TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/22 W274 2177906-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.01.2019
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Entscheidungsdatum

22.01.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs3
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W274 2177906-1/13E

W274 2177909-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch Mag. LUGHOFER als Einzelrichter über die Beschwerden von

1.) XXXX , geb. XXXX , StA Iran, XXXX , vertreten durch Verein ZEIGE, Ottakringer Str. 54/4/TOP 2, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.10.2017, Zl. 1098434410 - 151943178/BMI-BFA_STM_RD, und

2.) XXXX , geb. XXXX , StA Iran, XXXX , vertreten durch Verein ZEIGE, Ottakringer Str. 54/4/TOP 2, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.10.2017, Zl. 1106182906 - 160292125/BMI-BFA_STM_RD,

nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht:

Den Beschwerden wird stattgegeben und 1.) XXXX und 2.) XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass 1.) XXXX und 2.) XXXX damit kraft Gesetzes Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Der Erstbeschwerdeführer XXXX (BF1) ist mit der Zweitbeschwerdeführerin XXXX (BF2) verheiratet. Sie haben zwei volljährige Kinder. Alle vier reisten ohne Vorlage gültiger Reisedokumente in das österreichische Bundesgebiet ein, zuerst der BF1 mit dem Sohn, später die BF2 mit der Tochter.

Der BF1 stellte am 06.12.2015, die BF2 stellte am 24.02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung am 07.12.2015 gab der BF1 an, er habe seine Religion wechseln und zum Christentum konvertieren wollen. Die BF2 gab bei ihrer Erstbefragung am 24.02.2016 an, sie habe Angst, weil sie zum Christentum konvertieren und vom Islam austreten möchte. Da der BF1 die Religion schon geändert habe, könne sie nicht zurück in den Iran; dort fürchte sie um ihr Leben.

Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 19.09.2017 gab der BF1 im Wesentlichen an, er sei vom Islam enttäuscht gewesen und habe aus diesem Grund seine Religion gewechselt. Er habe einen Mann kennengelernt, der geborener Christ sei und mit diesem über das Christentum gesprochen. Jener habe dem BF1 auch zwei Fernsehkanäle mit christlichen Inhalte gezeigt, die der BF1 fortan mit seiner Familie geschaut habe. Auf Ersuchen des BF1 habe dieser Mann dem BF1 auch eine Hauskirche gezeigt, die der BF1 in weiterer Folge mehrere Monate lang besucht habe, wobei ihm die Gefahr einer Konversion bewusst gewesen sei. Bei einem Besuch der Hauskirche habe der BF1 Unterlagen von ihm und seiner Familie, die er zuvor für Behördenwege gebraucht habe, dort vergessen. Als er die Unterlagen am nächsten Tag bei der Hauskirche abholen wollte, habe er gesehen, dass das Haus umstellt und mehrere Autos und Leute mit Funkgeräten dort gewesen seien. Der BF1 habe daher seine Frau angerufen und ihr gesagt, sie solle mit den Kindern in einen Park kommen und alle Dokumente mitbringen. Auch ein guter Freund des BF1 sei auf seine Bitte in den Park gekommen. Nachdem der BF1 ihm im Park alles erzählt habe, habe dieser Freund für den BF1 und seinen Sohn Flugtickets organisiert und habe die beiden zum Flughafen gebracht, sodass sie mit einem Flug am nächsten Morgen das Land verlassen hätten können. Für die BF2 und die Tochter habe der Freund ein anderes Haus gefunden, in dem sie vorrübergehend gewohnt hätten. Die gemeinsame Ausreise der ganzen Familie sei nicht möglich gewesen, da alles sehr schnell gegangen sei, man jedoch den Haushalt nicht so schnell auflösen und das Haus nicht so schnell verkaufen habe können. In Österreich besuche die Familie ca. seit dem Frühjahr 2016 die Persisch Evangelische Kirche und sei im Zug der Kirchenbesuche auch auf die Taufe vorbereitet worden. Am 10.08.2016 (gemeint wohl 2017) sei der BF1 getauft worden.

