TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/5 W275 2152593-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.03.2019
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Entscheidungsdatum

05.03.2019

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W275 2152593-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Stella VAN AKEN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.02.2017, Zahl 1089131604/151447332, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.01.2019 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der (unter Zugrundelegung des fiktiven Geburtsdatums zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährige) Beschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise am 28.09.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Am selben Tag wurde der Beschwerdeführer vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Dabei gab er an, dass seine Eltern sowie vor einigen Monaten auch der Ehemann seiner Schwester verstorben seien; daraufhin hätten der Beschwerdeführer und seine Schwester den Entschluss zur Ausreise aus Afghanistan gefasst.

Am 16.08.2016 fand die erste niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt. In dieser brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, gemeinsam mit seiner Schwester ausgereist zu sein, da nach dem Tod des Ehemannes seiner Schwester deren Schwager, der Bruder des Ehemannes seiner Schwester, die Schwester des Beschwerdeführers habe heiraten wollen. Seine Schwester hätte sich jedoch geweigert und sei darin vom Beschwerdeführer unterstützt worden. Schließlich wäre der Beschwerdeführer im Zuge einer Auseinandersetzung mit dem Schwager der Schwester verletzt und mit dem Tod bedroht worden.

Am 24.02.2017 fand eine weitere niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt, in welcher der Beschwerdeführer erklärte, in Afghanistan niemanden mehr zu haben. Zudem verwies der Beschwerdeführer auf die Feindschaft mit dem Schwager seiner Schwester sowie die schlechte Sicherheitslage.

Mit oben genanntem Bescheid vom 27.02.2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 27.02.2018 (Spruchpunkt III.).

Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

Am 22.01.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen persönlichen Lebensumständen sowie zu seinen Fluchtgründen befragt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , sein fiktives Geburtsdatum ist der XXXX . Er ist afghanischer Staatsangehöriger, der Volksgruppe der Hazara zugehörig und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam.

Der Beschwerdeführer ist in der Provinz Ghazni geboren und lebte dort bis zu seiner Ausreise. Die Eltern des Beschwerdeführers sind bereits vor mehreren Jahren verstorben; nach deren Tod lebte der Beschwerdeführer bei seiner Schwester und deren Ehemann. Nachdem auch der Ehemann der Schwester verstarb, reiste der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Schwester und deren Tochter aus Afghanistan aus.

Der Beschwerdeführer hat in Afghanistan keine Schul- oder Berufsbildung absolviert und ist, was seine Erstsprache Dari betrifft, Analphabet. Er verfügt über Kenntnisse der arabischen, türkischen und deutschen Sprache. In Afghanistan hat er in der Landwirtschaft gearbeitet.

Der Beschwerdeführer stellte am 28.09.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.02.2017 wurde ihm in Österreich subsidiärer Schutz in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt (zuletzt verlängert bis zum 27.02.2020).

Die Schwester des Beschwerdeführers lebt mit ihrer Tochter in Österreich. Ihr wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.02.2017 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. In einem Aktenvermerk des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom selben Tag ist festgehalten, dass die Schwester des Beschwerdeführers eine Verfolgung beziehungsweise Furcht vor einer solchen aufgrund ihrer selbstbewussten und westlich orientierten Lebensweise, welche mit den Erwartungshaltungen gegenüber Frauen in Afghanistan nicht vereinbar sei, glaubhaft gemacht habe.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder.

In Österreich absolvierte der Beschwerdeführer einen Werte- und Orientierungskurs sowie Deutschkurse, wobei er zuletzt die Prüfung auf dem Niveau B1 bestand.

Der Beschwerdeführer ist gesund.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vom Schwager seiner Schwester mit dem Tod bedroht worden oder sonst verfolgt worden ist, weil er seine Schwester in ihrer Weigerung, ihren Schwager zu heiraten, unterstützt hat.

Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer drohen würde, als Bacha Bazi (Tanzjunge) missbraucht zu werden. Der Beschwerdeführer wurde wegen seines Aussehens in Afghanistan nicht bedroht oder verfolgt; auch im Fall einer Rückkehr würde ihm keine Verfolgung auf Grund seines Aussehens drohen.

Eine sonstige, dem Beschwerdeführer konkret drohende Verfolgung in Afghanistan kann nicht festgestellt werden.

Das Vorliegen anderer Verfolgungsgründe auf Grund von Religion, Nationalität, politischer Einstellung, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder ethnischer Zugehörigkeit wurde nicht konkret vorgebracht; Hinweise für eine solche Verfolgung sind auch amtswegig nicht hervorgekommen.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018, letzte eingefügte Kurzinformation vom 08.01.2019, gekürzt auf die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen:

"[...]

