beschwerde wird entgegengehalten, dass im Schubbescheid die Fluchtgefahr, die Verhältnismäßigkeit der Entscheidung und die Nichtanwendung des gelinderen Mittels entsprechend gewürdigt wurden.

Im Rahmen eines Abschiebeversuches konnte der BF an der Wohnadresse in Wien 12 nicht angetroffen werden. Die Lebensgefährtin teilte den einschreitenden Beamten mit, dass der BF für 2 oder 3 Wochen weggefahren wäre. Der BF wurde zufällig am 18.02.2019 betreten, da gegen den BF ein Abmeldeverfahren eingeleitet und im Rahmen dieses Verfahren eine persönliche Vorsprache vor derXXXX erfolgte und der vorliegende Festnameauftrag festgestellt wurde.

Das Verhalten des BF lässt klar erkennen, dass der BF alles unternehmen würde, um sich der drohenden Abschiebung zu entziehen. Es ist auch nicht auszuschließen, dass im Fall eines neuerlichen Beziehungsproblems der BF wiederum die gemeinsame Wohnung verlässt und sich unbekannten Aufenthaltes aufhält. Außerdem ist der BF in Kenntnis, dass die Behörde die Abschiebung nach Nigeria organisiert und wird daher alles daran setzen, um sich diesem Verfahren zur Sicherung der Abschiebung zu entziehen.

Im Verfahren INT wurde die Lebensgefährtin als Zeugin einvernommen und erging eine Entscheidung zu Ungunsten des BF. Auch eine Beschwerde vor dem VfGH wurde abgewiesen.

Während des Aufenthaltes in Österreich wurde der BF massiv straffällig und besteht auch aus diesem Grund ein öffentliches Interesse an der Vollstreckung der bestehenden Ausreiseverpflichtung.

Im Gegensatz zu den Ausführungen des BF wurden die Fluchtgefahr und die Nichtanwendung des gelinderen Mittels entsprechend begründet.

Ein gültiges HZ ist vorhanden und kann daher die Abschiebung zeitnah organisiert werden. Zuvor muss noch die Antwort bezüglich der Obsorgeregelung abgewartet werden.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Risiko, dass der BFA untergetaucht wäre, um sich dem Verfahren der Abschiebung nach Nigeria zu entziehen, als schlüssig anzusehen war.

Der Sicherungsbedarf war somit gegeben."

In der Stellungnahme beantragte die belangte Behörde abschließend die Abweisung der Beschwerde sowie die Feststellung gemäß § 83 Abs. 4 FPG, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen sowie den Ersatz der verzeichneten Kosten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger von Nigeria und nicht österreichischer Staatsangehöriger. Seine Identität steht aufgrund der Feststellungen der Behörden seines Heimatlandes fest.

Der BF stellte am 03.10.2008 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz im österreichischen Bundesgebiet. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.06.2009 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen und der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

Die gegen diesen Bescheid des Bundesasylamtes erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 30.07.2010, ZI. A9 407.823-1/2009/10E, gemäß §§ 3, 8, 10 Asylgesetz 2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 135/2009 (AsylG), als unbegründet abgewiesen.

Am 18.08.2010 stellte der BF einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Mit daraufhin mündlich verkündetem Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.04.2011 wurde der faktische Abschiebeschutz des Asylwerbers gemäß § 12 a Abs. 2 AsylG 2005 idgF aufgehoben und der mündlich verkündete Bescheid in der Niederschrift gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 und § 62 Abs. 2 AVG beurkundet. Mit Beschluss des Asylgerichtshofs vom 26. April 2011, ZI. A9 407.823-2/2011/2E, wurde die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12 a Abs 2 iVm § 41 a AsylG 2005 als rechtmäßig entschieden. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.01.2018, Zl. 467399206 - 1290848 EAST-Ost, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I). Mit Spruchpunkt II. wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 und § 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz erlassen, und es wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist. Mit Spruchpunkt III. wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG festgelegt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht. Gegen diesen Bescheid wurde Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Mit schriftlicher Ausfertigung vom 31.07.2018 des am 18.07.2018 verkündeten Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes, GZ: I407 1407823-3/21E, wurde die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen und die Revision dagegen für nicht zulässig erklärt. Gegen diese Entscheidung erhob der BF Erkenntnisbeschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 17.10.2018 wurde dem gestellten Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, Folge gegeben. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 27.11.2018 wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt sowie mit Beschluss vom 27.11.2018 die Beschwerde über nachträglichen Antrag dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist das Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof anhängig.