Die BF2 gab bei der Einvernahme vor dem BFA an, sie sei aufgrund der Probleme ihres Mannes ausgereist. Ihr Mann habe einen Mann kennengelernt, welcher ihm Fernsehsendungen mit christlichen Inhalten gezeigt habe. Dadurch habe auch die BF2 das Christentum kennengelernt. Ihr Mann habe Dokumente in der Hauskirche vergessen und die Kirche sei entdeckt worden. In Österreich sei der Familie den Beschwerdeführern der Kontakt zur Evangelischen Kirche durch eine Frau vermittelt worden, die der Familie geholfen habe. Am 10.08.2017 sei auch die BF2 getauft worden.

Das BFA wies mit dem angefochtenen Bescheiden die Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I. und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt und gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt III.), und die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen festgesetzt (Spruchpunkt IV.). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nicht festgestellt habe werden können, dass die Beschwerdeführer Christen seien und im Iran aufgrund eines in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Grundes verfolgt würden oder aktuell einer relevanten Bedrohungssituation für Leib und Leben ausgesetzt seien. Ebensowenig habe eine Bedrohungssituation im Falle einer Rückkehr festgestellt werden können.

Gegen diese Bescheide richten sich die (gleichlautenden) Beschwerden mit dem primären Antrag, den Beschwerdeführern den Status der Asylberechtigten zuzuerkennen.

Am 19.11.2018 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in der die Verfahren betreffend die gesamt Familie zur gemeinsamen Verhandlung verbunden wurden und der BF1 als BF2, die BF2 als BF4 sowie der Sohn XXXX als BF1 und die Tochter XXXX als BF3 jeweils als Parteien und Matthias Weigold (Pfarrer der Evangelischen Pfarrgemeinde XXXX ) als Zeuge vernommen wurden.

Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt:

Festgestellt wird:

Der Iran ist eine Islamische Republik. Der Islam schiitischer Prägung ist im Iran Staatsreligion. Die iranische Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Grundsätzen beruhen müssen.

Da Konversion vom Islam zu einer anderen Religion verboten ist, erkennt die Regierung nur armenische oder assyrische Christen an, da diese Gruppen schon vor dem Islam im Land waren bzw. es sich um Staatsbürger handelt, die beweisen können, dass ihre Familien schon vor 1979 [Islamische Revolution] Christen waren. Die in der iranischen Verfassung anerkannten "Buchreligionen" (Christen, Juden, Zoroastrier) dürfen ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. Eine wichtige Einschränkung ist das Proselytismusverbot, das für alle religiösen Minderheiten gilt. Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten und wird streng bestraft. Jegliche Missionstätigkeit kann als "mohareb" (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Infolge des Proselytismusverbots wird gegen evangelikale Gruppen ("Hauskirchen") oft hart vorgegangen (Verhaftungen, Beschlagnahmungen, vor ein paar Jahren auch angeblich vollstreckte Todesurteile).

Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Personen, die zum Christentum übergetreten sind, erhielten hohe Gefängnisstrafen, die in einigen Fällen von zehn bis 15 Jahren reichten. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden. Muslimische Konvertiten und Mitglieder protestantischer Freikirchen sind demgegenüber willkürlichen Verhaftungen und Schikanen ausgesetzt.

Apostasie (d.h. Abtrünnigkeit vom Islam) ist im Iran verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Im iranischen Strafgesetzbuch ist der Tatbestand zwar nicht definiert, die Verfassung sieht aber vor, dass die Gerichte in Abwesenheit einer definitiven Regelung entsprechend der islamischen Jurisprudenz zu entscheiden haben. Dabei folgen die Richter im Regelfall einer sehr strengen Auslegung auf Basis der Ansicht von konservativen Geistlichen wie Staatsgründer Ayatollah Khomenei, der für die Abkehr vom Islam die Todesstrafe verlangte. Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel "moharebeh" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten. Christliche Konvertiten werden normalerweise nicht wegen Apostasie bestraft, sondern Fälle von Konversion werden als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit angesehen und diese werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung.

