TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/17 W136 2211149-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.01.2019
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Entscheidungsdatum

17.01.2019

Norm

BDG 1979 §112 Abs3
BDG 1979 §43 Abs1
BDG 1979 §43 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2 Z1

Spruch

W136 2211149-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER über die Beschwerde der XXXX, vertreten durch RA Dr. Rudolf SCHALLER, Hauptplatz 9/2/13, 7350 Oberpullendorf, gegen den Bescheid der Disziplinarkommission für Schulleiter und sonstige Lehrer sowie Erzieher, die an einer dem Landesschulrat für Burgenland unterstehenden Schule verwendet werden, vom 23.10.2018, GZ DKI L9/0004-DIS/2018, betreffend Suspendierung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid insoweit abgeändert, als der Spruch lautet:

XXXX wird gemäß § 112 Abs. 3 BDG 1979 nicht vom Dienst suspendiert.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die am XXXX geborene Beschwerdeführerin (im Folgenden BF) steht als Beamtin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Republik Österreich und ist Lehrerin an einer allgemeinbildenden höheren Schule.

2. Mit Bescheid vom 01.10.2018 wurde die BF vorläufig vom Dienst suspendiert.

3. Mit dem bekämpften Bescheid vom 23.10.2018 wurde die BF gemäß § 112 Abs. 3 BDG 1979 vom Dienst suspendiert.

Die Begründung lautet auszugsweise wörtlich wie folgt (Anonymisierung durch das Bundesverwaltungsgericht, Schreibfehler im Original):

"Mit Bescheid des Landesschulrates für Burgenland vom 1. Oktober 2018, GZ: LSRML- 2430.210152/119-218 wurden Sie vorläufig vom Dienst

suspendiert. ......

Der Landesschulrat für Burgenland führt in seiner Begründung an, dass Sie in einem online zur öffentlichen Einsicht verfügbaren "Tagebuch der Lust" behauptet hätten, Sie hätten immer wieder während Ihrer Dienstzeit als Lehrerin am XXXX sexuelle Handlungen (Geschlechtsverkehr) im Turngeräteraum und Lehrerzimmer mit Kollegen vorgenommen und dabei die von Ihnen zu unterrichtenden Schülerinnen und Schüler in der Klasse allein gelassen (Verletzung der Aufsichtspflicht).

Weiters hätten Sie auf Dating Plattformen "junge Buben" kennengelernt und zu ihrem "Zeitvertreib verwendet.

Auch sei die Schulleiterin des XXXX von Ihnen diffamiert und öffentlich bloßgestellt worden.

Sie haben rechtsfreundlich vertreten am 18. Oktober 2018 in einer Eingabe an die Disziplinarkommission vorgebracht, dass Sie Opfer eines Stalkers seien, der versuche, Sie mit perfiden Mitteln in Misskredit zu bringen.

Der Disziplinarkommission ist auch die Berichterstattung in den burgenländischen Medien über Ihren Fall bekannt.

Im XXXX und in der Sendung "XXXX" wurde am XXXX über die Einstellung des Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft gegen Ihren ehemaligen Lebensgefährten und mutmaßlichen Stalker Alexander (der Nachname wurde nicht veröffentlicht) berichtet und festgehalten, dass das "Tagebuch der Lust" von ihm und nicht von Ihnen verfasst worden sein. Alexander hat vor kurzem Selbstmord begangen.

Auch Gratiszeitungen haben über Ihre Stellungnahme ausführlich berichtet.

Das "Tagebuch der Lust" liegt der Disziplinarkommission als Ausdruck vor.

Aus rechtlicher Sicht hat die Disziplinarkommission erwogen:

.......

Die Disziplinarkommission hat aufgrund ihrer amtlichen Wahrnehmung der öffentlichen Berichterstattung eine ausreichende Entscheidungsgrundlage zur Beurteilung der Rechtslage.

