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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hofbauer, über die Beschwerde des B S, (geb. 21.1.1970), in Wien, vertreten durch Mag. Sonja Scheed, Rechtsanwalt in 1220 Wien, Brachelligasse 16, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 24. September 1998, Zl. SD 268/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 24. September 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer befinde sich seinen eigenen Angaben zufolge seit Mai 1990 in Österreich und "verfügte über Sichtvermerke und über Aufenthaltsbewilligungen, zuletzt gültig bis 24.03.2000".
Am 8. Dezember 1997 sei der Beschwerdeführer vom "Bezirkspolizeikommissariat Währing" wegen § 16 Abs. 1 des Suchtgiftgesetzes zur Anzeige gebracht worden. Kurz darauf, und zwar am 14. Jänner 1998, sei der Beschwerdeführer wegen des Verdachtes des Suchtgifthandels festgenommen worden. Am 25. Februar 1998 sei er daraufhin vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1, Abs. 2 Z. 2 des Suchtmittelgesetzes zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Wie aus der Urteilsbegründung hervorgehe, habe der Beschwerdeführer versucht, in Wien - den bestehenden Vorschriften zuwider - Suchtgift gewerbsmäßig anderen Personen zu überlassen, indem er am 2. Jänner 1998 6,5 g Haschisch an zwei unbekannte Suchtgiftkonsumentinnen zu verkaufen getrachtet und am 14. Jänner 1998 insgesamt 8,5 g Heroin zum Verkauf bereit gehalten habe. Zudem habe der Beschwerdeführer vom November 1997 bis 14. Jänner 1998 Haschisch, Marihuana und Heroin erworben und besessen.
Es könne kein Zweifel bestehen, dass das dieser Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung und Sicherheit im hohen Maß gefährde, sodass sich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - im Grunde des § 36 Abs. 1 leg. cit. als gerechtfertigt erweise.
Auf Grund des langjährigen inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers und im Hinblick darauf, dass er mit seiner gesamten Familie "(Gattin und ein Kind)" im Bundesgebiet lebe, liege ein mit dem Aufenthaltsverbot verbundener Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers vor. Dessen ungeachtet sei die Zulässigkeit dieser Maßnahme im Grunde des § 37 FrG zu bejahen. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, zum Schutz der Rechte Dritter sowie zum Schutz der Gesundheit, als dringend geboten zu erachten. Dies umso mehr, als der Beschwerdeführer, der bereits Ende 1997 gemäß § 16 des Suchtgiftgesetzes zur Anzeige gebracht worden sei, wegen gewerbsmäßiger Tatbegehung verurteilt worden sei, was für sich allein eine positive Zukunftsprognose für ihn nicht zulasse.
Im Rahmen der nach § 37 Abs. 2 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung sei auf den mehr als achtjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet Bedacht zu nehmen gewesen. Der daraus und aus seiner Beschäftigung ableitbaren Integration komme aber insofern kein entscheidendes Gewicht zu, als die dafür erforderliche soziale Komponente durch die von ihm begangenen Straftaten erheblich gemindert werde. Seiner Unterhaltspflicht gegenüber seiner Familie könne er (wenn auch möglicherweise im eingeschränkten Ausmaß) aus dem Ausland nachkommen. Darüber hinaus könne der Kontakt zu seiner Familie, insbesondere zu seinem Kind, dadurch aufrechterhalten werden, dass der Beschwerdeführer von seinen Angehörigen im Ausland besucht oder dorthin begleitet werde.
Diesen - solcherart geminderten - familiären und privaten Interessen des Beschwerdeführers stehe das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität gegenüber. Unter Bedachtnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Zusammenhang mit Suchtgiftdelikten auch bei ansonsten völliger sozialer Integration eines Fremden nicht rechtswidrig sei, sei die belangte Behörde bei Abwägung der genannten Interessenlagen zur Auffassung gelangt, dass die Auswirkungen der vorliegenden Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie keinesfalls schwerer wögen, als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.