Missionstätigkeit unter Muslimen hingegen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion zum sunnitischen Islam und zum Christentum weiter zu. Es gibt auch viele Hauskirchen in Iran und ihre Anzahl steigt. Dieser Anstieg an Hauskirchen zeigt, dass sie - obwohl sie verboten sind - trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen.

In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagte eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch "low-profile" Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen, und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird aber normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen. Die typische Vorgehensweise gegen eine Hauskirche ist, dass der Anführer der Hauskirche verhaftet und wieder freigelassen wird, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Es gibt auch für normale Mitglieder das Risiko verhaftet zu werden, allerdings werden diese wieder freigelassen mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden i.d.R. aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen.

Es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass auch ein im Ausland Konvertierter in Iran wegen Apostasie verfolgt wird. Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben).

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen.

Das Gesetz sieht Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung vor, es gibt jedoch einige Einschränkungen in der Praxis. Die Regierung verlangt von allen Bürgern für Auslandsreisen Ausreisebewilligungen. Verheiratete Frauen dürfen nicht ohne die Zustimmung ihrer Männer ins Ausland reisen. Zur Ausreise aus Iran benötigt ein iranischer Staatsangehöriger darüber hinaus einen gültigen Reisepass und einen Nachweis über die Bezahlung der Ausreisegebühr (derzeit 750.000 IRR, ca. 19 Euro). Die illegale Ausreise erfolgt zumeist auf dem Landweg unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Türkei (LIB der Staatendokumentation Iran, Stand 03.07.2018, insbesondere S. 42 - 50 samt Quellenangaben).

Der am XXXX in XXXX geborene BF1 und die am XXXX in XXXX geborenen BF2 sind iranische Staatsangehörige und gehören der Volksgruppe der Araber an. Der BF1 ist mit der BF2 verheiratet.

Der BF1 absolvierte im Iran neun Jahre Grundschule und arbeitete anschließend 25 Jahre lang selbstständig als Elektriker. Er war schiitischer Moslem, hat aber nicht an den Islam geglaubt, ist nicht in die Moschee gegangen und hat auch nicht gebetet. Die BF2 besuchte im Iran ebenfalls neun Jahre lang die Schule. Danach hat sie zuhause selbstständig geschneidert und war Hausfrau.

Der BF1 hatte bereits im Iran Kontakt zur christlichen Glaubenslehre und übte christliche Aktivitäten bereits in seinem Herkunftsstaat aus. Er hatte einen Bekannten, den Vater eines Schulkollegen seines Sohnes, mit dem er über das Christentum sprach und der ihm Fernsehkanäle mit christlichen Inhalten zeigte, die der BF1 mit der BF2 und den gemeinsamen Kindern schaute. Der BF1 besuchte im Iran auch mehrmals eine christliche Hauskirche.

Der BF1 reiste gemeinsam mit seinem Sohn im Dezember 2015 ohne gültige Reisedokumente in Österreich ein. Der BF1 und sein Sohn befanden sich zunächst in unterschiedlichen Asylunterkünften in Salzburg bzw. Oberösterreich und ab März 2016 in XXXX . Seit Mai 2016 wohnt die Familie in einer Mietwohnung in XXXX .