In den Medien wird Ihr Standpunkt, das Buch sei von ihrem ehemaligen Liebhaber verfasst worden, ausführlich dargestellt.

Gern. § 112 Abs. 3 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 - BDG 1979 ist ein Bundeslehrer zu suspendieren, wenn durch die Belassung im Dienst wegen der Art der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen das Ansehen der Schule oder wesentlichen Interessen des Dienstes gefährdet sind.

Für die Disziplinarkommission ergaben sich aus den vorliegenden Unterlagen zahlreiche Anhaltspunkte, aus denen nach der Lebenserfahrung mit Wahrscheinlichkeit auf dienstrechtliche Vergehen und zum Schutz der Schülerinnen und im Sinne einer objektiven Klärung des Sachverhaltes eine Suspendierung geboten war.

......[Allgemeine Ausführungen zur Suspendierung samt

Judikatur-Zitaten]........

In Anwendung dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht für die Disziplinarkommission fest, dass ein begründeter Verdacht besteht, Sie hätten durch den Vollzug sexueller Handlungen mit Kollegen im Turngeräteraum und im Lehrerzimmer Ihre Aufsichts- und Unterrichtsverpflichtung und durch die Nutzung von Dating-Plattformen bzw. die Diffamierung und öffentlichen Bloßstellung der Schulleiterin des XXXX Ihre Vorbildwirkung als Lehrerin verletzt.

Selbst wenn man der Staatsanwaltschaft folgt, dass das "Tagebuch der Lust" nicht von Ihnen verfasst worden ist, würde es der allgemeinen Lebenserfahrung widersprechen, dass der mutmaßliche Verfasser Alexander alle im Buch geschilderten Handlungen und Zitate gänzlich frei erfunden hat.

Es gibt im Buch einige Hinweise, dass Alexander von einem/einer Dritten Informationen über die Situation an der Schule gehabt haben musste.

Der Verdacht, dass er diese Informationen von Ihnen erhalten hat und sie somit den Tatsachen entsprechen, ist somit begründet.

Auf den Seiten 3 und 26 (die Nummerierung des ohne Seitenangaben vorliegenden Buches erfolgte durch die Disziplinarkommission; die Titelseite wurde als Seite 1 gezählt) ist Ihre Unterrichtsverpflichtung von 24 Wochenstunden mit Ihrer genauen Gehaltsangabe angeführt.

Diese detaillierte Kenntnis der für Lehrer an Bundesschulen unterschiedlichen Lehrverpflichtungen ist für einen im Schulsystem nicht involvierten Dritten ungewöhnlich.

Auch die Passagen über den früheren Direktor XXXX (... und seit XXXX Zeiten habe ich ja alle Schlüssel, Seite 4; der XXXX, mein ex chef, Seite 9, jetzt ist der XXXX längst in Pension, Seite 10/ sind nach Einschätzung der Disziplinarkommission Tatsachen, die von Alexander nicht erfunden sein können.

Die Disziplinarkommission verkennt nicht, dass Teile dieses Buches reine Fiktion des Autors sein können.

Die oben zitierten Textauszüge lassen jedoch berechtigterweise vermuten, dass einige Punkte des Buches der Wahrheit entsprechen.

Die Disziplinarkommission kann insbesondere nicht ausschließen, dass die vom Landesschulrat für Burgenland angezeigten dienstlichen Verfehlungen nicht der Wahrheit entsprechen.

Ein derartiges Fehlverhalten stellt jedoch objektiv gesehen eine gravierende Dienstpflichtverletzung dar, weil die Diffamierung einer Schulleiterin und die beschriebene Vernachlässigung der Unterrichts - bzw. Aufsichtspflichten als ein durchaus sozial schädliches Verhalten anzusehen sind.

Dieses Verhalten/Vorfälle sind geeignet, das Ansehen der Schule und die Stellung des Beamten in der Öffentlichkeit zu gefährden.