Sicherheitslage

Allgemein

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östliche Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

[...]

Zivilist/innen

Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 1.1.2009 - 31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registriert die UNAMA

2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).

Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nichtziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Im Jänner 2018 waren 56,3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14,5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29,2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.4.2018).

Zu den regierungsfreundlichen Kräften zählten: ANDSF, Internationale Truppen, regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen sowie nicht näher identifizierte regierungsfreundliche Kräfte. Für das Jahr 2017 wurden 2.108 zivile Opfer (745 Tote und 1.363 Verletzte) regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben, dies deutet einen Rückgang von 23% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (2.731 zivile Opfer, 905 Tote und 1.826 Verletzte) an (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018). Insgesamt waren regierungsfreundliche Kräfte für 20% aller zivilen Opfer verantwortlich. Hauptursache (53%) waren Bodenkonfrontation zwischen ihnen und regierungsfeindlichen Elementen - diesen fielen 1.120 Zivilist/innen (274 Tote und 846 Verletzte) zum Opfer; ein Rückgang von 37% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (UNAMA 2.2018). Luftangriffe wurden zahlenmäßig als zweite Ursache für zivile Opfer registriert (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018); diese waren für 6% ziviler Opfer verantwortlich - hierbei war im Gegensatz zum Vorjahreswert eine Zunahme von 7% zu verzeichnen gewesen. Die restlichen Opferzahlen 125 (67 Tote und 58 Verletzte) waren auf Situationen zurückzuführen, in denen Zivilist/innen fälschlicherweise für regierungsfeindliche Elemente gehalten wurden. Suchaktionen forderten 123 zivile Opfer (79 Tote und 44 Verletzte), Gewalteskalationen 52 zivile Opfer (18 Tote und 34 Verletzte), und Bedrohungen und Einschüchterungen forderten 17 verletzte Zivilist/innen (UNAMA 2.2018).

Ein besonderes Anliegen der ANDSF, der afghanischen Regierung und internationaler Kräfte ist das Verhindern ziviler Opfer. Internationale Berater/innen der US-amerikanischen und Koalitionskräfte arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Reduzierung der Anzahl von zivilen Opfern zu schaffen. Die afghanische Regierung hält auch weiterhin ihre vierteljährliche Vorstandssitzung zur Vermeidung ziviler Opfer (Civilian Casualty Avoidance and Mitigation Board) ab, um u. a. Präventivmethoden zu besprechen (USDOD 12.2017). Die UNAMA bemerkte den Einsatz und die positiven Schritte der afghanischen Regierung, zivile Opfer im Jahr 2017 zu reduzieren (UNAMA 2.2018).

Im gesamten Jahr 2017 wurden 3.484 zivile Opfer (823 Tote und 2.661 Verletzte) im Rahmen von 1.845 Bodenoffensiven registriert - ein Rückgang von 19% gegenüber dem Vorjahreswert aus 2016 (4.300 zivile Opfer, 1.072 Tote und 3.228 Verletzte in 2.008 Bodenoffensiven). Zivile Opfer, die aufgrund bewaffneter Zusammenstöße zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Kräften zu beklagen waren, sind zum ersten Mal seit 2012 zurückgegangen (UNAMA 2.2018).

[...]

Ghazni

Ghazni ist eine der wichtigsten Zentralprovinzen Afghanistans. Ghazni liegt 145 km südlich von Kabul Stadt entfernt und liegt an der Autobahn Kabul-Kandahar. Ghazni grenzt im Norden an die Provinzen (Maidan) Wardak und Bamyan, im Osten an Logar, Paktia und Paktika, im Süden an Zabul und im Westen an Uruzgan und Daikundi (UN-OCHA 4.2014; vgl. Pajhwok o.D.a). Laut dem afghanischen Statistikbüro (CSO) ist Ghazni die Provinz mit der zweithöchsten Bevölkerungszahl (Pajhwok o.D.a), die auf 1.270.3192 Bewohner/innen geschätzt wird (CSO 4.2017). Hauptsächlich besteht die Bevölkerung aus großen Stämmen der Paschtunen sowie Tadschiken und Hazara; Mitglieder der Bayat, Sadat und Sikh sind auch dort vertreten, wenngleich die Vielzahl der Bevölkerung Paschtunen sind (Pajhwok o. D.a).