Die BF2 und ihre Tochter reisten im Februar 2016 ohne gültige Reisedokumente in Österreich ein. Sie befanden sich zunächst - gemeinsam mit der Familie - in Fernitz-Mellach und sind seit Mai 2016 mit ihrer Familie in Graz wohnhaft. Alle Familienmitglieder befinden sich in Grundversorgung. In XXXX bekam die Familie des BF1 Unterstützung von einer Frau, die auch den Kontakt zur (persisch-sprachigen) Persisch Evangelischen Kirche herstellte. Der BF1 besuchte gemeinsam mit seiner Familie circa seit dem Frühjahr 2016 die Persisch Evangelische Kirche in XXXX . Im Zug der Kirchenbesuche wurden der BF1 und seine Familie auf die Taufe vorbereitet. Am 10.08.2017 wurden der BF1, die BF2 sowie ihre beiden Kinder in XXXX evangelisch getauft. Seit etwa November 2017 besucht der BF1 gemeinsam mit seiner Familie - da sich ihr Deutsch verbessert hatte und sie nun keinen persischen Gottesdienst mehr benötigen - wöchentlich den Gottesdienst in der XXXX oder in der XXXX der Evangelischen Pfarrgemeinde XXXX . Der BF1 bekennt sich zum christlichen Glauben, ist praktizierender Angehöriger der evangelischen Kirche und beteiligen sich aktiv am christlichen Leben der Pfarrgemeinde XXXX , indem er wöchentlich am Gottesdienst teilnimmt, regelmäßig zum Pfarrcafé kommt, sich an Bibelgesprächen beteiligt und zu kirchlichen Feierlichkeiten beiträgt. Der BF1 besitzt eine Bibel auf Farsi, die er liest. Er verfügt über ein - gemessen an seiner Aufenthaltsdauer - beachtliches Wissen über die Bibel, die christlichen Feiertage und Traditionen.

Bei einer Rückkehr in den Iran würde der BF1 nicht zum Islam zurückkehren, sondern Christ bleiben und würde auch im Iran versuchen, den Nicht-Christen das Christentum näher zu bringen bzw. Missionierungsarbeit leisten.

Nicht festgestellt werden konnte, dass der BF1 persönliche Unterlagen von sich und seiner Familie in einer Hauskirche vergessen habe, welche in weiterer Folge von iranischen Behörden - im Rahmen der Aufdeckung der Hauskirche - dort gefunden worden seien.

Der BF1 besuchte mehrere Deutschkurse (Niveau A1) sowie einen Werte- und Orientierungskurs des Österreichischen Integrationsfonds und leistete im Zeitraum von 30.04.2018 bis 05.10.2018 für die Jugend am Werk GmbH gemeinnützige Arbeit in Form von Straßenreinigung in der Stadt XXXX . Seit 28.08.2018 ist er im Caritas Pflegewohnhaus in XXXX als freiwilliger Mitarbeiter im Ausmaß von sieben Wochenstunden tätig. In der vorliegenden Bestätigung der Caritas XXXX wird der BF1 für seine Verlässlichkeit, Hilfsbereitschaft und Selbstständigkeit gelobt (Teilnahmebestätigung der Flüchtlingsbetreuung XXXX vom 05.11.2018; Bestätigung der Caritas XXXX vom 31.10.2018).

Auch die BF2 besuchte mehrere Deutschkurse (Niveau A1 und A2) und absolvierte das "ÖSD Zertifikat A1" am 17.09.2018. Sie besuchte einen Werte- und Orientierungskurs des Österreichischen Integrationsfonds und ist ebenfalls im Caritas Pflegewohnhaus in XXXX als freiwillige Mitarbeiterin im Ausmaß von sieben Wochenstunden in der Wäscherei tätig. Sie fiel dort durch ihr genaues und sorgfältiges Arbeiten auf und fügte sich gut ins Team ein (Bestätigung der Caritas XXXX vom 31.10.2018).

Der BF1 ist - ebenso wie die BF2 - in Österreich unbescholten (Strafregisterauskunft vom 11.10.2018 bzw. vom 19.11.2018).

Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführer, deren Familienstand und Leben im Iran ergeben sich aus deren diesbezüglich gleichlautenden und in sich schlüssigen Angaben vor dem BFA sowie vor dem Bundesverwaltungsgericht. Damit übereinstimmend erweisen sich auch die Aussagen der (volljährigen) Kinder der Beschwerdeführer in den Verfahren zu GZ. W274 2177900-1 und GZ. W274 2177902-1. Bereits das BFA hat in den gegenständlich angefochtenen Bescheiden festgestellt, dass der BF1 und die BF2 verheiratet sind. Die Feststellungen zum bisherigen Aufenthalt der Familienmitglieder in Österreich ergeben sich aus den im Akt befindlichen Unterlagen. Wie der BF1 und die BF2 mit ihrer Familie in Österreich zur Kirche fanden sowie dass sie getauft und insbesondere durch den Besuch von Gottesdiensten über ein Jahr lang auf die Taufe vorbereitet wurden, ergibt sich aus ihren eigenen widerspruchsfreien und übereinstimmenden Angaben sowie den Angaben ihrer Kinder und wurde auch vom Pfarrer der Evangelischen Pfarrgemeinde XXXX in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie durch die vorliegende Pfarramtliche Bestätigung der Evangelischen Pfarrgemeinde XXXX vom 30.10.2018 bestätigt.

