TE Bvwg Beschluss 2018/12/19 W170 2207255-1

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Veröffentlicht am 19.12.2018
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Entscheidungsdatum

19.12.2018

Norm

B-VG Art.130
B-VG Art.133 Abs9
B-VG Art.135 Abs1
B-VG Art.135 Abs2
B-VG Art.135 Abs4
B-VG Art.140 Abs1 Z1 lita
B-VG Art.88 Abs2
B-VG Art.89 Abs2
VGW-DRG §11
VGW-DRG §11 Abs1
VGW-DRG §23a
VwGG §25a Abs3

Spruch

W170 2207255-1/3Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den vorsitzenden Richter Mag. Thomas MARTH und die beisitzenden Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER und Kammervorsitzenden Mag. Mario DRAGONI im Verfahren über den Strafantrag der Disziplinaranwältin Mag.a Claudia INNIG gegen den Richter des Verwaltungsgerichts Wien XXXX, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Anton EHM, vom 19.01.2017, beschlossen, gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a in Verbindung mit Art. 135 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 89 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. Nr. 22/2018, folgenden Antrag samt Eventualanträgen an den Verfassungsgerichtshof zu stellen:

Antrag

Das Bundesverwaltungsgericht beantragt, § 11 Abs. 1 Wiener Verwaltungsgericht-Dienstrechtsgesetz, LGBl. Nr. 84/2012 in der Fassung LGBl. Nr. 47/2018, als verfassungswidrig aufzuheben.

in eventu

Das Bundesverwaltungsgericht beantragt, § 11 Wiener Verwaltungsgericht-Dienstrechtsgesetz, LGBl. Nr. 84/2012 in der Fassung LGBl. Nr. 47/2018, als verfassungswidrig aufzuheben.

in eventu

Das Bundesverwaltungsgericht beantragt, §§ 11 Abs. 1 und 23a Wiener Verwaltungsgericht-Dienstrechtsgesetz, LGBl. Nr. 84/2012 in der Fassung LGBl. Nr. 47/2018, als verfassungswidrig aufzuheben.

in eventu

Das Bundesverwaltungsgericht beantragt, §§ 11 und 23a Wiener Verwaltungsgericht-Dienstrechtsgesetz, LGBl. Nr. 84/2012 in der Fassung LGBl. Nr. 47/2018, als verfassungswidrig aufzuheben.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Sachverhalt

Am 02.10.2018 wurde dem Bundesverwaltungsgericht als Disziplinargericht des Verwaltungsgerichtes Wien ein Strafantrag der Disziplinaranwältin Mag.a Claudia INNIG gegen den Richter des Verwaltungsgerichts Wien XXXX vorgelegt, der zuvor bis zum Inkrafttreten der 11. Novelle des Wiener Verwaltungsgericht-Dienstrechtsgesetz, LGBl. Nr. 84/2012 in der Fassung LGBl. Nr. 47/2018 (in Folge: VGW-DRG), bei der Disziplinarkommission anhängig gewesen ist und nunmehr gemäß §§ 23a Abs. 1 1. Satz, 11 Abs. 1 VGW-DRG in die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes fällt.

II. Zur Zulässigkeit des Antrages

1. Zum anfechtungsberechtigten Gericht:

Das Bundesverwaltungsgericht ist gemäß Art. 89 in Verbindung mit Art. 135 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018 (in Folge: B-VG), verpflichtet, an den Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes zu stellen, gegen dessen Anwendung es aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken hat.

Derartige Bedenken sind seitens des Bundesverwaltungsgerichts im Hinblick auf die im Spruch angeführten Normen entstanden.

Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich aus § 11

VGW-DRG.

2. Zum zur Anfechtung zuständigen Spruchkörper:

Der Verfassungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass zur Antragstellung gemäß Art. 140 B-VG jener Spruchkörper eines Gerichtes berechtigt ist, der die anzufechtende Norm bei der Entscheidung in der Sache anzuwenden hat (vgl. VfSlg 12.381/1990 und 18.097/2007 mwN; VfGH 14.10.2016, G45/2016).

Gemäß § 11 VGW-DRG hat das Bundesverwaltungsgericht durch Senat zu entscheiden, die entsprechende Senatszusammensetzung ergibt sich aus der Anlage 3 der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichts.

