TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/8 W261 2179043-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.03.2019
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Entscheidungsdatum

08.03.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W261 2179043-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Dr. Christian SCHMAUS, Rechtsanwalt in 1060 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.11.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der nunmehrige Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben am 09.11.2015 gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder, XXXX , IFA Zl. XXXX , in die Republik Österreich ein und stellte am selben Tag gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung am 10.11.2015 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari an, dass er aus der Provinz Baghlan stamme, Tadschike sei und zwölf Jahre lang die Grundschule besucht habe. Er habe Afghanistan verlassen, weil er für Ausländer (Engländer) tätig gewesen sei. Sein Vater sei Sicherheitsbeauftragter im Bezirk XXXX gewesen. Dieser sei gemeinsam mit seinem Fahrer und zwei Bodyguards auf dem Nachhauseweg getötet worden. Seine Mutter sei mit den Nerven am Ende gewesen und habe Tag und Nacht geweint. Sie habe aus Angst seinen Bruder und ihn aufgefordert, das Land zu verlassen. Der BF sei auch von den Taliban (Kommandant Mirwais) mehrfach aufgefordert worden, seiner Tätigkeit nicht mehr nachzugehen, da er den BF ansonsten umbringen werde.

Am 21.04.2017 erfolgte die niederschriftliche Ersteinvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt (in der Folge belangte Behörde) im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari. Er gab im Wesentlichen das an, was er bereits bei seiner Ersteinvernahme ausgesagt hatte. Der Angriff auf seinem Vater sei den Taliban zugeordnet worden. Er selbst sei vom Kommandanten XXXX der Hezb-e Islami telefonisch persönlich bedroht worden. Der BF legte eine Reihe von Integrationsunterlagen und Kopien seiner Militärausweise vor.

Die belangte Behörde räumte dem BF mit Schreiben vom 21.04.2017 die Möglichkeit ein, innerhalb einer Frist von einer Woche eine schriftliche Stellungnahme zu den Länderinformationen abzugeben. Der BF gab keine Stellungnahme ab.

Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Gemäß § 57 AsylG 2005 erteilte die belangte Behörde dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG (Spruchpunkt III.), erließ gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.). Die belangte Behörde stellte fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters sprach die belangte Behörde aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI).

Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates bzw. zu der Situation im Falle einer Rückkehr stellte die belangte Behörde insbesondere fest, der BF habe eine Furcht vor Verfolgung durch die Taliban bzw. durch den Kommandanten Mirwais nicht glaubhaft gemacht. In Bezug auf seine Herkunftsprovinz liege eine Gefährdungslage vor, nicht jedoch allgemein in Afghanistan. Es bestehe eine taugliche innerstaatliche Fluchtalternative in der Stadt Kabul.

Der BF erhob mit Eingabe vom 04.12.2017, bevollmächtigt vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen diesen Bescheid fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte begründend aus, dass der BF Afghanistan verlassen habe, weil er für ausländische Truppen im XXXX (Drogen und Terrorismusbekämpfung) gearbeitet habe. Auch sein Vater sei gemeinsam mit zwei Leibwächtern im März 2015 von den Taliban getötet worden, weil er als Sicherheitsbeauftragter gearbeitet habe. Aufgrund seiner Tätigkeit werde er von den Taliban bzw. von Hezb-e-Islami (Kommandant Mirwais) mit dem Umbringen bedroht. Die belangte Behörde sei der Meinung gewesen, dass das Beenden der Tätigkeit auch zu einer Beendigung der Bedrohung und Verfolgung durch die Taliban geführt habe. Man dürfe jedoch nicht vergessen, dass die Familie des BF zu den Großunterstützern der Amerikaner und Briten gezählt habe. Damit habe sie afghanistanweit eine Bekanntheit erlangt, und die Mitglieder der Familie würden von den Taliban als Kollaborateure angesehen. Daher bedeute das nicht, dass die Verfolgung damit beendet sei. Deshalb sei nicht nur er, sondern auch sein jüngerer Bruder geflüchtet. Im Falle einer Rückkehr bestehe diese Gefahr weiterhin fort. Dem BF drohe aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie in seinem Herkunftsstaat asylrelevante Verfolgung. Beim BF sei davon auszugehen, dass er mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von Bürgerkriegshandlungen betroffen sein werde. Er handle sich um eine zielgerichtete Verfolgung des BF. Der BF laufe Gefahr, zwangsrekrutiert zu werden. Sollte dem BF kein Asyl gewährt werden, so wäre ihm jedenfalls der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen. Es bestehe die Gefahr, dass der BF im Falle seiner Rückkehr in eine ausweglose Situation geraten könnte. Der BF sei in Österreich sehr gut integriert, er sei in der Lage, sich in Deutsch zu verständigen. Er habe österreichische Freunde gefunden. In seinem Fall sei zu befürchten, dass er sich nach mehrjähriger Abwesenheit im teils westlich geprägten Ausland nicht mehr in der konservativ geprägten Gesellschaft in Afghanistan zurechtfinden werde. Die Sicherheitslage in Afghanistan sei prekär, ebenso die Situation der Rückkehrer, wie dies die Afghanistan Expertin Friederike Stahlmann in deren Artikel "Überleben in Afghanistan" ausführte. Die belangte Behörde habe es unterlassen, sich mit dem individuellen Vorbringen des BF auseinander zu setzen.

Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 07.12.2017 beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) ein.

Das BVwG führte am 01.08.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung sowohl für den BF als auch dessen Bruder durch, an der die belangte Behörde entschuldigt nicht teilnahm. Der BF wurde im Beisein seines anwaltlichen Vertreters und eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt und wurde ihm Gelegenheit gegeben, zu den aktuellen Feststellungen zur Situation in Afghanistan Stellung zu nehmen.