Der BF1 hat sowohl vor dem BFA als auch vor dem Bundesverwaltungsgericht konsistent geschildert, dass er sich - auch aufgrund der Bekanntschaft zu einem armenischen Christen - bereits im Iran mit der christlichen Glaubenslehre auseinandergesetzt hat. Zuerst habe er Fernsehkanäle mit christlichen Inhalten genutzt (SAT7, Mohabat TV), später habe er seinen Bekannten gebeten, ihm eine Hauskirche zu zeigen. Diese Hauskirche habe er für mehrere Monate regelmäßig besucht, wobei die Treffen an unterschiedlichen Orten stattgefunden hätten. In der Hauskirche seien immer nur eine kleine Gruppe von Personen (sechs bis sieben Leute) gewesen. Diese Angaben stimmen mit den Aussagen der Familienmitglieder des BF1 überein. So gab etwa die BF2 bei der Einvernahme vor dem BFA an, dass der BF1 mehrere Monate lang die Hauskirche besucht habe und die BF2 gemeinsam mit dem BF1 und ihren Kindern Fernsehsender (SAT7 und Mohabat TV) geschaut habe, um sich über das Christentum zu informieren. In der mündlichen Verhandlung schilderte die BF2 die Gefahr, die mit den Besuchen der Hauskirche des BF1 verbunden gewesen sei. Weiters führte sie aus: "Es war aber auch für mich interessant, weil es eine neue Religion war und ich habe neue Sachen gehört. Ich war aber nicht in den Hauskirchen, ich habe mit meinem Mann und mit meinen Kindern die Fernsehsendung Mohabat TV angeschaut und das war interessant." Darüber hinaus stehen die Angaben des BF1 insoferne im Einklang mit den Länderfeststellungen, als diese zeigen, dass es viele "Hauskirchen" (evangelikale Gruppen) im Iran gibt, die meist in kleinen und mobilen Gruppen organisiert sind. Es ist daher durchaus nachvollziehbar, dass der BF1 an Treffen solcher Gruppen teilnahm, bei denen - wie der BF1 schilderte - immer nur wenige Personen anwesend waren und die immer an unterschiedlichen Orten stattfanden. Auch das Vorbringen des BF1 zu den Fernsehkanälen deckt sich mit den weiteren Ermittlungen des Bundesverwaltungsgerichts. Sowohl der Fernsehkanal "SAT7" (siehe www.sat7.org, abgerufen am 03.01.2019) als auch der Fernsehkanal "Mohabat TV" (siehe www.mohabat.tv, abgerufen am 03.01.2019) sind Fernsehkanäle für Christen, die auch in Farsi, der Muttersprache der Beschwerdeführer, übertragen werden.