3. Zur Präjudizialität:

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist das (verfassungsgesetzlich gewährleistete) Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt, wenn eine Entscheidung durch ein unzuständiges Gericht erfolgt oder ein Verwaltungsgericht zu Unrecht seine Zuständigkeit ablehnt (VfGH 12.6.2015, E 458/2015-13).

Es hat daher das von der vorlegenden Behörde oder Stelle für zuständig erachtete Verwaltungsgericht zuvorderst seine Zuständigkeit zu überprüfen.

Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes ergibt sich (lediglich) aus § 11 Abs. 1 VWG-DRG, der anordnet, dass Disziplinargericht (des Verwaltungsgerichtes Wien) das Bundesverwaltungsgericht ist, welches durch einen Senat entscheidet.

Daher ist die angefochtene Norm, deren Inhalt im Wesentlichen die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts begründet, im gegenständlichen Verfahren für die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts präjudiziell.

4. Zum Umfang der Anfechtung:

§ 11 VWG-DRG lautet:

"Disziplinargericht

§ 11. (1) Disziplinargericht ist das Bundesverwaltungsgericht, welches durch einen Senat entscheidet.

(2) Das Disziplinargericht ist zuständig zur Entscheidung über eine Suspendierung - und zwar über Antrag der Präsidentin oder des Präsidenten des Verwaltungsgerichts oder der Disziplinaranwältin oder des Disziplinaranwalts - und zur Erlassung von Beschlüssen und Disziplinarerkenntnissen. § 10 Abs. 1 zweiter bis fünfter Satz VGWG ist sinngemäß anzuwenden.

(3) Vom Disziplinargericht sind auch Dienstpflichtverletzungen zu verfolgen, die ein gemäß § 15 aus seinem Amt ausgeschiedenes Mitglied während der Zeit seiner Mitgliedschaft im Verwaltungsgericht begangen hat. Dies gilt nicht, wenn das ehemalige Mitglied nicht mehr Beamtin oder Beamter der Gemeinde Wien ist."

Klar erkennbar ist, dass § 11 Abs. 1 VWG-DRG die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts als Disziplinargericht festlegt und daher, wenn die vom Bundesverwaltungsgericht zutreffenden Bedenken gegen diese Zuständigkeit zutreffen, als verfassungswidrig zu beheben wäre.

Allerdings könnte man auch argumentieren, dass § 11 Abs. 2 und 3 VWG-DRG diesfalls auch aufzuheben wären; das Bundesverwaltungsgericht sieht jedoch keinen unteilbaren inhaltlichen Zusammenhang zwischen § 11 Abs. 1 leg.cit und den nachfolgenden Abs. 2 und 3, da nur der Abs. 1 die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts normiert und sich die Abs. 2 und 3 an das jeweilige, zuständige Disziplinargericht richten, unabhängig davon ob dies das Bundesverwaltungsgericht ist oder nicht.

Daher wird der erste Eventualantrag nur aus verfahrensrechtlicher Vorsicht gestellt.

§ 23a VWG-DRG lautet:

"§ 23a. (1) Die Zuständigkeit zur Durchführung von mit Ablauf des Tages der Kundmachung der 11. Novelle zu diesem Gesetz beim Disziplinarausschuss anhängigen Verfahren geht auf das Disziplinargericht über, welches diese Verfahren neu durchzuführen hat. Das Mitglied (Ersatzmitglied) des Disziplinarausschusses, welches am Tag der Kundmachung der 11. Novelle zu diesem Gesetz den Vorsitz im Disziplinarausschuss innehatte, hat die diesbezüglichen Akten unverzüglich dem Disziplinargericht zu übermitteln.

(2) Ist ein Erkenntnis oder Beschluss des Disziplinarausschusses vor Ablauf des Tages der Kundmachung der 11. Novelle zu diesem Gesetz mündlich verkündet worden, die Zustellung einer den Beginn der Revisions- oder Beschwerdefrist auslösenden schriftlichen Ausfertigung desselben jedoch bis zum Ablauf dieses Tages nicht veranlasst worden, tritt das Erkenntnis bzw. der Beschluss mit Ablauf dieses Tages außer Kraft."

Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts hat - nach Vorlage der offenen Verfahren - § 23a VWG-DRG keinen Anwendungsbereich mehr und steht in keinem unteilbaren inhaltlichen Zusammenhang zu § 11 Abs. 1 VWG-DRG; allerdings werden - zur Vermeidung einer Zurückweisung des Antrages - aus verfahrensrechtlicher Vorsitz der zweite und dritte Eventualantrag gestellt, falls der Verfassungsgerichtshof doch einen untrennbaren Zusammenhang des § 23a VWG-DRG mit § 11 Abs. 1 leg.cit sieht, da § 23a VWG-DRG ausschließlich der Umsetzung des neuen § 11 Abs. 1 VWG-DRG (in der Fassung LGBl. Nr. 47/2018) diente.

III. Zu den Bedenken:

Das Bundesverwaltungsgericht hegt Bedenken, dass die angefochtene Norm bzw., wenn der Verfassungsgerichtshof nur einen Eventualantrag für zulässig erachtet, die angefochtenen Normen gegen Art. 88, 135 B-VG und darüber hinaus gegen Art. 130

B-VG verstößt bzw. verstoßen.

Zu den Bedenken im Hinblick auf Art. 88, 135 B-VG:

Art. 88 Abs. 2 lautet:

"(2) Im Übrigen dürfen Richter nur in den vom Gesetz vorgeschriebenen Fällen und Formen und auf Grund eines förmlichen richterlichen Erkenntnisses ihres Amtes entsetzt oder wider ihren Willen an eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt werden. Diese Bestimmungen finden jedoch auf Übersetzungen und Versetzungen in den Ruhestand keine Anwendung, die durch eine Änderung der Gerichtsorganisation nötig werden. In einem solchen Fall wird durch das Gesetz festgestellt, innerhalb welchen Zeitraumes Richter ohne die sonst vorgeschriebenen Förmlichkeiten übersetzt und in den Ruhestand versetzt werden können."

Art. 135 Abs. 1 1. bis 4. Satz und 2 B-VG 1. Satz lauten:

"Artikel 135. (1) Die Verwaltungsgerichte erkennen durch Einzelrichter. Im Gesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte oder in Bundes- oder Landesgesetzen kann vorgesehen werden, dass die Verwaltungsgerichte durch Senate entscheiden. Die Größe der Senate wird durch das Gesetz über die Organisation des Verwaltungsgerichtes festgelegt. Die Senate sind von der Vollversammlung oder einem aus ihrer Mitte zu wählenden Ausschuss, der aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und einer gesetzlich zu bestimmenden Zahl von sonstigen Mitgliedern des Verwaltungsgerichtes zu bestehen hat, aus den Mitgliedern des Verwaltungsgerichtes und, soweit in Bundes- oder Landesgesetzen die Mitwirkung von fachkundigen Laienrichtern an der Rechtsprechung vorgesehen ist, aus einer in diesen zu bestimmenden Anzahl von fachkundigen Laienrichtern zu bilden. ...

(2) Die vom Verwaltungsgericht zu besorgenden Geschäfte sind durch die Vollversammlung oder einen aus ihrer Mitte zu wählenden Ausschuss, der aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und einer gesetzlich zu bestimmenden Zahl von sonstigen Mitgliedern des Verwaltungsgerichtes zu bestehen hat, auf die Einzelrichter und die Senate für die gesetzlich bestimmte Zeit im Voraus zu verteilen.

..."