Das BVwG legte im Rahmen der Verhandlung die aktuellen Länderinformationen zu Afghanistan, genauer das Länderinformationsblatt Afghanistan in der Fassung vom 30.01.2018, die UNHCR Richtlinie vom 19.04.2016, den Landinforeport zu Afghanistan "Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne", vor und räumte den Parteien des Verfahrens die Möglichkeit ein, hierzu innerhalb einer Frist von vier Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

Der BF gab in seiner Stellungnahme vom 27.08.2018 durch seinen bevollmächtigten Vertreter eine schriftliche Stellungnahme ab. Darin führte er im Wesentlichen aus, dass er bei der Eliteeinheit XXXX als Polizist eingesetzt gewesen sei. Die gesamte Familie des BF habe sich durch verschiedene Tätigkeiten klar gegen die Taliban positioniert. Laut UNHCR gehöre der BF der Risikogruppe jener Personen an, die die Regierung unterstützen. Explizit werde von UNHCR auf die nach wie vor (potentiell) bestehende Gefahr von Mitarbeitern von Polizeikräften (wie dem BF) hingewiesen. Der BF sei nicht nur einfacher Polizist gewesen. Der VwGH habe oftmals in seiner Judikatur betont, dass den Empfehlungen des UNHCR Indizwirkung zukomme, dh, dass diese vom Gericht zu beachten seien.

Auch aus dem vorgelegten Landinfo Report: der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne sei zu entnehmen, dass die Taliban eine Vielzahl von Gruppierungen als deren Gegner identifizieren würden. Auch das Gutachten von Friederike Stahlmann vom 28.03.2018 im Auftrag des Verwaltungsgerichtes Wiesbaden bestätige die Gefahr, in der sich der BF befinde. Der BF sei auch bereits persönlich bedroht worden. Es werde auf die zahlreiche Judikatur des BVwG verwiesen, wonach in ähnlich gelagerten Fällen den Beschwerdeführern Asyl gewährt worden sei. Die Furcht des BF sei vor dem Hintergrund der Lage im Herkunftsland und den persönlichen Erlebnissen des BF nachvollziehbar und wohlbegründet im Sinne der Konvention. Er sei nicht mehr gewillt, nach Afghanistan zurückzukehren. Die Sicherheits- und Versorgungslage habe sich in den letzten Monaten massiv verschlechtert. Im Sinne der Judikatur des VwGH sei das Vorbringen des BF auch im Hinblick auf die Frage, ob ihm subsidiärer Schutz zu gewähren sei, relevant. Friederike Stahlmann beschreibe im genannten Gutachten, dass es unmöglich sei, sich in Afghanistan in die Anonymität zu verlieren, und über die landesweite Identifikation und Verfolgung von Gegnern durch die mittlerweile professionalisierten Geheimdienste der Taliban. Auch der renommierte Afghanistan Experte Thomas Ruttig führe dazu in einem Referat aus, dass es auch in Kabul Zellen der Taliban gäbe. Es würde für den BF im gesamten Staatsgebiet keine innerstaatliche Fluchtalternative bestehen. Abschließend werde auf die hervorragende Integration des BF hingewiesen. Er spreche ausgezeichnet Deutsch und sei beim MORE Programm der Wirtschaftsuniversität Wien zugelassen worden. Mittlerweile sei er Stammspieler der Fußball Kampfmannschaft seiner Gemeinde und Co-Trainer der U9 Kindermannschaft. Er erfahre sehr viel Unterstützung in seiner Gemeinde. Es werde daher beantragt, dem BF gemäß § 3 AsylG Asyl zu gewähren, in eventu dem BF gemäß § 8 AsylG subsidiären Schutz zu gewähren, in eventu festzustellen, dass eine Rückkehrentscheidung gegen den BF dauerhaft unzulässig sei und folglich einen Aufenthaltstitel nach §§ 55 ff AsylG zu erteilen.

Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme zu den Länderinformationen ab.

Das BVwG führte am 18.02.2019 eine Abfrage im GVS System durch, wonach der BF seit 11.11.2015 Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung bezieht.

Das BVwG übermittelte den Parteien des Verfahrens mit Schreiben vom 18.02.2019 das aktuelle Länderinformationsblatt Afghanistan in der Fassung vom 08.01.2019, die aktuelle UNHCR Richtlinie vom 30.08.2018, Auszüge aus den EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018 und eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 18.07.2018 zu AFGHANISTAN: Hezb-e Islami: Unterstützung in Shamshatu, Rekrutierung, Verfolgung durch Taliban, Aktivitäten Provinz Baghlan und räumte diesen die Möglichkeit ein, hierzu eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.

Der BF führte in seiner Stellungnahme vom 07.03.2019 durch seinen anwaltlichen Vertreter im Wesentlichen aus, dass die vorgelegten Länderinformationen untermauern würden, dass der BF im Falle einer Rückkehr in seinen Heimatstaat asylrelevante Verfolgung zu befürchten habe. Das BVwG habe bereits mehrfach in ähnlich gelagerten Fällen internationalen Schutz gewährt. Der afghanische Staat sei nicht willens und in der Lage, den BF vor den Bedrohungen durch die Taliban bzw. durch den Kommandanten Mirwas zu beschützen. Sollte kein internationaler Schutz gewährt werden, so würden jedenfalls die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen. Der BF habe im Falle seiner Rückkehr ernsthaften Schaden zu erwarten. Ein innerstaatliche Fluchtalternative stehe ihm nicht zur Verfügung, auch sei ihm eine Neuansiedlung in Mazar-e Sharif oder Herat nicht zumutbar. Aufgrund seiner hervorragenden Integration in Österreich würde die Erlassung und Durchsetzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme auch die Verletzung seiner gemäß Art. 8 EMRK garantierten Rechte darstellen. Der BF bemühe sich um eine weitere Verbesserung seiner Deutschkenntnisse, er habe im Februar 2019 den Deutschkurs auf Niveau B1 an der Wirtschaftsuniversität Wien im Rahmen des "MORE-Programmes" erfolgreich abgeschlossen, und habe direkt im Anschluss den B2 Kurs begonnen. Er habe eine enge Beziehung zu einer österreichischen Familie aufgebaut, und diese Familie habe den BF in deren Eigenheim aufgenommen. Die Familie würde den BF bei seinen Herausforderungen des Alltages unterstützen. Der BF sei auch hervorragend in seiner neuen Heimatgemeinde eingebunden. Der BF legte eine Reihe von Unterstützungsschreiben und Bestätigungen mit seiner Stellungnahme vor.

Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.

Aus dem vom BVwG am 07.03.2019 eingeholten Auszug aus dem Strafregister ist ersichtlich, dass der BF in Österreich strafrechtlich unbescholten ist.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Feststellungen zur Person und den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX in XXXX in der Provinz Baghlan, ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an, ist sunnitischer Moslem, gesund, ledig und kinderlos. Die Muttersprache des BF ist Dari. Der BF spricht neben seiner Muttersprache auch Paschtu und Deutsch auf Niveau B1.