Hinsichtlich der behaupteten Konversion des BF1 kann sowohl der Niederschrift über die Einvernahme vor dem BFA als auch dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ein gutes Allgemeinwissen über das Christentum entnommen werden (Kenntnisse zur Bibel, zu christlichen Feiertagen, zum letzten Abendmahl, zur Kreuzigung Jesus, zur Auferstehung,). Der BF1 berichtete auch wiederholt von guten Erfahrungen, die er mit der neuen Religion gemacht habe (vgl. die Aussage in der Niederschrift vor dem BFA: "Der Glaube an das Christentum hat mich verändert. [...] Ich habe das Gefühl, wenn ich in die Kirche gehe, beginne ich zu weinen. Auch beim Beten muss ich weinen" oder: "Mein Leben ist jetzt anders. Ich spüre die Nähe zu Gott. Ich fühle mich von Sünden befreit"; ebenso die Aussage vor dem Bundesverwaltungsgericht: "Nach unserer Taufe wurden alle unsere Sünden verziehen. Wir haben ein sehr gutes Gefühl in der Familie. Ich war Kettenraucher und hatte immer Probleme, ich bin Jesus Christus dankbar, dass nun ein gutes Verhältnis in der Familie herrscht"). Darüber hinaus manifestiert sich der christliche Glaube des BF1 in äußeren Aktivitäten. Der BF1 liest die Bibel, betet, nimmt an Bibelgesprächen teil und stell - wie der Zeuge Weigold glaubwürdig angibt - dem Pfarrer theologische Fragen. Der BF1 nimmt auch aktiv an der christlichen Gemeinschaft teil. Besonders nachvollziehbar schilderte dies der genannte Zeuge, Pfarrer der Evangelischen Pfarrgemeinde XXXX , in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht auszugsweise wie folgt: "Die Familie tritt meist zu viert, manchmal auch zu zweit oder zu dritt auf. Es ist durchaus ungewöhnlich, dass vor allem Kinder in diesem Alter pfarrlich in Erscheinung treten. Sie kommen regelmäßig in den Gottesdienst. Sie sind auch regelmäßig beim Kirchenkaffee dabei. [...] Ich kenne sie weiters aus den Bibelgesprächen, an denen sie sich rege beteiligen. Sie beteiligen sich durch mitdenken und mitreden. [...] Sie sind immer wieder, entweder nach oder vor dem Gottesdienst, mit theologischen Fragen zu mir gekommen und wollten es wirklich genau wissen. Ich habe mich mal gefragt, wie sie auf diese Fragen kommen und bin darauf gekommen, dass sie Bibel lesen. Sie pflegen eine Urform evangelischer Frömmigkeit, Bibel lesen und beten. Wenn ich sehe wie ihre Bibel ausschauen, das sind bearbeitete Bücher. Sie holen sich, von mir wahrgenommen, Kraft von den Gebeten und den Gottesdiensten."

Während des gesamten Beschwerdeverfahrens wurde deutlich, dass sich der BF1 tatsächlich und nachhaltig aus innerer Überzeugung vom Islam abgewandt hat und zum Christentum konvertiert ist.

Auf Basis der im Verfahren dargelegten inneren Überzeugung des BF1 vom Christentum ist auch die Aussage des BF1 glaubhaft, dass er im Falle einer Rückkehr in den Iran nicht ruhig bleiben könne, sondern über das Christentum sprechen werde und etwas dafür tun werde, denn Jesus Christus meine, dass jeder Christ missionieren solle und jeden Menschen einladen solle. Diese Einstellung des BF1 ist auch deshalb nachvollziehbar, weil er bereits vor seiner Ausreise aus dem Iran seinen Familienmitgliedern das Christentum gezeigt hat, mit ihnen darüber gesprochen hat, ihr Interesse am Christentum geweckt hat und dadurch letztlich missionierend tätig war.

