Entscheidungsdatum
25.03.2019Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §13 Abs3Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Mag.a Lechner über die Beschwerde der Frau AA, Adresse 1, Z, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt BB, Adresse 2, Y, und vertreten durch Herrn Rechtsanwalt CC, Adresse 3, Y, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 30.10.2018, Zl *****, betreffend eine Bauangelegenheit,
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben und der Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 30.10.2018, Zl *****, ersatzlos behoben.
2. Die Säumnisbeschwerde wird unzulässig zurückgewiesen.
3. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mit Baugesuch vom 05.07.2016 beantragte Frau AA die baurechtliche Genehmigung zur Aufstockung des bestehenden Mehrfamilienhauses auf Gst **1, mit dem die bestehende Dachneigung und die Dachform beibehalten werden sollten sowie die Errichtung einer westseitigen Dachterrasse.
Am 10.07.2018 wurde ein weiteres Baugesuch eingebracht, mit dem wiederum die Aufstockung des Bestandsgebäudes auf Gst **1, GB Z, beantragt wurde. Nunmehr wurde aber die vollkommene Veränderung der Dachform vorgesehen.
Am 06.09.2018 brachte die nunmehrige Beschwerdeführerin einen Devolutionsantrag ein. Hierzu erging am 30.10.2018, zu Zl *****, der nunmehr fristgerecht bekämpfte Bescheid, mit dem das Baugesuch vom 05.07.2016 wegen Widersprüchen zum Bebauungsplan abgewiesen wurde. In der durch Herrn Rechtsanwalt BB fristgerecht eingebrachten Beschwerde führte die Beschwerdeführerin aus, dass die ursprüngliche Eingabe zwar am 05.07.2016 vorgelegt worden sei. Allerdings sei diese mit Einreichplanung vom 30.08.2018 umfassend ergänzt worden. Die belangte Behörde hätte deshalb den gesamten Inhalt des Antrages ihrer Entscheidung zugrunde legen müssen, was dazu geführt hätte, dass das Ansuchen der Beschwerdeführerin zu bewilligen gewesen wäre.
Die aktualisierten Einreichunterlagen würden nämlich nicht den Festlegungen der Gemeinde Z widersprechen. So habe der Gemeinderat der Gemeinde Z in der Gemeinderatssitzung vom 24.05.2018 unter Punkt 9 der Tagesordnung der Aufstockung des bestehenden Wohnhauses mit einer Giebelhöhe von 11,70 m und einer Baumassendichte von 3,5 zugestimmt.
Dies würde das gegenständlich modifizierte Bauvorhaben nun einhalten. Die belangte Behörde könne nicht einerseits die Voraussetzung für die Bewilligung eines Ansuchens per Gemeinderatsbeschluss schaffen und andererseits im angefochtenen Bescheid behaupten, dass die Voraussetzungen nicht vorliegen würden. Hätte die belangte Behörde eine entsprechende Änderung des Bebauungsplanes für notwendig erachtet, um das Bauansuchen bewilligen zu können, hätte sie eine solche von Amtswegen durchführen müssen. Es werde deshalb der Antrag gestellt, das Landesverwaltungsgericht Tirol möge eine mündliche Verhandlung durchführen und den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass das Bauansuchen der Beschwerdeführerin betreffend die Aufstockung des bestehenden Mehrfamilienwohnhauses auf GP **1 bewilligt werde in eventu den angefochtenen Bescheid aufheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverweisen.
In der zweiten eingebrachten Beschwerde des Rechtsvertreters CC wurde vorgebracht, dass das am 05.07.2016 eingereichte Bauansuchen grundsätzlich genehmigungsfähig sei, da es den Bestimmungen des gültigen Bebauungsplanes nicht entgegen stehe. Ferner sei evident, dass das Bauvorhaben die zulässige Wandhöhe von 9 m überschreite. Es sei aber der Bauwerberin von Seiten der Gemeinde keine Gelegenheit zur Verbesserung gegeben worden. Deshalb sei die Bauwerberin auch gezwungen gewesen, mit Schriftsatz vom 06.09.2018 einen Devolutionsantrag an das Landesverwaltungsgericht Tirol zu stellen.