Ghazni besteht aus den folgenden Distrikten: die Provinzhauptstadt Ghazni, sowie die Distrikte Andar, Muqur, Khugiani/Khugaini/Khogyani, Qara Bagh/Qarabagh, Gilan/Gelan/Gailan, Waghiz/Waghaz, Giro/Gairo, Deh Yak/Dehyak, Nawar/Nawur, Jaghori/Jaghuri, Malistan/Malestan, Rashidan, Ab Band/Abband, Khugiani, Nawa, Jaghato/Jaghato, Zankhan/Zanakhan, Ajeristan/Ajrestan und Khwaja Omari/Khwajaumari (Pajhwok o.D.a; vgl. UN OCHA 4.2014, GI o.D.). Ghazni ist eine der Schlüsselprovinz im Südosten, die die zentralen Provinzen inklusive der Hauptstadt Kabul mit anderen Provinzen im Süden und Westen verbindet (Khaama Press 2.7.2017; vgl. HoA 15.3.2016).

Nach mehr als zwei Jahrzehnten ohne Mohnanbau in der Provinz Ghazni (seit 1995), wird nun wieder Mohn angebaut. Mit Stand November 2017 wurden 1.027 Hektar Mohn angebaut: Opium/Mohn wurde insbesondere im Distrikt Ajrestan angebaut, in dem die Sicherheitslage schwach ist (UNODC 11.2017). Allgemeine Information zur Sicherheitslage Im Februar 2018 wurde verlautbart, dass die Provinz Ghazni zu den relativ volatilen Provinzen im südöstlichen Teil des Landes zählt; die Provinz selbst grenzt an unruhige Provinzen des Südens. Die Taliban und Aufständische anderer Gruppierungen sind in gewissen Distrikten aktiv (Khaama Press 1.2.2018; vgl. SD 1.2.2018). In der Provinz kommt es zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Aufständischen (Xinhua 18.3.2018).

Wie in vielen Regionen in Südafghanistan, in denen die Paschtunen die Mehrheit stellen, konnten die Taliban in Ghazni nach dem Jahr 2001 an Einfluss gewinnen. Die harten Vorgehensweisen der Taliban - wie Schließungen von Schulen, der Stopp von Bauprojekten usw. - führten jedoch auch zu Gegenreaktionen. So organisierten Dorfbewohner eines Dorfes im Distrikt Andar ihre eigenen Milizen, um die Aufständischen fernzuhalten - auch andere Distrikte in Ghazni folgten. Die Sicherheitslage verbesserte sich, Schulen und Gesundheitskliniken öffneten wieder. Da diese Milizen, auch ALP (Afghan Local Police) genannt, der lokalen Gemeinschaft entstammen, genießen sie das Vertrauen der lokalen Menschen. Nichtsdestotrotz kommt es zu auch bei diesen Milizen zu Korruption und Missbrauch (IWPR 15.1.2018).

Im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) (15.12.2017-15.2.2018) haben regierungsfeindliche Elemente auch weiterhin Druck auf die afghanischen Sicherheitskräfte ausgeübt, indem koordinierte Angriffe auf Kontrollpunkte der afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte unter anderem in der Provinz Ghazni verübt wurden (UNGASC 27.2.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 163 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Die meisten im Jahr 2017 registrierten Anschläge fanden - in absteigender Reihenfolge - in den Provinzen Nangarhar, Faryab, Helmand, Kandahar, Farah, Ghazni, Uruzgan, Logar, Jawzjan, Paktika und Kabul statt (Pajhwok 14.1.2018).

Im gesamten Jahr 2017 wurden 353 zivile Opfer in Ghazni (139 getötete Zivilisten und 214 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und gezielten/willkürlichen Tötungen. Dies deutet einen Rückgang von 11% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Ghazni

Miliärische Operationen werden in der Provinz Ghazni durchgeführt (Tolonews 17.3.2018; vgl. Xinhua 27.1.2018, ZNI 3.3.2018, Tolonews 5.2.2018, Tolonews 24.3.2018, MF 25.3.2018, Tolonews 5.12.2017; MF 18.3.2018, VoA 22.10.2017); Aufständische werden getötet und festgenommen (Pajhwok 13.3.2018; vgl. MF 25.3.2018, Tolonews 5.12.2017, MF 18.3.2018, VoA 22.10.2017). Luftangriffe werden ebenso durchgeführt (Khaama Press 1.2.2018), bei denen auch Taliban getötet werden (Khaama Press 1.2.2018; vgl. Pajhwok 12.3.2018).

Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften finden statt (AJ 11.6.2018; vgl. AJ 21.5.2018, VoA 22.10.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Ghazni

Sowohl Das Haqqani-Netzwerk, als auch die Taliban sind in manchen Regionen der Provinz aktiv (VoA 10.1.2018). Sicherheitsbeamte sprechen von mehreren Gruppierungen, die in der Provinz aktiv sind, während die Taliban selbst behaupten, die einzige Gruppierung in der Provinz Ghazni zu sein (Pajhwok 1.7.2017).

