Entscheidungsdatum
28.12.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I414 2211648-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark vom 20.11.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 iVm. Abs. 2 VwGVG stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer wurde am 12.03.2018 im Zuge einer Schwerpunktaktion durch Beamte des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer Kontrolle unterzogen. Aus dem vorliegenden Bericht ergibt sich, dass bei dieser Kontrolle im Reisegepäck des Beschwerdeführers ca. 10 kg getrocknete Cannabisblüten entdeckt wurden (AS 9 ff.). Daraufhin wurde der Beschwerdeführer wegen des Verdachtes des Suchtgifthandels in die Justizanstalt überstellt (AS 19 ff.).
Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.03.2018, nachweislich zugestellt am 20.03.2018, wurde der Beschwerdeführer in Kenntnis gesetzt, dass die Behörde beabsichtigt eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot zu erlassen. Gleichzeit wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt binnen offener Frist eine Stellungnahme abzugeben. Ferner wurde dem Beschwerdeführer das aktuelle Länderinformationsblatt zu Nigeria übermittelt. Bis dato langte keine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein (AS 31 ff.).
Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 05.10.2018, Zl. XXXX, wurde der Beschwerdeführer wegen das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall, Abs. 4 Z. 3 Suchtmittelgesetz (SMG), wegen das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 4 Z. 3 SMG und wegen das Verbrechen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 zweiter Fall, Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren rechtskräftig verurteilt (AS 77 ff.).
Mit dem hier bekämpften Bescheid hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt I.). Sie erklärte seine Abschiebung nach Nigeria und Italien für zulässig (Spruchpunkt II.). Weiter verhängte sie über ihn ein befristetes Einreiseverbot in der Dauer von 10 Jahren (Spruchpunkt III.). Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt IV.) [AS 105 ff.].
Im Bescheid finden sich keine Feststellungen zur Situation in Nigeria. Es wurde angeführt, dass dem Beschwerdeführer die Länderfeststellungen übermittelt und von diesem nachweislich übernommen worden seien. Er habe von seinem Recht zur Stellungnahme nicht Gebrauch gemacht, und würde das übermittelte Länderinformationsblatt zum integrierenden Bestandteil dieses Bescheides erhoben. In der rechtlichen Begründung wird lediglich ausgeführt, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Italien vorgesehen und die Abschiebung nach Italien zulässig sei. Eine Prüfung der Zulässigkeit bezüglich der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria ist nicht ersichtlich.
Mit Verfahrensanordnung vom 20.11.2018 wurde dem Beschwerdeführer der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt (AS 149).
Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in Italien zum Aufenthalt berechtigt sei und die zwingende Rückkehr nach Italien keine unzulässige Verletzung des Art. 8 EMRK darstelle. Insofern sei nicht nachvollziehbar, dass die Behörde gegen den Beschwerdeführer ein Einreiseverbot erließ, obwohl er unionsrechtlich aufenthaltsberechtigt sei (AS 155 ff.).
Mit Schriftsatz vom 20.12.2018, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 27.12.2018, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor (AS 1).
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Der Beschwerdeführer ist in Italien subsidiär Schutzberechtigt.
2. Beweiswürdigung
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich weitgehend aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes.
Die Feststellung zum Status des subsidiär Schutzberechtigten des Beschwerdeführers in Italien ergibt sich aus dem vorliegenden Fremdenpass, Nr. XXXX, gültig bis zum 14.05.2022 (AS 67).
Zu Spruchpunkt A)
3. Aufhebung des Bescheides
3.1. Die §§ 28 Abs. 1 bis 2 VwGVG lauten wie folgt:
Erkenntnisse
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
[...]
3.2. § 52 Abs. 1, 6, 8, 9 und Abs. 10 und 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), in der geltenden Fassung lauten wie folgt:
Rückkehrentscheidung
§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.
[...]
(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.
[...]
(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.
(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.
[...]
§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
[...]
Mit der bekämpften Entscheidung hat die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 FPG erlassen und ausgesprochen, dass eine Abschiebung nach Nigeria und Italien zulässig ist.
Wie aus § 52 Abs. 8 FPG hervorgeht, kann die aufenthaltsbeendende Maßnahme der Rückkehrentscheidung ausschließlich eine Ausreiseverpflichtung des Drittstaatsangehörigen in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat zum Gegenstand haben. Eine Ausreiseverpflichtung in einen Mitgliedstaat kann auf Grundlage dieser Bestimmung hingegen nicht begründet werden (vgl. dazu u.a. Szymanski in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht, Anm. 30 zu § 52 Abs. 8 FPG; sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. März 2015, Ra 2015/21/0004).
Daran ändert auch die in § 52 Abs. 6 FPG enthaltene Sonderregelung für Drittstaatsangehörige, welche im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedsstaates sind, nichts, weil diese Bestimmung lediglich eine freiwillige - und nicht auf Grundlage einer Rückkehrentscheidung basierende - Ausreiseverpflichtung des Betroffenen in den Mitgliedstaat vorsieht.
Dementsprechend handelt es sich - wie in § 53 Abs. 1 auch ausdrücklich angeführt ist - beim auf der Rückkehrentscheidung aufbauenden Einreiseverbot auch um ein Verbot der Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten.
Damit soll vor dem Hintergrund des Gesamtziels der Rückführungsrichtlinie nicht nur die innerstaatliche Sicherheit, sondern auch der Schutz der Mitgliedstaaten und damit eine gesamteuropäische Rückkehrpolitik wirksam und effektiv, da lückenlos, gefördert werden (siehe dazu die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum FrÄG 2011, Nr. 1078 der XXIV. GP).
Die von der belangten Behörde im vorliegenden Fall herangezogenen §§ 52 und 53 konnten daher schon allein aus diesem Grund keine taugliche Grundlage für die gegenständlichen Anordnungen bilden.
Der von der belangten Behörde herangezogenen §§ 52 und 53 FPG bilden keine Grundlage für die gegenständliche Anordnung den Beschwerdeführer nach Italien abzuschieben.
Aufgrund des Status des subsidiär Schutzberechtigten des Beschwerdeführers ist die Anordnung den Beschwerdeführer nach Nigeria abzuschieben ebenfalls unzulässig.
Daher war der Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG zu beheben.
4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.
Weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid zu beheben war, konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben.
B) Zur Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Abschiebung, Aufenthaltstitel, Ausreiseverpflichtung, Behebung derEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:I414.2211648.1.00Zuletzt aktualisiert am
10.04.2019