Der BF ist seit mindestens Oktober 2008 in Österreich aufhältig und lebt seit 02.06.2017 mit seiner in Österreich aufenthaltsberechtigten Lebensgefährtin, Frau XXXX, StA Nigeria und der gemeinsamen Tochter, XXXX, geb. XXXX, StA Nigeria, sowie seiner Stieftochter XXXX geb. XXXX, StA Österreich, an einem gemeinsamen Wohnsitz zusammen. Es besteht eine enge persönliche Bindung zwischen dem BF und den beiden Kindern.

Der BF wurde vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu GZ 152 HV 14/2009G vom 05.05.2009 wegen des unerlaubten Umgangs mit Suchtmitteln (§27 Abs 1/1 (8. Fall) und § 27/3 SMG) als junger Erwachsener zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten, bedingt, verurteilt. Die bedingte Nachsicht der Strafe wurde am 22.04.2014 widerrufen.

Der BF wurde vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu GZ 153 HV 100/2009M am 11.12.2009 wegen des unerlaubten Umgangs mit Suchtmitteln (§27 Abs 1/1 (8. Fall) und § 27/3 SMG) als junger Erwachsener zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten, verurteilt.

Am 22.04.2014 wurde der BF vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu GZ 065 HV 54/2014g wegen des unerlaubten Umgangs mit Suchtmitteln (§ 27 (1) Z 1, 1. u. 2. Fall SMG, §§ 27 (1) Z 1, 8. Fall, 27 (3) SMG) zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt. Mildernd wurde bei dieser Strafzumessung das reumütige Geständnis, erschwerend das Vorliegen zweier einschlägiger Vorstrafen, das Zusammentreffen zweier Vergehen sowie der Tatsache, dass der Beschwerdeführer bereits zweimal wegen Taten, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, berücksichtigt.

Der BF stand bis Dezember 2018 im Bezug von Mitteln aus der Arbeitslosenversicherung und verfügt lediglich über wenig Barmittel. Der Beschwerdeführer ist mit Ausnahme verschiedener Tätigkeiten während seiner Strafhaft bislang keiner regelmäßigen Beschäftigung in Österreich nachgegangen und ist nicht selbsterhaltungsfähig. In einem Vergleich vom 22.11.2016 wurde der BF seitens des Bezirksgerichtes Meidling zur monatlichen Unterhaltsleistung in der Höhe von € 50.- an seine leibliche Tochter XXXX bis zu deren Selbsterhaltungsfähigkeit verpflichtet. Nicht festgestellt werden kann, inwieweit der Beschwerdeführer gegenwärtig finanziell zum gemeinsamen Haushalt und der Lebensführung beiträgt. Die Sprachkenntnisse des BF betreffend die deutsche Sprache sind trotz des Erwerbes des ÖSD Zertifikates A2 und des langjährigen Aufenthaltes in Österreich rudimentär.

Mit dem oben im Spruch angeführten Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) iVm. § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der Bescheid wurde dem BF persönlich am 18.02.2019 zugestellt. Die Schubhaft wird gegenwärtig im Polizeianhaltezentrum Wien, Hernalser Gürtel, vollzogen.

Im gegenständlichen Fall besteht Sicherungsbedarf, es gibt aber keine hinreichenden Indizien für die Annahme, dass sich der BF nach Entlassung aus der Schubhaft dem Zugriff der Behörden umgehend entziehen würde.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den vom BFA im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des BF ergeben sich aus dem im Akt einliegenden Auszug aus dem Strafregister sowie dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellung hinsichtlich der aufrechten Wohnsitzmeldung seit 02.06.2017 zusammen mit seiner Lebensgefährtin ergibt sich aus einer Abfrage beim Zentralen Melderegister sowie dem Verhandlungsprotokoll der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 18.07.2018, GZ: I407 1407823-3/16Z, betreffend das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.01.2018, Zl. 467399206 - 1290848 EAST-Ost.