Hiezu hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 14.06.2018, G 29/2018-14, G 108/2018-10 ausgeführt, dass sich aus Art. 88 Abs. 2 B-VG ergibt, dass das Disziplinarrecht materiell betrachtet der Justizverwaltung zuzuordnen ist, es sich aber - zumindest im Falle einer Amtsenthebung, Versetzung oder Versetzung in den Ruhestand eines Richters - um eine erkennende Tätigkeit der Richter handelt und daraus folgt, dass jedenfalls dieser Teil des Disziplinarrechts einem kollegialen richterlichen Spruchkörper übertragen werden muss (siehe Rz 35). Weiters führt der Verfassungsgerichtshof aus, dass, da in bestimmten disziplinarrechtlichen Angelegenheiten die Entscheidung mittels förmlichen richterlichen Erkenntnisses zu erfolgen hat, es sich beim (damaligen) Disziplinarausschuss des Verwaltungsgerichtes Wien um einen Senat im Sinne des Art. 135 Abs. 1 B-VG handeln muss, auf den die vom Verwaltungsgericht zu besorgenden Geschäfte nach Art. 135 Abs. 2 B-VG zu verteilen sind. Der (damalige) Disziplinarausschuss entsprach nach dem gegenständlichen Erkenntnis aber nicht Art. 135 B-VG, weil lediglich eines der Mitglieder von der Vollversammlung gewählt wird, während die übrigen zwei vom Präsidenten ernannt werden, eines auf Grund freier Entscheidung, eines auf Grund eines bindenden Vorschlages des Dienststellenausschusses. Da Senate im Sinne des Art. 135 Abs. 1 B-VG von der Vollversammlung oder einem aus ihrer Mitte zu wählenden Ausschuss zu bilden seien, handelte es sich beim damaligen Disziplinarausschuss somit um keinen Senat, der die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen des Art. 135 Abs. 1 und 2 B-VG erfüllt hat. Schließlich hat der Verfassungsgerichtshof im gegenständlichen Erkenntnis abschließend ausgeführt, dass die angefochtenen Wortfolgen und Absätze des § 19 des Gesetzes über das Verwaltungsgericht Wien, LGBl. Nr. 83/2012 in der damaligen Fassung LGBl. Nr. 30/2018, mit welchen unter anderem die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Disziplinarstrafe der Entlassung an ein Organ übertragen werden, welches nicht zur Gänze von der Vollversammlung oder einem aus ihrer Mitte zu wählenden Ausschuss gebildet wird, gegen Art 135 B-VG verstößt (Rz 41).

Nunmehr hat der Landesgesetzgeber alle disziplinarrechtlichen Angelegenheiten und somit Angelegenheit der Justizverwaltung des Verwaltungsgerichtes Wien mit § 11 VGW-DRG einem (weder von ihm noch von der Vollversammlung des Verwaltungsgerichtes Wien zu bestimmenden bzw. zu wählenden) Senat des Bundesverwaltungsgerichts übertragen, dessen Mitglieder zwar zweifellos Richter bzw. Richterinnen, aber weder Mitglieder der Vollversammlung des Verwaltungsgerichtes Wien sind noch durch diese gewählt wurden. Vielmehr hat der Landesgesetzgeber diesen Teil der Justizverwaltung dem Bundesverwaltungsgericht übertragen, dessen Geschäftsverteilungsausschuss ohne Mitwirkung der Mitglieder der Vollversammlung des Verwaltungsgerichtes Wien die übertragenen Geschäfte nach seinem Gutdünken an Mitglieder des Bundesverwaltungsgerichtes überträgt.

Aus Art. 135 Abs. 1 4. Satz B-VG kann - im Lichte des oben angeführten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes - nur geschlossen werden, dass die Senate aus der Vollversammlung oder einem aus ihrer Mitte zu bildenden Ausschusses desselben Gerichts zu bilden sind.

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes ist diese Übertragung von Justizverwaltungsangelegenheiten an einen nicht von der Vollversammlung des Verwaltungsgerichtes Wien gewählten Senat oder Ausschuss eines anderen Gerichtes im Lichte der Art. 88 Abs. 2, 135 Abs. 1 und 2 1. Satz B-VG verfassungswidrig.

Zu den Bedenken im Hinblick auf Art. 130 B-VG:

Sollte der Verfassungsgerichtshof die "Überführung" von Justizverwaltung in die Regelverwaltung bzw. Rechtsprechung - um eine solche handelt es sich, wenn man § 11 Abs. 1 VGW-DRG für verfassungskonform hält - im Lichte der Art. 88, 135 B-VG für zulässig erachten, zweifelt das Bundesverwaltungsgericht an, dass es verfassungskonform ist, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behandlung eines Strafantrages der Disziplinaranwältin zu betrauen.

Einschlägige Norm für die obligatorischen und fakultativen Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte ist Art. 130 B-VG, dieser lautet in seinen relevanten Teilen:

"Artikel 130. (1) Die Verwaltungsgerichte erkennen über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;

2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;

4. gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4.

(1a) Das Verwaltungsgericht des Bundes erkennt über die Anwendung von Zwangsmitteln gegenüber Auskunftspersonen eines Untersuchungsausschusses des Nationalrates nach Maßgabe des Bundesgesetzes über die Geschäftsordnung des Nationalrates.

