TE Bvwg Beschluss 2019/1/17 W212 2170224-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.01.2019
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Entscheidungsdatum

17.01.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W212 2170212-2/5E

W212 2170224-2/4E

W212 2170221-2/4E

W212 2170214-2/4E

W212 2170219-2/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva SINGER, als Einzelrichterin im Verfahren über die durch die mündlich verkündeten Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, EAST West vom 27.09.2018, Zln. 1.) 1159893804, 2.) 1159894006, 3.) 1159894300, 4.) 1159893902 und 5.) 1159893804, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend 1.) XXXX , geb. XXXX ,

2.)

XXXX , geb. XXXX 3.) XXXX , geb. XXXX , 4.) XXXX , geb. XXXX und

5.)

XXXX , geb. XXXX , alle StA. Ukraine alias Russische Föderation, beschlossen:

A) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 22 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, nicht rechtmäßig.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind verheiratet, der Drittbeschwerdeführer ist ihr mittlerweile volljährige Kind und die Viert- und Fünftbeschwerdeführer ihre minderjährigen Kinder, sie sind Staatsbürger der Ukraine alias Russische Föderation und stellten am 24.07.2017 erstmals Anträge auf internationalen Schutz, welche vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vollinhaltlich abgewiesen wurden. Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.02.2018 ebenfalls abgewiesen und erwachsen in Rechtskraft.

1.2. In diesem abgeschlossenen Verfahren wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die Beschwerdeführer von der Krim Halbinsel stammen würden und der Religion der Zeugen Jehovas zugehörig wären. Durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes der Russischen Föderation vom Juli 2017 würde auf der Krim die Religion der Zeugen Jehovas verboten und deren Gotteshäuser verstaatlicht worden sein. Sie hätten sohin ihre Religion nicht mehr frei ausüben können und würden Angehörige dieser Religion als Extremisten betrachtet und als solche behandelt werden. Der Erstbeschwerdeführer gab an, dass ihm im Falle eines Verbleibes eine bis zu sechsjährige Haftstrafe gedroht hätte. Die Zweitbeschwerdeführerin gab darüber hinaus an, dass sich die Dritt bis Fünftbeschwerdeführer aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas zuletzt Schikanen und Anfeindungen im Schulalltag ausgesetzt gesehen hätten und die Familie fürchten würde, dass dem Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin im Falle der Einleitung eines Verfahrens aufgrund Ihrer Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas allenfalls das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen werden könnte.

Des Weiteren wurde ins Treffen geführt, dass dem siebzehnjährigen Drittbeschwerdeführer nach Erreichen der Volljährigkeit die Einziehung zum Militärdienst drohen würde, obwohl dieser aufgrund einer Sehbeeinträchtigung nach ukrainischen Gesetzen als untauglich gelte und dieser eine Ableistung des Wehrdienstes überdies aus Glaubensgründen ablehnen würde. Durch die russischen Behörden sei er nichts desto trotz für tauglich befunden worden.

Letztlich wurde durch die beschwerdeführenden Parteien ins Treffen geführt, sie könnten aufgrund ihrer Herkunft und des Umstandes, dass ihnen russische Reisedokumente ausgestellt worden wären, sowie aufgrund der Tatsache, dass ein Bruder des Erstbeschwerdeführers auf dem Gebiet der Krim als Richter tätig wäre, in der Ukraine als "Verräter" angesehen werden.

1.3. Im Beschwerdeschriftsatz wurde vorgebracht, dass sich die Staatsbürgerschaft der beschwerdeführenden Parteien als "ungeklärt" erweisen würde, zumal nicht bekannt sei, ob diesen die ukrainische Staatsbürgerschaft nach wie vor zukomme.