Auch der "Zeitvertreib mit jungen Burschen" könnte ein Verhalten sein, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben eines Beamten erschüttert, zumal ein Beamter auf dieses Vertrauen in seinem gesamten (somit auch Freizeitverhalten) Bedacht zu nehmen hat.

Weiters steht für die Disziplinarkommission zweifelsfrei fest, dass Ihre weitere Belassung im Dienst am XXXXeine schwere Belastung des Betriebsklimas an der Schule bedeuten würde (vgl. VwGH 24.4.2006, 2003/09/00002 u.a.).

Derartige Entgleisungen sind einer modernen Betriebskultur abträglich und wie beschrieben geeignet, das Ansehen des Amtes und der Beamtenschaft in der Öffentlichkeit massiv zu schädigen.

Sie widersprechen auch den Zielen einer geordneten Dienstverrichtung, zu denen auch eine einwandfreie Vorbildwirkung eines Lehrers gehört.

Eine Gefährdung der dienstlichen Interessen hat der VWGH auch dann angenommen, wenn der Beamte bei Belassung im Amt gemeinsam mit denjenigen Beamten Dienst versehen würde, die als Zeugen im Verfahren aufgeboten werden (vgl. VwGH, 24.11.1982, 81/09/0049).

In Anwendung dieser Rechtsansicht sieht die Disziplinarkommission ein weiteres dienstliches Interesse an einer Suspendierung darin, dass der Landesschulrat für Burgenland am XXXX uneingeschränkt Erhebungen über die Vorhaltungen im Buch durchführen und die Kollegen - und Schülerschaft unbeeinflusst für Zeugenaussagen zur Verfügung stehen kann.

Im Hinblick auf die Störung des Betriebsklimas und die Gefährdung des Ansehens der Verwaltung durch den Beamten erweist sich somit die über Sie verhängte Suspendierung als gerechtfertigt. ...."

3. Gegen diesen Bescheid erhob die BF fristgerecht Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Begründend wurde ausgeführt, dass die BF das Opfer eines Verbrechens und nicht Täterin sei. Für eine Suspendierung müssten jedoch konkrete Verdachtsmomente vorliegen in Form von "hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten" aus denen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ein Vergehen geschlossen werden kann, bloße Gerüchte und vage Vermutungen reichten nicht zur Verfügung einer Suspendierung. Tatsächlich gestehe die Disziplinarkommission selbst zu, dass keine Tatsachen bekannt wurden, aus denen sie Schlussfolgerungen hätten ziehen können, sondern habe sich ausschließlich auf den Auszug aus dem verleumderischen Pamphlet eines geisteskranken Stalkers berufen. Die Tatsache, dass die BF Opfer der Verleumdungskampagne eines Stalkers wurde, könne nicht ihr zur Last gelegt werden.

Wenn schon Gerüchte - selbst wenn diese schon medial berichtet werden - nicht ausreichen, umso weniger könne für eine Suspendierung ein von einem geisteskranken Stalker mit dem einzigen (kriminellen) Ziel, die betroffene Beamtin zu schädigen, verfasster Text-ganz gleich ob dieser in Papierform oder elektronisch übermittelt wird - für eine Suspendierung ausreichen, vor allem dann nicht, wenn der Dienstbehörde nachweislich sowohl von der BF als auch von der Direktorin mitgeteilt wurde, dass der Text nicht von der BF selbst sondern von einem Stalker geschrieben worden sei und die Polizei gegen den Stalker ermittle.