(2) Durch Bundes- oder Landesgesetz können sonstige Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte zur Entscheidung über

1. Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Verwaltungsbehörde in Vollziehung der Gesetze oder

2. Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines Auftraggebers in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens oder

3. Streitigkeiten in dienstrechtlichen Angelegenheiten der öffentlich Bediensteten

vorgesehen werden. In den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die nicht unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden, sowie in den Angelegenheiten der Art. 11, 12, 14 Abs. 2 und 3 und 14a Abs. 3 und 4 dürfen Bundesgesetze gemäß Z 1 nur mit Zustimmung der Länder kundgemacht werden.

(2a) Die Verwaltungsgerichte erkennen über Beschwerden von Personen, die durch das jeweilige Verwaltungsgericht in Ausübung seiner gerichtlichen Zuständigkeiten in ihren Rechten gemäß der Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) - DSGVO, ABl. Nr. L 119 vom 4. 5. 2016 S. 1, verletzt zu sein behaupten.

(3) ...

(4) ...

(5) Von der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte ausgeschlossen sind Rechtssachen, die zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte oder des Verfassungsgerichtshofes gehören sofern nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist."

Zweifelsohne handelt es sich bei einem Strafantrag um keine Beschwerde, sodass eine obligatorische Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes nach Art. 130 Abs. 1 B-VG ebenso ausscheidet wie eine Zuständigkeit nach den Abs. 1a und 2a der leg.cit..

Ebenso ist nicht zu erkennen, wie § 11 Abs. 1 VGW-DRG auf eine fakultative Zuständigkeit nach Art. 130 Abs. 2 Z 1 oder 2 B-VG fußen sollte.

Lediglich Art. 130 Abs. 2 Z 3, der die fakultative Möglichkeit des einfachen Gesetzgebers, Streitigkeiten in dienstrechtlichen Angelegenheiten der öffentlich Bediensteten in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zu übertragen, eröffnet, könnte prima vista eine verfassungsrechtliche Ermächtigung für § 11 Abs. 1 VGW-DRG darstellen.

Allerdings würde diese Argumentation übersehen, dass es sich bei § 11 Abs. 1 VGW-DRG um die Übertragung einer erstinstanzlichen Zuständigkeit in einer hoheitlichen Angelegenheit an ein Verwaltungsgericht handelt.

Die erläuternden Bemerkungen zum Entwurf der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 führen hiezu aus, dass nach dem vorgeschlagenen (unverändert beschlossenen) Art. 130 Abs. 2 B-VG durch Bundes- oder Landesgesetz sonstige Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte zur Entscheidung über Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit vorgesehen werden können. Solche Beschwerden können nur andere als die in Art. 130 Abs. 1 Z 1 bis 4 B-VG genannten Beschwerdegegenstände, also nicht typengebundenes Verwaltungshandeln und andere Weisungen als solche nach Art. 81a Abs. 4 B-VG, zum Gegenstand haben.

Weitere Ausführungen zu Art. 130 Abs. 2 Z 3 B-VG enthalten die Materialien nicht, aber deutet das Wort "Streitigkeiten" in der leg.cit. darauf hin, dass es sich hierbei eben um keine Angelegenheiten handelt, denen ein hoheitliches Verwaltungshandeln zu Grunde liegt oder liegen müsste, sondern um zivilrechtliche Auseinandersetzungen. In der österreichischen Rechtsprache wird unter Streitigkeiten - soweit dies zu sehen war - eben keine Auseinandersetzung von einander in einem Hoheitsverhältnis gegenüberstehender Parteien, sondern eine Auseinandersetzung von Privatrechtssubjekten verstanden. Es kann nur vermutet werden, dass der Gesetzgeber hier die Befassung der Verwaltungsgerichte mit Angelegenheiten der nicht hoheitlich beschäftigten öffentlich Bediensteten ermöglichen wollte.

Daher vertritt das Bundesverwaltungsgericht die Ansicht, dass die unmittelbare Befassung des Bundesverwaltungsgerichtes mit einem Strafantrag der Disziplinaranwältin nach dem VGW-DRG gegen Art. 130 B-VG verstößt.

IV. Unzulässigkeit der Revision

Gegen diesen Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG iVm § 25a Abs. 3 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 58/2018, eine Revision nicht zulässig.

Schlagworte

Bundesverwaltungsgericht, Disziplinaranwalt, Disziplinargericht,
Disziplinarstrafe, Entlassung, Eventualantrag, Gerichtsbarkeit,
Gesetzesprüfung, Justizverwaltung, Landesgesetzgeber,
Landesverwaltungsgericht, Rechtslage, Richter, Strafantrag, VfGH,
Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W170.2207255.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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