1.4. Mit den oben erwähnten Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes wurden die Beschwerden gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.08.2017 abgewiesen. Zusammenfassend wurde festgestellt, dass die beschwerdeführenden Parteien Staatsangehörige der Ukraine, der russischen Volksgruppe sowie der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas zugehörig seien. Sie hätten vor ihrer Ausreise auf der Halbinsel Krim gelebt, wo sie ein Grundstück sowie ein Haus besessen und eigenen Angaben zufolge in durchschnittlichen bis guten wirtschaftlichen Verhältnissen gelebt hätten. Angehörige der beschwerdeführenden Parteien würden nach wie vor auf dem Gebiet der Krim, eine Schwester der Zweitbeschwerdeführerin in einer anderen Region der Ukraine leben. Sie würden über gültige im Zeitraum 2016/2017 im Oblast Cherson ausgestellte ukrainische Reisepässe verfügen. Es hätten sich keine Anhaltspunkte für einen allfälligen Verlust der ukrainischen Staatsbürgerschaft ergeben und wäre ihnen mit den Dokumenten eine Reise von der annektierten Krim Halbinsel nach Kiew und in weiterer Folge eine Ausreise auf dem Luftweg nach Österreich problemlos möglich gewesen. Die vorgebrachten Fluchtgründe in Form von befürchteten Repressalien im Zusammenhang mit ihrem Glaubensbekenntnis (Haftstrafe, Entzug des Sorgerechts) sowie die vom Drittbeschwerdeführer befürchtete Einziehung zum Militärdienst, trotz gesundheitlicher Einschränkungen respektive Ablehnung des Wehrdienstes aus Glaubensgründen, würden sich zur Gänze auf ihre durch die Russische Föderation annektierte Heimatregion und die dort angewandten russischen Rechtsvorschriften beziehen. Vor diesem Hintergrund könne eine abschließende Beurteilung der Glaubwürdigkeit der vorgebrachten Ausreisegründe unterbleiben, da jedenfalls die Möglichkeit bestehe, sich den dargelegten Befürchtungen durch Niederlassung in einem unter Kontrolle der ukrainischen Regierung stehenden Landesteil zu entziehen. Die beschwerdeführenden Parteien wären zwar in Besitz eines russischen Inlandpasses, könne jedoch aus den herangezogenen Länderberichten keinesfalls entnommen werden, dass ehemalige Bewohner der Halbinsel Krim in anderen Landesteilen mit maßgeblichen Diskriminierungen oder gar staatlichen Repressalien zu rechnen hätten.

2. Am 23.03.2018 stellten die beschwerdeführenden Parteien weitere Anträge auf internationalen Schutz, welche sie jedoch mit Schreiben vom 07.05.2018 wieder zurückzogen.

3.1. Am 04.09.2018 brachten die beschwerdeführenden Parteien die gegenständlichen Folgeanträge auf internationalen Schutz ein.

3.2. Der Erstbeschwerdeführer gab anlässlich der Erstbefragung vom 04.09.2018 in Bezug auf die Gründe seiner neuerlichen Antragstellung im Wesentlichen zu Protokoll, das ca. zwei Wochen zuvor Polizisten in sein Haus auf der Krim gekommen wären, und nach seinem Aufenthaltsort gefragt hätten. Sein ältester Sohn, der Drittbeschwerdeführer, sei wehrdienstpflichtig und hätte mittlerweile vier Einberufungsbefehle bekommen. Als Zeuge Jehovas verweigere er jedoch den Wehrdienst und den Krieg. Bevor die Zeugen Jehovas verboten worden wären, hätte es die Möglichkeit zum Zivildienst gegeben, aber seit Juli 2017 gäbe es diese Möglichkeit nicht mehr. Würde der Erstbeschwerdeführer in die Ukraine abgeschoben werden, würde er verfolgt und feindselig behandelt werden. Da er einen russischen Pass besitze, könnte er bis zu fünf Jahre inhaftiert werden.

3.3. Die Zweitbeschwerdeführerin gab im Wesentlichen gleichlautende Angaben zu Protokoll und gab ergänzend an, dass es in Russland ein Gesetz gebe, wonach die minderjährigen Kinder einer Mutter abgenommen werden könnten, wenn der Vater aufgrund einer extremistisch eingestuften Religion eine Haftstrafe verbüße.