Basierend auf geheimdienstlichen Informationen, bestritt das afghanische Innenministerium im Jänner 2018, dass der IS in der Provinz Ghazni aktiv sei (VoA 10.1.2018). Für den Zeitraum 1.1.15.7.2017 wurden IS-bezogene Vorfälle in der Provinz gemeldet - insbesondere an der Grenze zu Paktika. Zwischen 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden hingegen keine Vorfälle registriert (ACLED 23.2.2018).

Bacha Bazi (Bacha Bazi) - Tanzjungen

Bacha Bazi, auch Tanzjungen genannt, sind Buben oder transsexuelle Kinder, die sexuellem Missbrauch und/oder dem Zwang, bei öffentlichen oder privaten Ereignissen zu tanzen, ausgesetzt sind (MoJ 15.5.2017: Art. 653). In weiten Teilen Afghanistans, vor allem in den Rängen von Armee und Polizei, ist der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen nach wie vor ein großes Problem. Das Thema ist gesellschaftlich tabuisiert und wird nicht selten unter dem Deckmantel kultureller Gepflogenheiten verschwiegen oder verharmlost. Ein Großteil der Täter hat keinerlei Unrechtsbewusstsein (AA 5.2018). Mit Inkrafttreten des neuen afghanischen Strafgesetzbuches im Jahr 2018, wurde die Praxis des Bacha Bazi kriminalisiert. Den Tätern drohen bis zu sieben Jahre Haft. Jene, die mehrere Buben unter zwölf Jahren halten, müssen mit lebenslanger Haft rechnen. Das neue afghanische Strafgesetzbuch kriminalisiert nicht nur die Praxis von Bacha Bazi, sondern auch die Teilnahme an solchen Tanzveranstaltungen. Der Artikel 660 des fünften Kapitels beschreibt, dass Beamte der afghanischen nationalen Sicherheitskräfte (ANSF), die in die Praxis von Bacha Bazi involviert sind, mit durchschnittlich bis zu fünf Jahren Haft rechnen müssen (MoJ 15.5.2017; vgl. LSE 24.1.2018).

Üblicherweise sind die Jungen zwischen zehn und 18 Jahre alt (SBS 20.12.2016; vgl. AA 9.2016); viele von ihnen werden weggeben, sobald sie erste Anzeichen eines Bartes haben (SBS 21.12.2016). Viele der Jungen wurden entführt, manchmal werden sie auch von ihren Familien aufgrund von Armut an die Täter verkauft (SBS 20.12.2016; vgl. AA 5.2018). Manchmal sind die Betroffenen Waisenkinder und in manchen Fällen entschließen sich Jungen, Bacha Bazi zu werden, um ihre Familien zu versorgen (TAD 9.3.2017). Die Jungen und ihre Familien werden oft von ihrer sozialen Umgebung verstoßen; eine polizeiliche Aufklärung findet nicht statt (AA 5.2018).

Schiiten

Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10 - 15% geschätzt (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Zur schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und ein Großteil der ethnischen Hazara (USDOS 15.8.2017). Die meisten Hazara-Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. In Uruzgan und vereinzelt in Nordafghanistan leben einige schiitische Belutschen (BFA Staatendokumentation 7.2016). Afghanische Schiiten und Hazara neigen dazu, weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein als ihre Glaubensbrüder im Iran (CRS 13.12.2017).

Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen (FH 11.4.2018). Obwohl einige schiitischen Muslime höhere Regierungsposten bekleiden, behaupten Mitglieder der schiitischen Minderheit, dass die Anzahl dieser Stellen die demographischen Verhältnisse des Landes nicht reflektiere; auch vernachlässige die Regierung in mehrheitlich schiitischen Gebieten die Sicherheit. Das afghanische Ministry of Hajj and Religious Affairs (MOHRA) erlaubt sowohl Sunniten als auch Schiiten Pilgerfahrten zu unternehmen (USDOS 15.8.2017).

Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u. a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime ca. 30% (AB 7.6.2017; vgl. USDOS 15.8.2017). Des Weiteren tagen rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, welche aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, regelmäßig, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern (USDOS 15.8.2017).

Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch existieren Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen (USDOS 15.8.2017). Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet (CRS 13.12.2017). In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS (HRW 2018; vgl. USCIRF 2017).

Unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Einige Mitglieder der ismailitischen Gemeinschaft beanstanden die vermeintliche Vorenthaltung von politischen Posten (USDOS 15.8.2017).