Der BF wuchs an seinem Geburtsort in der Provinz Baghlan im Haus seiner Eltern auf. Der BF besuchte zwölf Jahre lang die Schule. Nach der Schule arbeitete vom 05.11.1388 (25.01.2010) bis zu seiner Ausreise als Polizist bei der von der britischen Regierung unterstützten Sondereinheit XXXX ( XXXX ), die direkt dem afghanischen Innenministerium unterstellt ist, ihren Sitz in der Provinz XXXX hat und die Hochrisikoeinsätze zur Terrorabwehr und Drogenbekämpfung ausführt.

Der Vater des BF hieß XXXX . Der Vater des BF war Mitarbeiter beim afghanischen Geheimdienst und war für die afghanische Regierung tätig. Er verstarb im Jahr 2015 bei einem Anschlag auf seine Person, bei welchen auch sein Fahrer und seine beiden Bodyguards ums Leben kamen. Zu diesem Anschlag auf den Vater des BF bekannten sich die Taliban.

Seine Mutter heißt XXXX , sie ist ca. 45 Jahre alt und lebt nach wie vor im Haus der Familie. Die Mutter des BF ist Ärztin. Vormittags arbeitet sie in einem Krankenhaus als Hebamme, nachmittags zuhause als Ärztin.

Der BF hat Geschwister, zwei Brüder und zwei Schwestern. Ein Bruder des BF, XXXX , IFA Zl. XXXX , reiste mit dem BF gemeinsam aus Afghanistan aus und ist ebenfalls Asylwerber in Österreich. Die Mutter lebt mit einem Bruder des BF nach wie vor an dessen Heimatort. Die beiden Schwestern sind verheiratet, eine in der Provinz Khost und eine in der Provinz Baghlan. Der BF hat regelmäßigen Kontakt zu seiner Familie.

Der BF ist mit XXXX , seiner Cousine mütterlicherseits, verlobt. Diese lebt nach wie vor im Heimatdorf des BF.

Die finanzielle Lage der Familie des BF ist gut.

Die Familie des BF ist Eigentümerin eines Hauses und von Grundstücken im Ausmaß von 4 Jirib.

Der BF reiste im Jahr 2015 aus Afghanistan aus und gelangte über den Iran, die Türkei über Griechenland und weitere Staaten nach Österreich, wo er am 09.11.2015 illegal einreiste und am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Es ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dem BF von den Taliban und von Kommandant Mirwais der Hezb-e Islami aufgrund seiner Tätigkeit für die Sondereinheit XXXX eine oppositionelle politische und religiöse Gesinnung unterstellt wird und ihm aus diesen Gründen Verfolgung droht. Die staatlichen Behörden können dem BF in seiner Heimatregion keinen Schutz vor Verfolgung durch die Taliban bzw. durch den Kommandanten Mirwais bieten. Dem BF steht eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative nicht zur Verfügung.

Es liegen keine Gründe vor, nach denen ein Ausschluss des BF hinsichtlich der Asylgewährung zu erfolgen hat. Solche Gründe sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2 Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der BF befindet sich seit seiner Antragstellung im November 2015 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet. Er bezieht seit seiner Einreise Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung.

Der BF hat einen Bruder in Österreich, mit welchem er jedoch nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebt.

Der BF besuchte Deutschkurse, zuletzt auf Niveau B1, und verfügt über sehr gute Kenntnisse der deutschen Sprache. Er nimmt derzeit an einem B2 Kurs an der Wirtschaftsuniversität Wien im Rahmen des "MORE-Programmes" teil.

Der BF hat am 04.01.2018 den Werte- und Orientierungskurs des Österreichischen Integrationsfonds besucht.

Er arbeitet sechs bis sieben Mal pro Monat für die Gemeinde, in der er aktuell lebt. Er ist aktives Mitglied im Fußballverein der Gemeinde und unter anderem Co-Trainer der U9 Mannschaft. In seiner Freizeit schwimmt der BF, fährt mit dem Rad und trainiert für den Marathon. Er hat österreichische Freunde, mit welchen er regelmäßigen Kontakt hat.

Der BF lebt seit 01.01.2019 bei einem Ehepaar in deren Eigenheim. Das Ehepaar hat für den BF eine Patenschaft übernommen.

1.3 Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Zur Lage in Afghanistan werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018 mit Stand vom 08.01.2019, in den UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018, den EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018, der in der Arbeitsübersetzung Landinfo report "Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne" vom 23.08.2017 und in der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 18.07.2018 zu "Afghanistan: Hezb-e Islami: Unterstützung in Shamshatu, Rekrutierung, Verfolgung durch Taliban, Aktivitäten in Baghlan" enthaltenen folgenden Informationen als entscheidungsrelevant festgestellt:

1.3.1 Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren.

1.3.1.1 Herkunftsprovinz Baghlan

Baghlan, die Herkunftsprovinz des BF, liegt in Nordostafghanistan und gilt als eine der industriellen Provinzen Afghanistans. Sie befindet sich auf der Route der Autobahn Kabul-Nord, welche neun Provinzen miteinander verbindet. Ihre Hauptstadt heißt Pul-i-Khumri und ist als Wirtschaftszentrum bekannt. Die Provinz besteht aus folgenden Distrikten: Andarab, Baghlan-e-Jadid/Baghlan-e Markazi, Burka, Dahana-e-Ghori, Dehsalah/Banu, Doshi, Fereng Wa Gharu, Guzargah-e-Nur, Khenjan, Khost Wa Fereng, Nahrin, Pul-e-Hasar, Pul-e-Khumri, Tala Wa Barfak/Barfak, Jalga/Khwajahejran. Im Nordosten grenzt Baghlan an die Provinzen Panjsher, Takhar und Kunduz, im Westen an Samangan und Bamyan, im Süden grenzt sie an die Provinz Parwan. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 943.394 geschätzt.