3.4. Im Rahmen ihrer niederschriftlichen Einvernahmen vom 17.09.2018 gaben die Erst- und Zweitbeschwerdeführer gleichlautend an, dass sie seit der ersten Antragstellung Österreich nicht verlassen hätten und sie zum russischen Konsulat in Salzburg gegangen wären, um sich einen russischen Pass ausstellen zu lassen. Sie wären auch bei der ukrainischen Botschaft in Wien gewesen, und sei ihnen dort gesagt worden, dass sie die ukrainische Staatsbürgerschaft anerkennen würden, diese jedoch bestätigt werden solle. Dafür müssten sie in die Ukraine fahren und sich anmelden.

Auf Grundlage ihres russischen Inlandspasses hätten sie nunmehr russische Reisepässe ausgestellt bekommen. Im Mai oder Juni 2018 hätten sie die russischen Reisepässe beim Konsulat in Salzburg beantragt und hätten sie (Erst- bis Drittbeschwerdeführer) diese im Juli 2018 bekommen, die beiden minderjährigen Kinder können die Pässe erst bekommen, wenn die Eltern die Pässe bereits erhalten hätten. Sie wollen russische Staatsbürger und nicht ukrainische Staatsbürger sein, da sie noch Immobilien auf der Krim besäßen und diese nur nach russischem Recht verkaufen könnten. Sie würden von der Volkgruppe her Russen sein und würden russisch sprechen. Mittlerweile sei die russische Sprache in der Westukraine verboten und wolle man diese in ganz Ukraine verbieten, solange der Krieg in Donbass herrsche. Es gebe in der Ukraine sehr viele Nationalisten, die gegen Russland sehr negativ eingestellt seien, somit würden sie als Krimbewohner als Extremisten angesehen werden. Außerdem stehe der Bruder des Erstbeschwerdeführers auf der Fahndungsliste des Geheimdienstes SBU und könnte es passieren, dass der Erstbeschwerdeführer als Geisel benutzt würde, um an den Bruder heranzukommen.

Auf der Krim wären zunächst nur russische Inlandspässe ausgestellt worden. Diese wären nötig gewesen, um alle Dokumente dem russischen Recht anzupassen. Erst später hätten die Behörden angefangen Reisepässe auszustellen, die Warteschlangen wären jedoch sehr groß gewesen. Sie selbst seien mit einem ukrainischen Reisepass nach Österreich gereist, da mit diesem die Reisefreiheit gewährleistet gewesen wäre, man hätte keine Zeit verloren, um ein Visum zu bekommen.

4.1. Mit den mündlich verkündeten Bescheiden vom 27.09.2018 wurde der faktische Abschiebeschutz der Beschwerdeführer gem. § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben.

Die belangte Behörde traf Feststellungen zum Herkunftsstaat und gab den Verfahrensgang wieder. Die Beschwerdeführer hätten in Österreich nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des bloß vorübergehenden Aufenthaltsrechtes des Asylverfahrens verfügt. In rechtlicher Hinsicht verwies die belangte Behörde auf die Bestimmung des § 12a Abs. 2 AsylG und begründete die Entscheidung damit, dass die nunmehrigen Folgeanträge voraussichtlich zurückzuweisen sein werden, da sich die Beschwerdeführer auf Gründe bezogen hätten, welche bereits vor rechtskräftigem Abschluss der vorangegangenen Verfahren vorgelegen hätten. Anhand der vorgelegten Unterlagen in Zusammenschau mit dessen niederschriftlichen Angaben könne keine Verfolgung der Beschwerdeführer festgestellt werden. Auch die allgemeine Lage im Herkunftsstaat habe sich nicht entscheidungswesentlich geändert. Im Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse der beschwerdeführenden Parteien seien ebenfalls keine Änderungen seit der rechtskräftigen Entscheidung eingetreten.

4.2. Die Beschwerdeführer gaben im Anschluss an die mündliche Verkündung der dargestellten Bescheide zu Protokoll, Beschwerden zu erheben, zu deren Begründung auf das bisher Vorgebrachte verwiesen werde.