Hazara

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus (CIA Factbook 18.1.2018; CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden (BFA Staatendokumentation 7.2016); andererseits gehören ethnische Hazara hauptsächlich dem schiitischen Islam an (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. AJ 27.6.2016, UNAMA 15.2.2018). Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (BFA Staatendokumentation 7.2016). Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert (AA 5.2018; vgl. IaRBoC 20.4.2016); vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet (CRS 12.1.2015; vgl. GD 2.10.2017). Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht (BFA Staatendokumentation 7.2016). Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert (GD 2.10.2017).

So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Einer Quelle zufolge existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Einer weiteren Quelle zufolge, beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft (IaRBoC 20.4.2016). So berichtet eine weitere Quelle, dass Arbeitsplatzanwerbung hauptsächlich über persönliche Netzwerke erfolgt (IaRBoC 20.4.2016; vgl. BFA/EASO 1.2018); Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke (IaRBoC 20.4.2016).

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9.2016; vgl. USDOS 20.4.2018); soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen (USDOS 20.4.2018).

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 25.5.2017).

[...]"

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellung zum Namen des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (vgl. Seite 6 der Niederschrift der Verhandlung). Diese Feststellung gilt ausschließlich für die Identifizierung des Beschwerdeführers im Asylverfahren, da seine Identität - mangels Vorlage unbedenklicher Identitätsdokumente - nicht abschließend geklärt werden konnte.

Die Feststellung zum fiktiven Geburtsdatum des Beschwerdeführers basiert auf dem vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingeholten medizinischen Gutachten zur Volljährigkeitsbeurteilung (AS 109ff).

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, der Volksgruppen- und der Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben (vgl. Seite 6 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung); das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren gleich gebliebenen - Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Geburtsort, seinem Aufenthaltsort, seiner Schulbildung, seiner Berufsausbildung und Berufsausübung, seiner Erstsprache und seinen weiteren Sprachkenntnissen sowie seinem Familienstand bzw. seinen Familienverhältnissen waren - soweit dies angesichts des fehlenden Bildungshintergrundes gefordert werden kann - im Wesentlichen gleichlautend und widerspruchsfrei, weitgehend chronologisch stringent und vor dem Hintergrund der bestehenden sozioökonomischen Strukturen in Afghanistan plausibel (vgl. die Seiten 6 bis 10 der Niederschrift der Verhandlung). Die Feststellungen zu den in Österreich absolvierten Kursen sowie der bestandenen Deutschprüfung auf dem Niveau B1 ergeben sich aus den im Verfahren vorgelegten Unterlagen (vgl. Beilage ./3 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung).

Das Datum der Antragstellung sowie die Gewährung von subsidiärem Schutz ergibt sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellung, wonach die Schwester des Beschwerdeführers in Österreich über den Status einer Asylberechtigten verfügt, ergibt sich - ebenso wie die Feststellung zum Inhalt des Aktenvermerkes vom 27.02.2017 - aus dem vom Bundesverwaltungsgericht beigeschafften Verwaltungsakt der Schwester des Beschwerdeführers.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers beruht auf den übereinstimmenden und plausiblen Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren, insbesondere in der mündlichen Verhandlung (vgl. Seite 5 der Niederschrift der Verhandlung).

Die Feststellung zur Unbescholtenheit ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Strafregister.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Das Bundesverwaltungsgericht geht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und aufgrund des dabei gewonnenen persönlichen Eindrucks der erkennenden Richterin davon aus, dass dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers keine Glaubwürdigkeit zukommt.

Der Beschwerdeführer gab beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zu seinem Fluchtgrund zusammengefasst an, dass nach dem Tod des Ehemannes seiner Schwester deren Schwager, der Bruder des verstorbenen Ehemannes, die Schwester des Beschwerdeführers habe heiraten wollen. Die Schwester des Beschwerdeführers hätte sich jedoch geweigert und sei darin vom Beschwerdeführer unterstützt worden. Schließlich wäre der Beschwerdeführer im Zuge einer Auseinandersetzung mit dem Schwager der Schwester verletzt und mit dem Tod bedroht worden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht führte der Beschwerdeführer überdies erstmals im Verfahren aus, dass er sich vor einer Übergabe an Kommandanten als Bacha Bazi durch den Schwager seiner Schwester fürchte.