Die Feststellung hinsichtlich der engen Bindung des BF an die mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Kinder ergibt sich zum einen aus dem Verhandlungsprotokoll der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 18.07.2018, GZ: I407 1407823-3/16Z, sowie aus der seitens des Bundesverwaltungsgerichtes in jenem Verfahren eingeholten Stellungnahme der MAG ELF Kinder- und Jugendhilfe vom 30.05.2018.

Im Übrigen beruht der oben festgestellte Sachverhalt auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens, auf Grundlage der Angaben des BF im Verfahren vor der belangten Behörde und den entsprechenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid, denen der Beschwerdeführer in der Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten ist.

Der Sicherungsbedarf im gegenständlichen Fall ergibt sich zum einen aus dem laufenden Abschiebeverfahren, von dem der BF in Kenntnis ist, aus der fehlenden sozialen und beruflichen Anbindung des BF in Österreich sowie seinen strafgerichtlichen Verurteilungen in der Vergangenheit.

Umgekehrt kann nicht davon ausgegangen werden, dass der BF nach einer Entlassung aus der Schubhaft sich umgehend der Zugriffsmöglichkeit der Behörden entziehen würde. Dies ist schon daraus ersichtlich, dass der BF eine große Nahebeziehung zu den im gemeinsamen Haushalt lebenden Kindern aufweist, in deren Betreuung er eng eingebunden ist, wobei es sich bei dem jüngeren Kind um die leibliche Tochter des BF handelt. Die Tochter seiner Lebensgefährtin wiederum leidet an einer geistig bedingten Verhaltensauffälligkeit, weshalb der BF für diese eine besondere Bezugsperson darstellt. Den Behörden gegenüber hat sich der BF - wie sich aus dem vorliegenden Aktenbestand ergibt - zumindest in den letzten Jahren kooperativ gezeigt, so hat er an dem Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates mitgewirkt und der bescheidmäßig aufgetragenen Ladung der Behörde vor die nigerianische Botschaft am 17.08.2018 ohne weiteres Folge geleistet. Der BF ist auch seit 02.07.2016 an der Meldeadresse seiner Lebensgefährtin ohne Unterbrechung meldebehördlich gemeldet. Dass der BF beim Festnahmeversuch der Behörde am 28. und 29.01.2019 an seiner Meldeadresse nicht angetroffen werden konnte, kann schon deshalb nicht als Untertauchen des BF vor der Behörde gewertet werden, hat doch die Lebensgefährtin des BF explizit angegeben, der BF hätte sich aufgrund familiärer Probleme kurzfristig aus der Wohnung entfernt (siehe dazu den Bericht der LPD Wien vom 20.01.2019; AS 190). Daran ändert auch die Tatsache der dreimaligen Nachschau durch die Polizei innerhalb von nur weniger Stunden etwas. Weitere Nachschauversuche der Polizei an der Meldeadresse in größeren Abständen (z.B. von Tagen) sind in den Verwaltungsakten nicht dokumentiert. Wäre der BF tatsächlich vor der Polizei untergetaucht, hätte er sich auch nicht am 18.02.2019 freiwillig zur XXXX (Meldeservice) begeben, wo er schließlich festgenommen und in Folge in die verfahrensgegenständliche Schubhaft genommen wurde.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.1.1. Gesetzliche Grundlage:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1

FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Zur Judikatur:

3.1.2. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

In seiner Judikatur zu § 77 FPG 2005 ging der Verwaltungsgerichtshof bisher davon aus, dass der UVS als Beschwerdeinstanz im Schubhaftbeschwerdeverfahren nach der Bejahung eines Sicherungsbedarfs bei seiner Entscheidung zwar die Möglichkeit der Anwendung gelinderer Mittel gemäß § 77 FPG 2005 an Stelle der Schubhaft im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen hat, diesem allerdings keine Zuständigkeit zur Entscheidung darüber, welches der im § 77 Abs. 3 FPG 2005 demonstrativ aufgezählten gelinderen Mittel anzuwenden wäre, zukommt. Deren Auswahl blieb vielmehr der Fremdenpolizeibehörde vorbehalten (vgl. VwGH 20.10.2011, Zl. 2010/21/0140; VwGH 28.05.2008, Zl. 2007/21/0246). Es liegen keine Anhaltspunkte vor, die einer Übertragung dieser Judikatur hinsichtlich des mit Ausnahme der neuen Absätze 8 und 9 weitgehend unveränderten § 77 FPG auf das seit 01.01.2014 anstelle des UVS zuständige Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich entgegenstehen würden.

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, "dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig"(VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527). Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, "weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese 'Einstellungsänderung' durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfeststellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessene Verzögerung zu erblicken)." (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

3.1.3. Im vorliegenden Fall ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts Sicherungsbedarf in Hinblick auf den im § 76 Abs. 3 FPG enthaltenden Kriterienkatalog gegeben, dies insbesondere in Hinblick auf die Straffälligkeit des BF in der Vergangenheit sowie seine mangelnde berufliche Anbindung in Österreich und der daraus resultierenden Mittellosigkeit und mangelnde Selbsterhaltungsfähigkeit.

3.1.4. Die angeordnete Schubhaft ist jedoch nach Ansicht des Gerichtes nicht als Ultima Ratio zu qualifizieren. Der Gesetzgeber sieht die Möglichkeit der Verhängung eines gelinderen Mittels vor, von welcher das Bundesamt Gebrauch machen hätte müssen. Im gegenständlichen Fall wird dies nach Ansicht des Gerichtes zur Sicherung der Abschiebung des BF als ausreichend erachtet, hat sich der BF in der Vergangenheit der Behörde gegenüber kooperativ verhalten, so hat er einer Ladung der Behörde im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates aus freien Stücken Folge geleistet. Des Weiteren weist der BF - wie oben beschrieben - starke familiäre Bindungen in Österreich auf. Die in § 77 Abs. 3 Z 1-3 vorgesehenen Möglichkeiten stellen einerseits für den BF eine lediglich geringfügige und wohl auch zumutbare Beschränkung dar und bieten andererseits der Behörde eine gute Möglichkeit, zur Sicherung der Abschiebung durch die verhängten Maßnahmen eine engmaschige Kontrolle des BF zu organisieren. Der BF hat auch in der Vergangenheit nicht gegen vergleichbare Auflagen verstoßen, sodass hier das Gericht die Verhängung von gelinderen Mittel für ausreichend erachtet hat.

Aufgrund der fehlenden Notwendigkeit des Freiheitsentzuges war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.

3.1.5. War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die auf den Schubhaftbescheid gestützte Anhaltung gelten (VwGH 08.09.2009, 2009/21/0162; 26.01.2012, 2008/21/0626; 11.06.2013, 2012/21/0114). Ebenso war daher die Anhaltung des BF in Schubhaft seit 18.02.2019 für rechtswidrig zu erklären.

3.1.6. Im vorliegenden Fall konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hinreichend geklärt werden konnte. Der Sachverhalt konnte aus den Akten abschließend ermittelt werden. Eine Einvernahme des BF konnte daher unterbleiben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. - Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft

Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Aufgrund obiger Erwägungen - des Nichtvorliegens ihrer Notwendigkeit - war die Schubhaft auch nicht fortzusetzen.

Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

3.3. Zu Spruchpunkt III. und IV. - Kostenbegehren

1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

Beide Parteien begehrten den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da der BF vollständig obsiegte, steht ihm nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz seiner Aufwendungen zu.

§ 1 VwG-AufwErsV bestimmt die Höhe des zu ersetzenden Schriftsatzaufwands des BF als obsiegende Partei mit € 737,60.

Die belangte Behörde hat daher dem BF Kosten iHv € 737,60 zu ersetzten.

3.4. Zu Spruchpunkt V. - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

gelinderes Mittel, Rechtswidrigkeit, Schubhaft, Sicherungsbedarf

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W154.2215128.1.00

Zuletzt aktualisiert am

15.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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