Im Februar 2017 galt Baghlan als eine der am schwersten umkämpften Provinzen des Landes. Die Sicherheitslage hatte sich seit Anfang 2016 verschlechtert, nachdem die Taliban anfingen, koordinierte Angriffe in Schlüsseldistrikten in der Nähe der Hauptstadt auszuführen. Dies führte zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften. Quellen zufolge versuchen regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen ihre Aktivitäten in einigen Schlüsselprovinzen des Nordens und Nordostens zu verstärken. Nichtsdestotrotz gehen die afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräfte mit Anti-Terrorismus-Operationen gegen diese Gruppierungen vor. Als einer der Gründe für die sich verschlechternde Sicherheitslage wird vom Gouverneur der Provinz die Korruption angegeben, die er gleichzeitig zu bekämpfen versprach. Baghlan zu jenen Provinzen, in denen eine hohe Anzahl an Zivilisten aufgrund explosiver Kampfmittelrückstände und indirekter Waffeneinwirkung ums Leben kam. Im Zeitraum 01.01.2017-30.04.2018 wurden in der Provinz 102 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden von UNAMA 222 zivile Opfer (66 getötete Zivilisten und 156 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von Blindgängern/Landminen und gezielten Tötungen. Dies bedeutet einen Rückgang von 38% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.

In Baghlan werden militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden der Provinz von Aufständischen zu befreien. Bei diesen Militäroperationen werden Aufständische und in manchen Fällen auch ihre Anführer getötet.

Berichten zufolge waren im August 2017 die Taliban im Nordwesten der Provinz aktiv. Anfang 2017 fiel der Distrikt Tala Wa Barfak an die Taliban; später wurde er jedoch von den Regierungsmächten wieder eingenommen.

In Baghlan stellen Kohlenbergwerke, nach der Drogenproduktion, eine der Haupteinnahmequellen der Taliban dar, nachdem im Jahr 2017 einige Bergwerke der Provinz unter Kontrolle aufständischer Gruppierungen gekommen war. Berichtet wurde von Vorfällen, in denen die Gruppierung Check-Points errichtete, um Geld von Kohle-transportierenden Fahrzeugen.

Bei der Provinz Baghlan handelt es laut den EASO Richtlinien vom Juni 2018 um einen Landesteil Afghanistans, wo willkürliche Gewalt stattfindet und allenfalls eine reelle Gefahr festgestellt werden kann, dass der BF ernsthaften Schaden im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie nehmen könnte - vorausgesetzt, dass er aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse von derartigen Risikofaktoren konkret betroffen ist.

1.3.2 Wirtschafts- und Versorgungslage

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut auch im Jahr 2018 weiterhin zu.

In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten im Jahr 2018 als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.

Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant.

1.3.3 Ethnische Minderheiten und Religion

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht.

Schätzungen zufolge, sind: 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen.

Die Dari-sprachige Minderheit der Tadschiken, der auch der BF angehört, ist die zweitgrößte; und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan. Sie machen etwa 30% der afghanischen Gesellschaft aus. Außerhalb der tadschikischen Kerngebiete in Nordafghanistan bilden Tadschiken in weiten Teilen Afghanistans ethnische Inseln, namentlich in den größeren Städten: In der Hauptstadt Kabul sind sie knapp in der Mehrheit. Aus historischer Perspektive identifizierten sich Sprecher des Dari-Persischen in Afghanistan nach sehr unterschiedlichen Kriterien, etwa Siedlungsgebiet oder Herkunftsregion. Dementsprechend nannten sie sich zum Beispiel kaboli (aus Kabul), herati (aus Herat), mazari (aus Mazar-e Scharif), panjsheri (aus Pajshir) oder badakhshi (aus Badakhshan). Sie konnten auch nach ihrer Lebensweise benannt werden. Der Name tajik (Tadschike) bezeichnete traditionell sesshafte persischsprachige Bauern oder Stadtbewohner sunnitischer Konfession. Die Tadschiken sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert. Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten, wie es auch der BF ist.

1.3.4 Sicherheitsbehörden

In Afghanistan gibt es drei Ministerien, die mit der Wahrung der öffentlichen Ordnung betraut sind: das Innenministerium (MoI), das Verteidigungsministerium (MoD) und das National Directorate for Security (NDS). Das MoD beaufsichtigt die Einheiten der afghanischen Nationalarmee (ANA), während das MoI für die Streitkräfte der afghanischen Nationalpolizei (ANP) zuständig ist.

Die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte (CIA 2018). Bestandteile der ANDSF sind die afghanische Nationalarmee (ANA), die afghanische Nationalpolizei (ANP) und die afghanischen Spezialsicherheitskräfte (ASSF). Die ANA beaufsichtigt alle afghanischen Boden- und Luftstreitkräfte inklusive der konventionellen ANA-Truppen, der Luftwaffe (AAF), des ANA- Kommandos für Spezialoperationen (ANASOC) des Spezialmissionsflügels (SMW) und der afghanischen Grenzpolizei (ABP) (die ABP seit November 2017, Anm.). Die ANP besteht aus der uniformierten afghanischen Polizei (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Kriminalpolizei (AACP), der afghanischen Lokalpolizei (ALP), den afghanischen Kräften zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und der afghanischen Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA). Auch das NDS ist Teil der ANDSF.

Die ASSF setzen sich aus Kontingenten des MoD (u. a. dem ANASOC, der Ktah Khas [Anm.: auf geheimdienstliche Anti-Terror-Maßnahmen spezialisierte Einheit] und dem SMW) und des MoI (u.a. dem General Command of Police Special Unit (GCPSU) und der ALP) zusammen.

Schätzungen der US-Streitkräfte zufolge betrug die Anzahl des ANDSF-Personals am 31. Jänner 2018 insgesamt 313.728 Mann; davon gehörten 184.572 Mann der ANA an und 129.156 Mann der ANP. Diese Zahlen zeigen, dass sich die Zahl der ANDSF im Vergleich zu Jänner 2017 um ungefähr 17.980 Mann verringert hat. Die Ausfallquote innerhalb der afghanischen Sicherheitskräfte variiert innerhalb der verschiedenen Truppengattungen und Gebieten. Mit Stand Juni 2017 betrug die Ausfallquote der ANDSF insgesamt 2.31%, was im regulären Dreijahresdurchschnitt von 2.20% liegt.

Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. In einer öffentlichen Erklärung der Taliban Führung zum Beginn der Frühjahrsoffensive 2018 (25. April 2018) hieß es: "Die Operation Al-Khandak wird sich neuer, komplexer Taktiken bedienen, um amerikanische Invasoren und ihre Unterstützer zu zermalmen, zu töten und gefangen zu nehmen". Bereits der Schwerpunkt der Frühjahroffensive 2017 "Operation Mansouri" lag auf "ausländischen Streitkräften, ihrer militärischen und nachrichtendienstlichen Infrastruktur sowie auf der Eliminierung ihres heimischen Söldnerapparats.". Afghanische Dolmetscher, die für die internationalen Streitkräfte tätig waren, wurden als Ungläubige beschimpft und waren Drohungen der Taliban und des Islamischen Staates (IS) ausgesetzt.

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen; dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt. Die USA erhöhten ihren militärischen Einsatz in Afghanistan: Im ersten Quartal des Jahres 2018 wurden USamerikanische Militärflugzeuge nach Afghanistan gesandt; auch ist die erste U.S. Army Security Force Assistance Brigade, welche die NATO-Kapazität zur Ausbildung und Beratung der afghanischen Sicherheitskräfte verstärken soll, in Afghanistan angekommen. Während eines Treffens der NATO-Leitung am 25.5.2017 wurde verlautbart, dass sich die ANDSF- Streitkräfte zwar verbessert hätten, diese jedoch weiterhin Unterstützung benötigen würden.

Die ANDSF haben in den vergangenen Monaten ihren Druck auf Aufständische in den afghanischen Provinzen erhöht; dies resultierte in einem Anstieg der Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen auf Zivilisten in der Hauptstadt. Wegen der steigenden Unsicherheit in Kabul verlautbarte der für die Resolute Support Mission (RS) zuständige US-General John Nicholson, dass die Sicherheitslage in der Hauptstadt sein primärer Fokus sei. Die ANDSF weisen Erfolge in urbanen Zentren auf, hingegen sind die Taliban in ländlichen Gebieten, wo die Kontrolle der afghanischen Sicherheitskräfte gering ist, erfolgreich. Für das erste Quartal des Jahres 2018 weisen die ANDSF einige Erfolge wie die Sicherung der Konferenz zum Kabuler Prozess im Februar und den Schutz der Einweihungszeremonie des TAPI-Projekts in Herat auf. Nachdem die Operation Shafaq II beendet wurde, sind die ANDSF-Streitkräfte nun an der Operation Khalid beteiligt und unterstützen somit Präsident Ghanis Sicherheitsplan bis 2020.

Das Sammeln sowie der Austausch von geheimdienstlichen Daten verbesserte sich sowohl im Verteidigungs- als auch im Innenministerium. Die drei geheimdienstlichen Verbindungszentren, das Network Targeting and Exploitation Center (NTEC) im Innenministerium, das National Military Intelligence Center (NMIC) in der ANA (unter dem Verteidigungsministerium, Anm.) und das

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)

Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit aber auf der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Das Langzeitziel der ANP ist es weiterhin, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln. Mit Stand 31. Jänner 2018 betrug das ANP-Personal etwa 129.156 Mann. Im Vergleich zu Jänner 2017 hat sich die Anzahl der ANP-Streitkräfte um 24.841 Mann verringert.

Quellen zufolge dauert die Grundausbildung für Streifenpolizisten bzw. Wächter acht Wochen. Für höhere Dienste dauern die Ausbildungslehrgänge bis zu drei Jahren. Lehrgänge für den höheren Polizeidienst finden in der Polizeiakademie in Kabul statt, achtwöchige Lehrgänge für Streifenpolizisten finden in Polizeiausbildungszentren statt, die im gesamten Land verteilt sind. Die standardisierte Polizeiausbildung wird nach militärischen Gesichtspunkten durchgeführt, jedoch gibt es Uneinheitlichkeit bei den Ausbildungsstandards. Es gibt Streifenpolizisten, die Dienst verrichten, ohne eine Ausbildung erhalten zu haben. Die Rekrutierungs- und Schulungsprozesse der Polizei konzentrierten sich eher auf die Quantität als auf den Qualitätsausbau und erfolgten hauptsächlich auf Ebene der Streifenpolizisten statt der Führungskräfte. Dies führte zu einem Mangel an Professionalität. Die afghanische Regierung erkannte die Notwendigkeit, die beruflichen Fähigkeiten, die Führungskompetenzen und den Grad an Alphabetisierung innerhalb der Polizei zu verbessern.

Die Mitglieder der ALP, auch bekannt als "Beschützer", sind meistens Bürger, die von den Dorfältesten oder den lokalen Anführern zum Schutz ihrer Gemeinschaften vor Angriffen Aufständischer designiert werden. Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur lokalen Gemeinschaft wurde angenommen, dass die ALP besser als andere Streitkräfte in der Lage sei, die Sachverhalte innerhalb der Gemeinde zu verstehen und somit gegen den Aufstand vorzugehen. Die Einbindung in die örtliche Gemeinschaft ist ein integraler Bestandteil bei der Einrichtung der ALP-Einheiten, jedoch wurde die lokale Gemeinschaft in einigen afghanischen Provinzen diesbezüglich nicht konsultiert, so lokale Quellen. Finanziert wird die ALP ausschließlich durch das US-amerikanische Verteidigungsministerium und die afghanische Regierung verwaltet die Geldmittel.

Die Personalstärke der ALP betrug am 8. Februar 2017 etwa 29.006 Mann, wovon 24.915 ausgebildet waren, 4.091 noch keine Ausbildung genossen hatten und 58 sich gerade in Ausbildung befanden. Die Ausbildung besteht in einem vierwöchigen Kurs zur Benutzung von Waffen, Verteidigung an Polizeistützpunkten, Thematik Menschenrechte, Vermeidung von zivilen Opfern usw.

Die monatlichen Ausfälle der ANP im vorhergehenden Quartal betrugen mit Stand 26. Februar 2018 ca. 2%. Über die letzten zwölf Monate blieben sie relativ stabil unter 3% .

1.3.5 Terroristische und aufständische Gruppierungen

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte grundsätzlich vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden: das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus. Die Taliban haben hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet. Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans. Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten.

Die Hezb-e Islami ist in der Provinz Baghlan aktiv. Es gibt Berichte über die Gründung einer Koalition durch ehemalige Mitglieder der Hezb-e Islami, von Verwicklung in Morde, Entführungen, Landraub und Bergbau sowie militärische Präsenz. Die Provinz Baghlan war früher eine Hochburg der Hezb-e Islami, fiel jedoch in den Jahren nach 2011 sukzessive an die Taliban.