Zunächst ist festzuhalten, dass die Schilderungen betreffend die Auseinandersetzung mit dem Schwager der Schwester des Beschwerdeführers vage gehalten sind. Der Beschwerdeführer erstattete sein Vorbringen im Lauf der Verhandlung nicht detailliert und von sich aus, sondern erst auf mehrmaliges Nachfragen der Richterin, wobei es dem Beschwerdeführer nicht gelang, eine nachvollziehbare und lebensnahe Situation zu schildern (vgl. die Seiten 11 bis 13 der Niederschrift der Verhandlung). Auf die Frage der erkennenden Richterin, wann und aus welchen Gründen der Beschwerdeführer Afghanistan verlassen habe, erklärte dieser, dass der Schwager seiner Schwester diese habe heiraten wollen und sie deshalb Afghanistan gemeinsam verlassen hätten. Den angeblichen Vorfall, bei welchem der Beschwerdeführer geschlagen worden sei, erwähnte er dabei nicht, was jedoch angesichts der behaupteten Intensität jedenfalls zu erwarten gewesen wäre (vgl. Seite 11 der Niederschrift der Verhandlung). Erst auf Nachfrage der erkennenden Richterin, was weiter passiert sei, gab der Beschwerdeführer an, vom Schwager seiner Schwester massiv geschlagen worden zu sein, sodass sein Ellenbogen gebrochen worden sei; dazu zeigte er Narben auf seinem linken Ellenbogen (vgl. Seiten 11 und 12 der Niederschrift der Verhandlung). Auch hierbei ließ der Beschwerdeführer jedoch Details missen, wie es zu dieser vorgebrachten Auseinandersetzung gekommen und diese abgelaufen ist. Auf die Frage der erkennenden Richterin, wie sich die Vorfälle, bei denen der Beschwerdeführer geschlagen worden sei, konkret zugetragen hätten, antwortete dieser lediglich ausweichend und führte allgemeine Probleme, die er - insbesondere mit dem Schwager seiner Schwester - gehabt hätte, an (vgl. Seite 12 der Niederschrift der Verhandlung). Dabei ist es durchaus im Bereich des Möglichen, dass der Schwager der Schwester des Beschwerdeführers diesen auf Grund seines Aussehens möglicherweise beleidigt hat; dass es allerdings zu körperlichen Eingriffen gekommen wäre, konnte der Beschwerdeführer weder im Zusammenhang mit seinem Aussehen noch mit der Unterstützung seiner Schwester betreffend einer ihr drohenden Zwangsheirat nachvollziehbar darlegen. Erst auf neuerliche Aufforderung der erkennenden Richterin, noch konkreter zu schildern, wie es zu den Verletzungen des Beschwerdeführers gekommen sei, schilderte dieser die angeblichen Vorfälle.

Gegen die Glaubwürdigkeit des vorgetragenen Fluchtvorbringens betreffend den Schwager der Schwester des Beschwerdeführers spricht weiters, dass die Aussagen des Beschwerdeführers im Verfahren insbesondere betreffend den angeblichen dritten Vorfall teilweise in Widerspruch zu jenen der Schwester vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stehen. So gab etwa der Beschwerdeführer an, vom Schwager seiner Schwester mit einem Holz bzw. Stock geschlagen worden zu sein (vgl. Seite 13 der Niederschrift der Verhandlung; AS 155 des Verwaltungsaktes), während die Schwester des Beschwerdeführers vorbrachte, dass mit dem Kolben einer Schusswaffe und einem Messer auf den Beschwerdeführer eingeschlagen worden wäre (AS 47 des Verwaltungsaktes der Schwester des Beschwerdeführers).

Der Beschwerdeführer erwähnte zudem die angeblich mit dem Schwager seiner Schwester bestehenden Probleme in der Erstbefragung nicht, erst in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erstattete er ein diesbezügliches Vorbringen.

Gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 dient die Erstbefragung zwar "insbesondere" der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden und hat sich nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen (vgl. hierzu auch VfGH 27.06.2012, U 98/12), ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert. Die Verwaltungsbehörde bzw. das Bundesverwaltungsgericht können im Rahmen ihrer Beweiswürdigung die Ergebnisse der Erstbefragung in ihre Beurteilung miteinbeziehen.

Es wird daher im vorliegenden Fall zwar nicht verkannt, dass sich die Erstbefragung nicht in erster Linie auf die Fluchtgründe des Beschwerdeführers bezog und diese nur in aller Kürze angegeben sowie protokolliert wurden. Dass der Beschwerdeführer die erst in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl angeführten Probleme mit dem Schwager seiner Schwester jedoch nicht einmal ansatzweise erwähnte, ist für das Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehbar und zumindest als (weiteres) Indiz für ein insgesamt nicht glaubhaftes Fluchtvorbringen zu werten.