4.3. Mit Eingabe vom 12.12.2018 legte der rechtsfreundliche Vertreter der beschwerdeführenden Parteien folgende Berichte vor:

Berichte über die Verfolgung von Zeugen Jehovas auf der Krim, aktuelle Webseite Zeugen Jehovas vom 29.11.2018

Bericht der Tagesschau vom 30.11.2018 Kriegsrecht in der Ukraine

Alpenschau vom 27.11.2018 Kriegserklärung der Ukraine an Russland

Der rechtsfreundliche Vertreter brachte vor, dass die Beschwerdeführer unbestritten aus der Krim stammen würden, die Frage der Staatsbürgerschaft jedoch unklar sei.

Aus den Unterlagen ergebe sich, dass russische Männer im Alter von 16 bis 60 Jahren nicht mehr in die Ukraine einreisen dürften. Damit solle verhindert werden, dass Russen auf ukrainischem Boden kämpfende "Privatarmeen" bilden. Nach der Kaperung der Marineschiffe im angrenzenden Asowsches Meer hätte die Ukraine für 30 Tage das Kriegsrecht über einige Landesteile verhängt. Poroschenko hätte zur Begründung erklärt, sein Land müsse sich für die Abwehr einer möglichen russischen "Invasion" rüsten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Die maßgeblichen Bestimmungen (in der Sache) lauten:

1.1. §12a (2) AsylG 2005 idgF:

Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

§ 22 (10) Asylg 2005 idgF:

Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakte sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

§ 22 BFA-VG:

(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.

1.2. Die im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 3.5.2018, Ra 2018/19/0010, dargelegten Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 10 dritter und vierter Satz AsylG, welcher - mit Art. 130 BV-G nicht im Einklang - ein "amtswegiges" Tätigwerden eines Verwaltungsgerichts vorsehen würde, erweisen sich im gegenständlichen Verfahren als nicht präjudiziell, zumal davon unabhängig eine zulässigerweise mündlich gestellte und niederschriftlich protokollierte (vgl VwGH 18.12.2015, Ra 2015/02/0169) Beschwerde vorliegt.

1.3. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Beschwerde nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; 30.05.1995, 93/08/0207; 09.09.1999, 97/21/0913; 07.06.2000, 99/01/0321). "Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235; 17.09.2008, 2008/23/0684; 11.11.2008, 2008/23/1251; 19.02.2009, 2008/01/0344; 06.11.2009, 2008/19/0783). Werden nur Nebenumstände modifiziert, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, so ändert dies nichts an der Identität der Sache. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. zB VwGH 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2007, 2004/20/0100; 17.09.2008, 2008/23/0684; 19.02.2009, 2008/01/0344; 06.11.2009, 2008/19/0783). Liegt keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor und hat sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt nicht geändert, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen. Stützt sich ein Asylantrag auf einen Sachverhalt, der verwirklicht worden ist, bevor das Verfahren über einen (früheren) Antrag beendet worden ist, so steht diesem (späteren) Antrag die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266). Gegenüber neu entstandenen Tatsachen (novae causae supervenientes; vgl. VwGH 20.2.1992, 91/09/0196) fehlt es an der Identität der Sache; neu hervorgekommene Tatsachen (oder Beweismittel) rechtfertigen dagegen allenfalls eine Wiederaufnahme iSd § 69 Abs. 1 Z 2 AVG (wegen nova reperta; zur Abgrenzung vgl. zB VwGH 04.05.2000, 99/20/0192; 21.09.2000, 98/20/0564; 24.08.2004, 2003/01/0431; 04.11.2004, 2002/20/0391), bedeuten jedoch keine Änderung des Sachverhaltes iSd § 68 Abs. 1 AVG. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes ausgeschlossen, sondern auch dann, wenn dasselbe Begehren auf Tatsachen und Beweismittel gestützt wird, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183 mwN; 24.08.2004, 2003/01/0431; 17.09.2008, 2008/23/0684).