Er hätte daher jedenfalls weitere Erhebungen angestellt werden müssen, eine einzige Anfrage bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft hätte genügt, um jeglichen Verdacht gegen die BF endgültig auszuräumen. Tatsächlich sei der - im Akt ohnehin enthaltene - Text des Pamphlets "ich, im Paradies" so absurd, dass jeder Leser, der in der Lage sei, kritisch zu denken, sofort erkenne, dass dieser Text nie und nimmer von einer Frau geschrieben worden sein kann sondern aus der kranken Phantasie eines malignen Narzissten stamme, der eine (vermeintliche) Kränkung nicht verarbeiten könne und daher versucht, sich dafür zu rächen. Wenn die Disziplinarkommission meint, gewisse Passagen könnten vielleicht doch einen realen Hintergrund haben bzw. würden von "Insiderwissen" zeugen, so irrt sie sich. Die Unterrichtsverpflichtung der BF sei dem Stundenplan auf der Homepage der Schule zu entnehmen, das Gehalt dem Bundesgesetz vom 29. Feber 1956 über die Bezüge der Bundesbeamten (Gehaltsgesetz 1956 - GehG) entnommen werden, welche Lehrer am Gymnasium in XXXX unterrichteten, sei der Homepage zu entnehmen, ebenso wie der Namen des ehemaligen Direktors, dessen Pensionierung in allen lokalen Medien verbreitet worden sei.

Ebenso gäbe es nicht einmal die geringsten Verdachtsmomente für ein Fehlverhalten der BF im Privatleben. Der "Verdacht" des "Zeitvertreibs mit Burschen" entspringe der kranken Phantasie eines geistesgestörten Kriminellen. Wenn die belanget Behörde der BF vorwerfe, sie hätte in dem Text die Schulleitung verunglimpft, so sei dieser Vorwurf absurd, da der Text ja nachweislich nicht von der BF stamme. Die Disziplinarkommission hätte daher in Kenntnis des Sachverhalts und des Akteninhaltes den Bescheid über die vorläufige Suspendierung sofort aufheben müssen.

4. Mit Note vom 07.12.2018, eingelangt am 16.04.2018, wurde die gegenständliche Beschwerde samt Verfahrensakt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt. Zum Beschwerdevorbringen wurde ergänzend ausgeführt, dass es derzeit noch an der Verifizierung der im Tagebuch getroffenen Aussagen über Tatsachen fehle und demnach zu prüfen sei, ob diese auch wahr seien. Es könne sich zwar nach einer rechtlichen Prüfung herausstellen, dass es sich dabei um reine Fiktion bzw. Verleumdung handle, jedoch sei der Dienstbehörde die Möglichkeit zu geben, die Ermittlungen umfassend ohne Gefährdung der dienstlichen Interessen zu prüfen. Eine Gefährdung der dienstlichen Interessen habe der VwGH auch darin gesehen, wenn der Beamte bei Belassung im Amt gemeinsam mit denjenigen Beamten Dienst versehen würde, die als Zeugen im Verfahren aufgeboten werden. In diesem Sinne sehe die belangte Behörde ein dienstliches Interesse an der weiteren Suspendierung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen und Beweiswürdigung:

Zur vorliegenden Verdachtslage betreffend eine Dienstpflichtverletzung der BF wird Folgendes festgestellt:

Im Herbst 2018 erschien ein im Internet bestellbares "Buch" mit den Titeln "Ich im Paradies" oder "Mein wilder heißer Sexsommer", das als Autorin die BF ausweist. Zeitgleich wurden per E-Mail an verschiedene Personen im privaten und beruflichen Umfeld der BF ein "Flyer" mit einer Einladung zu einer angeblichen Lesung der BF aus ihrer "Autobiographie" "Ich im Paradies" versendet, dem der komplette Text angeschlossen war.

In diesem Text schildert die Ich-Erzählerin in oft dümmlicher, teils obszön- (unfreiwillig) komischer Weise ihre sexuellen Abenteuer eines Sommers, wobei sie sich zwischen ihrer Promiskuität und ihrer Liebe zu einem gewissen Alexander, der ihr Traummann ist, hin- und hergerissen sieht. Die der BF im bekämpften Bescheid im Verdachtsbereich angelasteten Pflichtverletzungen (Sex mit Kollegen während der Unterrichtszeit, Online-Dating mit jungen Männern, abfällige Äußerungen über die Schulleiterin) sind ebenfalls, allerdings nur am Rande, Inhalt dieses Textes.