Es sei nicht nachvollziehbar, weswegen im nunmehr angefochtenen Bescheid das Bauansuchen abgewiesen werde, obwohl in der Gemeinderatssitzung vom 24.05.2018 der Aufstockung des bestehenden Wohnhauses zugestimmt worden sei.
Es werde deshalb der Antrag gestellt, das Landesverwaltungsgericht Tirol wolle den Bescheid der Gemeinde Z ersatzlos beheben in eventu in Stattgebung dieser Beschwerde den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass dem Bauansuchen der Bauwerberin betreffend die Aufstockung des bestehenden Mehrfamilienwohnhauses auf GP **1 stattgegeben werde, in eventu in Stattgebung dieser Beschwerde den angefochtenen Bescheid aufheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung sowie zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Erstbehörde zurückverweisen. Es werde ausdrücklich auch eine mündliche Beschwerdeverhandlung beantragt.
II. Sachverhalt:
Auf Sachverhaltsebene steht fest, dass mit Bauansuchen vom 05.07.2016 die nunmehrige Beschwerdeführerin die baurechtliche Genehmigung für die Aufstockung des bestehenden Mehrfamilienwohnhauses auf Gst **1, GB ***** Z, beantragt hat. Aus den Planunterlagen und aus der Baubeschreibung ist ersichtlich, dass die bereits im Bestandsgebäude vorgesehene Dachform beibehalten worden wäre und lediglich die Erhöhung im gesamten Dachbereich einheitlich durchgeführt worden wäre. Westseitig wäre eine Dachterrasse zur Ausführung gekommen.
In weiterer Folge hat die Beschwerdeführerin ein weiteres Bauansuchen an die Gemeinde Z am 10.07.2018 eingereicht, mit dem für das gleiche Bestandsgebäude ein anderer Dachgeschossumbau und die Errichtung einer Zugangstreppe beantragt wurde. Mit den nunmehr eingereichten Unterlagen wird die Dachform komplett verändert. Es wird nunmehr die Errichtung eines Dachgiebels anstelle der bisher zwei Dachgiebel vorgesehen.
Weiters steht fest, dass von Seiten des Rechtsvertreters CC am 06.09.2018 ein Devolutionsantrag (wohlgemeint Säumnisbeschwerde) eingebracht wurde.
III. Beweiswürdigung:
Beweis wurde aufgenommen durch die Einsichtnahme in die Projektunterlagen und den Bauakt der Gemeinde Z zu Zl ***** sowie *****. Die Feststellungen ergeben sich aus diesen beiden Gemeindeakten und den beiliegenden Planunterlagen.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall Abstand genommen werden, da es sich um eine reine Rechtsfrage gehandelt hat und der Sachverhalt vollständig vorgelegen ist.
IV. Rechtslage:
Gemäß § 13 Abs 7 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 BGBl Nr 51/1991 in der derzeit geltenden Fassung BGBl I Nr 58/2018 (kurz AVG) können Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden.
Gemäß Abs 8 leg cit kann der verfahrensleitende Antrag in jeder Lage des Verfahrens bis zu einer allfälligen Schließung des Ermittlungsverfahrens (§ 39 Abs 3) geändert werden. Durch die Antragsänderung darf die Sache ihrem Wesen nach nicht geändert und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt werden.
Gemäß § 8 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz BGBl I Nr 33/2013 in der Fassung BGBl I Nr 57/2018 (kurz VwGVG) kann eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art 130 Abs 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
V. Rechtliche Beurteilung:
Im gegenständlichen Fall wurde am 05.07.2016 ein Baugesuch zur Aufstockung des bestehenden Mehrfamilienhauses auf Gst **1, KG Z, eingebracht, das im Grunde einer Erhöhung des Bestandsgebäudes in der Form des vorhandenen Gebäudes inklusive der Dachform mit zwei Giebeln vorgesehen hat.