Im Hinblick auf die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Straftaten und die damit verbundene Wiederholungsgefahr könne ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden.
Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betreffe, so erscheine die von der Erstbehörde vorgenommene Befristung nach Auffassung der belangten Behörde gerechtfertigt. In Anbetracht des aufgezeigten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers könne ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 (dritter Fall) FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Im Hinblick auf die unbestrittene rechtskräftige gerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten im Jahr 1998 wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1, Abs. 2 Z. 2 des Suchtmittelgesetzes besteht gegen diese Beurteilung kein Einwand. Der Beschwerdeführer wendet sich auch nicht gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass angesichts des dieser Verurteilung zu Grunde liegenden Fehlverhaltens die Annahme nach § 36 Abs. 1 FrG gerechtfertigt sei. Auf der Grundlage der diesbezüglich maßgeblichen unbestrittenen Feststellungen (siehe oben I.1.) ist diese Auffassung ebenfalls unbedenklich.
2.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid indes im Grunde des § 37 Abs. 1 und 2 FrG. Der Beschwerdeführer sei im Alter von zwanzig Jahren nach Österreich gekommen und halte sich seit achteinhalb Jahren in Österreich auf. Während dieses Aufenthaltes sei er stets im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung sowie unselbständig erwerbstätig gewesen, er sei "somit beruflich und auch sozial vollkommen integriert". Er habe in Österreich (im Jahr 1993) seine (nicht berufstätige) Ehefrau geheiratet, aus dieser Ehe stamme ein in Österreich geborenes, etwa drei Jahre altes Kind; der Beschwerdeführer lebe mit seiner Ehefrau und seinem Kind in einem gemeinsamen Haushalt. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes würde für den Beschwerdeführer bedeuten, dass er seines Wohnsitzes und seiner Erwerbsmöglichkeit "gänzlich" beraubt würde, da er in seiner Heimat Jugoslawien keine familiären Bindungen, keine Wohnmöglichkeiten und damit auch keine Chance habe, einen Arbeitsplatz zu finden, zumal er seine Lehrabschlußprüfung in Österreich absolviert habe und in Jugoslawien über "keinerlei anerkannte Berufsausbildung" verfüge. Auch seiner in Österreich lebenden Familie wäre durch das gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot "ein weiterer Aufenthalt in Österreich rein aus finanziellen Gründen nicht mehr möglich", weshalb diese gezwungen wäre, Österreich zu verlassen. Der Beschwerdeführer und seine Familie wären in Jugoslawien der "Obdach- und Erwerbslosigkeit, somit der Armut" preisgegeben. Angesichts der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele sei ein derart weitreichender, die Existenz des Beschwerdeführers vernichtender Eingriff in sein Privat- und Familienleben nicht dringend geboten, zumal das vom Beschwerdeführer gesetzte Suchtgiftdelikt "sich als eines mit äußerst geringem Unrechtsgehalt" darstelle und deshalb sowie auf Grund seiner vollkommenen sozialen und familiären Integration es genügen würde, den Beschwerdeführer "förmlich zu ermahnen" und ihm "in Aussicht zu stellen, für den Fall einer erneuten strafbaren Handlung fremdenrechtliche Maßnahmen zu setzen". Weiters wögen angesichts der ins Treffen geführten familiären und privaten Bindungen die mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Auswirkungen auf das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers und das seiner Familie bedeutend schwerer als der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich, zumal dieser durch die mit dem besagten Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien im Jahr 1998 "verhängte Probezeit nicht nur von der Fremdenbehörde" sondern auch von diesem Gericht "zumindest während der nächsten drei Jahre überwacht" werde; es dürfe nicht übersehen werden, dass das über den Beschwerdeführer "hängende Damoklesschwert des Vollzugs der vorerst bedingt verhängten Freiheitsstrafe - für den Fall neuerlicher Straffälligkeit - sein übriges tun" werde, um den Beschwerdeführer in Hinkunft "zu rechtstreuem Verhalten anzuregen". Von daher sowie angesichts der geltend gemachten familiären und privaten Bindungen hätte die belangte Behörde für den Beschwerdeführer eine "günstige Zukunftsprognose" zu stellen gehabt, wobei dem Beschwerdeführer durch eine allfällige Ermahnung der besagten Art "die Folgen neuerlicher Straffälligkeit", nämlich die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes, deutlich vor Augen" hätten geführt werden können.