Nicht hinreichend nachvollziehbar ist hingegen der vom BF1 und auch von den übrigen Familienmitgliedern geschilderte Vorfall, wonach der BF1 persönliche Dokumente der Familie in der Hauskirche vergessen habe und die Hauskirche sodann entdeckt und umstellt worden sei. Zunächst erscheint es sehr unwahrscheinlich, dass die Hauskirche gerade an jenem Tag, an dem der BF1 Unterlagen dort vergessen haben will, aufgedeckt wurde. Nach den Schilderungen der Beschwerdeführer sei dieser Vorfall Anlass für eine etwa halbstündige Familienbesprechung im Park gewesen und der BF1 sowie der Sohn seien kaum zwölf Stunden später bereits in einem Flugzeug in die Türkei gesessen. Dieses Vorbringen erscheint wenig plausibel: Die iranische Regierung verlangt von allen Bürgern für Auslandsreisen Ausreisebewilligungen. Zur Ausreise aus dem Iran benötigt ein iranischer Staatsangehöriger darüber hinaus einen gültigen Reisepass und einen Nachweis über die Bezahlung der Ausreisegebühr. Einerseits erscheint es daher bereits aus organisatorischen Gründen nicht wahrscheinlich, dass eine so kurzfristige Flucht - selbst bei Kontakten zum Flughafenpersonal - möglich war. Andererseits erscheint es darüber hinaus nicht nachvollziehbar, dass es dem BF1 gelungen ist, in so kurzer Zeit (nach den Angaben der Familienmitglieder habe man das gesamte Vorgehen bei einem Treffen im Park, welches etwa eine halbe Stunde gedauert hat, beschlossen) seine ganze Familie, die im Iran ein wirtschaftlich gutes Leben geführt hat, davon zu überzeugen, dieses gesamte Leben (samt Ausbildung, Job, Freunden, Familie, Immobilie etc.) hinter sich zu lassen und - ohne ein einziges Mal zum Familienhaus zurückzukehren - das Heimatland bzw. die Heimatstadt zu verlassen. Diese gravierende Entscheidung ist insbesondere auch vor dem Hintergrund der in den Länderfeststellungen geschilderten Konsequenzen eines Hauskirchenbesuches nicht nachvollziehbar. Entsprechend den Länderfeststellungen werden in der Regel nur Organisatoren der Hauskirchen gerichtlich verfolgt, während Hauskirchenmitglieder, die zum ersten Mal festgenommen werden, normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen werden. Die Gefährdung für den BF1 war daher nicht so groß, dass eine solch diskussionslose und einstimmige Entscheidung für eine abrupte Flucht glaubhaft erscheint. Wie dem BFA war auch für das erkennende Gericht das geschilderte fluchtauslösende Ereignis als solches (Entdecken der Hauskirche, in der der BF1 Dokumente vergessen hat) nicht glaubhaft.

Die Feststellungen zur Verfolgungssituation von Christen im Iran beruhen auf dem LIB in der zitierten Fassung.

Rechtlich folgt:

Zum BF1:

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Gemäß Abs 2 kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Heimatstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Gemäß Abs 3 ist der Antrag abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht oder ein Asylauschlussgrund gesetzt wurde.

Gemäß § 2 Abs 1 Z 11 und 12 ist Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtlinie, Verfolgungsgrund ein in Art 10 Statusrichtlinie genannter Grund.

Nach Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Nach Art 9 der Statusrichtlinie (2011/95/EU) muss eine Verfolgungshandlung iSd Genfer Flüchtlingskonvention aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt oder in einer Kulminierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend sind, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist.

Unter anderem können als Verfolgung folgende Handlungen gelten:

? Anwendung physischer oder psychischer, einschließlich sexueller Gewalt,

? gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder diskriminierend angewandt werden,

? unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,

? Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,

? Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich des Art 12 Abs 2 fallen und

? Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob der Antragsteller tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

Nach den alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union bindenden normativen Vorgaben des Artikel 10 Absatz 1 b, RL 2011/95/EG, kann einem Flüchtling nicht zugesonnen werden, sich bei der Religionsausübung auf das "Forum Internum" zu beschränken, somit seinen Glauben heimlich auszuüben. Diesem muss die öffentliche Ausübung des christlichen Glaubens in Lehre, Gottesdienst und Sakramentsverwaltung möglich sein (Forum Externum)".

Der VwGH hat sich mehrfach mit drohender Verfolgung von zum christlichen Glauben konvertierten Muslimen im Iran befasst (zB. Erkenntnis vom 19.12.2001, 2000/20/0369; Ra 2014/01/0117). Danach kommt es darauf an, ob der Asylwerber bei weiterer Ausführung des inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden. Feststellungen zu behaupteten aktuell bestehenden Glaubensüberzeugung sind im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von - allfälligen - Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln (Erkenntnis des VwGH vom 23.6.2015, Ra 2014/01/0117 mwN).