Es erfordert eine Prognose, um bestimmen zu können, dass der Asylantrag voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird. (vgl. die Erläut. zur RV des FrÄG 2009, 330 BlgNR 24. GP, 13: "Die Z 2 stellt eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Antrags dar."). Es kann daher der Fall eintreten, dass die Prognose, der Antrag werde zurückzuweisen sein, nicht zutrifft und sich im Laufe des Verfahrens herausstellt, dass eine inhaltliche Entscheidung über den Antrag zu treffen sein wird (vgl. nochmals die Erläut. zur RV des FrÄG 2009, 330 BlgNR 24. GP, 13: "In keinem Fall wird mit der Aufhebung des Abschiebeschutzes die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz selbst vorweggenommen, auch wenn in der Praxis wohl regelmäßig eine zurückweisende Entscheidung gemäß § 68 AVG folgen wird. Vielmehr handelt es sich um eine der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz vorgelagerte Prüfung im Rahmen des Zulassungsverfahrens."). Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes kann in diesen Fällen dazu führen, dass der Asylwerber trotzdem - vor der inhaltlichen Entscheidung über den Antrag - außer Landes gebracht wird und dass dies u.U. mit Folgen verbunden ist, vor denen das Asylrecht gerade schützen will. An eine solche Prognose sind daher strengere Maßstäbe anzulegen als in vergleichbaren Fällen (etwa der Beschleunigung eines Verfahrens gemäß § 27 Abs. 4 AsylG 2005 auf Grund der irrigen Prognose, der Asylantrag werde abzuweisen sein). Umgekehrt steht der Verzicht auf die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes der Zurückweisung des Asylantrages gemäß § 68 Abs. 1 AVG selbstverständlich nicht entgegen. In diesem Zusammenhang hat es auch Bedeutung, dass das Bundesasylamt auch dann, wenn die Voraussetzungen vorliegen, den faktischen Abschiebeschutz nicht aufheben muss, sondern dass ihm das Gesetz Ermessen einräumt (verbo "kann" in § § 12 a Abs. 2 AsylG 2005); die Ermessensübung ist im Bescheid zu begründen. In Frage werden bei der notwendigen Abwägung z.B. Umstände kommen wie jener, wie lange Zeit seit der Rechtskraft des Vorbescheides verstrichen ist, wenn der neue Antrag gestellt wird, oder wie häufig der Asylwerber Asylanträge stellt (vgl. dazu wieder AsylGH 03.03.2010, C5 265.439-2/2010/2E).

1.4. Zu den Voraussetzungen des § 12a AsylG 2005, auf den gegenständlichen Fall bezogen, im Detail:

Gegen die beschwerdeführenden Parteien bestehen nach der - rechtskräftigen - Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.02.2018 aufrechte Rückkehrentscheidungen.

Das Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien zu ihren Folgeanträgen, nämlich dass für den Drittbeschwerdeführer mittlerweile vier Einberufungsbefehle hinterlegt worden wären, die russische Polizei sich nach dem Aufenthaltsort des Erstbeschwerdeführers erkundigt habe sowie die Beschwerdeführer sich einer feindseligen Behandlung in der Ukraine ausgesetzt sehen würden, dürfte a priori keinen neuen Sachverhalt erkennen lassen, da sich die vorgebrachten Sachverhaltselemente allesamt auf einen Zeitraum vor rechtskräftigem Abschluss der vorangegangenen Verfahren beziehen und insofern keinen "neu entstandenen" Sachverhalt begründen. Nichts desto trotz muss jedoch im Lichte der rezenten politischen Entwicklungen der Frage der Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführer näher nachgegangen werden. Medienberichte legen dar, dass nach dem Zwischenfall im Asowschen Meer Kiew per 28.11.2018 das Kriegsrecht, befristet auf 30 Tage, verhängt habe. Außerdem wurde für russische Männer zwischen 16 und 60 Jahren ein Einreisestopp in die Ukraine erlassen.