Didpress, eine Nachrichtenagentur aus Afghanistan, berichtet am 26.3.2018 unter Berufung auf die örtliche Bevölkerung, dass der Kommandant Mirwais der Hezb-e Islami in der Provinz Baghlan in zahlreiche Fälle von Mord, Raub und andere Übergriffe involviert sei. Ein Video, das in sozialen Medien veröffentlicht wurde, zeige, wie Mirwais mehrere Bewohner Baghlans als Geiseln nahm und diese in einem Brunnen gefangen hielt.

Tolo News, eine englischsprachige Nachrichtenseite aus Afghanistan, berichtet am 1.7.2017, dass Mirwais, ein hochrangiger Kommandant der Hezb-e Islami von Gulbuddin Hekmatyar aus Baghlan, die Regierung als korrupt bezeichnet. Er würde keinen Waffenstillstand mit diesem Regime unterzeichnen, so es nicht die Anweisung von Gulbuddin Hekmatyar wäre. Der Kommandant versicherte, die Hezb-e Islami werde innerhalb von sechs Monaten die Sicherheit in Baghlan wiederherstellen und die Taliban in den Friedensprozess einbinden. Mirwais befehligt laut eigenen Angaben eintausend Kämpfer und kritisiert die Leistung der Regierungstruppen in den Gebieten Doshi, Pul-e-Khumri und anderen Gebieten von Baghlan. Der Polizeichef von Baghlan verteidigt das Friedensabkommen mit der Hezb-e Islami und begrüßt die Zusammenarbeit mit Mirwais, gibt aber an, in der Lage zu sein, die Sicherheit in Baghlan zu gewährleisten.

Pajhwok berichtet am 1.1.2017, dass Mitglieder der Sicherheitskräfte sowie Stammesälteste die Hezb-e Islami und deren Kommandanten Mirwais des Landraubes beschuldigen. Die Hezb-e Islami hätte im Distrikt Baghlan-i-Markazi, in den Gebieten von Salamkhel und Walikhel Grundstücke aus Staatsbesitz beschlagnahmt und weiterverkauft. Der Distriktleiter gab an, dass es sich bei den betreffenden Gebieten um unsichere Gebiete handeln würde, weswegen Regierungsvertreter bisher keine Gelegenheit hatten, den Sachverhalt vor Ort zu prüfen.

Die Taliban haben eine Vielzahl von Personen ins Visier genommen, die sich ihrer Meinung nach "fehlverhalten":

...

b) Regierungsbeamte und Mitarbeiter westlicher und anderer 'feindlicher' Regierungen - alle Zivilisten, die für die Regierung oder für westliche diplomatische Vertretungen und andere Einrichtungen arbeiten;

c) Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte jeden Ranges;

d) Personen, von denen angenommen wird, dass sie die Taliban für die Regierung ausspionieren oder Informationen über sie liefern;

...

Außer den Personen der oben genannten Kategorien a), d), e) und k) bieten die Taliban allen Personen, die sich fehlverhalten die Chance, Reue und Willen zur Wiedergutmachung zu zeigen. Die Personen der Kategorien a), d), e) und k) haben allein schon durch die Zugehörigkeit zu dieser Kategorie, Verbrechen begangen, im Gegensatz zu einer Tätigkeit als Auftragnehmer. Im Grunde steht jeder auf der schwarzen Liste, der (aus Sicht der Taliban) ein "Übeltäter" ist, und dessen Identität und Anschrift die Taliban ausfindig machen können.

Die Taliban haben ein Netzwerk an Spitzeln in Afghanistan, allein in der Stadt Kabul sind drei verschiedene Taliban Nachrichtendienste nebeneinander aktiv. Es heißt, dass die verschiedenen Nachrichtendienste der Taliban in Kabul über 1.500 Spione in allen 17 Stadtteilen haben. Selbst die, die umsiedeln, laufen Gefahr, auf dem Weg an den Straßensperren der Taliban festgehalten zu werden. Die Taliban behaupten, dass sie, dank ihrer Spione bei der Grenzpolizei am Flughafen Kabul und auch an vielen anderen Stellen, überwachen können, wer in das Land einreist. Sie geben an, regelmäßig Berichte darüber zu erhalten, wer neu ins Land einreist.

In dem Maße, in dem das System der Taliban Gestalt annahm und ihre Verhaltenskodizes ausgefeilter wurden, wurden auch Regeln eingeführt, die vorschrieben, dass die Taliban Kollaborateure mindestens zweimal warnen mussten, bevor sie gegen sie vorgingen. Dieses Verfahren galt wohl ab 2009 oder 2010. Von der Regel ausgenommen sind lediglich "schlimme Kriminelle", wie führende Persönlichkeiten in der Regierung. Daher gilt folgendes Verfahren für das Vorgehen gegen einen bestimmten Kollaborateur:

1. Person identifizieren;

2. Kontaktdaten herausfinden (Adresse oder Telefonnummer);

3. Person mindestens zweimal warnen;

4. verhören und vor Taliban-Gerichte stellen;

5. Person auf die schwarze Liste setzen, wenn sie sich weigert, den Anordnungen der Taliban Folge zu leisten;

6. Günstige Gelegenheit abwarten, um zuzuschlagen.

Teil 4 wird ausgesetzt, wenn die Umstände Verhöre oder Inhaftierung nicht zulassen. So können die Taliban zum Beispiel in der Stadt Kabul normalerweise keine Verdächtigen oder Täter festnehmen, daher gibt es die beiden Alternativen, die Verdächtigen zu überwachen, bis sie Kabul verlassen und sie dann festzunehmen (die Taliban behaupten, 2015/16 350 solcher Festnahmen durchgeführt zu haben) oder die Mordkommandos zum Einsatz zu bringen, ohne den Umweg über ein Gerichtsverfahren.