Den Ausführungen der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, wonach die Schwester des Beschwerdeführers auf Grund desselben Vorfalles Asyl erhalten habe, ist entgegenzuhalten, dass hinsichtlich der Schwester des Beschwerdeführers im Aktenvermerk des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.02.2017 betreffend die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten festgehalten ist, dass die Schwester des Beschwerdeführers eine Verfolgung beziehungsweise Furcht vor einer solchen aufgrund ihrer selbstbewussten und westlich orientierten Lebensweise, welche mit den Erwartungshaltungen gegenüber Frauen in Afghanistan nicht vereinbar sei, glaubhaft gemacht habe. Die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten erfolgte somit nicht auf Grund der von der Schwester des Beschwerdeführers im Verfahren geschilderten angeblichen Probleme mit ihrem Schwager, sondern weil sie überzeugend den Wunsch darlegte, in Österreich ein freies und selbstbestimmtes Leben zu führen, was ihr in Afghanistan nicht möglich wäre (AS 83 und 103 des Verwaltungsaktes der Schwester des Beschwerdeführers).

Das durch die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung erstattete Vorbringen, dass sich der Schwager seiner Schwester im Fall einer Rückkehr des Beschwerdeführers an diesem rächen würde, weil die Schwester des Beschwerdeführers Afghanistan verlassen habe (vgl. Seite 16 der Niederschrift der Verhandlung), beruht - unter Zugrundelegung des oben Ausgeführten - lediglich auf Spekulationen und wurden diesbezüglich keinerlei Gründe dargelegt, die eine derartige Bedrohung des Beschwerdeführers annehmen ließen. Insbesondere wurde die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten an die Schwester des Beschwerdeführers nicht mit einer Bedrohung durch ihren Schwager, im Speziellen durch Zwangsheirat, begründet und kann auch das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers, wie oben dargelegt, nicht als glaubhaft erkannt werden.

Schließlich ist bezüglich des erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht erstatteten Vorbringens betreffend Bacha Bazi festzuhalten, dass - wie oben erwähnt - bereits das vom Beschwerdeführer geschilderte Vorbringen bezüglich der Bedrohung durch den Schwager seiner Schwester nicht glaubhaft ist. Die auf diesem (als unglaubwürdig angesehenen) Vorbringen aufbauende Befürchtung des Beschwerdeführers, dass der Schwager seiner Schwester den Beschwerdeführer auf Grund der vorgebrachten Streitigkeiten als Bacha Bazi an Kommandanten übergeben würde, kann daher ebenfalls nicht angenommen werden.

Eine unabhängig davon bestehende, allgemeine Gefährdung, dass der Beschwerdeführer wegen seines Aussehens als Bacha Bazi missbraucht würde, ist überdies im gegenständlichen Fall nicht anzunehmen. Den getroffenen Länderfeststellungen ist zu entnehmen, dass Bacha Bazi üblicherweise zwischen zehn und achtzehn Jahre alt sind; der Beschwerdeführer fällt demnach bereits in Anbetracht seines Alters nicht mehr in die entsprechende Risikogruppe. Zu dem durch den Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Foto (Beilage ./1 der Niederschrift der Verhandlung) ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer in der Verhandlung angab, dass dieses Foto vor acht oder zehn Jahren entstanden sei (vgl. Seite 16 der Niederschrift der Verhandlung). Der Beschwerdeführer hat sich seitdem körperlich weiterentwickelt und ist nicht anzunehmen, dass er trotz seines Alters allein auf Grund der Tatsache, dass er inzwischen lange Haare trägt, als Bacha Bazi missbraucht werden würde. Auch wenn es nicht auszuschließen ist, dass der Beschwerdeführer in der Vergangenheit in Bezug auf sein Aussehen von anderen afghanischen Jugendlichen verspottet und ausgegrenzt worden ist und der Vater des Beschwerdeführers (der laut Aussage des Beschwerdeführers vor etwa sechs Jahren verstorben sei, sodass diesen Befürchtungen jedenfalls keine Aktualität mehr zukommen kann; vgl. Seite 7 der Niederschrift der Verhandlung) subjektiv Angst vor einer Belästigung des Beschwerdeführers hatte, so legte der Beschwerdeführer nicht dar, dass es zu Übergriffen gekommen sei.

