TE Lvwg Erkenntnis 2019/3/22 LVwG-2018/41/1871-13, LVwG-2018/41/1872-12

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Veröffentlicht am 22.03.2019
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Entscheidungsdatum

22.03.2019

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §45 Abs1 Z1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Dr. Riedler über die Beschwerden des Herrn AA, vertreten durch die Rechtsanwälte BB, Adresse 1, Z, gegen

I.       das als Strafverfügung bezeichnete Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Z vom 09.07.2018, ***** (LVwG-2018/41/1871) und

II.      das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Z vom 09.07.2018, ***** (LVwG-2018/41/1872),

betreffend Übertretungen nach dem LMSVG, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht erkannt:

1.       Den Beschwerden (zu I. und II.) wird Folge gegeben, die angefochtenen Straferkenntnisse werden behoben und die Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang und Beschwerdevorbringen:

a)

Mit dem als Strafverfügung bezeichneten Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Z vom 09.07.2018, Zl *****, wurde AA folgender Sachverhalt zur Last gelegt:

„Sie haben es als verantwortlich Beauftragter (gemäß § 9 Abs. 2 VStG) der CC-GmbH (CC Bäckerei) in Y, Adresse 2 zu verantworten, dass im Zuge einer am 17.01.2018 im Betrieb CC-GmbH, CC Bäckerei, Y, Adresse 2, durchgeführten Lebensmittelkontrolle vom Lebensmittelaufsichtsorgan DD die Probe „***** Steinofenbrot“, welche von der CC-GmbH in Y, Adresse 2 hergestellt und somit in Verkehr gebracht wurde, entnommen und von der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH, Institut Lebensmittelsicherheit Z, Z, Adresse 3, wie folgt beurteilt wurde:

Die Probe mit der Bezeichnung „***** Steinofenbrot“ unterliegt der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel (LMIV).

Gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. b LMIV gehört das Zutatenverzeichnis zu den verpflichtenden Angaben. Da gemäß Prüfbericht Propionsäure von 0,32 ± 0,10 g/kg analysiert wurde, fehlt die Angabe der Propionsäure sowie der Klassenname im Zutatenverzeichnis. Z.B. Konservierungsmittel: Propionsäure.

Weiters ist die Auslobung auf der Rückseite der Verpackung: “ohne Emulgatoren ohne Konservierungsmittel ohne Farbstoffe“ somit irreführend, da gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. a Informationen in Bezug auf die Eigenschaft des Lebensmittels, insbesondere die Zusammensetzung nicht irreführend sein dürfen.

Die Kennzeichnung der vorliegenden Probe entspricht daher nicht den Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel.

Sie in Ihrer Funktion als verantwortlich Beauftragter (gemäß § 9 Abs.2 VStG) der CC-GmbH in Y, Adresse 2, haben daher gegen Art 9 Abs. 1 lit. b und Art. 7 Abs. 1 lit. a der VERORDNUNG (EU) Nr. 1169/2011 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel i.d.g.F., welche gemäß § 4 LMSVG von der gefertigten Behörde zu vollziehen ist, verstoßen.

Gemäß Art 90 Abs. 3 Z 1 des Bundesgesetz über Sicherheitsanforderungen und weitere Anforderungen an Lebensmittel, Gebrauchsgegenstände und kosmetische Mittel zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher (Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz - LMSVG) StF: BGBl. I Nr. 13/2006.i.d.g.F wird gegen Sie eine Geldstrafe in Höhe von EUR 150,-- verhängt.

Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 36 Stunden.

Ferner haben Sie als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens gemäß § 64 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz EUR 15,-- zu bezahlen.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe und Kosten) beträgt daher € 165,--.