Wie in den Länderfeststellungen aufgezeigt, bedeutet der Abfall vom Islam nach islamischem Verständnis einen hochverratsähnlichen Angriff auf das Staats- und Gesellschaftssystem und es ist nicht auszuschließen, dass der BF bei einer Rückkehr in den Iran dort Verfolgungshandlungen bis hin zur Todesstrafe ausgesetzt ist.

Nach den Feststellungen liegt beim B1 eine Verfestigung des christlichen Glaubens im Sinne einer inneren Konversion vor. Im Fall einer Rückkehr in den Iran könnte er als nicht geborener Christ keinerlei der jetzigen Glaubensbetätigung entsprechende Ausübung des christlichen Glaubens vornehmen, ohne mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit von im Rahmen des Artikel 1, Abschnitt A, Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention relevanten Verfolgungsmaßnahmen betroffen zu sein. Im Falle der Glaubensbetätigung in der Öffentlichkeit, wie etwa der Teilnahme an öffentlichen Gottesdiensten oder Gebeten in Gemeinschaft mit anderen oder letztlich im Falle des Versuches, andere vom Christentum zu überzeugen, würde sich der BF1 einer beachtlichen Gefahr staatlicher Willkürmaßnahmen aussetzen. Er würde daher bei Rückkehr in sein Heimatland Gefahr laufen, auf Grund seiner Religionszugehörigkeit asylrelevant verfolgt zu werden.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative ist auf Grund des Umstands, dass die Verfolgung im gesamten Staatsgebiet des Iran besteht, auszuschließen.

Da der BF1 daher den Flüchtlingsbegriff des Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention erfüllt und kein Ausschlussgrund gemäß § 6 AsylG 2005 besteht, war der Beschwerde Folge zu geben, dem BF1 der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen und gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 festzustellen, dass diesem kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Angesichts des Umstandes, dass seit der erstinstanzlichen Entscheidung mittlerweile ein Zeitraum von über einem Jahr vergangen ist, in dem sich die Beschäftigung mit der christlichen Glaubenslehre und die Ausübung des Glaubens durch den BF1 fortgesetzt und sogar intensiviert hat, kann eine nähere Auseinandersetzung mit der Argumentation des BFA, die auf einer nunmehr überholt zu betrachtenden Sachlage beruht, dahinstehen.

Zur BF2:

Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 ist aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist nach der nunmehr in Geltung stehenden Rechtslage u.a. Familienangehöriger, wer Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder Fremden ist, dem der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei den Ehegatten bereits vor der Einreise des Asylberechtigten in das Österreichische Bundesgebiet bestanden hat.

Die BF2 ist mit dem BF1 verheiratet und somit iSd. § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 Familienangehörige des BF1.

Da dem BF1 - wie oben dargelegt - der Status eines Asylberechtigten zu gewähren ist, ist dieser Status gemäß § 34 AsylG 2005 auch der BF2, bei der keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- und Ausschlussgründe vorliegt, zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war festzustellen, dass der BF2 von Gesetzes wegen die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Die Unzulässigkeit der Revision gründet auf Art. 133 Abs. 4 B-VG, wobei zur asylrechtlichen Bedeutung von Konversion allgemein und speziell bei Iranern bereits umfangreiche höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt und im Wesentlichen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen waren.

Schlagworte

Asylgewährung, asylrechtlich relevante Verfolgung, Asylverfahren,
Christentum, erhebliche Intensität, Gesamtbetrachtung,
Glaubhaftmachung, Glaubwürdigkeit, inländische Schutzalternative,
innerstaatliche Fluchtalternative, Konversion, maßgebliche
Wahrscheinlichkeit, mündliche Verhandlung, Nachvollziehbarkeit,
Religionsausübung, Religionsfreiheit, religiöse Gründe,
Unzumutbarkeit, Verfolgungsgefahr, Verfolgungshandlung, Willkür,
wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W274.2177906.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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