Soweit die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung unter Verweis auf ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.09.2015 vorgebracht hat, dass der Beschwerdeführer auf Grund seines Aussehens in Afghanistan Probleme gehabt hätte und eine Verfolgung auch deshalb befürchte, weil seine Einstellung nicht mit den in Afghanistan vorherrschenden Wertehaltungen übereinstimme (vgl. Seite 17 der Niederschrift der Verhandlung), ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer eine solche Wertehaltung, in der etwa eine politische oder religiöse Überzeugung erkannt werden könnte, nicht überzeugend dargetan hat. Seine allgemeinen Ausführungen, mit der älteren Generation in Afghanistan nicht einverstanden zu sein, weil diese Frauen keine Rechte gewähren würde (vgl. Seite 15 der Niederschrift der Verhandlung) sowie zu den Zuständen und der Bevölkerung in Afghanistan (vgl. Seite 14 der Niederschrift der Verhandlung) sind im gegenständlichen Fall nicht geeignet, eine solche aus innerer Überzeugung gelebte (westliche) Wertehaltung zu begründen und darzutun. Hinsichtlich des Aussehens des Beschwerdeführers ist auf das oben Gesagte zu verweisen, wonach es zwar nicht auszuschließen ist, dass der Beschwerdeführer deshalb in seinem Kulturkreis verspottet worden ist, er jedoch eine Verfolgung oder begründete Furcht vor Verfolgung nicht dargelegt hat. Insbesondere kann auch allein aus der Tatsache, dass der Beschwerdeführer lange Haare trägt, nicht auf eine mit den afghanischen Traditionen nicht vereinbare, aus innerer Überzeugung gelebte Wertehaltung geschlossen werden, da der Beschwerdeführer selbst angab, lange Haare zu tragen, weil dies schön sei und er sich die Haare auch abschneiden lassen würde; in Afghanistan habe er kurze Haare getragen (vgl. Seite 12 der Niederschrift der Verhandlung).

Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung erklärte, nicht homosexuell zu sein (vgl. Seite 11 der Niederschrift der Verhandlung). Dass er aufgrund einer ihm unterstellten Homosexualität bedroht worden wäre oder eine derartige Bedrohung befürchte, hat er im Verfahren nie vorgebracht.

Abschließend ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer die Befürchtungen im Zusammenhang mit der Thematik Bacha Bazi (Tanzjungen) beziehungsweise seinem Aussehen erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgebracht hat (vgl. Seite 10 der Niederschrift der Verhandlung) und daher § 20 Abs. 1 AsylG 2005 jedenfalls - unabhängig von Auslegungsfragen - nicht zur Anwendung gekommen ist (§ 20 Abs. 2 AsylG 2005).

Dem Beschwerdeführer kommt sohin unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen in einer Gesamtschau keine Glaubwürdigkeit zu.

Die Feststellung, wonach das Vorliegen anderer Verfolgungsgründe auf Grund von Religion, Nationalität, politischer Einstellung, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder ethnischer Zugehörigkeit nicht konkret vorgebracht wurde und Hinweise für eine solche Verfolgung auch amtswegig nicht hervorgekommen sind, ergibt sich aus der Aktenlage, insbesondere aus den Einvernahmen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, der durchgeführten mündlichen Beschwerdeverhandlung sowie aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer keine Hinweise auf das Vorliegen einer solchen Verfolgung vorgebracht hat bzw. nicht einmal ein Hinweis auf eine solche amtswegig zu ersehen war.

Der Beschwerdeführer zeigte auch keine individuelle und konkrete Betroffenheit von Verfolgung aufgrund seiner Eigenschaft als Schiit oder seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara auf: Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich an, dass er persönlich deswegen keine Probleme gehabt habe (vgl. Seite 15 der Niederschrift der Verhandlung). In Zusammenschau mit den Länderberichten zum Fehlen entsprechend massiver religiöser und volksgruppenbezogener Diskriminierung ergibt sich im gegenständlichen Fall die Schlussfolgerung, dass der Beschwerdeführer selbst keiner individuell und konkret gegen ihn gerichteten Verfolgung aufgrund seiner Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit in Afghanistan ausgesetzt ist.

2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums (insbesondere Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018, letzte eingefügte Kurzinformation vom 08.01.2019 sowie UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018) für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht (wesentlich) geändert haben.

Dem Beschwerdeführer wurde Gelegenheit zur Einsicht in die Länderberichte sowie zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt; diese Möglichkeit wurde durch seine Rechtsvertreterin wahrgenommen, die den Länderberichten dabei nicht entgegengetreten ist und zusätzlich unter anderem auch auf die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 verwies.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist rechtzeitig und zulässig.

3.2. Zu A) Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten:

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffes ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 mwN.). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Herkunftsstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 06.09.2018, Ra 2017/18/0055; vgl. auch VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100, mwN).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Herkunftsstaates bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Herkunftsstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (vgl. etwa VwGH 25.09.2018, Ra 2017/01/0203; 26.06.2018, Ra 2018/20/0307, mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat asylrelevanten Charakter, wenn der Herkunftsstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. etwa VwGH 12.06.2018, Ra 2018/20/0177; 19.10.2017, Ra 2017/20/0069). Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0119).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften im Sinne der ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, das heißt er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Beurteilung des rechtlichen Begriffs der Glaubhaftmachung auf der Grundlage positiv getroffener Feststellungen von Seiten des erkennenden Verwaltungsgerichtes vorzunehmen, aber im Fall der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers können derartige positive Feststellungen vom Verwaltungsgericht nicht getroffen werden (VwG

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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