Sie haben zusätzlich unter Bezug auf die Gebührennote der Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH, Adresse 4, X, U-Zahl ***** gemäß §71 Abs. 3 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz die Kosten der Untersuchung von EUR 280,00 zu ersetzen.“

b)

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Z vom 09.07.2018, Zl *****, wurde AA folgender Sachverhalt zur Last gelegt:

„Sie haben es als verantwortlich Beauftragter (gemäß § 9 Abs. 2 VStG) der CC-GmbH (CC Bäckerei) in Y, Adresse 2 zu verantworten, dass im Zuge einer am 17.01.2018 im Betrieb CC-GmbH, CC Bäckerei, Y, Adresse 2, durchgeführten Lebensmittelkontrolle vom Lebensmittelaufsichtsorgan DD die Probe „***** Hausbrot", welche von der CC-GmbH in Y, Adresse 2 hergestellt und somit in Verkehr gebracht wurde, entnommen und von der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH, Institut Lebensmittelsicherheit Z, Z, Adresse 3, wie folgt beurteilt wurde:

Die Probe mit der Bezeichnung „***** Hausbrot“ unterliegt der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel (LMIV).

Gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. b LMIV gehört das Zutatenverzeichnis zu den verpflichtenden Angaben. Da gemäß Prüfbericht Propionsäure von 0,38 ± 0,10 g/kg analysiert wurde, fehlt die Angabe der Propionsäure sowie der Klassenname im Zutatenverzeichnis. Z.B. Konservierungsmittel: Propionsäure.

Weiters ist die Auslobung auf der Rückseite der Verpackung: “ohne Emulgatoren ohne Konservierungsmittel ohne Farbstoffe“ somit irreführend, da gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. a Informationen in Bezug auf die Eigenschaft des Lebensmittels, insbesondere die Zusammensetzung nicht irreführend sein dürfen.

Die Kennzeichnung der vorliegenden Probe entspricht daher nicht den Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel.

Sie in Ihrer Funktion als verantwortlich Beauftragter (gemäß § 9 Abs.2 VStG) der CC-GmbH in Y, Adresse 2, haben daher gegen Art 9 Abs. 1 lit. b und Art. 7 Abs. 1 lit. a der VERORDNUNG (EU) Nr. 1169/2011 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel i.d.g.F., welche gemäß § 4 LMSVG von der gefertigten Behörde zu vollziehen ist, verstoßen.

Gemäß Art 90 Abs. 3 Z 1 des Bundesgesetz über Sicherheitsanforderungen und weitere Anforderungen an Lebensmittel, Gebrauchsgegenstände und kosmetische Mittel zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher (Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz - LMSVG) StF: BGBl. I Nr. 13/2006.i.d.g.F wird gegen Sie eine Geldstrafe in Höhe von EUR 150,-- verhängt.

Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 36 Stunden.

Ferner haben Sie als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens gemäß § 64 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz EUR 15,-- zu bezahlen.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe und Kosten) beträgt daher € 165,--.

Sie haben zusätzlich unter Bezug auf die Gebührennote der Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH, Adresse 4, X, U-Zahl ***** gemäß §71 Abs. 3 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz die Kosten der Untersuchung von EUR 280,00 zu ersetzen.“