Die praktische Durchführung von Schritt 6 hängt normalerweise von den Fähigkeiten des lokalen Verfolgungsteams ab, dessen Arbeitsauslastung und dem mit der Vollstreckung des 'Urteils' verbundenen Risiko. Eine geschützte Zielperson bzw. eine in einem Gebiet, das von den Behörden stark bewacht wird, könnte zwar für die Taliban wichtig sein, bei ihrer Liquidierung bestünde aber andererseits auch ein hohes Risiko, dass das Mordkommando die Operation nicht überlebt. Eine weniger wichtige Zielperson, die in einem leicht zugänglichen Gebiet mit guten Fluchtmöglichkeiten wohnt, könnte von den Taliban eher liquidiert werden, als eine bedeutendere, die besser geschützt ist. Die Nachrichtendienste der Taliban geben ihre Listen der Verdächtigen an die Militär-Kommission (im Falle der Quetta Shura, an den Schattengouverneur; im Falle der Miran Shah Shura an den Provinzverteter des Haqqani-Netzes) weiter, die dann darüber entscheidet, welche von diesen Personen auf die schwarze Liste gesetzt werden. Jeder nachrichtendienstlichen Abteilung in den Provinzen ist ein Team (Istakhbarati Karwan) zugeordnet, das in Absprache mit der Militär-Kommission Kollaborateure verfolgt. In den meisten Provinzen besteht das Team aus 20 Mitgliedern, ist aber an Orten wie Kabul größer. Die meisten Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Verfolgung einer Zielperson werden von den Karwan ausgeführt, weitere Gefahr droht ihnen jedoch durch die Kontrollstellen der Taliban und deren Patrouillen in den Dörfern, die jeweils über Auszüge der Liste der Zielpersonen verfügen.

Obwohl die politische Führung der Taliban anscheinend großen Wert auf die von ihr eingeführten Regeln legt und will, dass sie eingehalten werden, geben die meisten Taliban zu, dass es immer noch willkürliche Hinrichtungen gibt. Gelegentlich nehmen die Taliban Hinrichtungen aus Wut wegen Luft- und Nachtangriffen auf sie vor. Da er nichts dagegen unternehmen kann, könnte ein Taliban-Kommandant einige der Dorfbewohner zu Sündenböcken machen, insbesondere, wenn man sie sowieso schon in Verdacht hatte, den Taliban gegenüber nicht loyal zu sein. Außerdem leidet die Informationsbeschaffung der Taliban, genau wie die ihrer Gegner - der afghanischen Regierung und der ISAF - unter Falschinformationen, die durch Fehden oder Vendetten motiviert sind.

Zumindest teilweise hat das Justizsystem der Taliban den Zweck, deutlich zu machen, dass ihre Bewegung einen Schattenstaat darstellt. Es liegt den Taliban daher viel daran, die Kontinuität zwischen der aktuellen Bewegung von Aufständischen und dem Taliban-Emirat von 1996-2001 zu betonen; tatsächlich bezeichnen sich die Taliban selbst immer noch als das Islamische Emirat Afghanistan. Daher gelten alle Urteile, die die Taliban für jegliches Verbrechen einmal gesprochen haben, immer noch weiter, einschließlich derer, die vor dem Fall des Emirates ergingen. Tatsächlich befinden sich, laut den Taliban-Quellen, auf der 15.000 Personen umfassenden schwarzen Liste, immer noch 3.000, die zu Zeiten des Emirats verurteilt wurden (die Gerichtsunterlagen wurden nach Pakistan geschafft, als das Emirat fiel). Es ist naheliegend, dass diejenigen, die den Urteilen der Taliban damals entgingen, sich im Ausland aufhielten, daher wurden recht viele dieser Personen (ca. 200) von den Taliban erst 2002-2016 gefasst.

Die Taliban beobachten alle Fremden, die in den Dörfern und Kleinstädten unter ihrer Kontrolle ankommen genau, genauso wie die Dorfbewohner, die in Gebiete unter Regierungskontrolle reisen. Sie fürchten offensichtlich, ausspioniert zu werden und versuchen, die Rekrutierung von Informanten durch die Regierung zu beschränken. Wer in die Taliban-Gebiete ein- oder ausreist sollte die Reise überzeugend begründen können, möglichst belegt mit Nachweisen über Geschäftsabschlüsse, medizinische Behandlung etc. Wenn die Taliban einen Schuldigen suchen, der für die Regierung spioniert haben soll, ist jeder, der verdächtigt wird, sich an die Behörden gewandt zu haben, in großer Gefahr.

2. Beweiswürdigung:

2.1 Zu den Feststellungen zur Person und den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunft, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit sowie zu den Aufenthaltsorten, Familienangehörigen, Sprachkenntnissen, der Schulbildung und Berufserfahrung des BF beruhen auf dessen plausiblen, im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des Asylverfahrens. Die Angaben dienen zur Identifizierung im Asylverfahren.

Die Feststellungen zu den Gründen des BF für das Verlassen seines Heimatstaates stützen sich auf die vom BF vor der belangten Behörde und im Beschwerdeverfahren, insbesondere auf die in der mündlichen Verhandlung am 01.08.2018, getroffenen Aussagen.

Die Aussagen des Asylwerbers stellen, wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung erkennt, häufig die zentrale Erkenntnisquelle dar, die auf ihre Glaubhaftigkeit zu überprüfen ist. So ist das Vorbringen eines Asylwerbers als glaubhaft anzusehen, wenn es nachstehende vier Grunderfordernisse erfüllt:

1. Das Vorbringen des Asylwerbers ist genügend substantiiert. Das Ergebnis ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen.

2. Das Vorbringen muss, um als glaubhaft zu gelten, in sich schlüssig sein. Der Asylwerber darf sich nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen.

3. Das Vorbringen muss plausibel sein, d.h. mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen. Diese Voraussetzung ist u. a. dann nicht erfüllt, wenn die Darlegungen mit den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren sind oder sonst unmöglich erscheinen.

4. Der Asylwerber muss persönlich glaubwürdig sein. Das ist dann nicht der Fall, wenn sein Vorbringen auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt ist, aber auch dann, wenn er wichtige Tatsachen verheimlicht oder bewusst falsch darstellt, im Laufe des Verfahrens das Vorbringen auswechselt oder unbegründet und verspätet erstattet oder mangelndes Interesse am Verfahrenslauf zeigt und die nötige Mitwirkung verweigert.

Als fluchtauslösendes Ereignis brachte der BF in allen seinen Einvernahmen in diesem Verfahren stets - auf Nachfragen ausführlicher - vor, dass er für die polizeiliche Sondereinheit XXXX in der Provinz XXXX tätig war und dort mit Britischen Soldaten zusammengearbeitet hat. Er war in dieser Position an der Bekämpfung des Drogenanbaus und des Terrorismus an Gefechten gegen die Taliban beteiligt. Der BF wurde telefonisch vom Kommandanten der Hezb-e Islami seines Dorfes bedroht, seinen Job aufzugeben. Nachdem der Vater des BF, welcher für den Afghanischen Geheimdienst tätig war, bei einem Anschlag ums Leben kam, zu dem sich die Taliban bekannten, reiste er gemeinsam mit seinem Bruder aus.