Tatsächlich ist die BF nicht Autorin dieses Textes, sondern wurde dieser von einem näher genannten A. verfasst und veröffentlicht, ebenso wie die Einladungen zur angeblichen "Lesung". Der Verfasser A. hat sich kurze Zeit nach Erscheinen des Textes das Leben genommen.

Obige Feststellungen konnten auf der Grundlage der vorliegenden Aktenlage, insbesondere den glaubwürdigen und schlüssigen Angaben der BF getroffen werden. Dass A. der Verfasser des Textes ist, ergibt sich auch daraus, dass von der Polizei auf dem PC des A. nach dessen Suizid der zwischenzeitlich gelöschte Text "Ich im Paradies" sowie der oben genannte "Flyer" zur Lesung sowie einige Fotos der BF wiederhergestellt werden konnten und in der Papiertonne der ehemaligen Meldeadresse des A Ausdrucke des Flyers gefunden wurden (siehe Anlassbericht der LPD XXXX an die StA XXXX)

Im Übrigen scheint selbst die belangte Behörde davon auszugehen, dass nicht die BF, sondern A Autor des Textes ist, ohne dies ausdrücklich auszusprechen. Dies ergibt sich daraus, dass die belangte Behörde durchaus schlüssig davon ausgeht, dass die im Text erwähnte zentrale Figur des Alexander auch der tatsächliche Verfasser ist.

2. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 4 kann das Verwaltungsgericht, soweit das Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt, ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Dies war gegenständlich der Fall, weil im gegenständlichen Verfahren nicht zu prüfen war, ob der Beschwerdeführer tatsächlich Dienstpflichtverletzungen begangen hat, sondern ob hinreichende konkrete Verdachtsgründe für eine Suspendierung rechtfertigende Dienstpflichtverletzung vorliegen. Ungeachtet dessen konnte eine mündliche Verhandlung schon deswegen entfallen, weil der Beschwerde nach der Aktenlage stattzugeben war.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG haben die Verwaltungsgerichte die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden nach Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Wie oben bereits ausgeführt steht der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt hinsichtlich der gegebenen Verdachtslage aufgrund der Aktenlage fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat daher in der Sache selbst zu entscheiden.

Zu A)

1. Für den Beschwerdefall ist folgende Bestimmung des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333/1979 i.d.F. BGBl. I Nr. 60/2018 (BDG 1979) maßgeblich:

"§ 112. (1) Die Dienstbehörde hat die vorläufige Suspendierung einer Beamtin oder eines Beamten zu verfügen,

1. wenn über sie oder ihn die Untersuchungshaft verhängt wird oder

2. wenn gegen sie oder ihn eine rechtswirksame Anklage wegen eines in § 20 Abs. 1 Z 3a angeführten Delikts vorliegt und sich die Anklage auf die Tatbegehung ab dem 1. Jänner 2013 bezieht oder

3. wenn durch ihre oder seine Belassung im Dienst wegen der Art der ihr oder ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet würden.

Die Staatsanwaltschaft hat die zuständige Dienstbehörde umgehend vom Vorliegen einer rechtswirksamen Anklage gegen eine Beamtin oder einen Beamten wegen eines in § 20 Abs. 1 Z 3a angeführten Delikts zu verständigen.

(2) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 210/2013)

(3) Jede vorläufige Suspendierung ist unverzüglich der Disziplinarkommission mitzuteilen, die über die Suspendierung innerhalb eines Monats zu entscheiden hat. Die vorläufige Suspendierung endet spätestens mit rechtskräftiger Entscheidung der Disziplinarkommission oder des Bundesverwaltungsgerichts über die Suspendierung. Ab dem Einlangen der Disziplinaranzeige bei der Disziplinarkommission hat diese bei Vorliegen der in Abs. 1 genannten Voraussetzungen die Suspendierung zu verfügen.