2.2. Dieser Auffassung vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen. Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie vorliegend zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Verhinderung strafbarer Handlungen zum Schutz der Rechte Dritter sowie zum Schutz der Gesundheit anderer (Art. 8 Abs. 2 EMRK) im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten sei, macht doch die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität nach der hg. Rechtsprechung die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der genannten Ziele notwendig (vgl. das Erkenntnis vom 21. Dezember 1998, Zl. 98/18/0351, mwH). Auch die von der belangten Behörde im Grunde des § 37 Abs. 2 FrG vorgenommene Interessenabwägung kann nicht als rechtswidrig angesehen werden. Die angesichts der Dauer seines inländischen Aufenthalts und seiner familiären und privaten Bindungen gegebenen persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet sind - von der belangten Behörde richtig erkannt - dadurch in ihrem Gewicht gemindert, dass die für das Ausmaß der Integration wesentliche soziale Komponente durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers - dem insbesondere zur Last liegt, versucht zu haben, Suchtgift den bestehenden Vorschriften zuwider gewerbsmäßig anderen Personen (durch Verkauf) zu überlassen - deutlich beeinträchtigt wird. Unbeschadet dessen ist festzuhalten, dass auf Grund der in hohem Maß sozialschädlichen Suchtgiftdelikte selbst eine ansonsten volle Integration des Beschwerdeführers dem Aufenthaltsverbot aus der Sicht des § 37 Abs. 2 FrG nicht entgegenstünde (vgl. das schon zitierte Erkenntnis vom 21. Dezember 1998). Wenn die Behörde diese Beurteilung eigenständig aus dem Blickwinkel des FrG - unabhängig von der von der Beschwerde angesprochenen strafgerichtlichen Rechtsverfolgung und somit auch von den gerichtlichen Erwägungen betreffend die Strafbemessung - vorgenommen hat, hat sie die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich (vgl. in diesem Sinn etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 1998, Zl. 98/18/0279, mwH). Mit seinem auf sein Heimatland bezogenen Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer, dass mit dem vorliegenden Bescheid nicht ausgesprochen wird, in welches Land er auszureisen hat oder dass er (allenfalls) abgeschoben wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 1998, Zl. 98/18/0346); weiters bezieht sich der von § 37 Abs. 1 und 2 FrG gewährleistete Schutz des Privat- und Familienlebens lediglich auf das in Österreich geführte Privat- und Familienleben (vgl. hiezu etwa das auf dem Boden des Fremdengesetzes BGBl. Nr. 838/1992 ergangene, aber auch hier einschlägige hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1999, Zl. 96/18/0534). Vor diesem Hintergrund hat die belangte Behörde der durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers bewirkten Gefährdung des schwerwiegenden öffentlichen Interesses an der Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zutreffend größeres Gewicht beigemessen als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine und seiner Familie Lebenssituation. Vorliegend war es daher - abgesehen davon, dass eine solche Vorgangsweise vom FrG nicht vorgesehen ist - entgegen der Beschwerde zur Wahrung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers auch nicht erforderlich, anstelle der Verhängung des Aufenthaltsverbotes dem Beschwerdeführer lediglich die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes für den Fall des neuerlichen Straffälligwerdens (förmlich) in Aussicht zu stellen ("Ermahnung").
2.3. Auf dem Boden des Gesagten ist auch die Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe den Sachverhalt mit Blick auf in der Beschwerde näher bezeichnete Umstände des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers nicht ausreichend ermittelt, nicht zielführend.
3. Da - wie ausgeführt - dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 16. April 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998180373.X00Im RIS seit
20.11.2000