Am 10.07.2018 wurde zu diesem Bestandsgebäude ein weiteres Baugesuch eingebracht, bei dem wiederum die Aufstockung beantragt wurde, allerdings mit einer vollständigen Änderung der Dachkonstruktion. Von Seiten der Baubehörde wurden diese neuen Pläne als Änderung zum ursprünglichen Baugesuch gesehen.
Ein verfahrensleitende Antrag kann vom Antragsteller nicht nur gemäß § 13 Abs 7 AVG in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen, sondern gemäß seinem Abs 8 auch geändert werden.
Eine Änderung im Sinn des § 13 Abs 8 erster Satz AVG ist aber nur dann zulässig, wenn dadurch weder die Sache ihrem Wesen nach geändert noch die sachliche oder örtliche Zuständigkeit der Behörde berührt wird.
Wo die Grenze zwischen einer das „Wesen“ der Sache nicht berührenden Projektänderung und einer auch weiterhin auch unzulässigen „Antragsänderung“ verläuft, ist im Einzelfall zu beurteilen.
Das „Wesen“ der Sache wird jedenfalls dann berührt, wenn die Änderung ein neues „anderes Vorhaben“ betrifft (vgl VwGH 03.09.2008, 2006/04/0081).
Im gegenständlichen Fall geht es in beiden vorliegenden Projekten um die Aufstockung des Bestandsgebäudes. Die belangte Behörde geht von einem gesamten Bauvorhaben aus.
Nach Ansicht des erkennenden Landesverwaltungsgerichtes sind aber die Projektänderungen im zweiten Baugesuch so massiv, dass ein baurechtliches „Aliud“ vorliegt und damit das Wesen der Sache mit dem zweiten Baugesuch wesentlich geändert wurde. Das zweite Baugesuch ist somit als neuer Antrag zu werten.
Eine derartige Änderung bewirkt aber gleichzeitig, dass der ursprüngliche Antrag als konkludent zurückgezogen gilt (vgl VwGH 17.05.2011, 2011/01/0026).
Dies hat aber zur Folge, dass die sechsmonatige Entscheidungsfrist des § 73 Abs 1 AVG erst mit Einlangen der „Änderung des Antrages“ (im gegenständlichen Fall am 10.07.2018) neu zu laufen beginnt (vgl VwGH 17.05.2011, 2011/01/0026).
Im gegenständlichen Fall wurde das ursprüngliche Baugesuch vom 05.07.2016 mit der Einbringung des Baugesuchs am 10.07.2018 konkludent zurückgezogen. Die Entscheidungsfrist gerechnet ab dem neuen Antrag wäre somit erst am 11.01.2019 verletzt worden.
Der „Devolutionsantrag“ (wohlgemeint die Säumnisbeschwerde) kann gemäß § 8 Abs 1 VwGVG aber erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat.
Da die Frist der sechs Monate im gegenständlichen Fall noch nicht abgelaufen war, war im Sinn des § 8 Abs 1 VwGVG die Säumnisbeschwerde unzulässig zurückzuweisen.
Durch den konkludent zurückgezogenen Erstantrag kam aber der belangten Behörde auch kein Recht auf Sachentscheidung mangels Antrages zu, sodass die Abweisung des Baugesuches ersatzlos, da ohne Antrag, zu beheben war.
Die Erörterung der in den Beschwerden inhaltlich zum Bauvorhaben vorgebrachten Argumente erübrigt sich somit.
Es war spruchgemäß zu entscheiden.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Zur Frage der konkludenten Zurückziehung eines Baugesuches existiert umfangreiche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, die im Erkenntnis auch zitiert wurde, sodass die Rechtslage gesichert scheint.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag.a Lechner
(Richterin)
Schlagworte
Antragsänderung; Aliud; Antrag konkludent zurückgezogen;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2018.38.2509.4Zuletzt aktualisiert am
10.04.2019