Gegen beide Entscheidungen wurde von AA, rechtsfreundlich vertreten durch die Rechtsanwälte BB, mit den Schriftsätzen vom 09.08.2018 bzw vom 08.08.2018 fristgerecht Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol eingebracht und wurden beide Straferkenntnisse ihrem gesamten Inhalt nach angefochten. Als Beschwerdegründe wurden unrichtige rechtliche Beurteilung, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unzweckmäßige Ermessensausübung geltend gemacht. Zu den Vorwürfen, dass beim Produkt „***** Steinofenbrot“ bzw „***** Hausbrot“ im Zutatenverzeichnis die Angabe der Propionsäure sowie der Klassenname fehlen würden und die Auslobung „ohne Konservierungsmittel“ daher irreführend sei, wurde festgehalten, dass diesen Produkten keine Propionsäure zugegeben und diese deshalb auch nicht ins Zutatenverzeichnis aufgenommen worden sei. Den Produkten werde die Backzutat „KK, Art Nr *****“ hinzugefügt, deren Hauptbestandteil (75 %) ein getrockneter Weizensauerteig (auch genannt „fermentiertes Weizenmehl“) sei. Genanntes Weizenmehl, welches von der italienischen Firma „EE“ stamme, veranlasse bei der natürlichen Fermentation die Bildung schwacher organischer Säuren wie Essig- Milch- und Propionsäure. Die Rohstoffe, welche in das Zutatenverzeichnis aufzunehmen seien, würden jedenfalls kein Konservierungsmittel Propionsäure enthalten. Aus diesem Grund sei daher die Aufnahme von „Propionsäure“ im Zutatenverzeichnis nicht notwendig. Eine entsprechende Auflistung würde sogar vielmehr dazu führen, dass der Anschein erweckt werde, den Produkten sei Propionsäure zugegeben worden, was nicht der Fall sei. Auch die Auslobung „ohne Konservierungsmittel“ entspreche daher den Tatsachen. Die AGES habe in ihrer Stellungnahme vom 14.06.2018 selbst ausgeführt, dass Propionsäure bei der Fermentation im Zuge der Brotherstellung (auf natürliche Weise) entstehen könne. In dem Fall sei eine Deklaration im Zutatenverzeichnis nicht vorgeschrieben. Weiters führe die AGES aus, dass „solange ein analytischer Befund der Propionsäure in der Zutat KK ausständig sei, sowie eine Rezeptur bzw eine Erklärung des tatsächlichen Herstellers des Bestandteiles „getrockneter Weizensauerteig“ um die Herkunft der Propionsäure sicherzustellen fehle, die Beanstandung aufrecht bleibt“. Aufgrund der Ausführungen der AGES sei daher erkennbar, dass diese gar nicht feststellen habe können, dass den Produkten „***** Steinofenbrot“ und „***** Hausbrot“ Propionsäure zugegeben worden sei, sondern die Beanstandung auf reinen Vermutungen beruhe und nunmehr versucht werde, dem Beschuldigten die Beweislast aufzuerlegen, dass der Strafvorwurf nicht begangen worden sei. Die Beweislast, dass der Beschuldigte die vorgeworfenen Straftaten begangen habe, obliege gänzlich der Behörde. Dieser Beweis sei der Behörde jedoch nach wie vor nicht gelungen, sodass die erfolgten Beanstandungen bzw Bestrafungen nicht gerechtfertigt seien.

Es wurden die Beschwerdeanträge gestellt, die Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, in eventu eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen und die Verwaltungsstrafverfahren im Anschluss einzustellen.

II.      Sachverhalt und Beweiswürdigung:

Zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in die übermittelten verwaltungsbehördlichen Akten der belangten Behörde zu den Zlen ***** und ***** und in jene des Landesverwaltungsgerichtes Tirol zu den Zlen LVwG-2018/41/1871 und LVwG-2018/41/1872 sowie durch Durchführung zweier öffentlicher mündlicher Verhandlungen vor dem Landesverwaltungsgericht am 30.10.2018 und am 21.02.2019, in welchen beide eingebrachten Beschwerden zu den Zlen LVwG-2018/41/1871 und LVwG-2018/41/1872 aufgrund des sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Verhandlung verbunden wurden. Im Rahmen der Verhandlungen wurde die Zeugin FF hinsichtlich der Herstellung des Sauerteiges einvernommen und wurden vom Beschwerdeführer vorgelegte analytische Befunde der GG-GmbH vom 19.12.2018, ein Analysenbericht der JJ-AG vom 30.11.2018 betreffend das Backmittel KK und eine Bestätigung der EE-Srl vom 27.04.2018, welche die Auffassung des Beschwerdeführers, dass auch in diesem Sauerteig Propionsäure auf natürlichem Weg entsteht und diesem nicht zugegeben wurde, unterstützen sollten, sowie die Stellungnahme der AGES zu diesen Analyseergebnissen erörtert.