Die Beschwerdeführer sind russischer Volksgruppenzugehörigkeit und wurde ihnen aufgrund ihrer russischen Inlandspässe vom russischen Konsulat in Österreich russische Reisepässe ausgestellt. Relevant ist daher einerseits, ob der verhängte Einreisestopp nach wie vor Gültigkeit hat. Darüber hinaus lässt sich dem Verwaltungsakt nicht entnehmen, ob der Einreisestopp auch Personen einer ukrainischen und russischen Doppelstaatsbürgerschaft betreffen, respektive ob eine solche Doppelstaatsbürgerschaft überhaupt rechtlich möglich ist. Es geht ebensowenig aus den Verwaltungsakten hervor, ob die Beschwerdeführer zwecks Ausstellung der russischen Reisepässe ihre ukrainische Staatsbürgerschaft niederlegen mussten.

Diese Abklärung ist notwendig und relevant, da das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Bescheid des ersten Asylverfahrens festhielt, dass an eine Rücküberstellung in die Krim nicht gedacht ist, einem Aufenthalt der Beschwerdeführer in der restlichen Ukraine jedoch keine maßgeblichen Gründe entgegenstehen. Auch im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.02.2018 wird mehrmals festgehalten, dass "in Bezug auf sämtliche der angeführten Aspekte - ohne deren Glaubwürdigkeit respektive deren Relevanz für die Gewährung internationalen Schutzes bezogen auf das Gebiet der Krim Halbinsel abschließend zu beurteilen - jedenfalls die Möglichkeit bestehe, sich den dargelegten Befürchtungen durch Niederlassung in einem unter Kontrolle der ukrainischen Regierung bestehenden Landesregierung zu entziehen" (Seite 38 des Erkenntnisses).

Die Frage der Staatsangehörigkeit und der daraus resultierenden Konsequenzen bedarf daher einer weiteren Abklärung.

Grundsätzlich ist überhaupt fraglich, ob die auf dem Gebiet der Krim für die dort ansässige Bevölkerung ausgestellten Dokumente der russischen Föderation völkerrechtlich anerkannt werden.

Nur der Vollständigkeit halber wird festgehalten, dass sich aus dem Mail des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.01.2019 ergibt, dass für die Beschwerdeführer bis dato keine Heimreisezertifikate erlangt werden konnte.

Da auch im verkürzten Verfahren nach § 12a AsylG 2005 der amtswegige Ermittlungsgrundsatz (in Zusammenschau mit den Mitwirkungspflichten des Asylwerbers gemäß § 15 AsylG 2005) naturgemäß aufrecht bleibt (vgl. auch RV 330 XXIV. GP zu §12a Abs. 2 AsylG 2005), bedarf es sohin der weiter oben dargelegten ergänzenden Ermittlungen und Auseinandersetzung im Rahmen einer nachvollziehbaren Beweiswürdigung.

1.5. Insofern kann das Bundesverwaltungsgericht im derzeitigen Verfahrensstadium - innerhalb des zur Verfügung stehenden und in mehrfacher Hinsicht eingeschränkten Beurteilungsspielraums - nicht abschließend beurteilen, ob das Verfahren nicht zuzulassen gewesen wäre, der vorliegende Antrag wegen entschiedener Sache jedenfalls zurückzuweisen sein wird bzw. die Abschiebung der BeschwerdeführerInnen keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

1.6. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Da die in der gegenständlichen Entscheidung die maßgeblichen Rechtsfragen klar waren und keiner Auslegung bedurften, ging das Bundesverwaltungsgericht nicht vom Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG aus. In vorliegendem Fall liegen daher die Voraussetzungen für die Zulassung der ordentlichen Revision nicht vor, es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Doppelstaatsbürger, Ermittlungspflicht, faktischer Abschiebeschutz -
Aufhebung nicht rechtmäßig, Folgeantrag, nova reperta,
Rückkehrentscheidung, Sachverhaltsfeststellungen, Staatsbürgerschaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W212.2170224.2.00

Zuletzt aktualisiert am

12.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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