......"

2.1. Im Suspendierungsverfahren genügt es zur Rechtfertigung des Ausspruchs einer Suspendierung, wenn gegen den Beschuldigten ein begründeter Verdacht einer Dienstpflichtverletzung besteht, die "ihrer Art nach" geeignet ist, das Ansehen des Amtes oder wesentliche dienstliche Interessen zu gefährden (VwGH 24.04.2014, 2013/09/0195).

2.2. Es braucht daher nicht nachgewiesen zu werden, dass der Beamte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung tatsächlich begangen hat (VwGH 23.04.2013, 2012/09/0072).

2.3. Ein "begründeter Verdacht" liegt vor, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Ein Verdacht kann nur auf Grund einer Schlussfolgerung aus Tatsachen entstehen. Die Berechtigung zur Verfügung der Suspendierung liegt allein in dem Bedürfnis, noch vor der endgültigen Klärung der Frage des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung in der das Disziplinarverfahren abschließenden Entscheidung eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende, vorübergehende Sicherungsmaßnahme zu treffen. (VwGH 24.04.2014, 2013/09/0195, VwGH 23.04.2013, 2012/09/0072).

2.4. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei einem konkreten Verdacht um "hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte", aus denen nach der Lebenserfahrung mit Wahrscheinlichkeit auf ein Vergehen geschlossen werden kann (VwGH 27.6.2002, 2001/09/0012; 29.4.2004, 2001/09/0086; 16.9.2009, 2009/09/0121). In der Begründung des Suspendierungsbescheides ist darzulegen, warum sich nach dem geschilderten Verhalten der Verdacht einer die Suspendierung rechtfertigenden Dienstpflichtverletzung ergibt (VwGH, 27.06.2002, 2000/09/0053 und 27.02.2003, 2001/09/0226, und die jeweils darin angegebene Judikatur).

3. Von diesem rechtlichen Rahmen ausgehend war daher zu prüfen, ob für die der BF vorgeworfene Dienstpflichtverletzung tatsächlich hinreichende Anhaltspunkte für deren Begehung bestehen und ob gegebenenfalls diese Pflichtverletzung ihrer Art nach geeignet ist, das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes bei Belassung des BF im Dienst zu gefährden.

Solche Anhaltspunkte liegen dann vor, wenn nach der Lebenserfahrung mit Wahrscheinlichkeit auf ein Vergehen geschlossen werden kann, wobei der Verdacht immer nur auf Grund einer Schlussfolgerung aus Tatsachen entstehen kann (VwGH 16.9.2009, 2009/09/0121) und somit für die Schöpfung eines rechtsrelevanten Verdachtes weder bloße Gerüchte noch vage Vermutungen ausreichen können (vgl. VwGH 27.6.2002, 2001/09/0012; 9.11.2009, 2008/09/0298).

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde zum Vorliegen eines Verdachtes einer Dienstpflichtverletzung sinngemäß ausgeführt, dass es zwar sein könne, dass es sich bei dem von A. verfassten Text, um reine Fiktion handelt, aber auch nicht auszuschließen sei, dass im Text dargestellten Sachverhalte tatsächlich wahr sind, weshalb sich daraus die angegebene Verdachtslage ergäbe.

Dem Beschwerdevorbringen, dass damit jedoch ein hinreichender Tatverdacht nicht dargestellt ist, kommt Berechtigung zu. Wenn nämlich jemand unter fremden Namen ein autobiographisches "Sextagebuch" veröffentlicht bzw. verbreitet und unter dem Namen dieser Person zu einer angeblichen Lesung dieses Tagebuchs einlädt, ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen, dass der Inhalt gerade nicht der Wahrheit entspricht, sondern die Veröffentlichung dieser für die dargestellte Person peinlicher oder sonst nachteiliger Angaben, lediglich dazu dient, dieser Person zu schaden.