Der Beschwerdeführer ist für die CC-GmbH mit Wirksamkeit 09.01.2017 in seiner Funktion als Schichtleiter zum verantwortlichen Beauftragten und somit zur Einhaltung aller Verwaltungsvorschriften, insbesondere des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes und der darauf basierenden und in Zusammenhang stehenden Verordnungen, sohin auch der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV), in der Bäckerei in Y, Adresse 5, bestellt worden. In der CC- Filiale Adresse 2 wurde am 17.01.2018 vom Lebensmittelaufsichtsorgan DD eine Lebensmittelkontrolle durchgeführt und wurden Proben der Produkte „***** Steinofenbrot“ und „***** Hausbrot“ gezogen, welche nachfolgend zur Untersuchung an die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH, Lebensmitteluntersuchung Z – AGES, gesendet wurden. Den amtlichen Untersuchungszeugnissen ist zu entnehmen, dass in den gezogenen Proben Propionsäure von 0,32 ± 0,10 g/kg (Probe „***** Steinofenbrot“) und Propionsäure vom 0,38 ± 0,10 g/kg (Probe „***** Hausbrot“) analysiert wurde, wobei die Angabe der Propionsäure sowie der Klassenname im Zutatenverzeichnis zB als Konservierungsmittel Propionsäure fehlten und weiters die Auslobung auf der Rückseite der Verpackungen (ohne Emulgatoren ohne Konservierungsmittel ohne Farbstoffe) irreführend war.

Solange ein analytischer Befund der Propionsäure in der Zutat KK Art Nr ***** ausständig ist sowie eine Rezeptur bzw eine Erklärung des tatsächlichen Herstellers des Bestandteiles „getrockneter Weizensauerteig“, um die Herkunft der Propionsäure sicherzustellen, wurde die Beanstandung von der AGES vollinhaltlich aufrecht erhalten.

Die Dosierung der Backzutat KK beträgt laut Produktspezifikation 1,00 bis 1,25  % bezogen auf die Mehlmenge.

Im Produkt „***** Steinofenbrot“ beträgt die Mehlmenge 119,5 kg und die eingesetzte Menge an KK 1,18 kg. Dies entspricht 0,99 %.

Im Produkt „***** Hausbrot“ beträgt die Mehlmenge 198 kg und die eingesetzte Menge an KK 2 kg. Dies entspricht 1,01 %.

Ein analytischer Befund der Backzutat KK hat ergeben, dass darin 82,766 mg/kg an Propionsäuren enthalten sind. Hauptbestandteil dieser Backzutat ist mit mehr als 75 % ein getrockneter Weizensauerteig, bei welchem durch die natürliche Fermentation die Propionsäure gebildet wird.

Die Herstellung des für die beschwerdegegenständlichen Produkte eingesetzten Sauerteiges erfolgt in folgenden Schritten:

Stufe 1: Anstellgut, Wasser, Roggenvollkornmehl

Stufe 2: Wasser, Roggenmehl, Zugabe Stufe 1

Stufe 3: Zugabe Wasser, Roggenmehl

Die Herstellung des Sauerteiges beträgt 33 Stunden bei ca 30 Grad Celsius und wird dieser im Anschluss noch bis zu 24 Stunden nicht weiter verarbeitet. Prinzipiell ist es möglich, dass in den betroffenen Broten (***** Steinofenbrot und ***** Hausbrot) Propionsäure auf natürliche Weise im genannten Zeitraum entstehen kann, wenn optimale Voraussetzungen für Propionsäure bildende Bakterien gegeben sind.