Seinen beruflichen Werdegang und seine Tätigkeit in der Spezialeinheit der Polizei schilderte der BF nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Seine Angaben konnte er auch durch den vorgelegten Polizeiausweis und seine Zutrittskarte zu den Stützpunkten der Britischen Armee belegen. Die Tätigkeit seines Vaters beim Geheimdienst und dessen Ermordung, zu der sich die Taliban bekannten, erscheint vor dem Hintergrund der Länderinformationen und den übereinstimmenden Angaben des Bruders der BF ebenfalls plausibel.

Der BF beschrieb nachvollziehbar, dass er zu Beginn seiner Tätigkeit, als die Sicherheitslage in seiner Herkunftsprovinz Baghlan noch gut gewesen sei, mit seiner Uniform nachhause gekommen sei. Seine Spezialeinheit sei im Fernsehen gezeigt worden. Sein Vater sei ebenfalls bekannt gewesen. Sein Vorbringen, wonach man ihn daher sowohl in seinem Heimatdorf als auch im Rest des Landes erkennen und finden würde, ist daher glaubhaft. Da sich sowohl der BF als auch mehrere Familienmitglieder des BF (sein Vater war für den Geheimdienst tätig, sein Onkel mütterlicherseits war als Dolmetscher für kanadische Soldaten im Einsatz, ein Onkel väterlicherseits arbeitet für eine Hilfsorganisation) durch verschiedene Tätigkeiten klar gegen die Taliban positioniert haben, ist der BF laut UNHCR-Richtlinien jedenfalls der Risikogruppe jener Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung und der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, zuzuordnen. Der BF, der bei Einsätzen beteiligt war, an denen auch Taliban getötet wurden, befürchtet glaubhaft Rachehandlungen der Taliban. Wie bereits zuvor ausgeführt, ist der BF nicht nur in seinem Heimatdorf, sondern auch im gesamten Land bekannt und ist auch seine Familie klar gegen die Taliban positioniert.

Dass der Hezb-e Islami-Kommandant Mirwais, von dem der BF mehrfach telefonisch bedroht worden ist, kein Taliban ist, vermag die Glaubhaftigkeit einer Verfolgungsgefahr nicht vermindern. Den Länderfeststellungen ist die Gefährlichkeit von Kommandant Mirwais zu entnehmen, welcher in der Provinz Baghlan in zahlreiche Fälle von Mord, Raub und andere Übergriffe involviert ist. Er kritisierte die Regierung öffentlich als korrupt, erklärte sich als Gegner eines Waffenstillstandes mit der Regierung und kooperiert mit den Taliban. In diesem Kontext ist auch nachvollziehbar und glaubhaft, dass für den BF auch vom Kommandanten Mirwais eine Bedrohung ausgeht. Die vom BF geschilderte verschlechterte Sicherheitslage in Baghlan wird durch die dieser Entscheidung zugrundeliegenden Länderfeststellungen bestätigt. Die Taliban haben an Einfluss gewonnen und sind in seiner

Im Februar 2017 galt Baghlan als eine der am schwersten umkämpften Provinzen des Landes.

Die durch die Länderberichte belegte, über einen langen Zeitraum äußerst volatile Sicherheitslage in der Heimatregion des BF, Baghlan, die hohe Präsenz der Taliban und die Vielzahl von sicherheitsrelevanten Vorfälle und der Umstand, dass der Vater des BF von den Taliban im Zuge eines Anschlages getötet wurde, zeigen, dass derzeit nicht davon ausgegangen werden kann, dass die staatlichen Sicherheitsbehörden im Hinblick auf die dortige Verfolgung durch die Taliban den BF hinreichend schützen können.

Der BF wird als Person als glaubwürdig angesehen, sein Vorbringen ist plausibel, schlüssig und im Lichte der in das Verfahren eingebrachten Länderinformationen nachvollziehbar.

Dem BF, der sich aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit in der Sondereinheit XXXX in einer den Taliban und dem Kommandanten Mirwais gegenüber exponierten Lage befindet, steht auch keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung, da insbesondere die Taliban in ganz Afghanistan ein Netzwerk an Spitzeln und Nachrichtendiensten haben, wie aus den Länderfeststellungen hervorgeht. Es ist daher mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass es den Taliban gelingen wird, den BF im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan zu finden und sich herumsprechen würde, dass er von seiner Flucht zurückgekehrt ist und ihm bei einer Rückkehr in weiterer Folge Gewalt von Seiten der Taliban droht. Dass der afghanische Staat derzeit landesweit nicht in der Lage ist, den BF vor dieser Bedrohung hinreichend zu schützen, zeigt sich aus den Länderberichten, wonach die Taliban im gesamten Staatsgebiet wieder an Einfluss gewinnen und viele Teile des Landes unter ihrer Kontrolle haben.

2.2 Zu den Feststellungen zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Betreffend das Privatleben und insbesondere die Integration des BF in Österreich wurden dessen Angaben in der Beschwerdeverhandlung sowie die vorgelegten Unterlagen den Feststellungen zugrunde gelegt.

Die Feststellung zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

2.3 Zu den Länderfeststellungen zur allgemeinen Lage in Afghanistan

Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das BVwG kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben. Die Parteien des Verfahrens haben alle genannten Länderinformationen mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme vom erkennenden Gericht übermittelt bekommen und haben von diesem Recht auch teilweise Gebrauch gemacht. Die vom BF in seinen Stellungnahmen zitierten Länderinformationen finden Großteils Deckung in dem von der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erstellten Länderinformationen zu Afghanistan. Insoweit es hier Abweichungen zu den dieser Entscheidung zugrunde gelegten Länderinformationen gibt, wird dem entgegengehalten, dass diese Länderinformationen der Staatendokumentation auf dem aktuellen Stand sind, und alle, für das gegenständliche Verfahren wesentlichen Aspekte berücksichtigen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Zu Spruchteil A):

Gemäß § 3 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist und glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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