TE Vwgh Erkenntnis 1999/4/16 99/18/0025

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Veröffentlicht am 16.04.1999
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

MRK Art8 Abs2;
MRKZP 04te Art2 Abs2;
MRKZP 04te Art2 Abs3;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litf;
PaßG 1992 §15 Abs1;
PaßG 1992 §19 Abs2;
SGG §12 Abs1;
SGG §16 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hofbauer, über die Beschwerde des S A P, vertreten durch Dr. Richard Soyer und Mag. Wilfried Embacher, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Kärntner Ring 6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15. September 1998, Zl. SD 660/98, betreffend Entziehung eines Reisepasses und eines Personalausweises, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 15. September 1998 hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (die belangte Behörde) gemäß § 15 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f des Paßgesetzes 1992 - PaßG, BGBl. Nr. 839, den von der Bundespolizeidirektion Wien am 21. Juni 1991 für den Beschwerdeführer ausgestellten Reisepaß Nr. V 0671675 sowie gemäß § 15 Abs. 1 und § 19 Abs. 2 iVm § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PaßG den von der Bundespolizeidirektion Wien am 21. Juni 1991 für den Beschwerdeführer ausgestellten Personalausweis Nr. 4925917 entzogen.

Der Beschwerdeführer sei im Zeitraum von 1977 bis 1995 insgesamt 15mal rechtskräftig verurteilt worden. Mit Urteil des Amtsgerichtes Aachen vom 26. Juni 1992 sei er wegen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr und sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Die bedingte Strafnachsicht sei am 12. April 1996 widerrufen worden. Am 1. Juni 1993 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen der §§ 12 Abs. 1 und 16 Abs. 1 Suchtgiftgesetz zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, davon neun Monate unter bedingter Strafnachsicht, rechtskräftig verurteilt worden. Schließlich sei er vom Landesgericht Passau am 28. März 1995 wegen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden.

Durch diese Verurteilungen stehe ohne Zweifel fest, daß der Beschwerdeführer Suchtgift in einer großen Menge ausgeführt und in Verkehr zu setzen versucht habe. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer die Tathandlungen im Zeitraum von 1992 bis 1995 gesetzt und sich seither nach seinen eigenen Angaben wohlverhalten habe, ändere nichts am negativen Ausgang der anzustellenden Zukunftsprognose. Zum einen gehöre die Wiederholungsgefahr zum Wesen der Suchtgiftkriminalität, zum anderen bedürfe es im Hinblick auf die zuletzt erfolgte Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren eines relativ langen Zeitraumes des Wohlverhaltens, um von einer völligen Abkehr von der Suchtgiftszene sprechen zu können.

Der Beschwerdeführer verkenne die Rechtslage, wenn er meine, in einem Paßentziehungsverfahren wäre eine Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK vorzunehmen. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer durch die Paßentziehung nicht in der Lage sei, seinen in den Niederlanden lebenden Sohn (für den er obsorgeberechtigt sei) zu besuchen bzw. dort mit diesem zu leben, könne daher bei der vorliegenden Entscheidung nicht berücksichtigt werden. Im übrigen sei es dem Beschwerdeführer unbenommen, gemeinsam mit seinem Sohn im Inland zu leben.

2. Der Beschwerdeführer erhob dagegen zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser Gerichtshof lehnte mit Beschluß vom 30. November 1998, B 2064/98-3, die Behandlung der Beschwerde ab und führte dazu u.a. folgendes aus:

     "Insofern die Beschwerde verfassungsrechtliche Fragen berühren

könnte, als die Verfassungswidrigkeit der in Rede stehenden

Maßnahme behauptet wird, hat sie schon allein deshalb keine

hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil die Einschränkung, welcher

der Beschwerdeführer durch diesen Rechtsakt unterworfen ist, im

Einklang mit Art. 8 Abs. 2 EMRK (arg.: 'der Eingriff ... ist nur

statthaft, insoweit dieser ... gesetzlich vorgesehen ist und eine

Maßnahme darstellt, die ... zur Verhinderung von Straftaten ...

notwendig ist.' in Art. 8 Abs. 2 EMRK) steht."

Mit Beschluß vom 21. Dezember 1998, B 2064/98-5, hat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

In den an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Ausführungen beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PaßG ist (u.a.) die Ausstellung eines Reisepasses zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Paßwerber den Reisepaß benützen will, um entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge zu erzeugen, einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen.

Gemäß § 15 Abs. 1 PaßG ist ein Reisepaß, dessen Gültigkeitsdauer nicht länger als fünf Jahre abgelaufen ist, zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Versagung der Ausstellung des Reisepasses rechtfertigen.

Gemäß § 19 Abs. 2 PaßG sind (u.a.) auf die Entziehung von gültigen Personalausweisen die diesbezüglichen, die gewöhnlichen Reisepässe betreffenden Bestimmungen des PaßG anzuwenden.

2. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, in der Zeit von 1992 bis 1995 Suchtgift in einer großen Menge ausgeführt und in Verkehr zu setzen versucht sowie die von der belangten Behörde festgestellten in- und ausländischen Verurteilungen erlitten zu haben. Obwohl Feststellungen zu den Straftaten des Beschwerdeführers fehlen - was in der Beschwerde nicht gerügt wird - kann es schon aufgrund der vom Beschwerdeführer verwirklichten Tatbestände ("unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln", § 12 Abs. 1 Suchtgiftgesetz) und der verhängten hohen Strafen im Zusammenhang mit dem Erfahrungswissen, daß gerade bei Verstößen gegen § 12 des Suchtgiftgesetzes die Wiederholungsgefahr besonders groß ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 1998, Zl. 98/18/0288), nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangt ist, der Beschwerdeführer werde seinen Reisepaß und seinen Personalausweis dazu benützen, entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, daß sich der Beschwerdeführer nach seinem Vorbringen seit 1995 wohlverhalten hat. Selbst wenn er sich nämlich während dieser Zeit - trotz der langjährigen unbedingten Freiheitsstrafen - auf freiem Fuß befunden haben sollte, wäre der seither verstrichene Zeitraum zu kurz, um verläßlich beurteilen zu können, daß die Annahme gemäß § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PaßG trotz der gravierenden Straftaten nicht mehr gerechtfertigt sei.

3. Die an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerdeausführungen beschränken sich darauf, eine Verletzung von Art. 8 EMRK und Art. 2 Abs. 2 des 4. ZPEMRK durch den angefochtenen Bescheid geltend zu machen sowie in diesem Zusammenhang das Fehlen von Feststellungen über die Beziehung des Beschwerdeführers zu seinem in den Niederlanden lebenden unehelichen Sohn und einer ausreichenden Bescheidbegründung zu dieser Frage zu bemängeln.

Diese Ausführungen können die Beschwerde schon deswegen nicht zum Erfolg führen, weil sowohl das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK als auch das Recht der Freizügigkeit gemäß Art. 2 Abs. 2 des 4. ZPEMRK unter einem Gesetzesvorbehalt stehen (Art. 8 Abs. 2 EMRK, Art. 2 Abs. 3 des 4. ZPEMRK), der jeweils einen gesetzlich vorgesehenen Eingriff u.a. zur Verhinderung von Straftaten und zum Schutz der Gesundheit rechtfertigt, und die vorliegend ausgesprochene Entziehung des Reisepasses und des Personalausweises gerade diesen Zwecken dient. (Vgl. hiezu auch die oben I.2. zitierten Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes.)

4. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

5. Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 16. April 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999180025.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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