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsstrafakten der belangten Behörde zu den Zlen ***** und *****, insbesondere aus den amtlichen Untersuchungszeugnissen der AGES zu den Auftragsnummern ***** (zu Zl *****) und ***** (zu Zl *****) samt den diesen Untersuchungszeugnissen beigeschlossenen Lichtbildern, den ergänzenden Stellungnahmen der AGES vom 14.06.2018 und vom 10.01.2019, wobei in letztgenannter Stellungnahme auf die vom Beschwerdeführer mit Schreiben vom 19.12.2018 beigebrachten Analyseergebnisse und die vorgelegte Bestätigung der Firma EE vom 27.04.2018 eingegangen wurde. Von der Zeugin FF, tätig in der Abteilung für Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung von CC, zu welcher die Bäckerei CC zählt und in welcher das ***** Steinofenbrot und das ***** Hausbrot hergestellt werden, konnte im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol am 21.02.2019 nachvollziehbar der Produktionsprozess dieser Brote geschildert werden, wonach die Produktion des Sauerteiges in mehreren Stufen erfolgt und samt Lagerung bis zu 57 Stunden dauert. Anhand der vorgelegten Analyseergebnisse ist zu erkennen, dass es aufgrund der Länge der Produktion des Sauerteigs zu einer Vermehrung der Säuren, auch der Propionsäure, während der Herstellung von Sauerteig kommt. Aus dem Analyseergebnis – Sauerteig frisch Stufe 1 – Probe gezogen nach einer Stunde nach dem Ansetzen, ist ersichtlich, dass die Propionsäure 48 mg/kg beträgt, beim Sauerteig frisch Stufe 3, Probe gezogen 7 Stunden nach Beenden der Stufe 2, beträgt die Propionsäure bereits 339 mg/kg. Daraus ist ableitbar, dass sich Propionsäure während des Fermentationsprozesses bildet. Von der AGES wurde es im Hinblick auf die übermittelten Analyseergebnisse in den beschwerdegegenständlichen Verfahren prinzipiell für möglich gehalten, dass in den betroffenen Broten Propionsäure auf natürliche Weise in diesem Zeitraum entsteht, wenn optimale Voraussetzungen für Propionsäure bildende Bakterien gegeben sind.

III.     Rechtslage:

Die im gegenständlichen Verfahren maßgebliche Bestimmung des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG, BGBl Nr 52/1991, idF BGBl I Nr 58/2018, lautet wie folgt:

„§ 45

(1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

1. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet (…)“

IV.      Erwägungen:

Gemäß § 38 VwGVG in Verbindung mit § 45 Abs 1 Z 1 VStG hat das Landesverwaltungsgericht Tirol von der Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat nach der Aufnahme von Beweisen zu prüfen, ob diese die erforderliche Überzeugung vom Vorliegen oder nicht Vorliegen des maßgeblichen Sachverhaltes vermitteln (vgl VwGH vom 17.12.1992, Zahl 91/16/013). Unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ist dabei gemäß § 45 Abs 2 AVG nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (VwGH vom 16.06.1992, 92/08/0062).

In den vorliegenden Beschwerdefällen ist die AGES in ihrer Stellungnahme vom 10.01.2019 aufgrund der ihr zur Verfügung gestandenen Analyseergebnisse und der festgestellten Propionsäure bei den Produktionsstufen des Sauerteiges Stufe 1 (Probe gezogen 1 Stunde nach dem Ansetzen) und Sauerteig frisch Stufe 3 (Probegezogen 7 Stunden nach Beenden der Stufe 2) – Propionsäure 48 mg/kg bzw Propionsäure 339 mg/kg – zur Ansicht gelangt, dass es prinzipiell möglich wäre, dass in den betroffenen Broten (***** Steinofenbrot und ***** Hausbrot) Propionsäure auf natürliche Weise im genannten Zeitraum entsteht, wenn optimale Voraussetzungen für Propionsäure bildende Bakterien gegeben sind. Weiters wurde am Ende dieser Stellungnahme jedoch angemerkt, dass der Eindruck entsteht, dass der Hersteller nicht ausreichend informiert ist über sein eigenes Produkt, denn sonst würde er belegen, dass in der verwendeten Starterkultur Propionsäure-Bildner vorhanden sind und optimale Bedingungen angewandt werden, wie zB eine Teigführung unter zeitlich begrenztem Luftabschluss, damit diese Bakterien Propionsäure bilden können.