Wenn die belangte Behörde ausführt, dass der Verfasser des Textes nähere Informationen über die Situation am Arbeitsplatz der BF gehabt haben muss und daher der Verdacht nahe läge, dass diese Informationen von der BF, die nach eigenen Angaben vor einigen Jahren eine kurzzeitige intime Beziehung zum Verfasser hatte, stammt, folgt daraus aber keineswegs, dass die Angaben über die BF selbst den Tatsachen entsprechen.

In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass sich aus einem der belangten Behörde vorliegenden Anlassbericht der LPD XXXX vom 27.09.2018 ergibt, dass A etwa zur gleichen Zeit, als er das "Tagebuch" veröffentlichte, auch einen gefälschten Brief seiner Mutter, mit dem diese den Mord an ihrem verstorbenen Ehemann gesteht, an die LPD XXXX sowie weitere Verwandte geschickt hat. Der Umstand, dass in diesem Fall die Sicherheitsbehörde, wie dem Anlassbericht zu entnehmen ist, allerdings nicht - wie es der Logik der belangten Behörde entsprechen würde - ein Ermittlungsverfahren wegen Mordes gegen die Mutter, sondern gegen A als Verfasser wegen Verleumdung einleitete, lässt ebenfalls den Schluss zu, dass die von A. unter dem Namen anderer Personen verfassten Texte, lediglich Fiktion darstellen.

Hinsichtlich des Verdachtes, dass die BF die Schulleiterin diffamiert habe, lässt der bekämpfte Bescheid unter Bedachtnahme darauf, dass das "Tagebuch" nicht von der BF verfasst wurde, jegliche Begründung, für die angegebene Verdachtslage vermissen.

Zusammengefasst stellt das von A. verfasste "Tagebuch" allein keine hinreichende Grundlage für den Verdacht, dass die BF das darin geschilderten Verhalten gesetzt habe, dar, weshalb derzeit mangels Vorliegens einer eine Dienstpflichtverletzung begründende Verdachtslage, eine Suspendierung nicht auszusprechen gewesen wäre.

Hinsichtlich der in der Beschwerdevorlage wiederholten Ausführungen der belangten Behörde, wonach nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine Gefährdung dienstlicher Interessen schon dadurch gegeben sein kann, wenn der Beamte bei Belassung im Amt gemeinsam mit jenen Beamten Dienst versehen würde, die als Zeugen im Verfahren aufgeboten werden, ist folgendes zu bemerken:

Zum einen hat die belangte Behörde außer dem Zitat eines Erkenntnisses mit keinem Wort ausgeführt, inwiefern sie die dienstlichen Interessen bei einer Belassung der BF im Dienst als gefährdet ansieht, zum anderen bleibt unklar, warum die von der belangten Behörde erwähnte "unbeeinflusste" (Zeugen)Befragung von Schülern und Lehrern zum Verdacht der Verletzung der Aufsichtspflicht wegen Geschlechtsverkehr mit Kollegen während der Unterrichtszeit, eine Suspendierung der BF voraussetzt.

Nach dem Gesagten war der Beschwerde stattzugeben und - nachdem das Bundesverwaltungsgericht wie oben ausgeführt - in der Sache selbst zu entscheiden hat, auszusprechen, dass die Suspendierung des BF nicht verfügt wird, da nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes derzeit keine hinreichend begründeten Verdachtsmomente für eine eine Suspendierung rechtfertigende Dienstpflichtverletzung erkannt werden können.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die unter A) 2. zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird verwiesen.

Schlagworte

Allgemeinbildende höhere Schule, Ansehen des Amtes,
Dienstpflichtverletzung, Lehrer, Suspendierung, Verdachtslage,
wesentliche Interessen des Dienstes

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W136.2211149.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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