Lässt sich eine Tatsache, wie beschwerdegegenständlich, nämlich dass Propionsäure den oben genannten zwei probegezogenen Brotprodukten zugegeben und diese nicht ins Zutatenverzeichnis aufgenommen wurde, nicht mit einer für eine Bestrafung erforderlichen Sicherheit feststellen, dann hat das Landesverwaltungsgericht Tirol grundsätzlich von deren Nichtvorliegen auszugehen. Das bedeutet aber nicht, dass vom bloßen Misslingen eines Nachweises auf das Erwiesensein des Gegenteiles geschlossen werden kann (vgl VwGH vom 20.09.1995, 93/13/0006). Die Beweislast dahin, ob eine beschuldigte Person den objektiven Tatbestand eines Ungehorsamsdeliktes gesetzt hat, trifft das Verwaltungsgericht (bzw davor die Verwaltungsbehörde); eine Umkehrung tritt erst dann in den Blick, wenn der objektive Tatbestand eines Ungehorsamdeliktes feststeht und lediglich das Vorliegen eines Verschuldens in Abrede gestellt wird (vgl VwGH vom 03.10.2013, 2013/09/0107; vom 12.12.2005, 2005/17/0090). Gemäß der auch im Verwaltungsstrafverfahren zufolge § 17 VwGVG iVm § 24 VStG geltenden Grundsätze der Erforschung der materiellen Wahrheit (§ 37 AVG) und der Amtswegigkeit (§ 39 Abs 2 AVG) hat die Behörde dem Täter grundsätzlich den objektiven Tatbestand von sich aus nachzuweisen. Bestreitet der Beschuldigte, den objektiven Tatbestand eines Ungehorsamsdeliktes gesetzt zu haben, so trifft die Beweislast in dieser Hinsicht die Behörde bzw das Verwaltungsgericht. Zu einer Umkehr der Beweislast gemäß § 5 Abs 1 zweiter Satz VStG kommt es nur dann, wenn der objektive Tatbestand eines Ungehorsamsdeliktes feststeht, der Täter jedoch lediglich das Vorliegen eines Verschuldens in Abrede stellt (vgl VwGH vom 03.10.2013, 2013/07/0107).

Der Grundsatz „in dubio pro reo“ gilt nur für jene Fälle, in denen im Wege des Beweisverfahrens und anschließender freier Würdigung der Beweise in dem entscheidenden Organ nicht mit Sicherheit die Überzeugung von der Richtigkeit des Tatvorwurfes erzeugt werden konnte; nur wenn nach Durchführung aller Beweise trotz eingehender Beweiswürdigung Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten verbleiben, hat nach dem genannten Grundsatz ein Freispruch zu erfolgen (vgl VwGH 24.02.2014, 2012/17/0549, mwN).

Im vorliegenden Fall kann nicht ausgeschlossen werden und ist es nach Einschätzung der AGES prinzipiell möglich, dass in den betroffenen Broten Propionsäure auf natürliche Weise in dem von der Zeugin FF geschilderten Zeitraum entsteht, wenn optimale Voraussetzungen für Propionsäure bildende Bakterien gegeben sind, sodass die Regel „in dubio pro reo“ greifen musste.

Aufgrund der Einstellung beider Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer hat dieser auch keine Kosten gemäß § 71 LMSVG zu ersetzen.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall war der Sachverhalt zu klären, sodass keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrens-hilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Riedler

(Richter)

Schlagworte

Proprionsäure; Entstehung bei Fermentationsprozess; keine Kennzeichnung als Zutat; in dubio pro reo

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2018.41.1871.13

Zuletzt aktualisiert am

12.04.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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